TE Bvwg Beschluss 2019/11/29 W241 2225161-1

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Veröffentlicht am 29.11.2019
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Entscheidungsdatum

29.11.2019

Norm

AsylG 2005 §35 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W241 2225161-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hafner als Einzelrichter nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 24.09.2019, Islamabad-ÖB/KONS/0458/2019, aufgrund des Vorlageantrags des mj. XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gesetzlich vertreten durch XXXX , vertreten durch das Österreichische Rote Kreuz, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 19.08.2019 beschlossen:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben, der

bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) stellte am 18.02.2019 bei der Österreichischen Botschaft Islamabad (im Folgenden: ÖB Islamabad) einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG. Er gab an, der minderjährige Sohn von XXXX , geb. XXXX , StA Afghanistan, zu sein. Diesem wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.09.2014, W151 1423538-1, der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Die Ehefrau von XXXX (und angebliche Mutter des BF), XXXX , geb. XXXX , der gemeinsame Sohn XXXX , geb. XXXX , und die gemeinsame Tochter XXXX , geb. XXXX , leben ebenfalls in Österreich, ihnen wurde im Familienverfahren der Status von Asylberechtigten zuerkannt.

2. Mit Erledigung vom 01.04.2019 wurde seitens des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mitgeteilt, dass die Gewährung des Status subsidiär Schutzberechtigter oder Asylberechtigter nicht wahrscheinlich sei, da der BF die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG nicht erfüllte. Weiters liege aufgrund der langen Trennung kein Familienleben iSd Art. 8 EMRK vor.

3. Mit Schreiben vom 23.04.2019 wurde dem BF die Möglichkeit zur Stellungnahme (Parteiengehör) zur Mitteilung des BFA eingeräumt.

4. In der Stellungnahme vom 30.04.2019 wurden Ausführungen zur Erfüllung der Voraussetzungen nach § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG getroffen. Zum Familienleben wurde unter anderem ausgeführt, dass sich der BF im Sommer 2014 von seiner Familie "in Richtung Iran" getrennt und bis Juni 2018 kein Kontakt mit ihm bestanden habe. Nach Wiederherstellen des Kontakts sei die Bezugsperson nach Pakistan gereist, um den BF zu treffen und ihn zu Verwandten nach Afghanistan zu schicken. Daraufhin habe sie sich an das Rote Kreuz für eine Familienzusammenführung gewandt.

5. Das BFA teilte nach Befassung mit dieser Stellungnahme in einer E-Mail-Nachricht vom 13.06.2019 mit, dass die negative Entscheidung aufrecht bleibe.

6. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 08.07.2019 verweigerte die ÖB Islamabad die Erteilung des Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG. Begründend wurde auf die Mitteilung des BFA vom 01.04.2019 verwiesen.

7. Gegen den Bescheid richtet sich die am 05.08.2019 eingebrachte Beschwerde, in welcher im Wesentlichen das Vorbringen in der Stellungnahme vom 30.04.2019 wiederholt wurde.

8. In der Folge erließ die ÖB Islamabad am 24.09.2019 eine Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG, mit welcher die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG abgewiesen wurde. Die Behörde gründete ihre Entscheidung im Wesentlichen auf das Vorliegen der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA, welche auch nach Einräumung von Parteiengehör zum allein wesentlichen Umstand der fehlenden Angehörigeneigenschaft im Verfahren aufrecht geblieben sei. Unabhängig von der Bindungswirkung der Wahrscheinlichkeitsprognose teile die ÖB die Ansicht des BFA. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG seien (mit näherer Begründung) nicht erfüllt. Auch der Verweis auf Art. 8 EMRK sei verfehlt, da in Fällen, in denen die Voraussetzungen des § 35 nicht erfüllt seien, auf die Möglichkeit der Familienzusammenführung nach anderen Bestimmungen zu verweisen sei.

10. Dagegen brachte der BF am 08.10.2019 einen Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG ein.

11. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres, eingelangt am 07.11.2019, wurde dem Bundesverwaltungsgericht der gegenständliche Verwaltungsakt übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Behebung der Bescheide und Zurückverweisung:

1. § 34 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017 lautet:

"(1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."

§ 35 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:

"(1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat."

§ 60 Abs. 2 Z 1-3 AsylG idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:

"Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen

§ 60 (1) ...

(2) Aufenthaltstitel gemäß § 56 dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn

1. der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,

2. der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,

3. der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und

(3) ..."

