TE Lvwg Erkenntnis 2020/1/13 LVwG-AV-1247/001-2018

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Veröffentlicht am 13.01.2020
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Entscheidungsdatum

13.01.2020

Norm

AWG NÖ 1992 §11 Abs6
AWG NÖ 1992 §27 Abs1
BAO §4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin HR Dr. Grassinger über die Beschwerde von Frau A, ***, ***, gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 25. Oktober 2018, GZ: ***, Steuer-Nr. ***, betreffend die Vorschreibung der jährlichen Abfallwirtschaftsgebühr und -abgabe ab 01.07.2018, nach dem NÖ Abfallwirtschaftsgesetz 1992, LGBl 8240, idgF, wie folgt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Der Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 25. Oktober 2018, GZ: ***, Steuer-Nr. ***, wird dahingehend abgeändert, dass der Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 18. Juni 2016, Steuer-Nr. ***, GZ: ***, ersatzlos aufgehoben wird.

Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen dieses Erkenntnis ist nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 279 Bundesabgabenordnung (BAO)

§ 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) iVm

Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)

Entscheidungsgründe:

Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 18.06.2018, Steuer-Nr. ***, wurde der nunmehrigen Beschwerdeführerin gemäß § 23 ff NÖ Abfallwirtschaftsgesetz 1992 und nach der geltenden Abfallwirtschaftsverordnung der Marktgemeinde *** vom 05.12.2013 für die Bereitstellung von Abfallentsorgungseinrichtungen sowie für die Erfassung und Behandlung von Abfall eine jährliche Abfallwirtschaftsgebühr und Abfallwirtschaftsabgabe für die Liegenschaft ***, ***, AZ: ***, mit Wirksamkeitsbeginn ab 01.07.2018, wie folgt vorgeschrieben:

240 Liter Restmüll, 13 Entleerungen, Tarifbetrag 27,266, eine Person, Betrag 354,46,

120 Liter Biotonne, 23 Entleerungen, Tarifbetrag 1,520, eine Person, € 48,64.

Es wurde eine Abfallwirtschaftsgebühr in der Höhe von € 366,45, zuzüglich 10% USt., (Teilzahlungsbetrag vierteljährlich € 100,78) vorgeschrieben.

Gleichzeitig wurde eine Abfallwirtschaftsabgabe von 22,000 % der Abfallwirtschaftsgebühr, netto 80,62 (zuzüglich 10,00 % USt) vorgeschrieben.

Über die dagegen fristgerecht erhobene Berufung vom 02.07.2018 entschied der Gemeindevorstand der Marktgemeinde *** nach vorheriger ordnungsgemäßer Beschlussfassung in der Sitzung vom 24.10.2018 (Tagesordnungspunkt 6.) dahingehend, dass die Berufung als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt wurde.

In der gegen die Berufungsentscheidung fristgerecht erhobenen Beschwerde wendete die Beschwerdeführerin eine falsche Berechnung der Abfallwirtschaftsgebühr ein.

Begründend verwies sie darauf, dass seitens der Gemeinde für ihr Grundstück in *** für die Abfallentsorgung ein 240 Liter Restmüllbehälter zur Verfügung gestellt worden sei. Bei der Gebührenberechnung sei jedoch ein 120 Liter Restmüllbehälter kostenlos und ein 240 Liter Restmüllbehälter mit einem Tarifbetrag von € 27,266 brutto verrechnet worden. In der Verordnung sei jedoch die Grundgebühr mit € 14,5310 netto pro Behälter und Abfuhr festgelegt.

Die Beschwerdeführerin stelle daher den Antrag, den Bescheid aufzuheben und die Marktgemeinde *** aufzufordern, nach den Grundlagen der Abfallwirtschaftsverordnung einen neuen Abgabenbescheid auszustellen.

