TE Bvwg Beschluss 2019/11/4 W165 2195374-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.11.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

04.11.2019

Norm

AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §35
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §26
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W165 2195374-1/7E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse LESNIAK als Einzelrichterin nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 16.04.2018, GZ: Damaskus-OB/KONS/0325/2018, aufgrund des Vorlageantrages der XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 26.02.2018, GZ: Damaskus-OB/KONS/0219/2018, beschlossen:

A)

Das Verfahren wird gemäß den §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG als gegenstandslos eingestellt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF), eine Staatsangehörige Syriens, stellte am 16.10.2016 bei der österreichischen Botschaft Damaskus (im Folgenden ÖB Damaskus) unter Anschluss diverser Unterlagen einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005.

Als Bezugsperson wurde der (angebliche) Ehemann der BF genannt, dem mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 09.09.2016, Zl: 1087822005-151374289, nach Antragstellung vom 18.09.2015 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde.

Mit Schreiben vom 30.01.2018 teilte das BFA der ÖB Damaskus gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Gewährung des Status eines Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da die Ehe zwischen dem Antragsteller und der Bezugsperson nicht vor Einreise der Bezugsperson in Österreich geschlossen worden sei. In der angeschlossenen Stellungnahme führte das BFA aus, dass die Bezugsperson in ihrer Zeugenbefragung am 09.01.2018 vor dem BFA angegeben habe, dass sie nur traditionell geheiratet habe und die Ehe nicht beim Schariagericht registrieren habe lassen. Unter einem sei jedoch ein Urteil vorgelegt worden, welchem die Registrierung der Ehe mit 20.06.2016 entnommen werden könne. Aufgrund der vorliegenden Urkunde müsse davon ausgegangen werden, dass die Eheschließung eindeutig nach dem Zeitpunkt der Antragstellung der Bezugsperson in Österreich stattgefunden habe.

Mit Schreiben vom 30.01.2018, übernommen am 31.01.2018, räumte die ÖB Damaskus der BF die Möglichkeit zur Erstattung einer Stellungnahme hiezu ein (Parteiengehör).

Mit per E-Mail vom 06.02.2018 übermittelter Stellungnahme brachte die BF durch ihren bevollmächtigten Vertreter vor, dass sie und die Bezugsperson am 01.06.2015 geheiratet hätten. Die Registrierung der Ehe sei zwar erst nach der Flucht der Bezugsperson nach Österreich erfolgt. Die Registrierung der Ehe stelle allerdings nach syrischem Recht eine Formalität dar, die als solche mit der Gültigkeit der Ehe nichts zu tun habe. Im Übrigen wäre auch eine Stellvertreterehe zulässig.

Nach Erhalt der Stellungnahme der BF übermittelte das BFA mit Schreiben vom 23.02.2018 eine ergänzende Stellungnahme an die ÖB Damaskus, mit der die negative Wahrscheinlichkeitsprognose vom 30.01.2018 aufrechterhalten wurde. Eine Registrierung der Ehe sei zwar zweifellos erfolgt, jedoch habe diese im Nachhinein und in Abwesenheit der Bezugsperson stattgefunden, weshalb die Voraussetzungen für ein Familienverfahren nicht gegeben seien.

Mit Bescheid der ÖB Damaskus vom 26.02.2018 wurde der Einreiseantrag gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die BF am 24.03.2018 fristgerecht Beschwerde. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die Abweisung des Einreisetitels erfolgt sei, da laut Stellungnahme des BFA als Zeitpunkt der Eheschließung die Registrierung und nicht der traditionelle Ehevertrag angenommen werde und die Bezugsperson zum Zeitpunkt der Registrierung bereits in Österreich gewesen sei. Der Zeitpunkt der Eheschließung sei nach syrischem Recht der Zeitpunkt des islamischen Ehevertrages (01.06.2015). Zu diesem Zeitpunkt sei die Bezugsperson noch nicht in Österreich gewesen. Die Registrierung als staatliche Erfassung der Eheschließungen, wie im vorliegenden Fall, sei lediglich eine Ordnungsvorschrift ohne rechtliche Bedeutung. Im Übrigen sei im syrischen Recht auch die Stellvertretung zulässig. Maßgeblich sei die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung gemäß § 16 Abs. 2 IPRG und sei daher die Ehe der BF mit der Bezugsperson als gültig anzusehen.

Der Beschwerde waren der traditionelle Ehevertrag vom 01.06.2015, eine Entscheidung eines Schariagerichtes über die Bestätigung der standesamtlichen Eheschließung und eine die standesamtliche Registrierung der Eheschließung am 20.06.2016 bestätigende Heiratsurkunde eines syrischen Standesamtes beigelegt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 16.04.2018 wies die ÖB Damaskus die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG mit bisheriger Begründung als unbegründet ab.

Am 24.04.2018 wurde bei der ÖB Damaskus ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht.

Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 09.05.2018, eingelangt am 16.05.2018, wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.

Mit E-Mail vom 23.10.2019 übermittelte der Rechtsvertreter der BF eine syrische Scheidungsurkunde, Beschluss des Gerichtes in Hama vom 07.10.2019, mit der die einvernehmliche Scheidung der Ehe der BF mit der Bezugsperson vom 29.09.2019 bestätigt wird (in Originalsprache und deutscher Übersetzung).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Einstellung des Verfahrens:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG, FPG) nicht getroffen, und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idgF geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Aus den Bestimmungen des § 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 VwGVG geht hervor, dass das Verwaltungsgericht in jenem Fall, in dem das Verfahren - hier: das Beschwerdeverfahren - einzustellen ist, eine Entscheidung in der Rechtsform des Beschlusses zu treffen hat. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen eines Verwaltungsgerichts durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. § 28 Abs. 1 VwGVG nimmt die Einstellung des Verfahrens, wozu jedenfalls die Einstellung des Beschwerdeverfahrens zu zählen ist, von der Erledigung mittels Erkenntnisses ausdrücklich aus. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich jedoch auch, dass eine bloß formlose Beendigung (etwa durch Einstellung mittels Aktenvermerkes) eines nach dem VwGVG vom Verwaltungsgericht geführten Verfahrens nicht in Betracht kommt. Handelt es sich doch bei der Entscheidung eines Verwaltungsgerichts, ein bei diesem anhängiges Verfahren nicht weiterzuführen, um eine Entscheidung iSd § 31 Abs. 1 VwGVG (vgl. zur Bejahung der Notwendigkeit der Fällung eines Beschlusses über die Verfahrenseinstellung auch Fuchs in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, § 28 VwGVG Anm 5 und § 31 VwGVG Anm 5, sowie Schmid in Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, § 28 VwGVG Anm K 3 und § 31 VwGVG Anm K 2) [vgl. VwGH vom 29.04.2015, Zl. Fr 2014/20/0047].

In welchen Fällen das Verfahren einzustellen ist, regelt das VwGVG nicht. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht. Neben dem Fall der Zurückziehung der Beschwerde kann analog zu § 33 VwGG eine Einstellung auch bei Klaglosstellung des Beschwerdeführers (Wegfall der Beschwer) in Betracht kommen. Dies grundsätzlich sowohl bei formeller Klaglosstellung wegen Beseitigung des für den Beschwerdeführer belastenden Abspruchs, als auch bei materieller Klaglosstellung wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses (Art. 132 B-VG), vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren² (2018) § 28 VwGVG, Anm. 5).

Wie auch der Verwaltungsgerichtshof mehrfach darauf hingewiesen hat, stellt die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 nur eine von mehreren im österreichischen Recht vorgesehenen Möglichkeiten der Familienzusammenführung dar, und zwar mit dem asylspezifischen Zweck, für die nachziehenden Personen nach Einreise in das Bundesgebiet ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005 zu eröffnen und diesen denselben Schutz wie dem bereits in Österreich aufhältigen Angehörigen zu gewähren.

Diesem Zweck kann im vorliegenden Fall jedenfalls nicht entsprochen werden, da im Hinblick auf die mittlerweile erfolgte Scheidung der Ehe der BF mit der Bezugsperson im Zeitpunkt der Entscheidung des erkennenden Gerichtes jedenfalls keine Familienangehörigeneigenschaft vorliegt, sodass die Führung eines Familienverfahrens nach § 34 AsylG 2005 nicht in Betracht käme. Im Hinblick darauf erübrigen sich auch jegliche Ausführungen zur grundsätzlichen rückwirkenden Gültigkeit nachträglich staatlich registrierter syrischer traditioneller Eheschließungen.

Ist im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens das Rechtsschutzinteresse weggefallen, ist das Verfahren einzustellen (vgl. etwa VwGH GZ 90/09/0040 vom 31.05.1990).

Im Übrigen hat die BF mit der Vorlage der Scheidungsurkunde unmissverständlich auch selbst kundgetan, dass ein Interesse an einer Familienzusammenführung mit der Bezugsperson nicht mehr vorhanden ist, sodass ein rechtliches Interesse an einer Sachentscheidung nicht mehr besteht. Das Verfahren war somit als gegenstandslos geworden einzustellen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich im vorliegenden Fall auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Diese wird durch die Erläuterungen (ErlRV 2009 BlgNR XXIV. GP, 7) gestützt, wonach eine Einstellung des Verfahrens durch Beschluss zu erfolgen hat.

Schlagworte

Angehörigeneigenschaft, Aufenthaltstitel, Beschwerdevorentscheidung,
Einstellung, Familienzusammenführung, Gegenstandslosigkeit,
Scheidung, Verfahrenseinstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W165.2195374.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.01.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten