RS Vfgh 2019/11/28 E3283/2019

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Veröffentlicht am 28.11.2019
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §3, §8, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz eines afghanischen Staatsangehörigen; keine Berücksichtigung der Tätigkeit des Beschwerdeführers bei einem UN-Programm und seiner Familiensituation

Rechtssatz

Der Beschwerdeführer bringt vor, als ehemaliger und langjähriger Mitarbeiter eines UN-Programmes zu einer Gruppe mit Risikoprofil zu gehören, die ausweislich der Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018, im ganzen Land von regierungsfeindlichen Kräften verfolgt werde, nämlich zu jener der "Mitarbeiter humanitärer Hilfs- und Entwicklungsorganisationen", hinsichtlich derer Angriffe nicht nur auf hochrangige oder exponierte Mitarbeiter, wie das BVwG vermeine, sondern etwa auch auf Bauarbeiter und LKW-Fahrer registriert seien. Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hat selbst festgestellt, dass "NGO-Personal und Mitarbeiter von internationalen Menschenrechtsorganisationen [...] in der Regel Ziele aufständischer Gruppierungen [sind]". Ungeachtet der vom BVwG vorgenommenen Wahrunterstellung ist die Abweisung der Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten für den VfGH daher nicht nachvollziehbar.

Auch die Refoulementprüfung ist mit Willkür belastet. Das BVwG geht davon aus, dass dem Beschwerdeführer als gesundem, arbeitsfähigen Mann mit Berufserfahrung und nach wie vor in Afghanistan aufhältigen volljährigen Angehörigen (Mutter und drei Geschwister) eine Ansiedlung in Mazar-e Sharif möglich sei, auch ohne dass ihm an diesem Ort ein familiäres Netzwerk zur Verfügung stünde. Dabei übersieht das BVwG, dass es sich bei dem Beschwerdeführer um einen Vater von fünf minderjährigen Kindern handelt. Der Beschwerdeführer fällt daher nicht in jene Personengruppe, der nach den UNHCR-Richtlinien und den entsprechenden Feststellungen des BVwG grundsätzlich eine innerstaatliche Fluchtalternative auch ohne soziales Netzwerk offensteht, jene der alleinstehenden jungen Männer oder der Ehepaare ohne Kinder im erwerbsfähigen Alter. In diesem Lichte ist für den VfGH ebenfalls nicht nachvollziehbar, wie der Beschwerdeführer oder seine Mutter und drei Geschwister, deren Geschlecht und Familienstand nicht festgestellt wurden, für die insgesamt siebenköpfige Familie des Beschwerdeführers sorgen könnten, zumal dieser nach Mazar-e Sharif gewiesen wird, seine Familie sich aber in Maidan Wardak befindet, wohin er nach den Feststellungen des BVwG aber wegen der schlechten Sicherheitslage nicht zurückkehren kann. Die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist daher unter Außerachtlassung des konkreten Sachverhaltes erfolgt.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Kinder, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2019:E3283.2019

Zuletzt aktualisiert am

21.02.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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