TE Vwgh Erkenntnis 2020/1/28 Ra 2019/03/0126

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Veröffentlicht am 28.01.2020
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Index

L65000 Jagd Wild
L65007 Jagd Wild Tirol
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

JagdG Tir 1983 §36 Abs1
JagdG Tir 1983 §36 Abs2
JagdG Tir 2004 §36 Abs2
JagdG Tir 2004 §37a Abs1
JagdG Tir 2004 §70 Abs1 Z12
JagdG Tir 2004 §70 Abs1 Z13
JagdGDV Tir 02te 2004 §1
JagdGDV Tir 02te 2004 §2
JagdRallg
VStG §5 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und den Hofrat Mag. Samm als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Landeck gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 1. September 2019, Zl. LVwG- 2018/46/1884-3, betreffend Übertretung des TJG 2004 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Landeck;

mitbeteiligte Partei: J H, vertreten durch Dr. Gerhard Schartner, Rechtsanwalt in 6410 Telfs, Untermarktstraße 4a), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird hinsichtlich seiner Spruchpunkte 3. und 4., soweit also der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I.2. und III. des behördlichen Bescheids Folge gegeben wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte hatte am 9. Dezember 2017 - und damit während der Schonzeit (eine allfällige Ausnahmebewilligung nach § 36 Abs. 3 TJG 2004 bestand nicht) - im Genossenschaftsjagdgebiet W einen Hirsch der Klasse I erlegt. Im gültigen Abschussplan für das Jagdjahr 2017/2018 war weder der Abschuss eines Hirschen der Klasse I noch der eines der Klasse II, sondern nur eines der Klasse III zugelassen.

2 Ihm wurden deshalb mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Landeck, der belangten Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und nunmehrigen Revisionswerberin (iF auch: BH), Übertretungen nach § 70 Abs. 1 Z 13 TJG 2004 (zu I.1.) und § 70 Abs. 1 Z 12 TJG 2004 (zu I.2.) angelastet; über ihn wurden Geldstrafen von Euro 1.000,-- (zu I.1.) und Euro 1.500,-- (zu I.2.) bzw. Ersatzfreiheitsstrafen verhängt. Unter einem wurde gemäß § 70 Abs. 3 TJG 2004 der Verfall der Trophäe angeordnet (Spruchpunkt III.).

3 In der dagegen erhobenen Beschwerde machte der Mitbeteiligte im Wesentlichen geltend, es sei für ihn trotz sorgfältigen Ansprechens und guter Sichtverhältnisse bei Schussabgabe nicht erkennbar gewesen, dass es sich um einen Hirsch der Klasse I handle. Er sei vielmehr davon ausgegangen, es handle sich - insbesondere aufgrund der geringen Trophäe und des Erscheinungsbildes - um einen Hirsch der Klasse III; er habe es nicht für möglich gehalten, einen Hirsch einer anderen Klasse vor sich zu haben.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis entschied das Verwaltungsgericht über die Beschwerde dahin, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes I.1. (mit einer hier nicht relevanten Maßgabe) als unbegründet abgewiesen und der Mitbeteiligte insoweit zum Ersatz der Kosten des Beschwerdeverfahrens verpflichtet wurde (Spruchpunkte 1. und 2.). Hingegen wurde der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I.2. Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in diesem Umfang behoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich eingestellt (Spruchpunkt 3.). Der Beschwerde in Bezug auf Spruchpunkt III. (Verfallsentscheidung) wurde gleichfalls Folge gegeben und der angefochtene Bescheid diesbezüglich ersatzlos behoben (Spruchpunkt 4.). Die ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

5 Dieser Entscheidung legte es folgenden Sachverhalt zu Grunde:

6 Der Mitbeteiligte gehe seit 1981 im Bereich W. auf die Jagd und sei darüber hinaus als Jagdschutzorgan und Hegemeister des Hegebezirkes Z. tätig. Es sei daher davon auszugehen, dass er ein sehr erfahrener Jäger sei, der auch die entsprechenden Ausbildungen absolviert habe. Er habe am 9. Dezember 2017 außerhalb der festgesetzten Jagdzeiten in der Schonzeit in der Genossenschaftsjagd W. als Inhaber eines Jagderlaubnisscheines einen Hirschen der Klasse I erlegt, obwohl laut dem Abschussplanbescheid der belangten Behörde ein solcher nicht zum Abschuss freigegeben gewesen sei. Vielmehr sei zum Abschuss freigegeben gewesen - sowohl laut Abschussplanbescheid als auch laut Jagderlaubnisschein - lediglich ein Hirsch der Klasse III. Der Abschuss sei vom Pkw des Mitbeteiligten aus ca. 150 m Entfernung um ca. 17:15 Uhr erfolgt, die Sichtverhältnisse seien gut gewesen, der Mitbeteiligte habe den ganzen Hirsch sehen können. Es sei leichter Schneefilm vorhanden gewesen. Das Ansprechen des Hirschen habe ca. drei Minuten lang gedauert und es sei somit ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden. Der Mitbeteiligte sei beim Abschuss allein gewesen; erst nach einer Weile sei der Hirsch von ihm und seinem Sohn geborgen worden. 7 Beim erlegten Hirschen habe es sich um einen ungeraden Kronenzehner gehandelt, wobei das "Kronenende" auf der rechten Stange sehr gering ausgeprägt gewesen sei, wodurch der Hirsch vom Achter zum ungeraden Kronenzehner geworden sei. Die Trophäe weise eine CIC-Punktezahl von 154,74 auf, die Stangenlänge betrage auf beiden Seiten rund 90 cm. Der erlegte Hirsch sei zum Zeitpunkt des Abschusses 13 oder 14 Jahre alt gewesen, somit auf jeden Fall der Klasse I zuzuordnen gewesen. Hinsichtlich der Trophäenstärke sei er deutlich von der üblichen Bandbreite an erlegten Hirschen der Klasse III in dieser und vergleichbaren Regionen nach oben hin abgewichen. Er habe aufgebrochen mit Haupt und Läufen 87 kg gewogen, über starke Stangen mit guter Perlung verfügt, tief angesetzte sowie starke Rosen und deutlich ausgespitzte weiße Enden; darüber hinaus über einen langen Schädel und ein breites Haupt, über dem Locken zwischen den Stangen erkennbar gewesen seien. Der Hirsch habe kein außergewöhnliches Verhalten gezeigt. 8 Auf Grund der Stangenlänge und -stärke sowie der ausgespitzten weißen Enden habe der Hirsch von einem erfahrenen Jäger wie dem Mitbeteiligten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht als ein Hirsch der Klasse III angesprochen werden können. Es seien diesbezüglich keine Altersmerkmale vorgelegen, die für einen Hirschen der Klasse III gesprochen hätten. Möglich wäre allenfalls eine Verwechslung mit einem älteren Hirschen der Klasse II. Erfahrene Jäger wüssten, dass das Wildbretgewicht (insbesondere auch nach der Brunft) keinesfalls ein zuverlässiges Altersmerkmal darstelle. Der eingefallene Wildkörper und das damit einhergehende relativ niedrige Wildbretgewicht sprächen umso mehr für einen alten, abgebrunfteten Hirsch, weil jüngere Hirsche der Klasse III in den seltensten Fällen aktiv am Brunftgeschehen teilnähmen und somit kaum merklich an Körpermasse verlören und dementsprechend eingefallen oder abgemagert wirkten. Es habe die Möglichkeit bestanden, den gegenständlichen Hirschen auch als einen Hirschen der Klasse II anzusprechen, keinesfalls aber als einen Hirschen der Klasse III. Beim gegenständlichen Hirschen habe es sich nicht um ein schwer krankes oder kümmerndes Wildstück gehandelt, durch seinen Abschuss sei kein Schaden für den Wildbestand im Hegebezirk entstanden.

9 Im Rahmen der Beweiswürdigung stützte sich das Verwaltungsgericht im Wesentlichen auf das Gutachten des jagdfachlichen Amtssachverständigen DI Sch samt mündlicher Erörterung in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht. Dieser Sachverständige habe ausführlich und nachvollziehbar dargelegt, warum es sich bei dem gegenständlichen Hirschen nicht um einen solchen der Klasse III habe handeln können und warum dies für einen erfahrenen Jäger auch erkennbar gewesen sei. Hinsichtlich der Sicht- und Lichtverhältnisse, der Entfernung des Mitbeteiligten zum Hirschen und der Dauer des Ansprechens vor der Schussabgabe stützte sich das Verwaltungsgericht auf die Angaben des Mitbeteiligten, der hauptsächlich Beobachtungen zur Figur, zum Gewicht und zur Trophäe des Hirschen erwähnt habe. Der Amtssachverständige habe in seinem Gutachten aber ausgeführt, dass kurze Kronenenden des Öfteren übersehen würden, wie das dritte und kurze Kronenende der rechten Stange des gegenständlichen Hirschen, weshalb auch nachvollziehbar und möglich sei, dass der Hirsch als Achterhirsch angesprochen worden sei. Auch das Gewicht sei nach dem Gutachten des Amtssachverständigen nicht aussagekräftig, gebe dieser doch an, dass ein Hirsch im 12. und 13. Kopf zwischen 80 und 180 kg habe könne. In dieser Bandbreite befinde sich auch der gegenständliche Hirsch, sodass der Mitbeteiligte "bei der Altersschätzung nicht auf das Gewicht gehen" habe können. Zudem sei zu berücksichtigen gewesen, dass der Abschuss nach der Brunft erfolgt und eine teilweise Gewichtszunahme bis zum Abschussdatum zwar möglich gewesen sei, der Amtssachverständige aber angegeben habe, dass der Hirsch zwar einen Teil, aber sicher nicht das ganze vor der Brunft bestehende Gewicht wieder erlangt haben könne. Auf Grund seiner langjährigen Erfahrung hätte der Mitbeteiligte dies erkennen müssen. Auch wenn die Universität für Bodenkultur zwei verschiedene Gutachten zum Alter des gegenständlichen Hirschen abgegeben habe, habe das Ergebnis doch nur mit einem Jahr differiert und hätten beide Gutachten ergeben, dass es sich um einen Hirschen der Klasse I handle.

10 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Erfüllung des objektiven Tatbestandes zu Spruchpunkt I.1. durch Erlegung eines Hirschen der Klasse I, obwohl ein solcher zum Abschuss nicht freigegeben gewesen sei, stehe außer Zweifel. Da es sich bei der gegenständlichen Verwaltungsübertretung um ein Ungehorsamsdelikt iSd § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG handle, wäre es am Mitbeteiligten gelegen, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden traf; ihm sei es oblegen, alles seiner Entlastung Dienende vorzubringen. Ein sorgfältiges Ansprechen des zu erlegenden Wildstücks sei unerlässliche Voraussetzung für die zulässige Schussabgabe. Dabei dürfe sich der Jäger nicht auf Wahrscheinlichkeitsüberlegungen verlassen, er müsse sich vielmehr Gewissheit darüber verschaffen, dass das beobachtete Wild tatsächlich erlegt werden dürfe; im Zweifel habe eine Schussabgabe daher zu unterbleiben (Hinweis auf VwGH 27.1.2010, 2007/03/0008).

11 Der im Verfahren beigezogene jagdfachliche Amtssachverständige habe zusammengefasst ausgeführt, es könne ausgeschlossen werden, dass unter den gegebenen Umständen ein erfahrener Jäger wie der Mitbeteiligte den gegenständlichen Hirsch als einen solchen der Klasse III angesprochen hätte. Die vom Mitbeteiligten angeführten Merkmale wie Verhalten, Körperbau sowie Trophäenzustand hätten zweifelsfrei die Feststellung zugelassen, dass es sich beim gegenständlichen Hirschen auf keinen Fall um einen Hirschen der Klasse III, wie ihn der Mitbeteiligte gemeldet habe, gehandelt habe. Ob es sich dabei um einen älteren Hirschen der Klasse II oder einen jüngeren Hirschen der Klasse I gehandelt habe, sei nicht leicht zu beurteilen gewesen, zumal es in freier Wildbahn nicht möglich sei, einen Hirschen zweifelsfrei in der Altersklasse I oder der Altersklasse II zuzuordnen, wenn das tatsächliche Alter im Grenzbereich zwischen diesen beiden Altersklassen liege. Diesen nicht als unschlüssig zu erkennenden Ausführungen sei der Mitbeteiligte nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten.

12 Mit seinen Hinweisen auf die Beurteilung durch seinen Sohn, mit dem er den Hirsch geborgen hatte, sei für den Mitbeteiligten schon deshalb nichts gewonnen, weil dieser die Durchführung des Abschusses nicht selbst wahrgenommen habe und daher über die Alterseinschätzung des Hirschen unmittelbar zuvor keine Aussage treffen habe können.

13 Weiter wird - wörtlich - Folgendes ausgeführt:

"Nach dem schlüssigen Gutachten des Amtssachverständigen hätte der gegenständliche Hirsch aufgrund der Stangenlänge, der Stärke der Stangen und der ausgespitzten weißen Enden den Hirsch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als älteren Hirsch der Klasse II angesprochen. Auch ein solcher hätte vom Beschwerdeführer nicht erlegt werden dürfen."

14 Im Folgenden legte das Verwaltungsgericht dar, dass dem Mitbeteiligten die iSd § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG erforderliche Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens nicht gelungen sei: Auch wenn ihm zuzugestehen sei, dass der Hirsch ein jüngeres Erscheinungsbild als das eines Hirschen des tatsächlich festgestellten Alters gehabt habe, sei ihm Vorsatz zur Last zu legen: Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ein erfahrener Jäger ausgehend vom jagdfachlichen Amtssachverständigen den gegenständlichen Hirsch "aufgrund der Stangenlänge, der Stärke der Stangen und der ausgespitzten weißen Enden zumindest als älteren Hirschen der Klasse II angesprochen" hätte, und unter Berücksichtigung der langjährigen Erfahrung des Mitbeteiligten als Jäger und seiner Tätigkeit als Jagdschutzorgan und Hegemeister erscheine das Vorbringen, er habe den Hirsch als solchen der Klasse III eingeschätzt, als unglaubwürdig. Für die Erfüllung der Vorsätzlichkeit genüge bedingter Vorsatz; ein solcher sei dann gegeben, wenn der Täter den tatbestandsmäßigen Erfolg zwar nicht bezwecke, seinen Eintritt auch nicht als gewiss voraussehe, ihn aber ernstlich für möglich halte und sich mit ihm abfinde. In Ansehung der nach Lebensjahren gestaffelten Bewertungskriterien sei eine zweifelsfreie Altersfeststellung unabdingbare Voraussetzung "für eine abschussrelevante Bewertung". Dabei müsse sich der Jäger darüber Gewissheit verschaffen, dass das beobachtete Wild tatsächlich erlegt werden dürfe. Dem Mitbeteiligten habe bewusst sein müssen, dass es sich um keinen Hirsch der Klasse III handeln habe können, was letztlich auch der Fall gewesen sei. Die Sicht- und Lichtverhältnisse seien gut gewesen, der Mitbeteiligte habe auch genügend Zeit gehabt. Es sei auch zu berücksichtigen, dass es sich bei ihm um ein Jagdschutzorgan und einen Hegemeister mit langjähriger Erfahrung gehandelt habe, sodass ausgeschlossen werde, dass er (bloß) fahrlässig gehandelt habe.

15 Zu Spruchpunkt I.2. führte das Verwaltungsgericht ergänzend Folgendes aus: Auch diesbezüglich habe der Mitbeteiligte den objektiven Tatbestand der ihm angelasteten Verwaltungsübertretung (Erlegung eines Hirschen der Klasse I in der Schonzeit) erfüllt. Da der gegenständliche Hirsch auf Grund der Stangenlänge, der Stärke der Stangen und der ausgespitzten weißen Enden auch von einem erfahrenen Jäger wie dem Mitbeteiligten als älterer Hirsch der Klasse II angesprochen habe werden können, könne kein Vorsatz und auch keine Fahrlässigkeit hinsichtlich des Abschusses in der Schonzeit vorliegen, weil diesfalls (hätte es sich beim Hirsch tatsächlich um einen der Klasse II gehandelt) der Abschuss nämlich außerhalb der Schonzeit liege: Gemäß § 1 Abs. 1 der Zweiten Durchführungsverordnung zum TJG 2004 dürften nämlich u.a. Hirsche der Klasse II vom 1. August bis 31. Dezember bejagt werden. Wenn auch ein erfahrener Jäger wie der Mitbeteiligte den gegenständlichen Hirschen unter den gegebenen Umständen "zumindest als IIer Hirsch angesprochen" hätte, könne eine Sorgfaltsverletzung des Mitbeteiligten ausgeschlossen werden. Es sei daher insoweit mangels Verschuldens der Beschwerde stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen gewesen.

16 Hinsichtlich des Ausspruchs des Verfalls (Spruchpunkt III. des behördlichen Bescheides) legte das Verwaltungsgericht mit näherer Begründung dar, dass die Voraussetzungen des § 70 Abs. 3 TJG 2004, also ein Überwiegen der Erschwerungsgründe über die Milderungsgründe, nicht vorlägen, weshalb dieser Ausspruch ersatzlos aufzuheben gewesen sei.

17 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die - außerordentliche - Amtsrevision der BH insoweit, als der Beschwerde Folge gegeben wurde, also hinsichtlich der Behebung der Spruchpunkte I.2. und III. des behördlichen Bescheides (zwar nennt der "Anfechtungsumfang" der Revision auch den Spruchpunkt 2. des angefochtenen Erkenntnisses, womit der Mitbeteiligte zum Ersatz der Kosten des Beschwerdeverfahrens hinsichtlich Spruchpunkt I.1. des behördlichen Bescheides verpflichtet wurde, doch enthält der Inhalt der Revision kein dagegen gerichtetes Vorbringen und ist vielmehr davon auszugehen, dass es sich insoweit um einen bloßen Schreibfehler handelt).

18 Die Zulässigkeitsbegründung der Revision macht (zusammengefasst) geltend, das angefochtene Erkenntnis weiche von der (näher angeführten) ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs insofern ab, als ein sorgfältiges Ansprechen des zu erlegenden Wildstücks unerlässliche Voraussetzung für eine zulässige Schussabgabe sei und sich der Jäger dabei nicht auf Wahrscheinlichkeitsüberlegungen verlassen dürfe, sich vielmehr darüber Gewissheit verschaffen müsse, dass das beobachtete Wild tatsächlich erlegt werden dürfe. Die bloß theoretische Möglichkeit, bei dem gegenständlichen Hirschen habe es sich - auf Grund seines Erscheinungsbildes - um einen solchen der Klasse II gehandelt, für den damals noch keine Schonzeit gegolten habe, könne daher fehlendes Verschulden des Mitbeteiligten nicht begründen, weil im Zweifel eine Schussabgabe zu unterbleiben habe und ausgehend von den Feststellungen des Verwaltungsgerichts zumindest Zweifel bestehen mussten. 19 Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf Zurückweisung, in eventu auf Abweisung der Revision erstattet.

20 Die Revision ist aus den von ihr geltend gemachten Gründen zulässig; sie ist auch begründet.

21 Gemäß § 36 Abs. 1 TJG 2004 hat die Landesregierung, soweit sie keine Verordnung nach § 38a erlässt, für die einzelnen Arten der jagdbaren Tiere die Zeiten, in denen diese Tiere bejagt werden dürfen, allgemein oder für bestimmte Gebiete durch Verordnung festzulegen (Jagdzeit).

22 Gemäß § 36 Abs. 2 TJG 2004 sind alle Wildarten außerhalb der festgesetzten Jagdzeit zu schonen (Schonzeit).

23 Gemäß § 37a Abs. 1 TJG 2004 darf der Abschuss von Schalenwild - mit Ausnahme von Schwarzwild - und von Murmeltieren nur im Rahmen eines Abschussplanes erfolgen.

24 Gemäß § 70 Abs. 1 TJG 2004 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu EUR 6.000,-- zu bestrafen, wer entgegen § 36 Abs. 2 während der Schonzeit dem Wild nachstellt, ohne eine entsprechende Ausnahmebewilligung nach § 36 Abs. 3 zu besitzen (Z 12), und wer außer in den Fällen des Abs. 2 den Bestimmungen über den Abschussplan nach §§ 37a und 37b zuwiderhandelt, ohne eine entsprechende Ermächtigung nach § 37c Abs. 1 zu besitzen (Z 13).

25 § 1 Abs. 1 Z 1 der Zweiten Durchführungsverordnung zum Tiroler Jagdgesetz 2004 legt die Jagdzeit für Hirsche mit 1. August bis 15. November (Klasse I) bzw. 1. August bis 31. Dezember (Klasse II und III (ausgenommen Schmalspießer)) fest. 26 Gemäß § 2 leg. cit. gehören zur Altersklasse III (Jugendklasse) neben den Kälbern die ein- bis vierjährigen Hirsche, zur Altersklasse II (Mittelklasse) die fünf- bis neunjährigen Hirsche und zur Altersklasse I (Ernteklasse) die zehnjährigen und älteren Hirsche.

27 Im für das gegenständliche Jagdgebiet gültigen Abschussplan für das Jagdjahr 2017/2018 war hinsichtlich der Hirsche lediglich der Abschuss eines solchen der Klasse III bewilligt. 28 Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass es sich bei dem vom Mitbeteiligten am 9. Dezember 2017 erlegten Hirsch um einen solchen der Klasse I handelte, der ein Alter von 13 oder 14 Jahren aufwies.

29 Vor diesem Hintergrund hat der Mitbeteiligte durch den Abschuss des Hirschen den objektiven Tatbestand der ihm mit den Spruchpunkten I.1. und I.2. des behördlichen Straferkenntnisses angelasteten Übertretungen (des § 37a Abs. 1 und des § 36 Abs. 2 TJG 2004; Strafbestimmungen nach § 70 Abs. 1 Z 13 und Z 12 TJG 2004) erfüllt, weil der Abschuss des gegenständlichen Hirschen, der der Klasse I zuzuordnen war, nicht nur entgegen dem Abschussplan erfolgte, sondern zudem auch in der für Hirsche der Klasse I geltenden Schonzeit.

30 Bei den in Rede stehenden Verwaltungsübertretungen handelt es sich um Ungehorsamsdelikte iSd § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG (vgl. etwa VwGH 8.9.2011, 2009/03/0057). Es wäre deshalb am Mitbeteiligten gelegen, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft; ihm oblag es, alles seiner Entlastung Dienende vorzubringen (vgl. zu den bei Ungehorsamsdelikten iSd § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG bestehenden Obliegenheiten des Beschuldigten und Verpflichtungen der Behörde auch VwGH 9.12.2019, Ra 2019/03/0123, mwN). 31 Wie von der Revisionswerberin zutreffend geltend gemacht, ist ein sorgfältiges Ansprechen des zu erlegenden Wildstücks unerlässliche Voraussetzung für eine zulässige Schussabgabe.

Dabei darf sich der Jäger nicht auf Wahrscheinlichkeitsüberleg ungen verlassen, er muss sich vielmehr darüber Gewissheit verschaffen, dass das beobachtete Wild tatsächlich erlegt werden darf. Im Zweifel darf eine Schussabgabe daher nicht erfolgen. Ist - etwa im Grenzbereich der Altersklassen I und II - eine zweifelsfreie Zuordnung des angesprochenen Wildstücks zu einer der beiden Altersklassen in freier Wildbahn nicht möglich und setzt der zulässige Abschuss die vorherige Zuordnung des Stücks zu einer bewilligten Altersklasse voraus, hat der Abschuss zu unterbleiben (vgl. nur etwa VwGH 20.12.2019, Ra 2019/03/0155; 26.3.2012, 2011/03/0191; 8.9.2011, 2009/03/0057; 27.5.2010, 2008/03/0170; 27.1.2010, 2007/03/0008).

32 Für den Revisionsfalls ist zunächst Folgendes hervorzuheben:

33 Der zulässige Abschuss des gegenständlichen Hirschen erforderte dessen Zuordnung zur Klasse III, weil im Abschussplan nur der Abschuss eines Hirschen in dieser Altersklasse bewilligt war. Auch wenn es sich beim Hirsch um einen solchen der Klasse II gehandelt hätte, für welche Klasse am 9. Dezember noch Jagdzeit galt, wäre der Abschuss (weil außerhalb des Rahmens des Abschussplanes) unzulässig gewesen.

34 Das Verwaltungsgericht hat - auf Basis der eigenen Aussagen des Mitbeteiligten in Verbindung mit dem Gutachten des jagdfachlichen Amtssachverständigen schlüssig begründet - festgestellt, dass bei Schussabgabe für einen erfahrenen Jäger erkennbar war, dass es sich nicht um einen Hirschen der Klasse III handeln konnte und dass allenfalls eine Verwechslung mit einem älteren Hirsch der Klasse II möglich gewesen sei: Es "bestand die Möglichkeit, den gegenständlichen Hirschen auch als einen Hirschen der Klasse II anzusprechen, keinesfalls aber als einen Hirschen der Klasse III". Auf Grund dieses vom Verwaltungsgericht angenommenen Sachverhalts (vgl. § 41 VwGG) ist das angefochtene Erkenntnis - ungeachtet der unklaren, auch sprachlich verunglückten, im Rahmen der rechtlichen Beurteilung enthaltenen, oben unter Rz. 13 wiedergegebenen Wendung - zu überprüfen. 35 Wenn das Verwaltungsgericht auf dieser Grundlage vermeinte, es könne dem Mitbeteiligten kein Verschulden am Abschuss in der Schonzeit angelastet werden, weil für einen Hirschen der Klasse II damals noch keine Schonzeit gegolten habe, hat es die Rechtslage unzutreffend beurteilt:

36 Wäre der Hirsch von einem erfahrenen Jäger nämlich schon "allein auf Grund der Stangenlänge, der Stärke der Stangen und der ausgespitzten weißen Enden auch von einem erfahrenen Jäger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zumindest als älterer Hirsch der Klasse II angesprochen" worden (so das Gutachten des jagdfachlichen Amtssachverständigen vom 16. Mai 2018), bzw. war es "eindeutig, dass es sich dabei nicht um einen Hirschen der Klasse III handeln kann" und dass ein erfahrener Jäger wie der Mitbeteiligte "zumindest von einem Tier der Altersklasse II ausgehen" musste (so der jagdfachliche Amtssachverständige bei der Gutachtenserörterung in der mündlichen Verhandlung vom 17. Oktober 2018), war zumindest zweifelhaft, ob der gegenständliche Hirsch der Klasse II oder vielmehr der Klasse I zuzuordnen war; sicher war lediglich, dass er nicht der Altersklasse III zugehörig war.

37 Das Vorbringen des Mitbeteiligten in der Revisionsbeantwortung, der Amtssachverständige habe ausgeführt, auch ein erfahrener Jäger hätte den Hirsch "höchstens" als solchen der Klasse II angesprochen, ist aktenwidrig, hat der Amtssachverständige doch jeweils (Gutachten vom 16. Mai 2018; Erörterung in der Verhandlung vom 17. Oktober 2018) erklärt, auch ein erfahrener Jäger hätte den vom Mitbeteiligten erlegten Hirsch "zumindest" als älterer Hirsch der Klasse II angesprochen. 38 Die derart bestehende Zweifelssituation (älterer Hirsch der Klasse II oder jüngerer Hirsch der Klasse I) rechtfertigt nach der oben dargestellten ständigen Judikatur nicht die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Aufhebung der Bestrafung wegen Übertretung des Verbots, in der Schonzeit ein Wildstück zu erlegen, für das Schonzeit galt. Die vom Verwaltungsgericht betonte Zweifelssituation hinsichtlich der Zuordnung des gegenständlichen Hirschen in die Altersklassen I oder II hätte vielmehr auch deshalb - unabhängig davon, dass nur der Abschuss eines der Altersklasse III zuzuordnenden Hirsches zulässig gewesen wäre - zu einer Abstandnahme von der Schussabgabe führen müssen. 39 Das angefochtene Erkenntnis war daher im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß §§ 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 28. Jänner 2020

Schlagworte

Schonvorschriften

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019030126.L00

Im RIS seit

27.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

27.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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