Mit Schriftsatz des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 05.11.2019, LVwG-AV-1247/001-2018, wurde der Gemeindevorstand der Marktgemeinde *** ersucht, binnen einer vorgegebenen Frist den Bezug habenden Verpflichtungsbescheid als Grundlage für die verfahrensgegenständliche Vorschreibung der jährlichen Abfallwirtschaftsgebühr und Abfallwirtschaftsabgabe vorzulegen. Gleichzeitig wurde um Übermittlung des Rückscheines an den/die Bescheidadressaten/in ersucht, sowie um Mitteilung, ob der Verpflichtungsbescheid rechtskräftig wurde.

Für den Fall des Nichtvorliegens eines Bezug habenden Verpflichtungsbescheides ersuchte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich ebenfalls um ausdrückliche schriftliche Mitteilung.

Weiters wurde um Bekanntgabe ersucht, ob die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Erlassung eines neuen Zuteilungsbescheides gestellt hat und wurde für diesen Fall um Übermittlung dieses Antrages ersucht.

Mit E-Mail des Gemeindeamtes *** vom 25.11.2019 wurde zur Anfrage des erkennenden Gerichtes mitgeteilt, dass ein Verpflichtungsbescheid für die verfahrensgegenständliche Vorschreibung nicht vorliege, somit auch kein Rückschein vorhanden sei.

Weiters wurde mitgeteilt, dass die Beschwerdeführerin keinen Antrag auf Erlassung eines (neuen) Zuteilungsbescheides gestellt habe. Es sei in der verfahrensgegenständlichen Abgabenvorschreibung kein (neuer) Verpflichtungsbescheid erlassen worden.

Auf Grund des vorliegenden Abgabenaktes und der vom erkennenden Gericht durchgeführten ergänzenden Ermittlungen war folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als feststehend anzusehen:

Der verfahrensgegenständlich zu Grunde liegenden Vorschreibung einer jährlichen Abfallwirtschaftsgebühr und Abfallwirtschaftsabgabe nach § 23 ff NÖ Abfallwirtschaftsgesetz 1992 für die Liegenschaft in ***, ***, liegt ein (rechtskräftiger) Verpflichtungsbescheid nicht zu Grunde, da ein solcher bis dato nicht erlassen wurde.

Dieser Sachverhalt ergab sich einerseits aus dem vom Gemeindevorstand der Marktgemeinde *** vorgelegten Abgabenakt, andererseits eindeutig aus der Mitteilung des Gemeindeamtes *** laut E-Mail vom 25.11.2019.

In rechtlicher Hinsicht wurde hierüber erwogen:

NÖ Abfallwirtschaftsgesetz 1992 idF LGBl. Nr. 42/2017:

Begriffe

§ 3. Im Sinne dieses Gesetzes gelten als:

...

10. Pflichtbereich: Jener Bereich einer Gemeinde, für den eine Abfallerfassung eingerichtet ist.

Erfassung und Behandlung von nicht gefährlichem Siedlungsabfall im Pflichtbereich:

§ 9 (1) Im Pflichtbereich sind die Grundstückseigentümer bzw. Nutzungsberechtigten verpflichtet, nicht gefährliche Siedlungsabfälle nach Maßgabe der §§ 11, 12 und 14 nur durch Einrichtungen der Gemeinde oder deren sich die Gemeinde bedient, erfassen und behandeln zu lassen. Dies gilt nicht für kompostierbare Abfälle, wenn sie einer sachgemäßen Kompostierung im örtlichen Nahebereich zugeführt werden, für betriebliche Abfälle sowie für Abfälle, die auf Grund anderer Rechtsvorschriften erfaßt und behandelt werden.

(2) Der Pflichtbereich einer Gemeinde hat alle Grundstücke zu umfassen, auf denen gewöhnlich nicht gefährlicher Siedlungsabfall anfallen kann z.B. Grundstücke mit der Widmung Bauland, Grünland-Landwirtschaft, - Forstwirtschaft, im Grünland erhaltenswerte Bauten, -Gärtnerei oder –Kleingärten.

