TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/2 W159 2187084-2

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Veröffentlicht am 02.12.2019
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Entscheidungsdatum

02.12.2019

Norm

AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W159 2187084-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.02.2019, Zl. XXXX zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 9 Abs. 1 Z 1 2. Fall AsylG 2005 stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, reiste spätestens im August 2016 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Er erhielt mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, vom 23.01.2018 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Am 10.12.2018 beantragte der Beschwerdeführer beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Verlängerung des subsidiären Schutzes gem. § 8 Abs. 4 AsylG.

Am 11.01.2019 wurde eine Niederschrift im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Rahmen der Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des subsidiären Schutzes durchgeführt.

Der Beschwerdeführer gab an, somalischer Staatsangehöriger, der Volksgruppe der Madhiban zugehörig, in XXXX , geboren worden, moslemischen Glaubens und ledig zu sein. Er sei gesund, gehe nicht zum Arzt und nehme keine Medikamente. In Österreich würde er seinen Lebensunterhalt mit Hilfe der öffentlichen Hand bestreiten, denn er beabsichtige zuerst die Deutschprüfungen A1 und A2 zu absolvieren und danach Arbeit zu suchen. Er besuche zurzeit ein Jugendcollege. Der Beschwerdeführer brachte eine Teilnahmebestätigung am Werte- und Orientierungskurs vom 30.03.2018 und Deutschkursbestätigungen in Vorlage.

Seit Mai 2018 hätte er keinen Kontakt mehr zu seinen Verwandten in XXXX . Er könne nicht nach Somalia zurückkehren, er würde sich vor der Volksgruppe der Majeerten fürchten, denn sein Onkel sei von Angehörigen dieser Volksgruppe getötet worden.

Am 07.02.2019 langte die Stellungnahme des Beschwerdeführers beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein. Er führte aus, dass die Lage in seinem Herkunftsland sich seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes nicht geändert hätte. Es seien veraltete Länderberichte, aus dem Jahr 2017, vorgelegt worden. Diese seien nicht in der Lage den Fall einer eventuellen Rückkehr zu beurteilen.

Mit angefochtenem Bescheid vom 13.02.2019, wurde der zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten vom 23.01.2018, gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005, von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und die befristete Aufenthaltsberechtigung wurde gemäß § 9 Abs. 4 entzogen (Spruchpunkt II.). Der Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung wurde gem. § 8 Abs. 4 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt III.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen wurde gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt IV.). Es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt V.) und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Somalia als zulässig erklärt (Spruchpunkt VI.) und die freiwillige Ausreisfrist mit 2 Wochen angegeben (Spruchpunkt VII.).

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass dem Beschwerdeführer der Status des Schutzberechtigten aufgrund der seinerzeit bestandenen Sicherheits- und Versorgungslage zuerkannt worden sei. Es könne nunmehr von keiner Rückkehrgefährdung bzw. aktuellen mit einer unmenschlichen Behandlung gleichzusetzenden Situation nach der Rückkehr in seine Heimat gesprochen werden. Im Hinblick auf die regional unterschiedliche Sicherheitslage sei es nicht grundsätzlich ausgeschlossen und aufgrund der individuellen Situation insgesamt zumutbar. Es wäre dem Beschwerdeführer nicht möglich in seine Heimatstadt, jedoch nach Mogadishu zurückzukehren, er sei mittlerweile 20 Jahre alt und ein erwachsener, junger, lediger und arbeitsfähiger Mann.

Mit Verfahrungsanordnung gem. § 52 Abs. 2 BFA-VG vom 13.02.2019 wurde der Beschwerdeführer verpflichtet ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

Mit Verfahrungsanordnung gem. § 52 Abs. 1 BFA-VG vom 13.02.2019 wurde dem Beschwerdeführer ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

Mit Schriftsatz vom 13.03.2019 erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde gegen alle Spruchpunkte des Bescheides und brachte darin im Wesentlichen vor, dass entgegen der Ansicht der Behörde, ihm eine Rückkehr nach Somalia nicht zumutbar sei. Die Feststellung in Bezug auf die derzeitige Situation Somalia sei unrichtig. Die Lage in Somalia hätte sich nicht gebessert, sondern verschlechtert und die Lage in ganz Somalia sei noch immer prekär.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Dem Beschwerdeführer wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.01.2018 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und diese Entscheidung ist rechtskräftig. Begründend wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Rückkehr nach Somalia aufgrund der instabilen allgemeinen Sicherheitslage nicht zumutbar ist.

