TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/23 I408 2194117-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.07.2019
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Entscheidungsdatum

23.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I408 2194117-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA. IRAK, vertreten durch Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte-GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, RD Salzburg vom 23.02.2018, Zl. 1094873401-151777618, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise am 15.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er damit begründete, dass in seinem Dorf die IS präsent sei und er Angst habe, von diesen getötet zu werden. Die IS haben in seinem Dorf alles zerstört und Menschen getötet.

2. Am 20.12.2017 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde einvernommen. In dieser Einvernahme gab der Beschwerdeführer als Fluchtgrund seine sexuelle Orientierung an. So sei die sexuelle Beziehung zu seinem Freund XXXX entdeckt worden und aus Furcht um sein Leben, habe er noch am selben Tag das Land verlassen.

3. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 23.02.2018, zugestellt am 26.02.2018, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage (Spruchpunkt VI.). 4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 26.03.2018.

5. Am 19.06.2019 (im Verfahrensprotokoll ist irrtümlich der 13.05.2019 ausgewiesen) führte das Bundesverwaltungsgericht im Beisein des Beschwerdeführers und seiner damaligen Rechtsvertretung eine mündliche Verhandlung durch, in der das Erkenntnis mündlich verkündet wurde.

6. Mit Schreiben vom selben Tag beantragte der Beschwerdeführer die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.

7. Am 11.07.2019 erfolgte die Bekanntgabe der neuen Rechtsvertretung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos, Staatsangehöriger von Irak und stammt aus XXXX. Er gehört der Volksgruppe der Kurden an, ist Moslem, bezeichnet sich selbst aber nicht als gläubig. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Vom 05.03.2019 bis 05.04.2019 war der Beschwerdeführer wegen offener TBC in stationärer Behandlung und verblieb bis Ende Juni 2019 im Krankenstand.

Der Beschwerdeführer reiste legal mit gültigem Reisedokument aus dem Irak in die Türkei und gelangte schlepperunterstützt nach Österreich. Er hält sich seit zumindest seit seiner Antragstellung am 15.11.2015 in Österreich auf.

Die Familie des Beschwerdeführers bestehend aus Eltern und fünf Geschwister, sowie weiteren Onkeln und Tanten samt Familien lebt im Irak.

Der Beschwerdeführer besuchte im Irak 10 Jahre die Schule und arbeitete anschließend als selbständiger Motorrad-Mechaniker. Aufgrund seiner Arbeitserfahrung im Irak hat er eine Chance auch hinkünftig im irakischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht vorbestraft.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich einen Deutschkurs Niveau A1 besucht, ist in der Lage sich auf bescheidenem Niveau auf Deutsch auszudrücken, ist privat untergebracht und hat einen österreichischen Führerschein erworben. Schon früh war er bestrebt, Arbeit zu finden bzw. auf eigenen Beinen zu stehen. So war er vom 19.12.2016 bis 16.03.2017 als Arbeitslehrling und vom 09.11.2017 bis 16.04.2018 und ab 08.11.2018 als Arbeiter im Gastgewerbe tätig. Aufgrund seiner Tbc-Erkrankung war er ab 19.02.2019 als arbeitsunfähig gemeldet und hat mit 01.07.2019 in einem Hotel wieder eine neue Beschäftigung als Abwäscher gefunden. In den letzten Monaten hat er um die € 1.170, -- netto ins Verdienen gebracht und ist als selbsterhaltungsfähig anzusehen.

Vertiefende Integrationsbemühungen in Bezug auf soziale oder kulturelle Aktivitäten konnten nicht festgestellt werden. In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Entgegen seinem Fluchtvorbringen kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner sexuellen Orientierung bzw. nach Bekanntwerden seiner Beziehung zu einem Freund aufgrund der Verfolgung durch seine Familie oder der Familie des Freundes den Irak verlassen musste.

Der Beschwerdeführer hat den Irak aus anderen Gründen, als auf wohlbegründeter Furcht aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verlassen. Ein konkreter Anlass für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte beschwerdegegenständlich nicht festgestellt werden.

Im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat Irak wird der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt sein. Es liegen auch keine sonstigen Gründe vor, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat Irak entgegenstünden.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage im Irak:

Wie aus den aktuellen Länderberichten (Stand 09.04.2019) und den dort angeführten Quellen zu entnehmen ist, hat sich die Sicherheitslage im Irak zuletzt stabilisiert, insbesondere innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya. Auch wenn sich der Irak nur langsam vom Terror des IS und seinen Folgen erholt, sollten sich die Wachstumsaussichten dank der allmählichen Belebung der Investitionen für den Wiederaufbau verbessern. Somit scheint sich das Land nach langen Jahren bewaffneter Auseinandersetzungen wieder in Richtung einer gewissen Normalität zu bewegen.