(3) Die Gemeinden haben nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes für die Erfassung und Behandlung des nicht gefährlichen Siedlungsabfalls zu sorgen und Einrichtungen zu schaffen oder anzubieten.

§ 11. (6) Die Anzahl und die Größe der aufzustellenden Müllbehälter nach dem Holsystem ist mit Bescheid so festzusetzen, daß in den beigestellten Müllbehältern der zu erfassende (§ 9) und erfahrungsgemäß anfallende Müll innerhalb des Abfuhrzeitraumes nach dem Stand der Technik erfaßt werden kann. Bei Verwendung von Säcken ist die Anzahl der jährlichen vorzusehenden Säcke in die Entscheidung aufzunehmen.

(6a) Abweichend von Abs. 6 dürfen Grundstücken, auf denen sich Betriebe befinden, für diese Betriebe Müllbehälter mit einem Volumen von maximal 3.120 l pro Jahr insgesamt zugeteilt werden. Über dieses Volumen hinaus anfallenden Restmüll hat die Gemeinde über Ansuchen des Betriebes gegen Berechnung der Kosten in Form eines privatrechtlichen Entgeltes zu erfassen. Für Altstoffe und kompostierbare Abfälle dürfen Betrieben keine Müllbehälter zugeteilt werden.

§ 23:

(1) Die Gemeinden werden gemäß § 8 Abs. 5 F-VG 1948 und gemäß bundesgesetzlichen Bestimmungen ermächtigt, folgende Abgaben zu erheben:

1.   Eine Abfallwirtschaftsgebühr für die Bereitstellung von Abfallentsorgungs-einrichtungen sowie für die Erfassung und die Behandlung von Abfall und

2.   eine Abfallwirtschaftsabgabe.

(2) Die auf Grund des Absatzes 1 ausgeschriebenen Gebühren und Abgaben sind in der Abfallwirtschaftsverordnung (§ 28) näher auszuführen.

§ 27 NÖ AWG 1992:

(1) Die Verpflichtung zur Entrichtung der Abfallwirtschaftsgebühr und der Abfallwirtschaftsabgabe entsteht ab dem Zeitpunkt der Rechtswirksamkeit der Abfallwirtschaftsverordnung. Werden Müllbehälter zugeteilt, so entsteht der Abgabenanspruch erst mit dem auf die Erlassung des Bescheides über die Festsetzung der Anzahl der aufzustellenden oder anzubringenden Müllbehälter nächstfolgenden Monatsersten.

(2) Der Zeitpunkt der Fälligkeit der Abfallwirtschaftsgebühr und der Abfallwirtschaftsabgabe ist in der Abfallwirtschaftsverordnung (§ 28) festzusetzen. Die behördlich festgesetzte Abfallwirtschaftsgebühr und Abfallwirtschaftsabgabe ist bis zur Erlassung einer neuen Abgabenentscheidung in unveränderter Höhe zu entrichten. Die Abfallwirtschaftsgebühr und die Abfallwirtschaftsabgabe sind auch dann zu entrichten, wenn die Müllbehälter nicht oder nicht ständig benützt werden. Dies gilt nicht für den Fall, daß der Behandlungsanteil nach der Zahl der tatsächlichen Abfuhren berechnet wird.

(3) Entsteht die Abgabenschuld während eines Kalenderjahres ist die Abfallwirtschaftsgebühr und die Abfallwirtschaftsabgabe anteilsmäßig für die restlichen vollen Monate dieses Kalenderjahres zu entrichten. Dasselbe gilt sinngemäß, wenn sich die Abfallwirtschaftsgebühr im Laufe eines Kalenderjahres ändert.

(4) Erlischt die Verpflichtung zur Entrichtung der Abfallwirtschaftsgebühr, so ist die Abfallwirtschaftsgebühr für die restlichen vollen Monate dieses Kalenderjahres nicht mehr zu entrichten. Gleiches gilt für die Abfallwirtschaftsabgabe.

(5) Wird der Behandlungsanteil nach der Anzahl der tatsächlichen Abfuhren berechnet, so entsteht der Abgabenanspruch mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abfuhren erfolgt sind.

(6) In einem solchen Fall ist die Abfallwirtschaftsgebühr und die Abfallwirtschaftsabgabe auf Teilzahlungszeiträume aufzuteilen. Die Teilbeträge sind entweder auf Grund der bisher festgesetzten Müllbehandlungsgebühr/Abfallwirtschaftsabgabe, oder der festgesetzten Abfallwirtschaftsgebühr/Abfallwirtschaftsabgabe zusammen mit einem allfälligen Bereitstellungsanteil (§ 24 Abs. 2 Z 2) festzusetzen und zu entrichten. Im ersten Teilzahlungszeitraum eines Kalenderjahres ist der Differenzbetrag zwischen den Teilzahlungen der vorhergegangenen Teilzahlungszeiträume und der auf Grund der Anzahl der tatsächlichen Abfuhr festgesetzten Abfallwirtschaftsgebühr zu entrichten und sind erforderlichenfalls die Teilbeträge für die folgenden Teilzahlungszeiträume neu festzusetzen.

§ 28 NÖ AWG 1992:

(1) Der Gemeinderat hat eine Abfallwirtschaftsverordnung zu erlassen, in der insbesonders zu regeln sind:

1.     der Pflichtbereich,

2.     gegebenenfalls Sonderbereiche mit Anführung der einbezogenen Grundstücke,

3.     Sammelstellen für Sonderbereiche (Lage, Zufahrt, Ausstattung, Betriebsordnung, insbesondere Aufsicht, Betriebszeiten),

4.     die Aufzählung der neben Müll in die Erfassung und Behandlung einbezogenen Abfallarten,

5.     der Abfuhrplan,

6.     die Festsetzung der Erfassung (Art, Zahl) des Sperrmülls innerhalb eines bestimmten Zeitraumes,

7.     die Arten der Erfassung und Behandlung von Abfällen,

8.     die Festlegung, ob die Berechnung des Behandlungsanteiles der Abfallwirtschaftsgebühr bei der Verwendung von Müllbehältern für eine wiederkehrende Verwendung auf Basis der Abfuhrtermine oder der tatsächlichen Abfuhren erfolgt,

9.     die Grundgebühr für die Berechnung der Abfallwirtschaftsgebühr und die Höhe der Abfallwirtschaftsabgabe,

10.    der Bereitstellungsbetrag,

11.    die Fälligkeitszeitpunkte der Abfallwirtschaftsgebühr und der Abfallwirtschaftsabgabe,

12. erforderlichenfalls den Ort der Aufstellung der Müllbehälter am Abfuhrtag.

(2) Die Gemeinden haben in den zur Durchführung dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen vorzusehen, daß diese mit dem Monatsersten rechtswirksam werden, der dem Ablauf der zweiwöchigen Kundmachungsfrist zunächst folgt, soferne in der Verordnung nicht ein späterer Zeitpunkt festgesetzt ist.

(3) Wurde eine Verordnung der Landesregierung über die getrennte Erfassung und Behandlung von Abfällen (§ 8) erlassen, so hat die Gemeinde entsprechende Bestimmungen in ihre Abfallwirtschaftsverordnung aufzunehmen oder diese anzupassen.

Von der Marktgemeinde *** wurde die Bezug habende Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde *** gemäß §§ 23 und 28 NÖ AWG 1992 (Abfallwirtschaftsabgabe und Abfallwirtschafsverordnung), in Kraft getreten am 01.01.2014, vorgelegt.

Bundesabgabenordnung – BAO:

§ 1. (1) Die Bestimmungen der BAO gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.

§ 93. (1) Für schriftliche Bescheide gelten außer den ihren Inhalt betreffenden besonderen Vorschriften die Bestimmungen der Abs. 2 bis 6, wenn nicht nach gesetzlicher Anordnung die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen genügt.

(2) Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.

§ 252. (1) Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, so kann der Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind.

