TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/8 98/08/0167

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Veröffentlicht am 08.09.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §69 Abs2;
AVG §71 Abs2 impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des A in S, vertreten durch Dr. Hubert Schweighofer, Rechtsanwalt in 3390 Melk, Bahnhofstraße 5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 4. Mai 1998, Zl. GS 8-8235-1998, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens zur Gewährung einer Versehrtenrente (mitbeteiligte Partei:

Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und den angeschlossenen Beilagen (dem angefochtenen Bescheid, den Bescheiden der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt vom 17. Juni 1997 und 4. Februar 1998 sowie dem Antrag des Beschwerdeführers vom 21. Jänner 1998 und seinem Einspruch vom 4. März 1998) ist von folgendem unstrittigen Sachverhalt auszugehen:

Mit Bescheid der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt vom 17. Juni 1997 wurde der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Anspruch auf Entschädigung aus Anlaß des Unfalles vom 6. Oktober 1995 mit der Begründung abgelehnt, es hätten die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalles gemäß § 175 Abs. 1 ASVG nicht nachgewiesen werden können. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit Schreiben vom 21. Jänner 1998 beantragte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des mit dem genannten Bescheid vom 17. Juni 1997 abgeschlossenen Verfahrens. Darin führte der Beschwerdeführer aus, er habe gegen den Bescheid kein Rechtsmittel erhoben, weil es ihm im damaligen Zeitpunkt an Unterlagen gemangelt habe, mit dem er die Geschäftsreise, auf der der Unfall passiert sei, hätte nachweisen können. Da der Beschwerdeführer nach dem Unfall in Marburg mit schwersten Verletzungen nach Hause gekommen sei, habe er in der damaligen Hektik übersehen, daß er sich seinen Besuch bei einer namentlich genannten Firma für die Reisekostenabrechnung habe bestätigen lassen. Diese Bestätigung sei während seines Krankenhausaufenthaltes von der Gattin des Beschwerdeführers aus den auf dem Motorrad mitgenommenen Unterlagen entnommen und in die Buchhaltung eingeordnet worden. Es sollte damals mit dem Steuerberater ein Vergleich der Betriebsausgaben der Jahre 1995 und 1996 durchgeführt werden, weshalb die Gattin des Beschwerdeführers diesen Beleg benötigt habe. Nachdem nunmehr die Unterlagen vom Steuerberater zurückgekommen seien, habe der Beschwerdeführer diese Reisekostenabrechnung mit der darin enthaltenen Bestätigung der genannten Firma vorgefunden. Es hätten sich daher die Grundlagen wesentlich geändert und könne der Beschwerdeführer durch diese Bestätigung seine Anwesenheit bei Modena bestätigen. Im Zusammenhang mit den bereits übermittelten Unterlagen ergebe sich somit ein geschlossener Beweis für die Dienstreise.

Mit Bescheid vom 4. Februar 1998 wies die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt diesen Antrag gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 2 AVG zurück. In der Begründung dieses Bescheides wurde nach Wiedergabe des § 69 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 2 AVG die Rechtsauffassung vertreten, die Beweislast für die Einhaltung der subjektiven Frist (des § 69 Abs. 2 AVG) treffe die Partei. Sie müsse bereits im Antrag angeben, wann sie von dem geltend gemachten Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt habe. Der Wiederaufnahmeantrag müsse den Wiederaufnahmegrund darlegen und die Angabe enthalten, wann der Antragsteller von diesem Kenntnis erlangt habe. Wenn eines der genannten Elemente fehle, sei der Antrag zurückzuweisen. Im Antrag vom 21. Jänner 1998 fehle die Angabe, wann der Beschwerdeführer von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt habe und sei darüber hinaus der Wiederaufnahmegrund nicht ausreichend dargelegt worden.

Der Beschwerdeführer erhob Einspruch. Darin führt er ergänzend zu seinem Wiederaufnahmeantrag aus, er habe mit seiner Gattin die Unterlagen, die vom Steuerberater am 16. Jänner 1998 zurückgelangt seien, durchgesehen. Hiebei habe er die Bestätigung über seine Anwesenheit in Italien gesehen. Er sei daraufhin sofort nach telefonischer Vereinbarung am 21. Jänner zu seinem Rechtsvertreter gefahren und habe dieser am selben Tag noch den Wiederaufnahmsantrag eingebracht.

