TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/30 W144 2220525-1

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Veröffentlicht am 30.10.2019
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Entscheidungsdatum

30.10.2019

Norm

AsylG 2005 §35
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W144 2220525-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber über die Beschwerde des XXXX geb., StA von Iran, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft in Teheran vom 10.12.2018, Zl. XXXX zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF (VwGVG) iVm. § 35 Abs. 1 AsylG aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) hat am 20.07.2017 im Wege seiner - von seinen Eltern bevollmächtigten - rechtlichen Vertretung schriftlich einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gem. § 35 Abs. 1 AsylG, gestellt, wobei als Bezugsperson sein Vater XXXX geb., StA von Iran, genannt wurde, dem mit Bescheid des BFA vom 25.04.2017 (rechtskräftig seit 31.05.2017), Zl. IFA: XXXX , Verfahren: XXXX , die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und ihm Asyl gewährt wurde.

Dem Antrag beigeschlossen waren folgende Unterlagen:

* Ausgefülltes Befragungsformular im Einreiseverfahren gem. § 35 AsylG

* Asylbescheid der Bezugsperson

* Meldezettel der Bezugsperson

* Vollmacht für namentlich genannte Rot-Kreuz-Mitarbeiter

* Geburtsurkunde samt Übersetzung

Mit Schreiben vom 29.08.2018 teilte das BFA der ÖB mit, dass die allgemeinen Voraussetzungen für eine positive Entscheidung nicht vorlägen, da kein aufrechtes Familienleben mit der Bezugsperson vorliege bzw. vorgelegen habe, und da die Eigenschaft Familienangehöriger gem. § 35 AsylG nicht gegeben sei.

Konkret führte das BFA aus, dass sich die Eltern des BF nach dessen Geburt hätten scheiden lassen, dass die Bezugsperson jedoch weiterhin im Elternhaus gemeinsam mit der ehemaligen Gattin und seinem Sohn gelebt habe. Aus Sicht des BFA sei der Antrag des BF aus rein wirtschaftlichen Überlegungen angestellt worden und solle nicht dem Zweck einer Familienzusammenführung dienen. Das angebliche Einverständnis der Mutter sei ebenso zu erklären. Es sei daher davon auszugehen, dass der heute 13 Jahre alte Antragsteller zu seiner leiblichen Mutter und deren Eltern eine weitaus innigere Beziehung habe als zu seinem leiblichen Vater, den er seit der Flucht vor fast drei Jahren nicht mehr gesehen habe. Zusätzlich könne auch das persönliche Umfeld des Knaben (Schule, Freundeskreis, usw.) nicht unberücksichtigt bleiben. Im Sinne des Kindeswohles könne somit keine positive Stellungnahme abgegeben werden, selbst wenn der Wunsch zum Vater zu ziehen, vom Kind geäußert werde. Der BF sei in seiner Heimat keiner Verfolgungssituation ausgesetzt und ziele gegenständlicher Antrag lediglich auf Zuwanderung ab. Der BF sei damit auf das NAG zu verweisen.

Mit Schreiben vom 02.09.2018 wurde der BF seitens der ÖB aufgefordert, zu den Erwägungen des BFA Stellung zu nehmen.

In der Folge brachte der BF durch seine Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 11.09.2018 eine Stellungnahme ein, in welcher er Folgendes ausführte:

"Im vorliegenden Fall ist der Antragsteller der minderjährige ledige Sohn eines in Österreich Asylberechtigten, diese Tatsache wurde auch Seitens des Bundesamts nicht in Zweifel gezogen. Das Kriterium der Familienangehörigeneigenschaften gem. § 35 AsylG Abs 5 AsylG 2005 ist somit zweifelsfrei erfüllt.

Warum das BFA in seiner Mitteilung als Ablehnungsgrund anführt, dass die Ehe zwischen der Bezugsperson und der Mutter des Antragstellers nicht mehr bestanden habe, ist nicht nachvollziehbar, da dies für die Beurteilung des Einreiseantrags des Sohnes irrelevant ist, wie auch der VfGH bereits festgestellt hat1. Die Mutter des Antragstellers hat keinen Einreiseantrag gem. § 35 AsylG gestellt - eben aus dem Grund, da sie nicht mehr mit der Bezugsperson verheiratet ist und eine Einreise im Rahmen des § 35 AsylG für sie daher nicht möglich ist.

Dem Antragsteller ist somit als Familienangehörigem im Sinne des § 35 AsylG die Einreise zu gewähren, zumal die Mutter des Antragstellers bereits bei Antragstellung ihre ausdrückliche Zustimmung zur alleinigen Ausreise ihres Sohnes gegeben hat.

