RS Vfgh 2019/12/3 A6/2019

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Veröffentlicht am 03.12.2019
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Index

30/02 Finanzausgleich

Norm

B-VG Art 102
B-VG Art 104
B-VG Art 137
F-VG §2
FAG 2008 §1
WRG 1959 §4, §130, §131
V d BM f Land- und Forstwirtschaft vom 17.07.1969, mit der die Besorgung von Geschäften der Bundeswasserbauverwaltung dem Landeshauptmann übertragen wird, BGBl 280/1969
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Stattgabe des Klagebegehrens eines Landes wegen Kostentragung durch den Bund für die Kontrolle des Uferbewuchses von – im Eigentum des Bundes stehenden – Bäumen auf öffentlichem Wassergut; Verpflichtung zur Kostentragung durch den Bund bei "sonstigem Aufwand" auch bei den durchgeführten Kontrolltätigkeiten durch einen sachverständigen Dritten

Rechtssatz

Art104 Abs1 B-VG stellt zunächst klar, dass die Bestimmungen des Art102 B-VG über die Einrichtung der mittelbaren Bundesverwaltung auf die nichthoheitliche Verwaltung des Bundes (Art17 B-VG) keine Anwendung finden. Gemäß Art104 Abs2 erster Satz B-VG können jedoch die mit der Verwaltung des Bundesvermögens betrauten Bundesminister die Besorgung solcher Geschäfte dem Landeshauptmann und den ihm unterstellten Behörden im Land übertragen (sogenannte "Auftragsverwaltung"). Ein solcher genereller Auftrag zur Besorgung der Geschäfte der Verwaltung bundeseigener Liegenschaften wurde den Landeshauptleuten und den ihnen unterstellten Behörden im Land mit Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 17.07.1969, mit der die Besorgung von Geschäften der Bundeswasserbauverwaltung dem Landeshauptmann übertragen wird, BGBl 280/1969, erteilt.

Der Umfang der Geschäfte, die iSd Art104 Abs2 B-VG im Einzelnen übertragen werden, richtet sich nach dem Inhalt des Übertragungsaktes. Die Verordnung BGBl 280/1969 spricht von der "Besorgung [...] der Verwaltung des öffentlichen Wassergutes" schlechthin und ist sohin umfassend zu verstehen. Die einschränkende Wendung "nach Maßgabe der von ihm erlassenen Richtlinien und Weisungen" ist für die Frage der Zuständigkeit für die Verwaltung des öffentlichen Wassergutes ohne Bedeutung. Sie bindet den Landeshauptmann und die diesem unterstellten Landesbehörden lediglich im Innenverhältnis zum Bundesminister. Der Landeshauptmann und die diesem unterstellten Landesbehörden sind somit umfassend und - bis zum Widerruf der Übertragung gemäß Art104 Abs2 zweiter Satz B-VG - anstelle des Bundesministers für die Verwaltung des öffentlichen Wassergutes zuständig.

Die Beauftragung eines externen Sachverständigen zur Erhebung von Gefahrenbäumen kann als Maßnahme zur "Besorgung [...] der Verwaltung des öffentlichen Wassergutes" iSd Verordnung BGBl 280/1969 angesehen werden. Im Ergebnis dient diese Maßnahme nämlich der Sicherstellung des Gemeingebrauchs an den Liegenschaften des öffentlichen Wassergutes, insbesondere der Sicherstellung ihrer Erholungsfunktion für die Bevölkerung gemäß §4 Abs2 lite WRG 1959. Dieser Sichtweise widerspricht auch nicht, dass §4 Abs2 lite leg cit kein subjektives Recht auf Gemeingebrauch an einem öffentlichen Wassergut begründet.