Die belangte Behörde gab mit dem angefochtenen Bescheid dem Einspruch keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. In der Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und Wiedergabe des § 69 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 2 AVG ausgeführt, daß nach der Judikatur (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Mai 1990, Zl. 90/09/0071) ein Wiederaufnahmeantrag nicht nur den Wiederaufnahmegrund, sondern auch Angaben über die Rechtzeitigkeit der Erhebung des Begehrens zu enthalten habe. Der Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Wiederaufnahmegrundes sei datumsmäßig oder sonst genau anzuführen. Durch die Verwendung des Wortes "nunmehr" im Wiederaufnahmeantrag sei dessen Rechtzeitigkeit nicht offensichtlich. Ein Fehlen entsprechender Angaben über die Rechtzeitigkeit der Antragstellung könne nicht nach § 13 Abs. 3 AVG als bloßes Formgebrechen behandelt werden. Durch die nach Ablauf der in § 69 Abs. 2 AVG angeführten Frist erfolgte datumsmäßige Angabe des Rückerhaltes der Unterlagen vom Steuerberater im vorliegenden Einspruch sei der Wiederaufnahmeantrag nicht als saniert anzusehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt. Er führt aus, aus den Unterlagen ergebe sich, daß sein Brief vom 21. Jänner 1998 unmittelbar nach Rücklangen der Unterlagen vom Steuerberater verfaßt worden sei. Im Einspruch vom 4. März 1998 sei dann der genaue zeitliche Ablauf noch konkretisiert worden. Das Wort "nunmehr" lasse nur den Schluß zu, daß unmittelbar nach Vorfinden der genannten Unterlage diese dem Rechtsvertreter übergeben worden sei. Hätte die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt Zweifel an der Rechtzeitigkeit gehabt, hätte sie gemäß § 13 Abs. 3 AVG dieses Formgebrechen zum Anlaß nehmen müssen, einen entsprechenden Verbesserungsauftrag zu erteilen. Dies sei nicht geschehen. Darüber hinaus seien im Einspruch die genauen Daten angeführt worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die auf den klaren Wortlaut des § 69 Abs. 2 AVG gestützte Rechtsprechung richtig wiedergegeben, daß bereits im Wiederaufnahmeantrag angegeben werden muß, wann der Antragsteller von den geltend gemachten Beweismitteln Kenntnis erlangt hat, und daß ein Fehlen dieser Angaben über die Rechtzeitigkeit nicht als ein Formgebrechen im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG behandelt werden kann (vgl. außer dem im Bescheid zitierten hg. Erkenntnis auch die Anmerkung 9 zu § 69 AVG und die zu § 69 Abs. 2 AVG referierte Judikatur in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage).

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens besteht Streit darüber, ob durch die Formulierung, "nachdem nunmehr die Unterlagen vom Steuerberater zurückgekommen seien, hat (der Beschwerdeführer) diese Reisekostenabrechnung mit der darin enthaltenen Bestätigung der Firma vorgefunden", im Zusammenhang mit dem gesamten Anbringen der Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Wiederaufnahmsgrundes ausreichend erkennbar gewesen sei. Die Auffassung des Beschwerdeführers, das Wort "nunmehr" lasse nur den Schluß zu, daß natürlich unmittelbar nach Vorfinden der Unterlagen diese dem Rechtsanwalt übergeben worden seien und aus der Datierung des Wiederaufnahmeantrages sei die Rechtzeitigkeit desselben erschließbar, kann nicht geteilt werden. Der Ausdruck "nunmehr" läßt nämlich keinen Schluß darauf zu, wann der Beschwerdeführer von dieser Nachweismöglichkeit erfahren hat. Auch erlaubt dieses Wort keine präzise zeitliche Fixierung, wie sie für eine Fristenberechnung (nach Wochen) erforderlich wäre. Es war daher nicht rechtswidrig, daß die belangte Behörde den Wiederaufnahmeantrag wegen des Fehlens eines für den Nachweis einer Rechtzeitigkeit tauglichen Vorbringens ohne Durchführung eines Verbesserungsverfahrens zurückgewiesen hat. Aus dem Charakter der Angabe zur Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmeantrages als inhaltliche Voraussetzung folgt aber auch, daß ihre Ergänzung bzw. Nachtragung nach Ablauf der Frist des § 69 Abs. 2 AVG - etwa wie im vorliegenden Fall im Einspruch gegen den erstinstanzlichen Bescheid - nicht möglich ist (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1996, Zl. 95/19/0003).

Ausgehend von dieser Rechtsauffassung entspricht die Entscheidung der belangten Behörde über den zulässigen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1997, Zl. 97/08/0429, m.w.N.) Einspruch der Rechtslage.

Somit ließ bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998080167.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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