2) Zum Bestehen eines aufrechten Familienlebens und dem Kindeswohl des Antragstellers

Das BFA führt in seiner Mitteilung und Stellungnahme vom 29.08.2018 zudem an, dass kein aufrechtes Familienleben zwischen der Bezugsperson und dem Antragsteller vorliegen würde und die Stattgebung der Einreise des Antragstellers dem Kindeswohl widersprechen würde,

Zum Familienleben

Dazu führt das BFA näher aus, dass der vorliegende Einreiseantrag rein aus wirtschaftlichen Überlegungen gestellt worden sei und nicht dem Zweck einer Familienzusammenführung dienen würde. Zudem sei das "angebliche" Einverständnis der Mutter zu klären.

Warum das BFA der Ansicht ist, dass der vorliegende Einreiseantrag nicht dem Zweck einer Familienzusammenführung dienen sollte ist nicht nachvollziehbar und wird seitens des BFA nicht näher begründet.

Wie dem BFA bekannt ist, sind die Mutter des Antragstellers und die Bezugsperson bereits seit ca. 11 Jahren geschieden. Seit der Scheidung haben sich die Eltern die Pflege und Erziehung des Kindes jedoch stets geteilt, weshalb der Antragsteller sowohl zu seiner Mutter als auch zu seinem Vater ein sehr enges Eltern-Kind-Verhältnis hat: zum Zeitpunkt der Scheidung war der Antragsteller noch ein Kleinkind, weshalb er die ersten drei Jahre (ca.) be seiner Mutter lebte. Daraufhin wohnte er die nächsten vier Jahre bei seindem Vater. 2014/2015 lebte er nochmal für ca. 1 Jahr bei der Mutter, bevor die Eltern schließlich 2015 entschieden, dass es in Hinblick auf die Erziehung des Sohnes sinnvoller wäre, wieder in einem gemeinsamen Haushalt zu leben. Somit lebten die (geschiedenen) Eltern bis März 2016 nochmals in einem gemeinsamen Haushalt mit dem Sohn, bis die Bezugsperson sich schließlich dazu gezwungen sah, aus den in seinem Asylverfahren geschilderten Gründen aus dem Iran zu flüchten und seine Familie dort zurückzulassen. Auch während der Jahre, die der Antragsteller bei einem der beiden Elternteile alleine lebte, bestand weiterhin stets regelmäßiger Kontakt zu dem anderen Elternteil, beide lebten immer in derselben Stadt. Dies kann sowohl von beiden Eltern als auch von dem antragstellenden Kind bestätigt werden. Eine schriftliche, gerichtlich ausgestellte, Bestätigung der Mutter hierzu befindet sich in der Beilage. Weiters befindet sich ein Video anbei, in dem der Antragsteller seinen Wunsch, nach Österreich zu ziehen, bestätigt.

Wie aus dieser Schilderung hervorgeht, haben sich die Eltern stets bestmöglich darum bemüht, beide gleichermaßen als Bezugsperson für ihren Sohn zu sorgen, um ihm so trotz ihrer Scheidung ein inniges Verhältnis zu beiden zu ermöglichen. Seit der Flucht der Bezugsperson besteht nach wie vor regelmäßiger Kontakt zwischen der Bezugsperson und seinem Sohn, wie beiliegende whatsapp Screenshots belegen (" XXXX " ist der Rufnahme des Sohnes, " XXXX " ist der Rufname der Mutter/Ex-Frau). Zudem unterstützt die Bezugsperson seine Ex-Frau und seinen Sohn finanziell und schickt ihnen jeden Monat 200 Euro. Entgegen der Ansicht des Bundesamts wurde also vor der Flucht der Bezugsperson ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK geführt, das nach wie vor aufrecht ist und nun in Österreich, wie in den Bestimmungen des § 35 AsylG vorgesehen, fortgesetzt werden soll.

Aufgrund der derzeitigen rechtlichen Situation finden sich der Antragsteller und seine Eltern in der Lage, entscheiden zu müssen, bei welchem der beiden Elternteile der heutige 13-jährige Sohn leben soll, da ein gemeinsames Leben beider Elternteile gemeinsam mit dem Sohn derzeit nicht möglich ist: weder kann die Bezugsperson in seinem Heimatland leben, da ihm doert, wie vom Bundesamt bereits festgestellt wurde, Verfolgung im asylrelevanten Sinn droht, noch kann die Mutter des Antragstellers (zum jetzigen Zeitpunkt) mit diesem nach Österreich reisen, da sie nicht vom Familienbegriff des § 35 Abs. 5 AsylG erfasst ist. Sie hat ihren Sohn persönlich zur Antragstellung begleitet, hat an der ÖB ihre ausdrückliche Zustimmung zur alleinigen Ausreise ihres Sohnes gegeben und ein gerichtliches Schreiben dazu vorgelegt, sowie durch ihre Unterschrift auf den Befragungsformular ebenfalls ihre Zustimmung zur Ausreise ihres Sohnes gegeben. Alleine diese Unterschrift reicht gem. der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs als Zustimmungserklärung aus:

"Die weiteren Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Erstbeschwerde- führerin als Obsorgeberechtigte der vier minderjährigen Kinder zur Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen eine Zustimmung für die Ausreise der Kinder geben müsste, sind in keiner Weise nachvollziehbar, da die Erstbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin die Anträge gemäß § 35 AsylG für ihre Kinder selbst gestellt hat."2

Darüber hinaus liegt dieser Stellungnahme ein persönliches aktuelles Schreiben der Mutter des Antragstellers bei, in welchem sie ihre Zustimmung zur Ausreise des Sohnes nochmals bestätigt. Es wird zudem darauf hingewiesen, dass das BFA die Mutter des Antragstellers bei etwaigen Zweifel an ihrem tatsächlichen Einverständnis zur ÖB laden hätte können, um dies zu klären. Die Antragstellerin erklärt sich hiermit nochmals ausdrücklich mit der Ausreise ihres Sohnes einverstanden und ist selbstverständlich dazu bereit, dies nochmals bei der ÖB zu bestätigen, sollte dies notwendig sein.

Dass die Bezugsperson seinen Sohn seit längerem nicht mehr persönlich sehen konnte, kann der Stattgebung der Familienzusammenführung nicht entgegenstehen. Die Bezugsperson flüchtete im März 2016, somit vor 2,5 Jahren, nach Österreich und musste seinen Sohn unfreiwillig dort zurücklassen. Unmittelbar nach Asylzuerkennung am 25.04.2017 bemühte er sich um eine möglichst rasche Antragstellung, um seinen Sohn so schnell wie möglich nach Österreich zu holen:

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Am 31.05.2017 hatte er sein erstes Beratungsgespräch beim ÖRK, um sich über das Verfahren zu informieren.

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Es wurde der nächste freie Termin zur persönlichen Vorsprache des Sohnes an der ÖB Teheran am 30.09.2017 reserviert.

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Zuvor wurde der Antrag am 20.07.2017 fristwahrend durch das ÖRK gestellt.

Aus obiger Schilderung geht also hervor, dass immer ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK zwischen dem Antragsteller und der Bezugsperson bestand. Dass dieses unterbrochen wurde, war keineswegs freiwillig. Dass sich die Bezugsperson sofort nach Asylzuerkennung um die Einreise seines Sohnes bemühte zeigt ebenso wie die Tatsache, dass er nach wie vor in engem Kontakt mit ihm steht und ihn finanziell unterstützt, dass dieses Familienverhältnis nach wie vor aufrecht ist.

Zum Kindeswohl

Das Bundesamt führt zudem bzgl. des zu prüfenden Kindeswohls aus, dass davon auszugehen sei, dass der 13-jährige Antragsteller zu seiner leiblichen Mutter und seinen Großeltern ein innigeres Verhältnis habe als zu seinem leiblichen Vater, den er bereits seit fast drei Jahren nicht mehr gesehen habe. Zudem müsse auch das persönliche Umfeld des Antragstellers berücksichtigt werden. In Abwägung dieser Umstände könne im Sinne des Kindeswohls die Einreise nicht gestattet werden, selbst wenn der Wunsch zum Vater zu ziehen vom Kind geäußert werde.

Auch diese Ausführungen und Schlussfolgerungen des Bundesamts über das Kindeswohl des Antragstellers sind in keiner Weise nachvollziehbar und werden ebenfalls nicht schlüssig begründet.

So ist weder nachvollziehbar, wie das Bundesamt zu seinen "Schlussfolgerungen" über die "Innigkeit" des Verhältnisses zwischen dem Kind und seinen beiden Elternteilen, noch zu seinem persönlichen Umfeld kommt. Weder die Bezugsperson noch der Antragsteller oder seine Mutter wurden dazu befragt, weshalb davon ausgegangen wird, dass es sich bei diesen "Schlussfolgerungen" lediglich um (unbegründete) Vermutungen des Bundesamts handelt. Diese könne dem Erfordernis einer schlüssigen Prüfung des Kindeswohls jedoch nicht genügen3.

