TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/5 G312 2225711-2

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Veröffentlicht am 05.12.2019
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Entscheidungsdatum

05.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §7 Abs4

Spruch

G312 2225711-1/3E

G312 2225711-2/2E

Im Namen der Republik!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Manuela WILD als Einzelrichterin über die Beschwerden von XXXX, geb. XXXX, StA. Kosovo, vertreten durch XXXX und XXXX in XXXX,

1. gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl - Regionaldirektion XXXX - vom 18.10.2019, Zl. XXXX zu Recht erkannt:

A) I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) I. Die Revision ist jeweils gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht

zulässig.

2. gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl - Regionaldirektion XXXX - vom 29.05.2019, Zl. XXXX beschlossen:

A) II. Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

B) II. Die Revision ist jeweils gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht

zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) vom 29.05.2019, Zl. XXXX wurde der Antrag von XXXX, geb. XXXX (im Folgenden: BF) auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 55 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 52 Abs. 9 wurde festgestellt, dass die Abschiebung in den Kosovo zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt und einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 und 2 FPG wurde gegen den BF ein Einreiseverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen (Spruchpunkt V.).

Gegen diesen Bescheid erhob der BF am 16.10.2019 Beschwerde durch seinen bevollmächtigten Vertreter und stellte in einem den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 18.10.2019, Zl. XXXX wurde der Antrag des BF auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 16.10.2019 gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.).

Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde durch seine bevollmächtigte Vertretung.

3. Die gegenständlichen Beschwerden wurden mit dem maßgeblichen Verwaltungsakt am 25.11.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und der Gerichtsabteilung G312 zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der BF stellte am 20.04.2018 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikels 8 EMRK und führte dabei an, in XXXX, wohnhaft zu sein. Im entsprechenden Formular wurde der BF darüber belehrt, dass er verpflichtet sei, eine Zustelladresse anzugeben, sowie im Falle einer Änderung der Adresse, diese der Bewilligungsbehörde bekannt zu geben.

Von 23.05.2018 bis 20.12.2018 war der BF in XXXX wohnhaft. Danach meldete sich der BF mit 17.01.2019 an der Adresse in XXXX. Mit Schreiben vom 20.03.2019 stellte die belangte Behörde bei der Polizeiinspektion XXXX ein Erhebungsersuchen, welches ergab, dass der BF an der genannten Adresse nie wohnhaft war. Der BF wurde sodann von seinem Vermieter mit 09.04.2019 von der letzten Meldeadresse abgemeldet. Ein aktueller Wohnsitz konnte im Zuge des Erhebungsverfahrens nicht festgestellt werden. Der BF gab die Änderung seines Aufenthaltsortes der belangten Behörde nicht bekannt.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 29.05.2019, Zl. XXXX, wurde der Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikels 8 EMRK gemäß § 55 AsylG abgewiesen, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Abschiebung in den Kosovo für zulässig erklärt. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Gegen den BF wurde ein Einreiseverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Mit Beurkundung der belangten Behörde vom 12.06.2019 wurde der Bescheid vom 29.05.2019 im Akt gemäß § 23 Abs. 2 ZustG hinterlegt.

Im Zuge einer Streifentätigkeit wurde der BF von der LPD XXXX am 27.06.2019 auf der Straße angetroffen. Im Zuge dessen wurde dem BF der Bescheid vom 29.05.2019 persönlich übergeben.

Am 16.10.2019 erhob der BF durch seinen bevollmächtigten Vertreter Beschwerde und stellte in einem den gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde sowie des nunmehr dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Gerichtsaktes.

Die Feststellungen zu den Meldeadressen des BF ergeben sich aus einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Dass der BF nie an der Adresse in XXXX wohnhaft war, von seinem Unterkunftgeber sodann abgemeldet wurde und kein Wohnsitz des BF ermittelt werden konnte, ergibt sich aus den im Akt erliegenden Bericht der LPD XXXX vom 07.05.2019.

Dass der Bescheid der belangten Behörde vom 29.05.2019 am 12.06.2019 im Akt hinterlegt wurde, ergibt sich aus der im Akt erliegenden Beurkundung. Die ordnungsgemäße Zustellung durch Hinterlegung im Akt wurde vom BF in der gegenständlichen Beschwerdeschrift bestätigt.

Das BVwG erachtet das bisherige Ermittlungsverfahren als hinreichend, um den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen. Aus den angeführten Gründen konnte der dem BVwG vorliegende Akteninhalt dem gegenständlichen Erkenntnis im Rahmen der freien Beweiswürdigung zugrunde gelegt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Spruchteil A)

3.1. Zustellung des Bescheides vom 29.05.2019:

§ 23 ZustG, Hinterlegung ohne Zustellversuch, lautet:

(1) Hat die Behörde auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift angeordnet, daß ein Dokument ohne vorhergehenden Zustellversuch zu hinterlegen ist, so ist dieses sofort bei der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes, beim Gemeindeamt oder bei der Behörde selbst zur Abholung bereitzuhalten.