Die allgemeine Lage in Somalia hat sich nicht wesentlich und nachhaltig gebessert.

Die persönliche Situation des Beschwerdeführers hat sich nicht wesentlich geändert. Er telefonierte das einzige Mal mit seiner Mutter im Mai 2018, als er sich bereits in Österreich aufhielt. Seit diesem Zeitpunkt hat er keinen Kontakt zu seinen Verwandten (Mutter, Geschwister), die sich damals in XXXX sich aufhielten. Wie z.B. aus den Länderberichten hervorgeht, treibt die Al Shabaab in XXXX die Steuern ein.

Die Lage in Somalia hat sich auch aus anderen Gründen nicht dahingehend wesentlich und nachhaltig gebessert, sodass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr mit ausreichender Wahrscheinlichkeit in der Lage sein würde, sich einen notdürftigsten Lebensunterhalt zu verschaffen.

Eine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts zur Frage der Gewährung subsidiären Schutzes ist somit weder im Hinblick auf das individuelle Vorbringen des Beschwerdeführers noch in Bezug auf die allgemeine Lage in Somalia eingetreten.

1.2 Zu Somalia wird folgendes verfahrensbezogen festgestellt:

Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten

Die Sicherheitslage bleibt instabil und unvorhersagbar (AMISOM 7.8.2019, S.2). Zwar ist es im Jahr 2018 im Vergleich zu 2017 zu weniger sicherheitsrelevanten Zwischenfällen und auch zu einer geringeren Zahl an Todesopfern gekommen, doch ist die Sicherheitslage weiterhin schlecht. Sie ist vom bewaffneten Konflikt zwischen AMISOM (African Union Mission in Somalia), somalischer Armee und alliierten Kräften auf der einen und al Shabaab auf der anderen Seite geprägt. Zusätzlich kommt es in ländlichen Gebieten zu Luftschlägen (NLMBZ 3.2019, S.17). Weiterhin führt der Konflikt unter Beteiligung der genannten Parteien zu zivilen Todesopfern, Verletzten und Vertriebenen (USDOS 13.3.2019, S.1). Wer sich in Somalia aufhält, muss sich der Gefährdung durch Terroranschläge, Kampfhandlungen, Piraterie sowie kriminell motivierte Gewaltakte bewusst sein (AA 17.9.2019). Auch der Konflikt um Ressourcen (Land, Wasser etc.) führt regelmäßig zu Gewalt (BS 2018, S.31).

Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "urban island scenario" besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Folglich befinden sich große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss der al Shabaab (BFA 8.2017, S.21; vgl. BMLV 3.9.2019).

Dahingegen können nur wenige Gebiete in Süd-/Zentralsomalia als frei von al Shabaab bezeichnet werden - etwa Dhusamareb oder Guri Ceel. In Puntland gilt dies für größere Gebiete, darunter Garoowe (BFA 8.2017, S.21/91f; vgl. BMLV 3.9.2019).

Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen (ACLED 2019). Auch das Maß an Kontrolle über bzw. Einfluss auf einzelne Gebiete variiert. Während Somaliland die meisten der von ihm beanspruchten Teile kontrolliert, ist die Situation in Puntland und - in noch stärkerem Ausmaß - in Süd-/Zentralsomalia komplexer. In Mogadischu und den meisten anderen großen Städten hat al Shabaab keine Kontrolle, jedoch eine Präsenz. Dahingegen übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes Kontrolle aus. Zusätzlich gibt es in Süd-/Zentralsomalia große Gebiete, wo unterschiedliche Parteien Einfluss ausüben; oder die von niemandem kontrolliert werden; oder deren Situation unklar ist (LIFOS 9.4.2019, S.6).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (17.9.2019): Somalia - Reise- und Sicherheitshinweise - Reisewarnung, URL, Zugriff 17.9.2019

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ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2019): Africa (Data through 19 January 2019), URL, Zugriff 23.1.2019

