TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/4 L501 2003545-1

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Veröffentlicht am 04.11.2019
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Entscheidungsdatum

04.11.2019

Norm

ASVG §67a Abs6
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

L501 2003545-1/28E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Einzelrichterin über den Antrag der vormals XXXX , nunmehr Dr. Christoph BRANDWEINER als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der XXXX , vom 01.07.2010 wegen Auszahlung eines Guthabens bei der Salzburger Gebietskrankenkasse betreffend das Beitragskonto Nr. XXXX zu Recht erkannt:

A)

Der gemäß § 67a Abs. 6 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) gestellte Antrag vom 01.07.2010 auf Auszahlung eines Guthabens auf dem Betragskonto Nr. XXXX bei der Salzburger Gebietskrankenkasse wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Mit Schreiben vom 01.07.2010 stellte die XXXX GmbH (nunmehr Dr. Christoph BRANDWEINER als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der XXXX GmbH ) beim Dienstleistungszentrum, Wienerbergstraße 15 - 19,1100 Wien, einen Antrag auf Auszahlung eines Guthabens bei der Salzburger Gebietskrankenkasse betreffend das Beitragskonto Nr. XXXX . Mit Schreiben vom 20.07.2010 lehnte das bei der Wiener Gebietskrankenkasse eingerichtete Dienstleistungszentrum die Auszahlung des Guthabens, welches durch die Überweisung von Haftungsbeträgen seitens der Auftraggeber der Antragstellerin entstanden ist, ab. Begründend wurde ausgeführt, dass die für eine Rückzahlung gemäß § 67a Abs. 6 ASVG vorgesehenen Gründe nicht vorlägen, da ein auffälliger Widerspruch hinsichtlich des überwiesenen Werklohns und der Anzahl der gemeldeten Dienstnehmer bestünde.

Mit Eingabe vom 23.09.2010 - eingegangen beim gemäß § 67c ASVG zuständigen Dienstleistungszentrum am 28.09.2010 - wurde die bescheidmäßige Erledigung des Auszahlungsantrags begehrt. Am 26.07.2011 langte bei der Landeshauptfrau von Salzburg ein Devolutionsantrag ein. Auf Anfrage der Landeshauptfrau teilte die Salzburger GKK mit, dass die Verzögerung in der Entscheidungsfindung auf ihr überwiegendes Verschulden zurückzuführen sei. Mit Bescheid vom 19.01.2012, ZI. 20305-V/14.662/14-2012, gab die Landeshauptfrau von Salzburg dem Devolutionsantrag der XXXX GmbH (nunmehr Dr. Christoph BRANDWEINER als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der XXXX GmbH) vom 20.07.2011 (eingegangen bei der Landeshauptfrau von Salzburg am 26.07.2011) gemäß § 73 AVG statt und wies in der Folge den Antrag auf bescheidmäßige Erledigung vom 23.09.2010 als unzulässig zurück.

Der dagegen erhobenen Berufung gab der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz mit Bescheid vom 24.05.2012, Zl. BMASK-428094/0001-II/A/3/2012, statt, behob den Bescheid der Landeshauptfrau von Salzburg und führte aus, dass über den gegenständlichen Antrag mit Bescheid in Verwaltungssachen zu entscheiden sei.

Mit Schreiben vom 06.06.2013 teilte die Salzburger GKK der Antragstellerin mit, dass es aufgrund einer GPLA betreffend den Zeitraum 01.01.2007 - 31.12.2010 zu einer - wie aus den beigelegten Berichten ersichtlich - Nachverrechnung in Höhe von über einer Million Euro gekommen sei, was den Rückstand erkläre. Das durch Haftungszahlungen gemäß § 67a ASVG bestehende Guthaben könne nicht zur Auszahlung gelangen, da für den Zeitraum ab 01.01.2011 abermals eine Betriebsprüfung stattfinde. Der aktuelle Kontostand könne dem elektronischen Beitragskonto WEBEKU entnommen werden. In der Anlage wurden der Prüfbericht und die Niederschrift über die Schlussbesprechung (25.06.2012) - lt. dem Schreiben der SGKK gezeichnet durch den Geschäftsführer Herrn XXXX - übermittelt.

Nach Übergang der Zuständigkeit auf das Bundesverwaltungsgericht wurde die SGKK seitens der Gerichtsabteilung L 504 aufgefordert, zum Antrag auf Auszahlung des Guthabens vom 01.07.2010 Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 06.11.2014 wurde mitgeteilt, dass auf dem Beitragskonto der Antragstellerin bei einer im Verhältnis sehr geringen Anzahl an angemeldeten Personen extrem hohe Haftungsbeträge eingelangt seien. Mit der Zurückhaltung des ‚Guthabens' solle vermieden werden, dass etwaige spätere Nachverrechnungen durch Beitragsprüfungen nicht mehr beglichen werden können. Bei der von der SGKK für den Zeitraum 01.01.2007 - 31.12.2010 durchgeführten GPLA sei es zu einer Nachverrechnung von EUR 1.110.879,39 gekommen, welches mit dem bestehenden ‚Guthaben' aufgerechnet worden sei. Derzeit bestehe kein ‚Guthaben' am Beitragskonto, vielmehr sei ein Rückstand von ca. EUR 6.500,-- evident. Im Zuge dieser GPLA Prüfung sei auch eine Hausdurchsuchung durchgeführt worden. Das hierauf eingeleitete Strafverfahren gegen den Geschäftsführer der Antragstellerin sei diversionell erledigt worden, wobei der Geschäftsführer über einen Zeitraum von 2005 bis 22.10.2012 die Verantwortung für die vorgeworfene Tat übernommen habe. Aus diesem Grund sei von der Antragstellerin auch kein Bescheid über die Nachverrechnung verlangt worden. Es sei eine Anschlussprüfung anhängig, welche vermuten lasse, dass sich bei der Vorgehensweise nichts geändert habe. Der Stellungnahme der SGKK waren der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 17.03.2014, XXXX , über die Einstellung des gegen den Geschäftsführer der Antragstellerin wegen des Vergehens der organisierten Schwarzarbeit nach § 153e Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 StGB geführten Strafverfahrens sowie das Protokoll über die Hauptverhandlung vom 05.02.2014 angeschlossen.

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.04.2015 wurde die Antragstellerin vom Ergebnis der Beweisaufnahme (Schreiben der SGKK vom 06.11.2014 samt Beilagen) informiert und zur Abgabe einer Stellungnahme eingeladen. Bis dato langte keine ein.

Mit Schreiben vom 31.07.2015 teilte die Antragstellerin jedoch der SGKK mit, dass ihr durch ein Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts bekannt geworden sei, dass der Haftungsbetrag im Sinne § 67a ASVG in der Höhe von EUR 1.110.879,39 mit der Nachverrechnung der GPLA Prüfung über den Zeitraum 2007 bis 2010 gegenverrechnet wurde. Sie sei von der SGKK bislang dahingehend informiert worden, dass das bezughabende GPLA-Verfahren noch nicht abgeschlossen sei, ihr sei auch kein Ergebnis, insbesondere kein Bescheid zugestellt worden. Sie widerspreche dieser Verrechnung und beantrage einen dem Rechtszug unterliegenden Bescheid auszustellen. Seitens der SGKK bestünde keinerlei Berechtigung, die Auszahlung eines Guthabens ohne Gründe zunächst abzulehnen. Der bloße Verdacht, ein Werkvertrag könnte durch nicht angemeldete Personen ausgeführt worden sein, berechtige jedenfalls nicht zur Zurückhaltung berechtigter Auszahlungsansprüche.

Am 28.06.2019 übermittelte die SGKK jenen Rückstandsausweis, mit dem sie ihre Forderung iHv EUR 120.288,17 im Insolvenzverfahren der GmbH angemeldet hatte.

Auf erneute Anfrage des Bundesverwaltungsgerichts nach dem Grund für die Nichtauszahlung des Guthabens gemäß § 67a ASVG wiederholte die SGKK im Wesentlichen ihre Angaben aus dem Schreiben vom 06.11.2014, wonach aufgrund der Höhe und Vielzahl der AGH Zahlungen ein Missverhältnis zur Zahl der versicherten Personen festgestellt worden sei; dies sei einer der Gründe für die Eröffnung der GPLA betreffend den Zeitraum 2007 - 2009 gewesen. Übermittelt wurde zudem ein Kontoauszug auf dem ein Rückstand per 17.10.2019 iHv EUR 121.437,04 aufscheint.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Die XXXX GmbH ist im Firmenbuch des Landesgerichts Salzburg mit der FN XXXX eingetragen. Sie erhielt österreichweit als Subunternehmerin Aufträge von Baustahlbearbeitungsfirmen zur Durchführung von Armierungsarbeiten (Bewehren von Beton durch Stahleinlagen). Erbracht wurde die reine Arbeitsleistung, das Baumaterial wurde von den Auftraggebern beigestellt. Die Armierungsarbeiten wurden durch Eisenbieger, welche die Stahleinlagen für den Beton vorbereiten und in die Eisenkonstruktion einflechten, ausgeführt.

Der Antrag der GmbH vom 03.03.2010 auf Aufnahme in die Liste der haftungsfreistellenden Unternehmen (HFU-Gesamtliste) wurde mit Schreiben des Dienstleistungszentrums vom 29.04.2010 abgelehnt, da auf ihrem Beitragskonto XXXX bei der SGKK aufgrund schwerwiegender Verrechnungsmängel Beitragszuschläge gemäß § 113 ASVG verhängt worden waren. In weiterer Folge entstand auf dem Beitragskonto XXXX bei der SGKK aufgrund der Weiterleitung der von den Auftraggebern der GmbH geleisteten Haftungsbeträge in Höhe von 20% des geschuldeten Werklohnes ein Guthaben, welches schließlich den Stand von EUR 1.110.879,39 erreichte. Der von der GmbH mit Schreiben vom 01.07.2010 gestellte Antrag auf Auszahlung des Guthabens wurde von dem bei der Wiener Gebietskrankenkasse eingerichteten Dienstleistungszentrum abgelehnt.

Die Höhe des von den Auftraggebern geleisteten Werklohns stand in auffälligem Widerspruch zur Zahl der bei der GmbH versicherten Personen. Die GmbH wies nicht nach, dass für die Erbringung ihrer Bauleistung nur die entsprechende Zahl von Dienstnehmer notwendig ist bzw. weitere Unternehmen ganz oder teilweise mit der Erbringung der Leistungen beauftragt wurden und hinsichtlich dieser Beauftragung ein Haftungsbefreiungsgrund nach § 67a Abs. 3 ASVG vorliegt.

Aufgrund von zahlreichen Betretungen durch das Finanzamt Salzburg-Stadt, Abteilung Finanzpolizei, waren seitens der SGKK zunächst Erhebungen gemäß § 42 ASVG für den Zeitraum 01.01.2010 - 30.11.2010 durchgeführt worden, die schließlich in eine Prüfung gemäß § 41a ASVG betreffend den Zeitraum 01.01.2007 - 31.12.2010 mündeten. Mit Bescheid der SGKK vom 31.03.2016, GZ. 046- XXXX /PT25/16, wurden 135 Personen aufgrund ihrer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit ausgeübten entgeltlichen Tätigkeit für die GmbH für näher genannte Zeiträume in die Pflicht(Voll-)versicherung in der Kranken-, Unfall- , Pensions- und Arbeitslosenversicherung gemäß § 4 Abs. 2 ASVG iVm der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 und EU Verordnung 883/2004 aufgenommen. Mit Bescheid vom 31.03.2016, GZ. 046- XXXX /PT31/16, wurde die GmbH zur Zahlung von EUR 1.110.879,39 verpflichtet. Die Bescheide sind nicht in Rechtskraft erwachsen, es sind diesbezüglich Beschwerdeverfahren beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.

Mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 08.11.2016, XXXX , wurde der Konkurs über die GmbH eröffnet und diese in der Folge aufgelöst. Die GmbH wurde bis zur Konkurseröffnung durch den Geschäftsführer XXXX , geboren XXXX , selbständig vertreten.

Mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 17.03.2014, XXXX , wurde das gegen den Geschäftsführer der GmbH wegen des Vergehens der organisierten Schwarzarbeit nach § 153e Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 StGB geführte Strafverfahrens gemäß §§ 199, 200 Abs 5 eingestellt. In der Hauptverhandlung am 05.02.2014 hatte der Geschäftsführer die Verantwortung für die ihm vorgeworfenen Taten übernommen und angegeben, dass es stimme, dass das mit den Arbeitern nicht immer so gelaufen sei, wie es hätte laufen sollen. Im Einzelfall, nämlich in Bezug auf welche Arbeiter dies so sei, könne nicht mehr nachvollzogen werden.

Das gegen den Geschäftsführer der GmbH eingeleitete Finanzstrafverfahren endete vor dem LG Salzburg mit dem freisprechenden Urteil vom 24.10.2017, XXXX . Die dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Finanzamtes wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 14.03.2018, XXXX , zurückgewiesen.