Durch die durchgeführten Maßnahmen schafft das Land Niederösterreich auch (erste) Vorkehrungen, um eine zivilrechtliche Haftung des Bundes für etwaige schadhafte Bäume hintanzuhalten. Nach der Rsp des OGH wird nämlich die Haftungsregelung des §1319 ABGB auch auf schadhafte Bäume ausgedehnt. Danach sind Schäden, die durch das Umstürzen von Bäumen oder die Ablösung von Ästen verursacht werden, im Wege der Analogie in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung einzubeziehen, sofern die Gefahr für den Verpflichteten erkennbar war. Nach welcher Maßgabe das Land Niederösterreich aber konkrete Handlungen zur Gefahrenabwehr zu setzen hat, hängt gemäß der Verordnung BGBl 280/1969 auch davon ab, ob der Bundesminister dem Landeshauptmann (und den ihm unterstellten Behörden) in dieser Hinsicht Weisungen erteilt hat.

Art104 Abs2 dritter Satz B-VG geht davon aus, dass für die Kosten dieser "Auftragsverwaltung" grundsätzlich die Länder aufzukommen haben; durch Bundesgesetz wird jedoch bestimmt, inwieweit "in besonderen Ausnahmefällen" der Bund (den Ländern) Kostenersatz zu leisten hat. §1 Abs2 FAG 2008, BGBl I 103/2007, hat für Anwendungsfälle wie den vorliegenden eine besondere Regelung getroffen, wie der - mit der Verwaltung bundeseigener Liegenschaften durch die Länder verbundene - Aufwand zu tragen ist. Da diese Bestimmung vom 01.01.2008 bis 31.12.2016 in Geltung stand und der vorliegende Aufwand im September 2014 erwuchs, ist der Klagsanspruch nach dieser Vorschrift zu beurteilen.

Gemäß §1 Abs2 Z1 FAG 2008 trägt das Land ua den Sachaufwand iSd §1 Abs1 leg cit sowie den Aufwand für Vermessungsarbeiten durch Dritte. Allerdings ersetzt der Bund dem Land den Aufwand für Vermessungsarbeiten durch Dritte, soweit diese Arbeiten vom zuständigen Bundesminister angeordnet wurden. Unter - dem in §1 Abs2 Z1 erster Satz FAG 2008 bezeichneten - Sachaufwand ist gemäß Abs1 Z3 leg cit der gesamte Amtssachaufwand einschließlich aller Reisekosten zu verstehen.

Dem Bund ist zunächst zuzustimmen, dass die durchgeführten Kontrolltätigkeiten durch einen sachverständigen Dritten keinen "Sachaufwand" iSd §1 Abs2 Z1 FAG 2008 darstellen, der vom Land zu tragen wäre. Diese Bestimmung verweist auf §1 Abs1 leg cit, der in seiner Z3 "Sachaufwand" als gesamten "Amtssachaufwand einschließlich aller Reisekosten" festlegt. Nach der Rsp des VfGH ist unter "Amtssachaufwand" nämlich nur jener Aufwand zu verstehen, der die Voraussetzungen für das Tätigwerden der amtlichen Organe (somit praktisch für die Behördenorganisation und die notwendigen Hilfsmittel) schafft.

Bei den durchgeführten Kontrolltätigkeiten durch einen sachverständigen Dritten handelt es sich im vorliegenden Fall um eine außerordentliche Tätigkeit, die nicht unter den "Amtssachaufwand" fällt, sondern um einen "sonstigen Aufwand" iSd §1 Abs2 Z2 FAG 2008, den der Bund unmittelbar zu tragen hat. Für dieses Ergebnis ist es unschädlich, dass diese Bestimmung etwa den "Aufwand für Lieferungen und Leistungen Dritter für Betrieb und Erhaltung (einschließlich solcher für Baumschnitte)" bundeseigener Liegenschaften aufzählt und Baumkontrollen nicht explizit erwähnt. Den Materialien zufolge dient diese Auflistung von Anwendungsfällen nämlich der Klarstellung des Gesetzestextes und ist somit lediglich beispielhaft.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Klagen, Wasserrecht, Finanzausgleich, Bundesverwaltung mittelbare, Kostentragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2019:A6.2019

Zuletzt aktualisiert am

12.01.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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