TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/16 W263 2158220-2

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Veröffentlicht am 16.12.2019
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Entscheidungsdatum

16.12.2019

Norm

ASVG §252
ASVG §410
AVG §68
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W263 2158220-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Christina KERSCHBAUMER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 06.04.2017, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 08.09.2015, Zl. XXXX , lehnte die Pensionsversicherungsanstalt (im Folgenden: "PVA") den zuvor gestellten Antrag des Beschwerdeführers vom 30.09.2014 auf Gewährung einer Waisenpension über das 18. Lebensjahr hinaus nach dem Verstorbenen XXXX ab, weil Erwerbsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen nicht gegeben war.

Der Bescheid vom 08.09.2015 erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

2. Mit Antrag, datiert mit 03.03.2016, begehrte der Beschwerdeführer neuerlich die Gewährung einer Waisenpension über das 18. Lebensjahr hinaus nach dem Verstorbenen XXXX .

3. Mit gegenständlichem Bescheid vom 06.04.2017 wies die PVA, gestützt auf § 68 Abs. 1 AVG, diesen Antrag auf Waisenpension wegen entschiedener Sache zurück und führte zur Begründung aus, dass der Antrag vom 30.09.2014 auf Gewährung einer Waisenpension über das 18. Lebensjahr hinaus nach dem Verstorbenen XXXX bereits rechtskräftig abgelehnt worden sei. Zusammengefasst habe sich weder in der Sachlage noch in der Rechtslage seit dieser Entscheidung eine Änderung ergeben.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer bringt darin im Wesentlichen vor, er sei der leibliche Sohn des Verstorbenen XXXX und sei bis zu 95% behindert. Diesbezüglich schicke er in der Anlage den Gesundheitsausschussbericht. Er sei arbeitsunfähig und behindert. Diese Voraussetzungen für die Gewährung einer Waisenrente oder Abfindung seien bei ihm gegeben. Jedoch habe die PVA mit Bescheid vom 08.09.2015 seinen Antrag abgelehnt, wobei er nochmals am 30.03.2016 einen Antrag gestellt und seine Behinderung angegeben habe. Dieser sei erneut mit Bescheid vom 06.04.2017 zurückgewiesen worden. Er bitte hiermit um eine neue Überprüfung der Sachentscheidung. Falls durch das Bundesverwaltungsgericht eine Untersuchung seiner Behinderung gewünscht werde, sei er gerne bereit, untersucht zu werden. Da auch seine Mutter nicht mehr am Leben sei, sei er die einzige Person, der einer Waisenpension oder eine Abfindung zustehe. Er beantrage rückwirkend ab dem Tode seines Vaters die ihm zustehende Waisenpension oder die Abfindung.

5. Die Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der PVA unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist am XXXX geboren, türkischer Staatsangehöriger und hat seinen Wohnsitz in der Türkei.

Der Beschwerdeführer beantragte mit 30.09.2014 die Gewährung einer Waisenpension über das 18. Lebensjahr hinaus nach dem Verstorbenen XXXX . Der Beschwerdeführer begründete den Antrag mit Erwerbsunfähigkeit und legte u.a. ein Gutachten des Gesundheitsausschusses vom 06.02.2014 vor. Laut Stellungnahme des chefärztlichen Bereiches vom 12.08.2015 bestand keine Erwerbsunfähigkeit. Mit Bescheid vom 08.09.2015 lehnte die PVA den zuvor gestellten Antrag des Beschwerdeführers vom 30.09.2014 auf Gewährung einer Waisenpension über das 18. Lebensjahr hinaus nach dem Verstorbenen XXXX ab, weil Erwerbsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen nicht gegeben war. Der Bescheid blieb unbekämpft.

Der Beschwerdeführer stellte einen neuerlichen Antrag auf Gewährung einer Waisenpension über das 18. Lebensjahr hinaus nach dem Verstorbenen XXXX , datiert mit 03.03.2016. Vorgelegt wurden u.a. das Gutachten des Gesundheitsausschusses vom 06.02.2014 und ein Gutachten des Gesundheitsausschusses vom 07.05.2015. Der Antrag wurde mit Bescheid der PVA vom 06.04.2017 wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unmittelbar aufgrund der unbedenklichen und unzweifelhaften Aktenlage der vorgelegten Verwaltungsakte der PVA. Der Beschwerdeführer brachte auch nicht vor, gegen den ursprünglichen Bescheid Klage erhoben zu haben. Insb. liegen im Akt die Unterlagen ein, aus welchen sich im ersten Verfahren ergab, dass keine Erwerbsunfähigkeit infolge Krankheit oder Gebrechens seit Vollendung des 18. Lebensjahr besteht.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht nur in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 und nur auf Antrag einer Partei durch einen Senat. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.2. Bei der Zurückweisung eines Leistungsantrags wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG handelt es sich um einen verfahrensrechtlichen Bescheid in Leistungssachen, der als Verwaltungssache iSd § 355 ASVG zu beurteilen ist und durch Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu bekämpfen ist (s. OGH 28.04.2015, 10 ObS 17/15w).

In diesem Sinne kommt dem Bundesverwaltungsgericht nur die Kognition über die Zulässigkeit der Zurückweisungsentscheidung des Versicherungsträgers zu, weil nur diese eine Verwaltungssache im Sinne des § 355 ASVG darstellt. Eine Entscheidung im Sinne einer Leistungsgewährung steht dem Bundesverwaltungsgericht hingegen gemäß § 354 ASVG nicht zu (s. OGH 28.04.2015, 10 ObS 17/15w, mHa BVwG 08.08.2014, W228 2007453-1; VwGH 19.10.2016, Ro 2016/12/0009).