Auf dem Beitragskonto XXXX bei der Salzburger Gebietskrankenkasse ist kein Guthaben vorhanden, es besteht vielmehr ein Rückstand iHv EUR 121.437,04. Das vormals vorhandene Guthaben wurde mit den Forderungen aus der GPLA Prüfung betreffend den Zeitraum 2007 bis 2010 sowie mit Beitragszuschlägen gegenverrechnet.

II.2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakt der belangten Behörde bzw. des Bundesverwaltungsgerichts sowie den eingeholten Auszügen aus den Datenbanken.

Seitens der Antragstellerin wurde im Laufe des Verfahrens zu keiner Zeit bestritten, dass die Höhe des von den Auftraggebern geleisteten Werklohns in Widerspruch zur Zahl der bei der GmbH versicherten Personen gestanden hat. Dies, obwohl ihr mehrmals gerade dieses Missverhältnis als Grund für die Nichtauszahlung des Guthabens mitgeteilt worden war. Sie hat auch im Laufe des Verfahrens nicht nachgewiesen, dass für die Erbringung ihrer Bauleistung nur die entsprechende Zahl von Dienstnehmer notwendig ist bzw. weitere Unternehmen ganz oder teilweise mit der Erbringung der Leistungen beauftragt wurden und hinsichtlich dieser Beauftragung ein Haftungsbefreiungsgrund nach § 67a Abs. 3 ASVG vorliegt.

Selbst im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gewährten Parteiengehörs wurde von der Antragstellerin nicht die Gelegenheit wahrgenommen, den diesbezüglichen Aussagen der SGKK bzw. ihrem Verdacht in irgendeiner Weise inhaltlich entgegenzutreten. Der von der SGKK angenommene Verdacht gemäß § 67 Abs. 6 Z 4 ASVG wird zudem

-

auch unter gehöriger Berücksichtigung des Vorbehalts der Diversion

-

durch die in der Hauptverhandlung am 05.02.2014 erfolgte Übernahme der Verantwortung des Geschäftsführers der GmbH für die ihm vorgeworfenen Vergehen der organisierten Schwarzarbeit nach § 153e Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 StGB unterstützt.

Der auf dem Beitragskonto der Antragstellerin aufscheinende Rückstand ergibt sich aus dem übermittelten Kontoauszug bzw. den Angaben der SGKK.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

Mit Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz ging gemäß Art. 151 Abs. 51 Ziffer 8 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei den Behörden anhängigen Verfahren, in denen diese Behörden sachlich in Betracht kommende Oberbehörde oder im Instanzenzug übergeordnete Behörde sind, auf die Verwaltungsgerichte über.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht nur in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 und nur auf Antrag einer Partei durch einen Senat; dies gilt auch für Verfahren, in denen die zitierten Angelegenheiten als Vorfragen zu beurteilen sind. [...]

Der Antrag ist gleichzeitig mit der Beschwerde oder dem Vorlageantrag oder binnen vier Wochen ab Zustellung der Beschwerde einzubringen. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, [...], und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu A)

II.3.1. Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über die Verwaltungssache auf das Bundesverwaltungsgericht

Gemäß § 73 Abs 1 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8 AVG) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

Zu Devolutionsanträgen nach dem AVG vertritt der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung die Ansicht, dass ein Spruchpunkt, mit dem einem Devolutionsantrag stattgegeben wird, keinen selbständigen rechtlichen Gehalt aufweist. Jede Behörde hat bei Fällung einer Entscheidung ihre dafür gegebene Zuständigkeit zu prüfen; in der Fällung einer Sachentscheidung liegt immer die zumindest implizite Bejahung der Zuständigkeit. Nichts anderes gilt für den Fall, dass eine Behörde ihre Zuständigkeit auf Grund eines von ihr als zulässig qualifizierten Devolutionsantrages bejaht (Hinweis E vom 28. März 2012, 2010/08/0063, und E vom 15. Dezember 1995, 95/11/0266). Es ist daher entbehrlich, die Stattgabe eines Devolutionsantrages in Form eines ausdrücklichen Abspruchs auszusprechen (mag ein solcher Ausspruch auch bezogen auf subjektive Rechte regelmäßig keine Rechtsverletzung bewirken; ein solcher Abspruch ist gesetzlich auch nicht vorgesehen). Es ist ausreichend, dass in der Begründung entsprechend dargelegt wird, weshalb die Behörde davon ausgeht, dass sie ihre Zuständigkeit auf Grund des Devolutionsantrages bejaht. Diese Überlegungen sind nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes - vor dem Hintergrund der insoweit identen rechtlichen Ausgangssituation - auf die Rechtslage nach dem VwGVG 2014 zu übertragen (vgl. VwGH vom 27.05.2015, Ra 2015/19/0075).

Eine Säumnisbeschwerde ist dann abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist. Ein überwiegendes Verschulden ist dann anzunehmen, wenn die Verzögerung weder durch das Verschulden der Partei noch durch unüberwindliche Hindernisse verursacht wurde (vgl Hengstschläger, Verwaltungsverfahrensrecht4, 2009, Rz 638). Da die Verzögerung der Entscheidungsfindung verfahrensgegenständlich - wie die SGKK selbst auf die damalige Anfrage der Landeshauptfrau von Salzburg bekannt gegeben hat - auf das überwiegende Verschulden des Sozialversicherungsträgers zurückzuführen ist, ist unstrittig die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts gegeben.

II.3.2 Auszug aus den fallbezogen anzuwendenden Rechtsvorschriften:

§ 67a ASVG - Haftung bei Beauftragung zur Erbringung von Bauleistungen

(1) Wird die Erbringung von Bauleistungen nach § 19 Abs. 1a des Umsatzsteuergesetzes 1994 von einem Unternehmen (Auftrag gebendes Unternehmen) an ein anderes Unternehmen (beauftragtes Unternehmen) ganz oder teilweise weitergegeben, so haftet das Auftrag gebende Unternehmen für alle Beiträge und Umlagen (§ 58 Abs. 6), die das beauftragte Unternehmen an österreichische Krankenversicherungsträger abzuführen hat oder für die es nach dieser Bestimmung haftet, bis zum Höchstausmaß von 20 % des geleisteten Werklohnes, wenn kein Befreiungsgrund nach Abs. 3 vorliegt.

(2) Die Haftung nach Abs. 1 tritt mit dem Zeitpunkt der Zahlung des Werklohnes ein und umfasst alle vom beauftragten Unternehmen zu entrichtenden Beiträge und Umlagen, die bis zum Ende jenes Kalendermonates fällig werden, in dem die Leistung des Werklohnes erfolgt. Als Werklohn gilt das gesamte für die Erfüllung des Auftrages zu leistende Entgelt; als Leistung des Werklohnes gilt auch jede Teilleistung dieses Entgeltes; als Leistung gilt insbesondere auch die Erfüllung durch Aufrechnung seitens des Auftrag gebenden Unternehmens oder des beauftragten Unternehmens. Die Haftung kann geltend gemacht werden, wenn zur Hereinbringung der in Abs. 1 genannten Beiträge und Umlagen erfolglos Exekution geführt wurde oder bezüglich des beauftragten Unternehmens ein Insolvenztatbestand nach § 1 IESG vorliegt. Die Haftung besteht unbeschadet von Ansprüchen nach § 13a IESG.

(3) Die Haftung nach Abs. 1 entfällt,

1. wenn das beauftragte Unternehmen zum Zeitpunkt der Leistung des Werklohnes in der Gesamtliste der haftungsfreistellenden Unternehmen (HFU-Gesamtliste) nach § 67b Abs. 6 geführt wird oder

2. - wenn Z 1 nicht zutrifft - das Auftrag gebende Unternehmen 20 % des zu leistenden Werklohnes (Haftungsbetrag) gleichzeitig mit der Leistung des Werklohnes an das Dienstleistungszentrum (§ 67c) überweist. [...]

(5) Das Dienstleistungszentrum (§ 67c) hat die bei ihm eingelangten Haftungsbeträge unverzüglich an den oder die für die Beitragseinhebung zuständigen Krankenversicherungsträger weiterzuleiten. [...]