(2) Die Hinterlegung ist von der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes oder vom Gemeindeamt auf dem Zustellnachweis, von der Behörde auch auf andere Weise zu beurkunden.

(3) Soweit dies zweckmäßig ist, ist der Empfänger durch eine an die angegebene inländische Abgabestelle zuzustellende schriftliche Verständigung oder durch mündliche Mitteilung an Personen, von denen der Zusteller annehmen kann, daß sie mit dem Empfänger in Verbindung treten können, von der Hinterlegung zu unterrichten.

(4) Das so hinterlegte Dokument gilt mit dem ersten Tag der Hinterlegung als zugestellt.Die ordnungsgemäße Zustellung der Bescheide vom 17.11.2017 wurde bereits mit den Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.01.2019, GZ. G302 2189880-1, G302 2189882-1, G302 2189876-1, G302 2189869-1 festgestellt. Dass den Beschwerdeführern die Verständigung von der Hinterlegung nicht zugekommen wäre, hat entsprechend den in diesen Beschlüssen ausgeführten Erwägungen auf die Wirksamkeit der Zustellung keinen Einfluss.

§ 8 ZustG, Änderung der Abgabestelle, lautet:

(1) Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.

(2) Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

Die Rechtswirksamkeit der Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch nach § 8 Abs. 2 ZustG setzt neben der Änderung der bisherigen Abgabestelle und der Unmöglichkeit, eine neue Abgabestelle ohne Schwierigkeiten festzustellen, auch die Unterlassung der Mitteilung dieser Änderung durch den Empfänger der behördlichen Sendung voraus (VwGH 20.10.2010, 2008/23/0036).

Die Voraussetzungen für eine Zustellung durch Hinterlegung im Akt waren im gegenständlichen Fall gegeben: der BF änderte seine Abgabestelle und unterließ eine entsprechende Meldung an die belangte Behörde. Eine neue Abgabestelle konnte trotz eines Erhebungsverfahrens durch die PI XXXX nicht festgestellt werden.

Die ordnungsgemäße Zustellung wurde vom BF auch nicht bestritten, sondern in seiner Beschwerdeschrift vielmehr bestätigt.

Der Bescheid vom 29.05.2019 galt somit mit dem ersten Tag der Hinterlegung, somit mit 12.06.2019 als ordnungsgemäß zugestellt.

3.2. Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

3.2.1. Der mit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betitelte § 33 VwGVG lautet:

(1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(4a) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrags auf Ausfertigung einer Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil auf das Erfordernis eines solchen Antrags als Voraussetzung für die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof nicht hingewiesen wurde oder dabei die zur Verfügung stehende Frist nicht angeführt war. Der Antrag ist binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung einer Entscheidung, die einen Antrag auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4, eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit eines Antrags auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 Kenntnis erlangt hat,

beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen. Über den Antrag entscheidet das Verwaltungsgericht.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei Versäumen der Beschwerdefrist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand allein § 33 VwGVG die maßgebliche Bestimmung und nicht die §§ 71, 72 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt (vgl. etwa VwGH 13.09.2017, Ra 2017/12/008, mwH). Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar sind (vgl. etwa VwGH 30.05.2017, Ra 2017/19/0113, mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist als Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 Z 1 AVG jedes Geschehen ohne Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt anzusehen (VwGH 26.06.1985, 83/03/0134 u. a.). Ein Ereignis ist dann unabwendbar, wenn es durch einen Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden konnte. Es ist als unvorhergesehen zu werten, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte (VwGH 17.02.1994, 93/16/0020).

Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten oder Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen haben (VwGH 14.07.1993, 93/03/0136 u.a.). Leichte Fahrlässigkeit liegt nur dann vor, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht (VwGH 01.06.2006, 2005/07/0044).

Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt wird, sodass den Antragsteller die Obliegenheit trifft, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat. Auf nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist geltend gemachte Wiedereinsetzungsgründe und neue, den Wiedereinsetzungsgrund untermauernde Argumente ist daher nicht einzugehen (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/12/0026).

3.2.2. Im gegenständlichen Fall brachte der BF vor, aufgrund seiner Alkohol- und Suchtmittelabhängigkeit die persönliche Übernahme des Bescheides am 27.06.2019 nicht in vollem Bewusstsein realisiert zu haben. Die Nichteinhaltung der Frist sei ihm daher bloß als minderes Versehen anzulasten.

Primär ist jedoch bereits die Unkenntnis des BF hinsichtlich der Zustellung des Bescheides durch Hinterlegung zu prüfen.

Hat ein Fremder nämlich mit der Erlassung einer fremdenpolizeilichen Maßnahme zu rechnen, handelt er auffallend sorglos, wenn er seine neue Adresse nicht bekannt gibt und allenfalls darauf vertraut, dass einem Zusteller durch entsprechende Mitteilung die neue Adresse bekannt werden könnte. Den Beschwerdeführer trifft daher an der Unkenntnis der Behörde über einen neuen Wohnsitz, hervorgerufen durch die Unterlassung der Verständigung der Behörde bzw. einer sofortigen polizeilichen Meldung, ein grobes Verschulden (VwGH 13.12.2011, 2010/22/0145).

Der BF musste aufgrund seines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels mit einer Entscheidung über diesen Antrag rechnen und handelte auffallend sorglos, indem er der belangten Behörde seine neue bzw. wahre Adresse nicht bekanntgab. Hinzu kommt, dass der BF über das Erfordernis der Meldung einer Adressänderung nachweislich belehrt wurde. Den BF traf somit an der ursprünglichen Unkenntnis der belangten Behörde über seinen Aufenthaltsort, welche sie zur Zustellung durch Hinterlegung im Akt veranlasste, ein grobes Verschulden.

Gründe warum der BF eine neue bzw. wahre Adresse nicht bekanntgab, wurden von ihm nicht vorgebracht. Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt wird, sodass der Grund für Meldepflichtverletzung des BF nicht weiter geprüft wird. Im Übrigen ergeht aus dem Bericht des Erhebungsdienstes, dass es sich bei der letzten Adresse des BF um einen Scheinwohnsitz handelte und daraus ein gewisser Vorsatz bzw. die Dispositionsfähigkeit des BF vorausgesetzt werden kann. Im Übrigen brachte der BF keine tauglichen Bescheinigungsmittel betreffend eine allfällige Dispositionsunfähigkeit bei (vgl. VwGH 18.09.2019, Ra 2019/02/0165).

Eine Dispositionsunfähigkeit des BF durch seine Alkohol- und Suchtmittelabhängigkeit wurde lediglich in Zusammenhang mit der Versäumnis der Beschwerdefrist nach Aushändigung des Bescheides aufgezeigt.

Dazu ist auszuführen, dass die persönliche Aushändigung des Bescheides, welche im Zuge einer Streifentätigkeit der LPD XXXX erfolgte, nicht fristauslösend war und es somit nicht von Relevanz ist, ob sich der BF der Bescheidübernahme bzw. einer Rechtsmittelfrist bewusst war. Wie oben ausgeführt wäre dem BF auch ohne die Übergabe des Bescheides und somit ohne die Kenntnis des BF von der Erlassung des Bescheides ein grobes Verschulden anzulasten. Im Übrigen brachte der BF nicht vor, dass er aufgrund seiner Abhängigkeit während der gesamten noch offenen Beschwerdefrist dispositionsunfähig war bzw. dass die Dispositionsfähigkeit so stark beeinträchtigt war, dass das Unterlassen der fristwahrenden Handlung als auf einem Versehen bloß minderen Grades beruhend zu beurteilen ist (VwGH 18.09.2019, Ra 2019/02/0165).

Im Ergebnis fällt dem BF durch die Nichtmeldung seiner Wohnadresse ein Verschulden an der Versäumung der Frist zur Beschwerdeerhebung zur Last, das einen minderen Grad des Versehens übersteigt, weshalb die belangte Behörde den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu Recht abgewiesen hat.

Die dagegen erhobene Beschwerde war somit abzuweisen.

3.3. Zur aufschiebenden Wirkung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Da mit dem gegenständlichen Erkenntnis eine inhaltliche Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ergeht, konnte eine Auseinandersetzung über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG unterbleiben.

3.4. Zur Zurückweisung der Beschwerde gegen den Bescheid vom 29.05.2019

Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Sie beginnt gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 VwGVG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung.

Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat.

Der Bescheid vom 29.05.2019 wurde dem BF laut der im Verwaltungsakt aufliegenden Beurkundung am 12.06.2019, einem Mittwoch, durch Hinterlegung im Akt gemäß § 23 Abs. 2 ZustG zugestellt. Die Beschwerdefrist endete daher mit Ablauf des Donnerstags vier Wochen später, sohin mit Ablauf des 10.07.2019.

Die am 16.10.2019 eingelangte Beschwerde war daher gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG wegen Verspätung zurückzuweisen.

3.5. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der VfGH äußerte vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR (zur Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung) keine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 und stellte dazu klar: "Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, steht im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde" (VfGH 14.03.2012, Zl. U 466/11).

In seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. 2014/20/0017, ging der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" nunmehr folgende Kriterien beachtlich sind: "Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen" (VwGH 28.05.2014, Zl. 2014/20/0017).

Was das Vorbringen in der Beschwerde betrifft, so findet sich in dieser kein relevantes neues bzw. kein ausreichend konkretes Tatsachenvorbringen. Auch trat der BF in der Beschwerde den seitens des BFA getätigten beweiswürdigenden Ausführungen nicht in ausreichend konkreter und substantiierter Weise entgegen (vgl. dazu auch VwGH 25.03.2015, Zl. Ra 2014/18/0168). Somit ist diesbezüglich der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben (vgl. dazu auch VwGH 13.09.2016, Ra 2016/01/0070).

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Beschwerdefrist, Fristablauf, Fristversäumung, Verfristung,
Verspätung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G312.2225711.2.00

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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