(2) Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Abgaben-,
Mess-, Zerlegungs- oder Zuteilungsbescheid getroffen worden sind, so gilt Abs. 1 sinngemäß.

§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.

Auf Grund des vom erkennenden Gericht erzielten Beweisergebnisses ist festzustellen, dass gegenüber der Beschwerdeführerin für das in ihrem Eigentum stehende Grundstück mit der topographischen Anschrift ***, ***, ein Verpflichtungs- bzw. Zuteilungsbescheid nach § 11 Abs. 6 NÖ AWG 1992 bis dato nicht erlassen worden ist.

Auch gegenüber einem allfälligen Rechtsvorgänger wurde ein Zuteilungsbescheid (Verpflichtungsbescheid) für das verfahrensgegenständlich maßgebliche Grundstück nicht erlassen.

Im beschwerdegegenständlich anhängigen Verfahren zur Vorschreibung der jährlichen Abfallwirtschaftsgebühr und Abfallwirtschaftsabgabe, einem vom Verpflichtungsverfahren abgeleiteten Verfahren nach dem Regime der BAO, ist primär zu prüfen, ob ein Abgabenanspruch im Sinne des NÖ AWG 1992 überhaupt entstanden ist.

Gemäß § 4 BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschrift die Abgabepflicht knüpft. Der Abgabenanspruch entsteht grundsätzlich unabhängig von einer behördlichen Tätigkeit. Er setzt daher keine diesbezügliche Bescheiderlassung voraus. Der Zeitpunkt des Entstehens des Abgabenanspruches ist bedeutsam u.a. für die Abgabenfestsetzung, welche - außer dies wäre gesetzlich vorgesehen - vor diesem Zeitpunkt nicht zulässig ist. Weiters kann auch die Fälligkeit von Abgaben niemals vor Entstehung des Abgabenanspruches liegen (vgl. dazu Ritz, BAO3, Tz 2 ff u. Tz 14 zu § 4).

Gemäß § 4 BAO iVm § 11 Abs 6 NÖ AWG 1992 und § 27 Abs. 1, zweiter Satz, NÖ AWG 1992 entsteht die Verpflichtung zur Entrichtung der Abfallwirtschaftsgebühr und der Abfallwirtschaftsabgabe erst mit dem auf die Erlassung des Bescheides über die Festsetzung der Anzahl der aufzustellenden oder anzubringenden Müllbehälter nächstfolgenden Monatsersten.

Die bescheidmäßige Vorschreibung einer Abgabe setzt somit (neben der Verwirklichung eines Abgabentatbestandes) den Bestand einer Abgabenschuld (bzw. eines Abgabenanspruches der Gemeinde) voraus. Der Zeitpunkt des Entstehens eines Abgabenanspruches ist bedeutsam u.a. für die Abgabenfestsetzung, welche vor diesem Zeitpunkt nicht zulässig ist (vgl. VwGH 10.08.2008, 2007/17/0012, bzw. LVwG-AV-1194/001-2016 vom 07.03.2017 u.a.).

Da verfahrensgegenständlich ein Abgabenanspruch betreffend die Abfallwirtschaftsgebühr und der Abfallwirtschaftsabgabe für das verfahrensgegenständliche Grundstück mangels Erlassung eines entsprechenden Verpflichtungsbescheides noch nicht entstanden ist, war spruchgemäß zu entscheiden.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs.1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde von der Beschwerdeführerin nicht beantragt. Auch aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da der als erwiesen angenommene Sachverhalt und die in diesem Verfahren anzuwendenden Rechtsvorschriften eindeutig sind und im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis weder von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht noch eine solche Rechtsprechung fehlt und die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch einheitlich beantwortet wird.

Schlagworte

Finanzrecht; Abfallwirtschaft; Abfallwirtschaftsgebühr; Verfahrensrecht; Verpflichtungsbescheid; Abgabenanspruch;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.1247.001.2018

Zuletzt aktualisiert am

28.01.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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