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AMISOM (7.8.2019): Progress Report of the Chairperson of the Commission on the situation in Somalia/AMISOM, URL, Zugriff 22.8.2019

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BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Somalia Country Report, URL, Zugriff 19.3.2019

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BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, URL, Zugriff 31.5.2019

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LIFOS - Lifos/Migrationsverket (Schweden) (9.4.2019): Somalia - Folkbokförning, medborgarskap och identitetshandlngar, URL, Zugriff 8.5.2019

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NLMBZ - Ministerie von Buitenlandse Zaken (Niederlande) (3.2019):

Country of Origin Information Report on South and Central Somalia (nicht veröffentlichte englische Version), niederländische Version auf URL, 18.6.2019

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USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Somalia, URL, Zugriff 18.3.2019

Puntland

Puntland ist eine relativ friedliche Region Somalias (VOA 8.1.2019). Die puntländische Regierung übt über das ihr unterstehende Gebiet die Kontrolle aus (USDOS 13.3.2019, S.1), und die Lage ist dort stabiler als in Süd-/Zentralsomalia (AA 5.3.2019b; vgl. LIFOS 3.7.2019, S.34). Es gibt im Land keine relevanten größeren Streitpunkte, und nur sporadisch werden Konflikte bewaffnet ausgetragenen (LIFOS 3.7.2019, S.34; vgl. BFA 8.2017, S.86). Stammesmilizen spielen eine untergeordnete Rolle (AA 4.3.2019, S.5). Die wichtigsten Clans sind in das staatliche Gefüge Puntlands eingebunden (LIFOS 3.7.2019, S.36).

Allerdings sind die Grenzen im Süden und Nordwesten nicht klar definiert. Dies führt immer wieder zu kleineren Scharmützeln, im Süden - v.a. um die Stadt Galkacyo - auch zu schwereren gewaltsamen Auseinandersetzungen (AA 4.3.2019, S.5/16).

In Garoowe gibt es kaum nennenswerte Vorfälle (LIFOS 3.7.2019, S.34), die Stadt wird als nahezu frei von al Shabaab beschrieben (BMLV 3.9.2019).

Al Shabaab ist weiterhin in Puntland aktiv (UNSC 21.12.2018, S.3). Al Shabaab kontrolliert in Puntland keine relevanten Gebiete, sondern ist nur in wenigen, schwer zugänglichen Bergregionen mit Lagern vertreten - namentlich im Gebiet der Galgala-Berge (AA 4.3.2019, S.5; vgl. LI 21.5.2019a, S.1). Es gibt Hinweise, wonach al Shabaab diese verstärkt hat (SEMG 9.11.2018, S.22). Von dort aus unternimmt die Gruppe - meist kleinere - Operationen ins Umland. Manchmal sickern Insurgenten nach Bossaso ein, wo sie in gewissem Ausmaß auch tatsächlich eine Bedrohung darstellen, und wo es ständig v. a. zu kleineren Anschlägen kommt (BFA 8.2017, S.92; vgl. LIFOS 3.7.2019, S.34). Auch Galkacyo ist davon betroffen. In beiden Städten treibt al Shabaab auch Steuern ein (LIFOS 3.7.2019, S.34f).

Al Shabaab verfügt in Puntland über finanzielle Netzwerke sowie über Möglichkeiten zur Rekrutierung, Propaganda und Indoktrination. Generell ist die al Shabaab in Puntland aber mangels Ressourcen in ihren Aktivitäten eingeschränkt (BFA 8.2017, S.92f; vgl. BMLV 3.9.2019).