Eine in den Irak zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen und die über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt, wird trotz der wirtschaftlichen noch immer angespannten Lage durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

Eine reale Gefahr einer Verletzung einer durch Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK geschützten Rechte oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Beschwerdeführers als Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes im Irak ist nicht gegeben.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in die Beschwerde und in den angefochtenen Bescheid, in den vorgelegten Verwaltungsakt unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zum Irak mit Stand 09.04.2019 sowie durch Befragung des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 19.06.2019.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand, seiner Arbeitsfähigkeit, seiner Herkunft, seiner Glaubens- und Volkszugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf den Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund der bei der Einvernahme vor der belangten Behörde vorgelegten Urkunden (AS 263) zweifelsfrei fest.

Dass der Beschwerdeführer gesund und arbeitsfähig ist, basiert auf seinen diesbezüglich glaubhaften Aussagen in der mündlichen Verhandlung und aufgrund der vorgelegten medizinischen Unterlagen und der Einstellungszusage mit 01.07.2019. Seine TBC-Erkrankung, der damit verbundene stationäre Aufenthalt im März 2019 und die erfolgte Kranschreibung bis Ende Juni 2019 ergeben sich ebenfalls aus den vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen.

Die Feststellungen zur Einreise des Beschwerdeführers und zum Beginn seines Aufenthalts in Österreich beruhen auf seinen Aussagen im Zuge der Erstbefragung am 15.11.2019 (AS 3), vor der belangten Behörde am 20.10.2017 (AS 211) und vor dem Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 19.06.2019.

Die Feststellungen zur im Irak lebenden Familie des Beschwerdeführers basieren auf seinen Angaben im Zuge des gegenständlichen Verfahrens. Dass er in Österreich über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen verfügt, geht aus seiner diesbezüglichen Aussage im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 19.06.2019 hervor.

Ebenso beruhen die Feststellungen zu seinem Bildungs- und Berufswerdegang auf den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Einvernahme vor der belangten Behörde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Danach steht zweifelsfrei fest, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner erlernten Profession als Moped-Mechaniker im Irak Erfahrungen am Arbeitsmarkt sammeln konnte und damit auch hinkünftig eine Chance hat, im irakischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht vorbestraft ist, beruht auf dem vom Bundesverwaltungsgericht erhobenen Strafregisterauszug.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich seit Dezember 2016 im Gastgewerbe Arbeit findet, in dieser Zeit eine gültige Lenkerberechtigung erworben hat und über eigenes Einkommen in Höhe von zuletzt monatlich € 1.170, -- netto verfügt und damit selbsterhaltungfähig ist, ist über die von ihm vorgelegten AMS-Bescheide, Lohnbestätigungen aber auch vom Gericht eingeholte SV-Auszüge belegt.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer, abgesehen von seinen beruflichen Aktivitäten kaum tragende Integrationsmerkmale aufweist, alleinstehend ist, über keine maßgeblichen private oder soziale Kontakte verfügt und seine Deutschkenntnisse auf Niveau A1 als bescheiden anzusehen sind, ergibt sich aus seinen Angaben und dem vom Bundesverwaltungsgericht gewonnenen persönlichen Eindruck im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 19.06.2019, wo er ankündigte, zur Verbesserung seiner Sprachkompetenzen einen Deutschkurs A2 besuchen zu wollen.

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer im Irak weder aufgrund seiner politischen oder religiösen Einstellung, noch aufgrund seiner sozialen Herkunft, seiner Rasse, seiner Nationalität oder seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt wird und er insbesondere auch nicht aufgrund seiner sexuellen Orientierung von seiner Familie bzw. dem Vater seines Freundes verfolgt wird, ergibt sich aus einer Gesamtbetrachtung der Aussagen des Beschwerdeführers im Administrativverfahren und in der mündlichen Verhandlung am 19.06.2019.

Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers erweist sich als unglaubhaft. Für die Glaubhaftigkeit eines Vorbringens spricht, wenn das Vorbringen genügend substantiiert ist. Das Erfordernis der Substantiierung ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen. Zudem muss das Vorbringen, um als glaubhaft zu gelten, in sich schlüssig sein. Der Asylwerber darf sich nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen. Ferner muss das Vorbringen plausibel sein, d.h. mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen. Das wird dann nicht der Fall sein, wenn er wichtige Tatsachen verheimlicht oder bewusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens das Vorbringen auswechselt oder unbegründet einsilbig und verspätet erstattet.

So wird die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers vor allem dadurch schwer belastet, dass er bei seiner Ersteinvernahme am 15.11.2015 seinen Antrag auf internationalen Schutz - den damaligen Verhältnissen im Irak entsprechend - ausschließlich mit der Bedrohung durch den IS begründete und zur Untermauerung seines Vorbringens ausführte: "Die ISIS haben in meinem Dorf (XXXX) alles zerstört (Häuser u. dgl.) und auch schon Menschen getötet" (AS 11) und zu dieser Fluchtgeschichte auch seinen Fluchtweg anpasste. "Von XXXX aus mit einem Pkw nach Erbil und von dort mit einem Flugzeug nach Istanbul..." (AS 9).

Zwei Jahre später, bei der Einvernahme durch die belangte Behörde war die Bedrohung durch den IS kein Thema, sondern nur mehr seine sexuelle Orientierung, deren zufälliges Entdecken über einschlägige Bilder und Videos auf dem Handy seines Freundes innerhalb von Stunden zur Flucht des Beschwerdeführers in die Türkei (Flug nach Istanbul) führte.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass die Erstbefragung nicht der Erörterung der Fluchtgründe dient, es ist aber davon auszugehen, dass ein Schutzsuchender, der einen langwierigen, anstrengenden und letztendlich auch schlepperunterstützen und damit kostspieligen Weg auf sich nimmt, von Anbeginn die essentiellen Bestandteile seiner Fluchtgeschichte stringent und widerspruchsfrei vorbringt.

Nicht umsonst obliegt es einem Asylwerber, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde bzw. das Gericht muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.

Derart divergierende Fluchtvorbringen, wie im gegenständlichen Fall, sind weder durch Stress noch durch mangelhafte Dolmetscherleistungen zu erklären. Sie stellen nur untaugliche Versuche dar, über eine konstruierte und nicht erlebte Fluchtgeschichte eine Aufenthaltsberechtigung zu erlangen. Unabhängig davon wurden dem Beschwerdeführer seine Angaben unmittelbar nach seiner Ersteinvernahme rückübersetzt und von ihm in dieser Form bestätigt.

Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ist es dem Beschwerdeführer letztendlich nicht gelungen, die beiden fluchtauslösenden Ereignisse durch eine widerspruchsfreie, klare und nachvollziehbare Schilderung glaubhaft zu beschreiben.

Der fluchtauslösende Vorfall am 06.11.2019 (Anrufe des Vaters seines Freundes XXXX sowie seines eigenen Vaters) wird weiterhin emotionslos und faktenarm geschildert. Nur aufgrund von Telefonaten mit dem Vater von XXXX, seinem Vater und seinem Bruder wird der binnen Stunden der Ausreisebeschluss gefasst und die entsprechenden finanziellen Mittel sowie eine legale Ausreise mit Flugzeug organisiert. Trotz der Tabuisierung und Ächtung von Homosexualität in der Gesellschaft bzw. im Familienkreis des Beschwerdeführers unternimmt der Bruder des Beschwerdeführers alles, um diesem die Ausreise zu ermöglich. Weder das Schicksal des Partners, bei dem die kompromittierenden Bilder bzw. Fotos gefunden worden sind, noch des Bruders, der in Kenntnis der Reaktion des Vaters, den Beschwerdeführer zu töten, diesen unterstützt, spielt am Tag der Ausreise weder emotional noch faktisch eine Rolle. Es wird nicht einmal der Versuch gestartet, darüber etwas zu erfahren oder den Freund telefonisch zu erreichen. In der Zusammenschau dieser Ereignisse erweist sich die - nach zwei Jahren - neu vorgebrachte Fluchtgeschichte weder als plausibel noch real erlebbar.