(6) Guthaben auf einem Beitragskonto des beauftragten Unternehmens, die sich auf Grund der Überweisung von Haftungsbeträgen nach Abs. 3 Z 2 ergeben, sind auf schriftlichen Antrag, der innerhalb von fünf Jahren ab Einlangen der Zahlung an das Dienstleistungszentrum (§ 67c) zu richten ist, durch den jeweils zuständigen Krankenversicherungsträger auszuzahlen. Dem Antrag ist insbesondere dann nicht stattzugeben, wenn am Letzten des Kalendermonats nach dem Einlangen des Antrages beim Dienstleistungszentrum (§ 67c)

1. nicht alle Beitragskonten nach dem ASVG und GSVG des beauftragten Unternehmens ausgeglichen sind oder

2. eine oder mehrere Beitragsnachweisungen fehlen oder

3. die vorliegenden Beitragsgrundlagenmeldungen in auffälligem Widerspruch zur Zahl der versicherten Personen stehen, die beim beauftragten Unternehmen beschäftigt sind, oder

4. die Höhe des Werklohnes in auffälligem Widerspruch zur Zahl der versicherten Personen steht, es sei denn, das beauftragte Unternehmen weist nach, dass

a) für die Erbringung der Bauleistung nur die entsprechende Zahl von Dienstnehmern und Dienstnehmerinnen notwendig war oder

b) ein weiteres Unternehmen ganz oder teilweise mit der Erbringung der Leistungen beauftragt wurde und hinsichtlich dieser Beauftragung ein Haftungsbefreiungsgrund nach Abs. 3 vorliegt. [...]

Wird dem Antrag nicht stattgegeben, so ist das Guthaben mit Verbindlichkeiten des beauftragten Unternehmens zu verrechnen, und zwar nach folgender Reihenfolge: offene Beitragsschulden, Ansprüche gegenüber dem beauftragten Unternehmen auf Grund einer Haftung nach Abs. 1, Zuschlagsleistungen, Abgabenforderungen des Bundes. [...]

(7) Zum Zweck der Antragstellung nach Abs. 6 haben die DienstgeberInnen das Recht, auf elektronischem Weg uneingeschränkt und kostenlos Einsicht in ihr Beitragskonto zu nehmen.

§ 67c ASVG Dienstleistungszentrum

(1) Für das Zusammenwirken der Krankenversicherungsträger zur Geltendmachung der Haftung nach § 67a ist bei der Wiener Gebietskrankenkasse ein Dienstleistungszentrum einzurichten, das folgende Aufgaben hat:

1. Entgegennahme, Aufteilung und Weiterleitung des Haftungsbetrages an die beteiligten Krankenversicherungsträger;

2. Entgegennahme, Prüfung und Weiterleitung der Auszahlungsanträge;

3. technische Einrichtung und Führung der HFU-Gesamtliste nach § 67b Abs. 6;

4. Entgegennahme und Prüfung der Anträge nach § 67b Abs. 1 im Zusammenwirken mit allen beteiligten Krankenversicherungsträgern;

5. Verständigung aller beteiligten Krankenversicherungsträger über eingelangte Anträge nach § 67b Abs. 1;

6. Vertretung der Krankenversicherungsträger in Angelegenheiten der Haftung nach § 67a vor Verwaltungsbehörden und Gerichten gegen Kostenersatz, wobei die Berufung des Dienstleistungszentrums auf die Bevollmächtigung bei allen Verwaltungsbehörden und Gerichten deren urkundlichen Nachweis ersetzt.

[...] Abweichend von Z 6 bleibt es dem zuständigen Krankenversicherungsträger unbenommen, die Haftung nach § 67a selbst geltend zu machen.

II.3.3 Ein Guthaben auf dem Beitragskonto des beauftragten Unternehmens, das sich aufgrund der Weiterleitung des vom Auftrag gebenden Unternehmen zu leistenden Haftungsbetrages in Höhe von 20% des geschuldeten Werklohnes ergibt, ist sohin (nur) auszuzahlen, wenn ein Antrag gestellt wird und kein Ablehnungsgrund vorliegt.

Das Gesetz nennt die Ablehnungsgründe nur demonstrativ, Beurteilungszeitpunkt ist jeweils der Letzte des Kalendermonats. Es werden zudem zwei "Verdachtsfälle" als Ablehnungsgründe normiert:

Erstens ist nicht stattzugeben, falls "die vorliegenden Beitragsnachweisungen in auffälligem Widerspruch zur Zahl der versicherten Personen stehen, die beim beauftragten Unternehmen beschäftigt sind" (Abs 6 Z 3). Zweitens ist abzulehnen, falls "die Höhe des Werklohnes in auffälligem Widerspruch zur Zahl der versicherten Personen steht", wobei dies aber in zwei Fällen wieder nicht gelten soll, insbesondere wenn "das beauftragte Unternehmen (nachweist), dass ein weiteres Unternehmen ganz oder teilweise mit der Erbringung der Leistungen beauftragt wurde und hinsichtlich dieser Beauftragung ein Haftungsbefreiungsgrund vorliegt" (Abs 6 Z 4 lit a bzw lit b). Letzteres meint wohl, dass (auch) der Auftragnehmer einen der Befreiungsgründe für sich hat, weil sein Subunternehmer auf der HFU-Gesamtliste ist oder er selbst einen Abzug vom Werklohn überwiesen hat. (vgl. Rebhahn/Meißnitzer in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 67a ASVG)

Vorliegend wurde die Auszahlung des Guthabens aufgrund eines auffälligen Widerspruchs hinsichtlich des überwiesenen Werklohns und der Anzahl der gemeldeten Dienstnehmer vom Sozialversicherungsträger abgelehnt. Wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt, ist die Antragstellerin diesem wiederholt mitgeteilten Verdacht im Verfahren nicht inhaltlich entgegengetreten, sodass die Nichtstattgabe des Auszahlungsantrages grundsätzlich auf § 67 Abs. 6 Z 4 ASVG gestützt werden kann. Das Vorliegen der in Abs. 6 Z 4 lit. a und lit. b normierten Ausnahmen wurde seitens der Antragstellerin im Verfahren weder behauptet noch nachgewiesen.

Entscheidend ist jedoch, dass das Beitragskonto der Antragstellerin derzeit kein Guthaben aufweist, das zur Auszahlung gelangen könnte, sondern vielmehr einen Rückstand.

Gemäß Rechtsprechung kommt es grundsätzlich auf die Rechts- und Sachlage im Entscheidungszeitpunkt an, es sei denn, die Rechtsvorschrift stellt auf die Lage während eines bestimmten in der Vergangenheit liegenden Stichtages oder Zeitraumes ab (vgl. VwGH vom 18.05.2016, Ra 2016/11/0072). § 67 Abs. 6 ASVG bezieht sich nun zwar auf einen bestimmten Stichtag, nämlich den Letzten des Kalendermonats nach dem Einlangen des Antrags beim Dienstleistungszentrums, allerdings nach Ansicht der erkennenden Richterin nur im Hinblick auf die Beurteilung des Vorliegens von Ablehnungsgründen und nicht auf das Bestehen bzw. Nichtbestehen eines Guthabens auf dem Beitragskonto. In diesem Punkt ist vielmehr der Stand des Beitragskontos zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Rückzahlungsantrag relevant, zumal es aufgrund der laufend zu erfolgenden Beitragsnachweisungen ansonsten sehr schnell zu einem dem Gesetzeszweck entgegenlaufenden Effekt kommen könnte. Die auf der formlosen Ablehnung der Auszahlung mit Schreiben des Dienstleistungszentrums vom 20.07.2010 basierende Gegenverrechnung ist überdies nicht als rechtswidrig zu erkennen, zumal allenfalls bestehende Meinungsverschiedenheiten über das (Nicht)Bestehen bzw. die Höhe von Beitragsverbindlichkeiten nicht im Rahmen von § 67a ASVG zu diskutieren sind, sondern vielmehr den Gegenstand von Sozialversicherungsprüfungen mit im Rechtsweg bekämpfbaren Entscheidungen bilden.

Vor diesem Hintergrund ist der verfahrensgegenständliche Auszahlungsantrag mangels Guthaben auf dem Beitragskonto letztlich abzuweisen.

Zu B) Zulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, da - soweit überblickbar - zur Frage, ob sich der im § 67a Abs. 6 angeführte Stichtag nur auf die Beurteilung des Vorliegens von Ablehnungsgründen oder auch auf das Bestehen bzw. Nichtbestehen eines Guthabens auf dem Beitragskonto bezieht, keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt.

Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:

Von der mündlichen Verhandlung kann im gegenständlichen Verfahren abgesehen werden, weil der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden konnte, keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen wurden und keine Rechtsfragen aufgetreten sind, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätten. Dies lässt die Einschätzung zu, dass von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten ist. Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

Schlagworte

Auszahlung, Beitragskonto, Entscheidungszeitpunkt, Gegenrechnung,
Guthaben, Revision zulässig, Rückstand

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L501.2003545.1.00

Zuletzt aktualisiert am

20.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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