Der sogenannte Islamische Staat (IS) ist ebenfalls weiterhin in Puntland aktiv (UNSC 21.12.2018, S.3). Die dort verankerte größte Fraktion des IS in Somalia wird von Abdulqadir Mumin geführt (SEMG 9.11.2018, S.28; vgl. LWJ 16.11.2018). Die Gruppe hat 120-200 aktive Mitglieder (SEMG 9.11.2018, S.28; vgl. VOA 21.12.2018; USDOS 21.6.2019, S.6), anderen Angaben zufolge sind es nur 100-120 (LIFOS 3.7.2019, S.35). Die IS-Fraktion in Puntland kontrolliert keine Gebiete, sondern ist nur in wenigen schwer zugänglichen Bergregionen mit Lagern vertreten (AA 4.3.2019, S.5). Die Gruppe kann sich relativ frei bewegen und rekrutiert im Gebiet der Golis-Berge (USDOS 21.6.2019, S.6). Nach US-Luftschlägen blieb der IS in Puntland relativ inaktiv (SEMG 9.11.2018, S.4). Auch weiterhin kommt es in Puntland zu derartigen Luftschlägen, so etwa am 14. und 27.4.2019 (BAMF 29.4.2019, S.9). Im Oktober 2018 hat der IS erstmals Ausländer angegriffen, namentlich drei Äthiopier in Bossaso (NLMBZ 3.2019, S.16). Generell sind die Aktivitäten des IS aber zurückgegangen (UNSC 15.5.2019, Abs.17; vgl. LIFOS 3.7.2019, S.35). Dem IS mangelt es an Fähigkeiten, größere Aktionen durchzuführen. Außerdem leidet er an Abgängen (LIFOS 3.7.2019, S.35).

U.a. haben die harschen Gegenmaßnahmen von al Shabaab dafür gesorgt, dass sich der IS in Somalia nicht ausbreiten konnte. Allerdings konnte seine Handlungsfähigkeit nicht vollständig unterbunden werden (LWJ 16.11.2018). Im Dezember 2018 kam es südwestlich von Qandala zu Kämpfen zwischen al Shabaab und dem IS (LWJ 14.1.2019). Auch im Zeitraum Feber-Mai 2019 kam es in Bari zu Auseinandersetzungen zwischen den beiden Gruppen (UNSC 15.5.2019, Abs.17).

Vorfälle: In den beiden Regionen Nugaal und Bari lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 1,11 Millionen Einwohner (UNFPA 10.2014, S.31). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2017 insgesamt 30 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "violence against civilians"). Bei 22 dieser 30 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2018 waren es 35 derartige Vorfälle (davon 31 mit je einem Toten). Die Zahl an Zwischenfällen mit Todesopfern (meist ein Todesopfer) in den Regionen Bari und Nugaal entwickelte sich in den vergangenen Jahren folgendermaßen (es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann; die Zahl der Todesopfer wird aufgrund der ca. 50% betragenden Ungenauigkeit von ACLED nicht berücksichtigt):

Tabelle kann nicht abgebildet werden

(ACLED 2016) (ACLED 2017) (ACLED 2019)

Dabei handelte es sich laut ACLED Datenbank bei folgenden Fällen um "violence against civilians" (es handelt sich hierbei jedoch um keine exakten Zahlen, da ACLED zahlreiche Unschärfen aufweist):

Tabelle kann nicht abgebildet werden

(ACLED 2016) (ACLED 2017) (ACLED 2019)

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.3.2019b): Somalia - Innenpolitik, URL, Zugriff 10.4.2019

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AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (4.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2019): Africa (Data through 19 January 2019), URL, Zugriff 23.1.2019

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ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2017): Africa Data, Version 8 (1997-2017), URL, Zugriff 10.1.2018

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ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2016): Africa Data, Version 7 (1991-2016), URL, Zugriff 21.12.2017

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (29.4.2019): Briefing Notes 29. April 2019

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BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, URL, Zugriff 31.5.2019

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BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung (Österreich) (3.9.2019): Anfragebeantwortung an die Staatendokumentation

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LI - Landinfo (Norwegen) (21.5.2019a): Somalia: Al-Shabaab-områder

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LIFOS - Lifos/Migrationsverket (Schweden) (3.7.2019):

Säkerhetssituationen i Somalia, URL, Zugriff 29.8.2019

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LWJ - Long War Journal / Caleb Weiss (14.1.2019): Shabaab kills pro-Islamic State commander, URL, Zugriff 21.1.2019

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LWJ - Long War Journal / Caleb Weiss / Thomas Joscelyn (16.11.2018): Islamic State warns Shabaab of impending battle in Somalia, URL, Zugriff 21.1.2019

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NLMBZ - Ministerie von Buitenlandse Zaken (Niederlande) (3.2019):

Country of Origin Information Report on South and Central Somalia (nicht veröffentlichte englische Version), niederländische Version auf URL, 18.6.2019