Unabhängig davon, dass der fluchtauslösende Vorfall als unglaubhaft angesehen wird, haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte für eine homosexuelle Neigung des Beschwerdeführers ergeben. So hat sich die belangte Behörde in der Einvernahme des Beschwerdeführers am 20.12.2017 ausführlich mit der von ihm (nachträglich) behaupteten Homosexualität auseinandergesetzt (AS 216 bis 218). Wenn in der Beschwerde die mangelhafte Befragung durch die belangte Behörde moniert wird, ist dem entgegenzuhalten, dass sämtliche Details, die dazu in der Beschwerde angeführt sind, bereits in dieser Einvernahme erörtert worden sind. Auch in der mündlichen Verhandlung am 19.06.2019 brachte der Beschwerdeführer zu seiner sexuellen Orientierung nichts Essentielles vor. Er wiederholte den Tagesablauf, der den Beschwerdeführer zur Ausreise veranlasste und auf die Frage, wie und wann er seine sexuelle Orientierung erkannt habe, wiederholte er mit der zusammengefassten Aussage: "mit 14 oder 15 habe ich diese sexuelle Orientierung bekommen" sein, bereits im Bescheid der belangten Behörde als vage und unbestimmt angesehenes Vorbringen. In Österreich lebte der Beschwerdeführer weder seine sexuelle Neigung aus noch bestand bisher eine homosexuelle Beziehung, sodass im Hinblick auf sein unglaubwürdiges Fluchtvorbringen auch nicht von einer Homosexualität beim Beschwerdeführer auszugehen ist.

Für den erkennenden Richter handelt es sich sowohl bei der zunächst vorgebrachten Verfolgung durch IS als auch bei der nachträglich angeführten, im Irak nach wie vor gesellschaftlich tabuisierte Homosexualität um vorgetäuschte bzw. erfundene Fluchtgeschichten. Eine Verfolgung von staatlichen und/oder privaten Gruppen aus politischen, rassischen, religiösen Gründen oder aus Gründen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ist damit mangels Glaubhaftmachung durch den Beschwerdeführer nicht gegeben.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat stützen sich auf den aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für den Irak samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der dort angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstandes, dass diese Feststellungen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Die sich auf dieser Basis ergebende deutliche Entspannung der Sicherheitslage und der allgemeinen Lage im Irak sowie der damit verbundenen Besserung der humanitären und wirtschaftlichen Lage wurde in der mündlichen Verhandlung sowohl mit dem Beschwerdeführer als auch mit seiner damals bevollmächtigten Rechtsvertretung erörtert und blieben unwidersprochen.

Dem Beschwerdevorbringen in Bezug auf die Gefahren bei Homosexualität kommt, wie schon unter Pkt. 2.3. ausgeführt, keine Entscheidungsrelevanz zu.3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Wie in der Beweiswürdigung unter Pkt. 2.3 ausgeführt, ist beiden, vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtvorbringen kein Glauben zu schenken.

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben.

3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102; 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 mwH). Im Sinne einer mit der Statusrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) konformen Auslegung des § 8 Abs 1 AsylG ist subsidiärer Schutz nur zu gewähren, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass er bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich Gefahr liefe, eine der drei in Art 15 der Statusrichtlinie definierten Arten eines ernsthaften Schadens (Todesstrafe oder Hinrichtung [lit. a], Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat [lit b] und ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts [lit c]) zu erleiden (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 mit Verweis auf die dort zitierte Rechtsprechung des EuGH).

Die Voraussetzungen nach Art 15 lit. c der Statusrichtlinie sind gegeben, wenn es sich erstens um eine Schadensgefahr allgemeinerer Art handelt - der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad der Gewalt hat ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder Region Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (EuGH 17.02.2009, C-465/07, Elgafaji, Rn 35). Zweitens muss diese Situation ausnahmsweise als ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit der subsidiären Schutz beantragenden Person anzusehen sein (vgl EuGH 17.02.2009, C-465/07, Elgafaji, Rn 37 und 39 ua).

Die Voraussetzungen nach Art 15 lit. b Statusrichtlinie für einen ernsthaften Schaden in Form von Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat erfordern dessen Verursachung durch das Verhalten Dritter (Akteure). Sind solche Schäden Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsstaat, ist dagegen subsidiärer Schutz nicht zu erteilen (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 unter Berufung auf die dort zitierte Rechtsprechung des EuGH). Der Umstand, dass der Beschwerdeführer aus Gründen des Art 3 EMRK nicht abgeschoben werden kann, bedeutet hingegen nicht, dass ihm subsidiärer Schutz zu gewähren ist (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 mHa EuGH 18.12.2014, C-542/13, M'Bodj).

Der Beschwerdeführer bzw. dessen Leben und dessen Unversehrtheit sind nicht infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bedroht. Art 15a bzw. c der Statusrichtlinie sind nicht erfüllt.