§ 75 Abs. 24 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 lautet:

"(24) Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 zuerkannt wurde und auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, sind die §§ 2 Abs. 1 Z 15, 3 Abs. 4 bis 4b, 7 Abs. 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden. Für diese Fremden gilt weiter § 2 Abs. 1 Z 15 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016. §§ 17 Abs. 6 und 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 sind auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden. Auf Verfahren gemäß § 35, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Handelt es sich bei einem Antragsteller auf Erteilung des Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 um den Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 rechtskräftig zuerkannt wurde, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 nicht zu erfüllen, wenn der Antrag auf Erteilung

des Einreisetitels innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 gestellt wurde. § 22 Abs. 1 gilt für Verfahren, die mit Ablauf des 31. Mai 2018 bereits anhängig waren, auch noch nach dem 31. Mai 2018 weiter."

§ 11 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:

"Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art. 9 Abs. 1 erster Satz und Art. 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung sind auch die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist anzugeben.

...

§ 11a Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 68/2013 lautet:

"Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt."

§ 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG lautet wie folgt:

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

§ 13 Abs. 4 BFA-VG lautet:

(4) Gelingt es einem Fremden nicht, ein behauptetes Verwandtschaftsverhältnis, auf das er sich in einem Verfahren vor dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht oder in einem Verfahren gemäß § 35 AsylG 2005 beruft, durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen, so hat ihm das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht auf sein Verlangen und auf seine Kosten die Vornahme einer DNA-Analyse zu ermöglichen. Der Fremde ist über diese Möglichkeit zu belehren. Das mangelnde Verlangen des Fremden auf Vornahme einer DNA-Analyse ist keine Weigerung des Fremden, an der Klärung des Sachverhaltes mitzuwirken. Im weiteren Verfahren darf nur die Information über das Verwandtschaftsverhältnis verarbeitet werden; allenfalls darüber hinaus gehende Daten sind zu löschen. Das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht hat dem Fremden die Kosten der DNA-Analyse auf Antrag zu erstatten, wenn das behauptete Verwandtschaftsverhältnis durch das auf der DNA-Analyse beruhende Gutachten festgestellt wurde und sich der Fremde im Bundesgebiet aufhält.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152 uvam).

Mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, wurde in § 9 Abs. 3 FPG jedoch für Fremde (ohne Unterschied) die Möglichkeit geschaffen, gegen ablehnende Entscheidungen der österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten Beschwerde an das BVwG zu erheben; dies gilt auch für die Ablehnung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG. Das Gesetz sieht nun ein geschlossenes Rechtsschutzsystem vor, in dem das Zusammenwirken zweier Behörden (der unmittelbaren Bundesverwaltung), wie es in § 35 Abs. 4 AsylG angeordnet wird, vor einem gemeinsamen, zuständigen Verwaltungsgericht, nämlich dem BVwG, angefochten und dort überprüft werden kann. Dabei steht es dem BVwG offen, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, was voraussetzt, dass das BFA seine Mitteilung auch entsprechend begründet und dem Antragsteller Gelegenheit geboten wird, davon Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung nehmen zu können. Wird dieses Parteiengehör nicht gewährt, könnte einem bestreitenden Vorbringen des Antragstellers in der Beschwerde an das BVwG gegen eine abweisende Entscheidung in Bezug auf den Einreisetitel nach § 35 AsylG das Neuerungsverbot nach § 11a Abs. 2 FPG nicht entgegengehalten werden (vgl. auch VwGH vom 04.08.2016, Ra 2016/21/0083 bis 0086-12).

Der VfGH hat in seiner jüngeren Rechtsprechung bereits wiederholt gefordert, im Visaverfahren nach § 35 AsylG auch die Einhaltung des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen und sicherzustellen (vgl. insbesondere auch VfGH vom 06.06.2014, B 369/2013, und vom 23.11.2015, E 1510- 1511/2015-15).

2. Im gegenständlichen Fall ging die Behörde davon aus, dass der BF die Voraussetzungen des § § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG nicht erfülle. Es wurde jedoch unterlassen, die Grundvoraussetzung für die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG, nämlich die Familienangehörigeneigenschaft und Minderjährigkeit des BF, zu klären. Aus der Aktenlage ergeben sich für das erkennende Gericht nämlich erhebliche Zweifel an Richtigkeit und Plausibilität der Angaben. Dies aus folgenden Gründen:

Der angebliche Vater des BF stellte im Februar 2011 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. In der Folge wurde ihm am 23.09.2014 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Die angebliche Mutter des BF und dessen jüngerer Bruder stellten am 26.06.2015 Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln nach § 35 AsylG, welche am 15.07.2015 erteilt wurden. Nach Einreise wurde ihnen der Status von Asylberechtigten im Familienverfahren zuerkannt. Im gegenständlichen Verfahren wurde nicht dargelegt, weshalb der minderjährige BF nicht im Jahr 2015 gemeinsam mit Mutter und Bruder nach Österreich reiste, sondern erst knapp vier Jahre später den gegenständlichen Einreiseantrag stellte. In der Stellungnahme vom 30.04.2019 wurde hierzu lediglich angegeben, dass der BF sich im Sommer 2014 von seiner Familie "in Richtung Iran" getrennt habe und bis Mitte 2018 kein Kontakt mehr zu ihm bestanden habe. Im Sommer 2014 war der BF jedoch, die Richtigkeit seines Geburtsdatums vorausgesetzt, erst zehn Jahre alt. Weshalb sich der BF von seiner Mutter und seinem Bruder "getrennt" und das Land verlassen habe, wurde weder in der Stellungnahme noch im weiteren Verfahren erläutert. Es wurde auch in keiner Weise dargelegt, weshalb die Familie den Kontakt zu dem minderjährigen BF verloren und wo er sich in den vergangenen fünf Jahren seit der Ausreise von Mutter und Bruder nach Österreich aufgehalten habe. Es kann daher vom erkennenden Gericht aufgrund der Aktenlage nicht festgestellt werden, ob es sich beim BF tatsächlich um den minderjährigen Sohn der Bezugsperson handelt.

Die vom BF vorgelegte Tazkira (ausgestellt im September 2015) und der afghanische Reisepass (ausgestellt im Oktober 2018) sind nicht geeignet, die Identität und das Alter des BF zweifelsfrei nachzuweisen, da afghanische Personenstandsurkunden unwahren Inhalts weit verbreitet sind und derartige Dokumente von den Behörden ohne adäquaten Nachweis ausgestellt werden (z.B. deutsches Auswärtiges Amt, 06.11.2015, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, S. 27).

Für den Fall, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG nicht erfüllt sind, ist die Ermessensregel des § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG zu beachten. Voraussetzung dieser Ausnahme ist, dass die Einreise des Antragstellers zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens "dringend geboten ist". So ist im Zuge dieser Beurteilung unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VfGH vom 23.09.2019, E 2226-2230/2019, sowie sinngemäß VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101). Eine derartige Abwägung der privaten und familiären Interessen des BF iSd Art. 8 EMRK setzt jedoch voraus, dass die Familienangehörigeneigenschaft des BF als minderjähriges Kind bzw. der Bezugsperson zweifelsfrei feststeht.

Da im gegenständlichen Fall schon die primäre Voraussetzung für die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Asyl nicht festgestellt werden kann, ist der Behörde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren vorzuwerfen. Da diese Vorfrage ungeklärt ist, war auch auf die Frage, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG im gegenständlichen Fall erfüllt sind, nicht näher einzugehen.

Dem BF wird daher im fortgesetzten Verfahren Gelegenheit zu geben sein, zu den oben angeführten ungeklärten Fragen zu seinem Aufenthalt in den vergangenen fünf Jahren, zu seiner Familienangehörigeneigenschaft und seinem Alter Stellung zu nehmen. Sollten die Beweismittel als nicht geeignet befunden werden, um das behauptete Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem BF und der Bezugsperson nachzuweisen, wäre eine DNA-Analysen zum Nachweis der Familienangehörigeneigenschaft erforderlich. Zum Nachweis der Minderjährigkeit wäre weiters im Zweifel ein Altersfeststellungsgutachten einzuholen. Erst dann kann gegebenenfalls eine Abwägung der Interessen des BF an einer Fortsetzung des Familienlebens in Österreich erfolgen. Gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG hat eine organisatorische Hilfestellung zur Beibringung des DNA-Nachweises und die entsprechende Belehrung zu erfolgen (arg: "hat ihm (...) zu ermöglichen"; "ist (...) zu belehren"). Die Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren unter Umständen - unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur (vgl. VwGH 22.02.2018, RA2017/18/0131) - eine entsprechende Belehrung gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG durchzuführen und dem BF Gelegenheit zur Vornahme einer solchen DNA-Analyse zu geben haben.

Hinzuweisen ist in dem Zusammenhang auf die ständige Rechtsprechung des EGMR, wonach ein von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind mit dem Zeitpunkt der Geburt entsteht (vgl. EGMR 21.6.1988, Fall Berrehab, Appl. 10730/84 [Z 21]; 26.5.1994, Fall Keegan, Appl. 16969/90 [Z 44]). Diese besonders geschützte Verbindung kann in der Folge nur unter außergewöhnlichen Umständen als aufgelöst betrachtet werden (EGMR 19.2.1996, Fall Gül, Appl. 23218/94 [Z 32]).

Aus obgenannten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG aufzuheben und der ÖB Islamabad die Erlassung eines neuen Bescheides aufzutragen.

Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war das Beschwerdeverfahren ohne mündliche Verhandlung durchzuführen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A) wurde ausgeführt, dass die Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Rahmen des Beschwerdeverfahrens in Visaangelegenheiten nicht im Interesse der Raschheit und der Kostenersparnis gelegen ist. Im Übrigen trifft § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eine klare, im Sinne einer eindeutigen, Regelung (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W241.2225161.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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