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SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group / UN Security Council (9.11.2018): Report of the Monitoring Group on Somalia and Eritrea submitted in accordance with resolution 2385 (2017), URL, Zugriff 8.1.2019

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UNFPA - UN Population Fund (10.2014): Population Estimation Survey 2014 - Somalia, URL, Zugriff 23.7.2019

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UNSC - UN Security Council (15.5.2019): Report of the Secretary-General on Somalia, URL, Zugriff 15.7.2019

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UNSC - UN Security Council (21.12.2018): Report of the Secretary-General on Somalia, URL, Zugriff 7.5.2019

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USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Somalia, URL, Zugriff 18.3.2019

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USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom - Somalia, URL, Zugriff 9.7.2019

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VOA - Voice of America / Mohamed Olad Hassan (8.1.2019): Somalia's Puntland Region Elects New President, URL, Zugriff 22.1.2019

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VOA - Voice of America / Mohamed Olad Hassan (21.12.2018):

Somalia's Al-Shabab Declares War on Pro-Islamic State Group, URL, Zugriff 22.1.2019

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Allgemeine Menschenrechtslage

In der somalischen Verfassung ist der Schutz der Menschenrechte ebenso verankert, wie die prägende Rolle der Scharia als Rechtsquelle (AA 4.3.2019, S.17).

Extralegale Tötungen stellen bei den Sicherheitskräften kein strukturelles Problem dar. Allerdings wäre in solchen Fällen aufgrund des dysfunktionalen Justizsystems in der Regel von Straflosigkeit auszugehen (AA 4.3.2019, S.19). Es liegen keine Berichte vor, wonach Behörden für Entführungen oder Verschwindenlassen verantwortlich wären (USDOS 13.3.2019, S.3; vgl. AA 4.3.2019, S.19). Al Shabaab entführt Menschen (USDOS 13.3.2019, S.3); 2018 sind mindestens 260 der Gruppe zugeschriebene Entführungen dokumentiert (UNSC 21.12.2018, S.13).

Bei Kämpfen unter Beteiligung von AMISOM, Regierung, Milizen und al Shabaab kommt es zur Tötung, Verletzung und Vertreibung von Zivilisten (USDOS 13.3.2019, S.1/11f). [Anm.: Siehe Abschnitt 3. Sicherheitslage]

Zivile Behörden sind nur eingeschränkt in der Lage, der Gesellschaft den Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten. Die schwersten Menschenrechtsverletzungen sind: Tötung von Zivilisten durch al Shabaab, somalische Kräfte, Clanmilizen und unbekannte Angreifer (USDOS 13.3.2019, S.1); Gewalt gegen Frauen und Mädchen, darunter Vergewaltigungen (USDOS 13.3.2019, S.1; vgl. SRSG 13.9.2018, S.2); gefährliche traditionelle Rituale; willkürliche Verhaftungen (SRSG 13.9.2018, S.2). In Süd-/Zentralsomalia werden extralegale Tötungen in der Regel von der al Shabaab in von ihr kontrollierten Gebieten durchgeführt, zunehmend auch in Form von gezielten Attentaten in Gebieten unter staatlicher Kontrolle (AA 4.3.2019, S.19).

Weitere Menschenrechtsverletzungen sind Verschwindenlassen (durch al Shabaab); Folter und andere grausame Behandlung; harte Haftbedingungen; willkürliche und politisch motivierte Verhaftungen; Delogierung und sexueller Missbrauch von IDPs; Verwendung von Kindersoldaten. Al Shabaab ist für die Mehrheit der schweren Menschenrechtsverletzungen verantwortlich (USDOS 13.3.2019, S.1ff). Generell ist Straflosigkeit die Norm. Die Regierung ergreift nur minimale Schritte, um öffentlich Bedienstete strafrechtlich zu verfolgen (USDOS 13.3.2019, S.1ff; NLMBZ 3.2019, S.34). Im Zeitraum Jänner-Oktober 2018 wurden somalischen Sicherheitskräften insgesamt 238 tote und verletzte Zivilisten zugeschrieben; AMISOM 8; al Shabaab 611; und anderen Milizen 77. Insgesamt gab es in diesem Zeitraum 1.117 zivile Todesopfer und Verletzte (USDOS 13.3.2019, S.12f). Einer anderen Quelle zufolge gab es im Zeitraum Jänner-Oktober 2018 982 zivile Opfer, mehr als die Hälfte durch al Shabaab (HRW 17.1.2019). 176 Personen wurden zwischen Jänner und August 2018 entführt, die Mehrheit von al Shabaab (USDOS 13.3.2019, S.12f). Für das gesamte Jahr 2018 sind 1.384 zivile Todesopfer und Verletzte dokumentiert, davon werden 60% al Shabaab angelastet (SRSG 3.1.2019, S.5). Im Zeitraum 14.12.2018 bis 4.5.2019 berichtet die UN von 757 getöteten und verletzten Zivilisten, für 72% dieser Opfer wird al Shabaab verantwortlich gemacht, für 9% staatliche Sicherheitskräfte (UNSC 31.5.2019; vgl. UNSC 15.5.2019, Abs.55). Bis 21.7.2019 kamen 322 weitere Opfer hinzu; 76% davon wurden al Shabaab zugerechnet (UNSC 15.8.2019, Abs.46).