Nach der oben zitierten Rechtsprechung des EuGH, der für die Auslegung des Unionsrechts zuständig ist, ist es für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des Art. 15 b der Statusrichtlinie erforderlich, dass der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten (Akteuren) verursacht werden muss oder von einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt ausgeht. Nicht umfasst ist dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführenden Verletzung von Art. 3 EMRK.

Eine Gefahr einer Art. 3 EMRK Verletzung durch das konkrete Handeln (auch im Sinne von Unterlassungshandlungen) dritter Personen kann, wie unter Spruchpunkt 2.3. bereits dargelegt, nicht festgestellt werden.

Damit erweist sich die Beschwerde, soweit sie sich gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides richtet, als unbegründet, weshalb die Beschwerde diesbezüglich abzuweisen war.

3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides)

Gemäß § 58 Abs 1 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5). Gemäß § 58 Abs 2 AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgter Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs 3 AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).

Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs 1 Z 3 AsylG. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.

Die Beschwerde war auch hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

Das vorliegende Asylverfahren erreichte, gerechnet von der Antragstellung am 15.11.2015 zwar eine gewisse, auch auf - dem Beschwerdeführer nicht zuzurechnende - Verzögerungen zurückgehende Dauer. Der knapp 4-jährige Jahren andauernde Aufenthalt des BF beruhte dessen ungeachtet auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb dieser während der gesamten Dauer des Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen durfte, dass er sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann.

Ein schützenswertes Familienleben führt der Beschwerdeführer in Österreich nicht. Zu prüfen wäre daher ein etwaiger Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers. Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff).

Die Bereitschaft des Beschwerdeführers, in Österreich beruflich Fuß zu fassen und eigenständig für seinen Lebensunterhalt zu sorgen ist gegeben. Seit Ende 2016 ist er im Gastgewerbe tätig, ist selbsterhaltungfähig und hat im Bundesgebiet eine Lenkerberechtigung erworben. Seine Deutschkenntnisse sind bewegen sich auf Niveau A1 und es haben sich, neben seiner beruflichen Tätigkeit und den damit verbundenen Kontakten, keine weiteren Integrationsbemühungen, in Form einer aktiven Teilnahme am sozialen bzw. kulturellen Leben in Österreich ergeben.

Somit besteht dadurch keine derartige Verdichtung seiner persönlichen Interessen, dass bereits von "außergewöhnlichen Umständen" gesprochen werden kann und ihm schon deshalb unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK ein dauernder Verbleib in Österreich ermöglicht werden müsste.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. etwa VwGH 25.4.2018, Ra 2018/18/0187; 6.9.2017, Ra 2017/20/0209; 30.8.2017, Ra 2017/18/0070 bis 0072; 20.6.2017, Ra 2017/22/0037, jeweils mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem mehrfach darauf hingewiesen, dass es im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 28.2.2019, Ro 2019/01/0003, mwN).

Das Gewicht seiner privaten Interessen wird daher dadurch gemindert, dass sie in einem Zeitpunkt entstanden, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war (vgl VwGH 19.02.2009, 2008/18/0721; 30.04.2009, 2009/21/0086; VfSlg. 18.382/2008 mHa EGMR 24.11.1998, 40.447/98, Mitchell; EGMR 11.04.2006, 61.292/00, Useinov).

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht straffällig geworden ist, bewirkt keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112).

Darüber hinaus sind keine weiteren maßgeblichen Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass dem Recht auf Familien- und Privatleben dem Beschwerdeführer in Österreich im Verhältnis zu den legitimen öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung eine überwiegende und damit vorrangige Bedeutung zukommen würde.

Auch der Verfassungsgerichtshof erblickte in einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen einen kosovarischen (ehemaligen) Asylwerber keine Verletzung von Art. 8 EMRK, obwohl dieser im Laufe seines rund achtjährigen Aufenthaltes seine Integration u.a. durch gute Kenntnisse der deutschen Sprache, Besuch von Volkshochschulkursen in den Fachbereichen Rechnen, Computer, Deutsch, Englisch, Engagement in einem kirchlichen Verein, erfolgreiche Kursbesuche des Ausbildungszentrums des Wiener Roten Kreuzes und ehrenamtliche Mitarbeit beim Österreichischen Roten Kreuz sowie durch die Vorlage einer bedingten Einstellungszusage eines Bauunternehmers unter Beweis stellen konnte (VfGH 22.09.2011, U 1782/11-3, vgl. ähnlich auch VfGH 26.09.2011, U 1796/11-3).