Weiters ist Sache des Bescheidbeschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der belangten Behörde gebildet hat. Es ist also präziser formuliert die Angelegenheit zu erledigen, die von der Verwaltungsbehörde "entschieden wurde". Diese Sache bildet den äußersten Rahmen für die Prüfbefugnis. Wird diese überschritten, so nimmt das Verwaltungsgericht eine ihm nach dem Gesetz nicht zustehende Kompetenz in Anspruch (vgl. Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 28 VwGVG Rz 36 f [Stand 15.02.2017, rdb.at]).

Dem Ansinnen in der Beschwerde auf Zuerkennung einer (österreichischen) Waisenpension oder Abfindung kann seitens des Bundesverwaltungsgerichtes daher von Vornherein nicht gefolgt werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat lediglich über die gegenständliche Zurückweisungsentscheidung meritorisch zu befinden, insb. aber nicht über den zurückgewiesenen Antrag selbst (vgl. VwGH 19.10.2016, Ro 2016/12/0009).

Das Bundesverwaltungsgericht hat § 68 Abs. 1 AVG nicht unmittelbar anzuwenden, was auf Grund der Bestimmung des § 17 VwGVG, der die Anwendbarkeit u.a. des § 68 AVG durch das Verwaltungsgericht ausschließt, unzulässig wäre, sondern im Beschwerdeweg über einen verfahrensrechtlichen Bescheid der Verwaltungsbehörde lediglich nachprüfend zu beurteilen, ob die Verwaltungsbehörde § 68 Abs. 1 AVG zu Recht angewendet hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher, falls entschiedene Sache vorliegt, das Rechtsmittel abzuweisen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Rz 6/7 [Stand 01.03.2018, rdb.at]).

3.3. Nach § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Identität der Sache als eine der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 68 AVG ist nach der stRsp des Verwaltungsgerichtshofes dann gegeben, wenn sich der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt, welcher dem Vorbescheid zugrunde lag, nicht geändert hat. Bei der Beurteilung der "Identität der Sache" ist in primär rechtlicher (und nicht etwa in rein technischer oder mathematischer) Betrachtungsweise festzustellen, ob in den entscheidungsrelevanten Fakten eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Maßgeblich für die Entscheidung der Behörde ist dabei nicht nur § 68 Abs. 1 AVG und für die Berufungsbehörde im Hinblick auf ihre Entscheidungskompetenz § 66 Abs. 4 AVG (bzw. für das Verwaltungsgericht § 28 Abs. 2 und 3 erster Satz VwGVG). Vielmehr hat das Verwaltungsgericht die Identität der Sache im Vergleich mit dem im Vorbescheid angenommenen Sachverhalt im Lichte der darauf angewendeten (insb. materiell-rechtlichen) Rechtsvorschriften zu beurteilen und sich damit auseinanderzusetzen, ob sich an diesem Sachverhalt oder seiner "rechtlichen Beurteilung" (an der Rechtslage) im Zeitpunkt ihrer Entscheidung über den neuen Antrag eine wesentliche Änderung ergeben hat (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Rz 24 [Stand 1.3.2018, rdb.at]).

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt somit vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (vgl. VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235).

Dazu vertritt der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung die Auffassung, dass der Begriff "Identität der Sache" in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise beurteilt werden muss. Die Sache verliert also ihre Identität, wenn in den entscheidungsrelevanten Fakten bzw. in den die Entscheidung tragenden Normen, eine wesentliche, d.h. die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides ermöglichende oder gebietende Änderung eingetreten ist (vgl. VwGH 22.11.2004, 2001/10/0035).

Eine neue Sachentscheidung ist weiters, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen (vgl. VwGH 24.09.1992, 91/06/0113; 25.04.2007, 2004/20/0100 u.a.).

3.4. Der Antrag des Beschwerdeführers vom 30.09.2014 auf Gewährung einer Waisenpension nach seinem verstorbenen Vater wurde mit Bescheid vom 08.09.2015 rechtskräftig abgewiesen, weil Erwerbsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen nicht gegeben war.

In der Folge stellte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf Gewährung einer Waisenpension nach seinem verstorbenen Vater, datiert mit 03.03.2016, in welchem er wiederum seine Erwerbsunfähigkeit wegen "Behinderung" ins Treffen führte.

Es ist keine Änderung der Rechtslage eingetreten. Die entscheidungsrelevante Bestimmung ist § 252 ASVG, die in der nach wie vor geltenden Fassung mit 01.07.2014 in Kraft getreten ist; auch sonst liegt keine maßgebliche Änderung der Rechtslage vor.

Soweit der Beschwerdeführer wiederum "Gesundheitsausschussberichte" vorgelegte, ist folgendes auszuführen: Das Gutachten des Gesundheitsausschusses vom 06.02.2014 war bereits Teil der Beurteilung des vorangegangenen Verfahrens, sodass keine geänderte Sachlage nachgewiesen werden konnte. Das Gutachten des Gesundheitsausschusses vom 07.05.2015 ist sowohl im Zeitpunkt der chefärztlichen Stellungnahme als vor allem auch im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 08.09.2015 bereits vorgelegen und damit von der Rechtskraft des Bescheides umfasst.

Es liegt daher weder eine Änderung der Rechtslage noch der Sache vor, sodass die Entscheidung der Behörde insofern zutreffend ist, als sie das Vorliegen einer entschiedenen Sache bejaht.

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Identität der Sache, Prozesshindernis der entschiedenen Sache,
Waisenrente

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W263.2158220.2.00

Zuletzt aktualisiert am

05.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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