Es kommt zu willkürlichen Verhaftungen durch Bundes- und Regionalbehörden, darunter Personen denen Aktivitäten oder Unterstützung für die al Shabaab vorgeworfen wird (USDOS 13.3.2019, S.6f). V.a. die NISA ist dafür verantwortlich (HRW 17.1.2019). Im Zeitraum Jänner-August 2018 gab es bei der Zahl willkürlicher Festnahmen eine Zunahme. Insgesamt wurden 218 Personen verhaftet. Die meisten davon wurden verdächtigt, der al Shabaab anzugehören. Andere hatten Steuern nicht bezahlt oder waren Familienmitglieder desertierter Angehöriger der Sicherheitskräfte. Auch alliierte Milizen, Clanmilizen und al Shabaab verhaften willkürlich Personen (USDOS 13.3.2019, S.6f).

Generell begeht al Shabaab in den Gebieten unter ihrer Kontrolle systematisch Menschenrechtsverletzungen (BS 2018, S.20). Al Shabaab verübt terroristische Anschläge gegen Zivilisten; begeht Morde und Attentate; entführt Menschen, begeht Vergewaltigungen und vollzieht grausame Bestrafungen; Bürgerrechte und Bewegungsfreiheit werden eingeschränkt. Die Gruppe rekrutiert Kindersoldaten (USDOS 13.3.2019, S.2; vgl. HRW 17.1.2019). Al Shabaab verhängt in Gebieten unter ihrer Kontrolle unmenschliche und degradierende Strafen gegen Zivilisten, darunter Amputation, Auspeitschung, Enthauptung und öffentliche Exekution (SEMG 9.11.2018, S.38; vgl. BS 2018, S.11). Außerdem richtet al Shabaab regelmäßig und ohne ordentliches Verfahren Menschen hin, denen Kooperation mit Regierung, internationalen Organisation oder westlichen Hilfsorganisation vorgeworfen wird (AA 4.3.2019, S.12). Moralgesetze gebieten u.a. strenge Kleidungsvorschriften für Männer und Frauen (BS 2018, S.11).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (4.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Somalia Country Report, URL, Zugriff 19.3.2019

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HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Somalia, URL, Zugriff 10.4.2019

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SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group / UN Security Council (9.11.2018): Report of the Monitoring Group on Somalia and Eritrea submitted in accordance with resolution 2385 (2017), URL, Zugriff 8.1.2019

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SRSG - Special Representative of the Secretary-General for Somalia, Mr. Nicholas Haysom (3.1.2019): Statement to the Security Council on Somalia, URL, Zugriff 6.5.2019

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UNSC - UN Security Council (15.8.2019): Report of the Secretary-General on Somalia, URL, Zugriff 22.8.2019

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UNSC - UN Security Council (31.5.2019): June 2019 Monthly Forecast, URL, Zugriff 15.7.2019

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UNSC - UN Security Council (15.5.2019): Report of the Secretary-General on Somalia, URL, Zugriff 15.7.2019

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UNSC - UN Security Council (21.12.2018): Report of the Secretary-General on Somalia, URL, Zugriff 7.5.2019

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USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Somalia, URL, Zugriff 18.3.2019