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen. Überdies würde dies dazu führen, dass Fremde, die die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beachten, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, die ihren Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich durch ihre illegale Einreise und durch die Stellung eines unbegründeten oder sogar rechtsmissbräuchlichen Asylantrages erzwingen, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (zum allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, vgl VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007; vgl. dazu auch das Erkenntnis VfSlg 19.086/2010, in dem der Verfassungsgerichtshof auf dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Bezug nimmt und in diesem Zusammenhang explizit erklärt, dass "eine andere Auffassung sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen würde.")

Das Bundesverwaltungsgericht kann aber auch sonst keine unzumutbaren Härten in einer Rückkehr des Beschwerdeführers erkennen:

Insbesondere beherrscht die Beschwerdeführer die Sprache seines Herkunftsstaates, sodass auch eine Resozialisierung und die (Wieder)Aufnahme einer Erwerbstätigkeit an keiner Sprachbarriere scheitert und von diesem Gesichtspunkt her möglich ist. Im Hinblick auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer den überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht hat, seine Familie im Irak, ist davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen. Es kann daher nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer seinem Kulturkreis völlig entrückt wäre und sich in seiner Heimat überhaupt nicht mehr zurechtfinden würde. Im Übrigen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz - letztlich auch als Folge des Verlassens des Heimatlandes ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055). In diesem Zusammenhang ist auch auf das Erkenntnis des VwGH vom 28.2.2019, Ro 2019/01/0003 zu verweisen, wonach eine Lehre in einem Mangelberuf nicht bereits ihrerseits als besonderes öffentliches Interesse zu berücksichtigen ist.

Angesichts der - somit in ihrem Gewicht erheblich geminderten - Gesamtinteressen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich überwiegen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich neben den gefährdeten Sicherheitsinteressen insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf (vgl. dazu im Allgemeinen und zur Gewichtung der maßgeblichen Kriterien VfGH 29.9.2007, B 1150/07).

3.5. Zum Ausspruch, dass die Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.):

Gemäß § 52 Abs 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Im vorliegenden Fall liegen keine Gründe vor, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß § 50 Abs 1 FPG unzulässig wäre.

Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des § 50 Abs 2 FPG, da dem Beschwerdeführer keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Ganz allgemein besteht in Nigeria derzeit keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPEMRK) ausgesetzt wäre.

Das Vorliegen akuter und schwerwiegender Erkrankungen, welche im Irak nicht behandelbar wären und im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat allenfalls zu einer Überschreitung der hohen Eingriffsschwelle des Art. 3 EMRK führen könnten, wurde weder behauptet noch bot sich dafür im Beschwerdefall ein Anhaltspunkt.

Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak erfolgte daher zu Recht.

Die Beschwerde erweist sich daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes V. des angefochtenen Bescheides als nicht berechtigt.

3.6. Frist zur freiwilligen Ausreise (Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 55 Abs 1 FPG wird mit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt gemäß § 55 Abs 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer nichts vorgebracht, was auf solche "besonderen Umstände" iSd § 55 Abs 2 FPG schließen ließen. Weder aus dem Verwaltungsakt noch in der mündlichen Verhandlung sind Umstände hervorgekommen, die als "besondere Umstände" iSd § 55 Abs 2 FPG zu werten wären. Daher traf die belangte Behörde zu Recht den Ausspruch, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage beträgt.

Die Beschwerde erweist sich daher zu Spruchpunkt V. als unbegründet.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Abschiebung, Asylantragstellung, asylrechtlich relevante Verfolgung,
Asylverfahren, Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz,
Aufenthaltstitel, begründete Furcht vor Verfolgung,
berücksichtigungswürdige Gründe, Bürgerkrieg, bürgerkriegsähnliche
Situation, erhebliche Intensität, Fluchtgründe, freiwillige
Ausreise, Frist, Glaubhaftmachung, Glaubwürdigkeit,
Interessenabwägung, maßgebliche Wahrscheinlichkeit, mündliche
Verhandlung, Nachvollziehbarkeit, öffentliche Interessen, Privat-
und Familienleben, private Interessen, real risk, reale Gefahr,
Rückkehrentscheidung, subsidiärer Schutz, Unzumutbarkeit,
Verfolgungsgefahr, Verfolgungshandlung, wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I408.2194117.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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