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Minderheiten und Clans

Recht: Die somalische Verfassung bekennt sich zum Grundsatz der Nichtdiskriminierung (AA 4.3.2019, S.9). Weder das traditionelle Recht (Xeer) noch Polizei und Justiz benachteiligen Minderheiten systematisch. Faktoren wie Finanzkraft, Bildungsniveau oder zahlenmäßige Größe einer Gruppe können Minderheiten dennoch den Zugang zur Justiz erschweren (SEM 31.5.2017, S.42). Im Xeer sind Minderheiten insofern benachteiligt, alsdass große Clans Kompensationszahlungen eher durchsetzen können (NLMBZ 3.2019, S.38). Weiterhin ist es für Minderheitsangehörige möglich, sich im Rahmen formaler Abkommen einem andern Clan anzuschließen bzw. sich unter Schutz zu stellen. Diese Resilienz-Maßnahme wurde von manchen Gruppen etwa angesichts der Hungersnot 2011 und der Dürre 2016/17 angewendet (DI 6.2019, S.11).

Politik: Regierung und Parlament sind entlang der sogenannten 4.5-Formel organisiert. Dies bedeutet, dass die Vertreter der vier großen Clans dieselbe Anzahl von Parlamentssitzen zustehen, während kleineren Clans und Minderheitengruppen gemeinsam nur die Hälfte dieser Sitze zustehen (USDOS 13.3.2019, S.26; vgl. FH 5.6.2019b, B4). Dadurch werden kleinere Gruppen politisch marginalisiert (FH 5.6.2019b, B4). Aktuell sind im Parlament 31 von 275 Sitze von Minderheitsangehörigen besetzt, elf davon durch Bantu (NLMBZ 3.2019, S.42). So blieben die Clans der entscheidende Faktor in der somalischen und somaliländischen Politik. Gegen oder ohne sie lässt sich kein Staat aufbauen. Dementsprechend sind politische Parteien, lokale Verwaltungen und auch das nationale Parlament um die verschiedenen Clans bzw. Sub-Clans organisiert, wobei die vier größten Clans (Darod, Hawiye, Dir-Isaaq und Digil-Mirifle) Verwaltung, Politik, und Gesellschaft dominieren (ÖB 9.2016, S.4f). In politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten ist die Clanzugehörigkeit also weiterhin wichtig, was Minderheiten und IDPs marginalisieren kann (SEM 31.5.2017, S.35f).

Gesellschaft: Einzelne Minderheiten leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen in tiefer Armut und leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Exklusion (USDOS 13.3.2019, S.34; vgl. AA 4.3.2019, S.12; FH 5.6.2019b, F4; NLMBZ 3.2019, S.41). Sie sehen sich in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung - nicht aber systematisch von staatlichen Stellen - wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (AA 4.3.2019, S.12).

Gewalt: Minderheitengruppen, denen es oft an bewaffneten Milizen fehlt, sind überproportional von Gewalt betroffen (Tötungen, Folter, Vergewaltigungen etc.). Täter sind Milizen oder Angehörige dominanter Clans (USDOS 13.3.2019, S.34). Generell sind Angehörige von nicht dominanten Clans und Gruppen zwar potenziell gegenüber Verbrechen vulnerabler als andere; allerdings gibt es keine Hinweise darauf, dass sie etwa in Mogadischu systematisch Gewalt ausgesetzt wären (LI 15.5.2018, S.3).

Al Shabaab: Bei al Shabaab gilt generell, dass jene Clans, die als gegen al Shabaab gerichtet erachtet werden, mit mehr Problemen zu rechnen haben - sei es z.B. eine höhere Besteuerung; ökonomische Isolierung; oder Plünderung (EASO 8.2014, S.91). Es gibt Hinweise, wonach al Shabaab gezielt Kinder von Minderheiten entführt und zwangsrekrutiert (BS 2018, S.10). Gleichzeitig nützt al Shabaab die gesellschaftliche Nivellierung als Rekrutierungsanreiz - etwa durch die Abschaffung der Hindernisse für Mischehen zwischen "noblen" Clans und Minderheiten (ICG 27.6.2019, S.7f). Dementsprechend wird die Gruppe von Minderheitsangehörigen eher als gerecht oder sogar attraktiv erachtet (DI 6.2019, S.11).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (4.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Somalia Country Report, URL, Zugriff 19.3.2019

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DI - Development Initiatives (6.2019): Towards an improved understanding of vulnerability and resilience in Somalia, URL, Zugriff 9.7.2019

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EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview, URL, Zugriff 26.6.2019

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FH - Freedom House (5.6.2019b): Freedom in the World 2019 - Somalia, URL, Zugriff 22.7.2019

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ICG - International Crisis Group (27.6.2019): Women and Al-Shabaab's Insurgency, URL, Zugriff 8.7.2019

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LI - Landinfo (15.5.2018): Somalia: Security challenges in Mogadishu, URL, Zugriff 21.6.2019

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NLMBZ - Ministerie von Buitenlandse Zaken (Niederlande) (3.2019):

Country of Origin Information Report on South and Central Somalia (nicht veröffentlichte englische Version), niederländische Version auf URL, 18.6.2019

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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia

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SEM - Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (31.5.2017): Focus Somalia - Clans und Minderheiten, URL, Zugriff 21.6.2019

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USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Somalia, URL, Zugriff 18.3.2019

Berufsständische Minderheiten, aktuelle Situation

Berufsständische Gruppen unterscheiden sich weder durch Abstammung noch durch Sprache und Kultur von der Mehrheitsbevölkerung. Im Gegensatz zu den "noblen" Clans wird ihnen aber nachgesagt, ihre Abstammungslinie nicht auf Prophet Mohammed zurückverfolgen zu können. Ihre traditionellen Berufe werden als unrein oder unehrenhaft erachtet. Diese Gruppen stehen damit auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie in der Gesellschaft. Sie leben verstreut in allen Teilen des somalischen Kulturraums, mehrheitlich aber in Städten. Ein v.a. im Norden bekannter Sammelbegriff für einige berufsständische Gruppen ist Gabooye, dieser umfasst etwa die Tumal, Madhiban, Muse Dheriyo und Yibir (SEM 31.5.2017, S.14ff).

Diskriminierung: Für die Gabooye hat sich die Situation im Vergleich zur Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert. Insbesondere unter jungen Somali ist die Einstellung zu ihnen positiver geworden; mittlerweile ist es für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten. Es gibt keine gezielten Angriffe auf oder Misshandlungen von Gabooye (SEM 31.5.2017, S.43f). In Mogadischu sind Angehörige von Minderheiten keiner systematischen Gewalt ausgesetzt. Allerdings sind all jene Personen, welche nicht einem dominanten Clan der Stadt angehören, potentiell gegenüber Kriminalität vulnerabler (LI 21.5.2019b, S.3).

Zur Diskriminierung berufsständischer Kasten trägt bei, dass sie sich weniger strikt organisieren und sie viel ärmer sind. Daher sind sie nur in geringerem Maß in der Lage, Kompensation zu zahlen oder Blutrache anzudrohen (GIGA 3.7.2018; vgl. SEM 31.5.2017, S.44ff). Insgesamt ist die soziale Stufe und die damit verbundene Armut für viele das Hauptproblem. Hinzu kommt, dass diese Minderheiten in der Regel eine tendenziell schlechtere Kenntnis des Rechtssystems haben. Der Zugang berufsständischer Gruppen zur Bildung ist erschwert, weil an ihren Wohnorten z.B. Schulen fehlen. Außerdem verlassen viele Kinder die Schule früher, um zu arbeiten. Viele Familien sind auf derartige Einkommen angewiesen. Die meist schlechtere Bildung wiederum führt zur Benachteiligung bei der Arbeitssuche, bei der die Clanzugehörigkeit ohnehin oft zu Diskriminierung führen kann. Da berufsständische Gruppen nur über eine kleine Diaspora verfügen, profitieren sie zudem in geringerem Ausmaß von Remissen als Mehrheitsclans (SEM 31.5.2017, S.44ff).

Dennoch sind vereinzelt auch Angehörige berufsständischer Gruppen wirtschaftlich erfolgreich. Auch wenn sie weiterhin die ärmste Bevölkerungsschicht stellen, finden sich einzelne Angehörige in den Regierungen, im Parlament und in der Wirtschaft

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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