Wie oben bereits ausführlich geschildert, hat der Antragsteller sowohl zu seiner Mutter als auch zu seinem Vater ein enges Eltern-Kind-Verhältnis. Dass er den Kontakt und die Beziehung zu seinem Vater seit 2,5 Jahren nur telefonisch und nicht persönlich aufrecht erhalten kann, ist den Fluchtgründen des Vaters geschuldet; diese Trennung geschah somit keineswegs freiwillig und wurde durch die lange Bearbeitungszeit des Einreiseantrags weiter hinausgezögert.

Die derzeitige Rechtslage verunmöglicht es dem Kind, mit beiden Eltern gemeinsam zu leben, weshalb sich sowohl die Eltern unter Berücksichtigung der Interessen des Kindes als auch das Kind selbst dazu entschieden haben, dass es bei seinem Vater in Österreich leben soll. Dies hätte das Bundesamt durch eine Einvernahme der beteiligten Familienmitglieder klären können, was jedoch bisher verabsäumt wurde.

Sollte das BFA die Befürchtung haben, dass eine Einreise nicht im Sinne des Kindeswohls wäre, hätte diesbezüglich eine fundierte Kindeswohlprüfung durchgeführt werden müssen, in deren Rahmen die Befragung der beteiligten Personen unerlässlich ist.

Im Artikel 3 Abs 1 der Kinderrechtskonvention wurde festgelegt, dass das Kindeswohl von allen Behörden zu berücksichtigen ist: "Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorranging zu berücksichtigen ist." Ebenfalls in der EU Grundrechtscharta ist in Artikel 24 Abs 2 normiert, dass "Bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher oder privater Einrichtungen muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein."

Dies ist weiters im österreichischen Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern unter Artikel 1 festgesetzt: "Jedes Kind hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für sein Wohlergehen notwendig sind, auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung sowie auf die Wahrung seiner Interessen auch unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit. Bei allen Kindern betreffenden Maßnahmen öffentlicher und privater Einrichtungen muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein."5

Die Richtlinie bezüglich Familienzusammenführung führt bezüglich dem Kindeswohl Minderjähriger weiter an: "Bei der Prüfung des Antrags tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass das Wohl minderjähriger Kinder gebührend berücksichtigt wird."6

Daraus folgt, dass besonders auch im Sinne der Wahrung des Rechts auf Parteiengehör eine entsprechende zeugenschaftliche Einvernahme durchgeführt werden müsste, damit die Behörde eine fundierte Einschätzung hinsichtlich des Kindeswohls in vorliegendem Fall treffen kann. Die bloße Annahme der Behörde, ohne weitere Recherchen diesbezüglich durchzuführen, kann dem oben angeführten Erfordernis einer Kindeswohlprüfung keinesfalls genügen. Eine Ablehnung der Einreiseanträge aufgrunddessen wäre somit unzulässig.

Hätte die Behörde das Wohl des Kindes in vorliegendem Fall gebührend geprüft, so wäre sie zweifelsfrei zu dem Schluss gekommen, dass es gerade im Sinne des Wohls des an diesem Fall beteiligten Kindes dringend geboten erscheint, dass diesem das Zusammenleben mit seinem Vater ermöglicht wird.

3.) Zur Familienzusammenführung nach den NAG bzw. FPG

Das Bundesamt weist zudem (ohne dies konkret zu begründen) darauf hin, dass der Antragsteller auf "andere - etwa nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) oder dem FPG eröffnete - Möglichkeit der Familienzusammenführung" zu verweisen sei.

Es ist nicht nachvollziehbar, warum das Bundesamt an dieser Stelle auf die Möglichkeit eines Nachzugs nach dem NAG verweist, da in vorliegendem Fall, wie oben erläutert, sämtliche Voraussetzungen für einen Familiennachzug nach § 35 AslyG gegeben sind.

4.) Zur vom BFA angeführten Judikatur des VwGH

Weiters führt das BFA in seiner Stellungnahme an, dass in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs in Bezug auf den zu erfassenden Personenkreis nach § 35 Abs. 5 AsylG eine restriktive Tendenz zu erkennen sei. Zur Untermauerung wird das Judikat des VwGH vom 30.05.2018, GZ: Ra 2017/19/0609, zitiert. Warum dieses Judikat zur Begründung der Ablehnung des vorliegenden Einreiseantrags angeführt wird, ist ebenfalls in keiner Weise nachvollziehbar, da sich der VwGH in genanntem Judikat mit einer gänzlich anders gelagerten Fallkonstellation auseinandergesetzt hat. In genanntem Fall handelte es sich um die Frage des Nachzugs von Familienmitgliedern zu in Österreich asylberechtigten volljährig gewordenen (ehemaligen) unbegleiteten Minderjährigen.

In vorliegendem Fall geht es um ein minderjähriges Kind, das zu seinem in Österreich asylberechtigten Vater nachziehen möchte. Das angeführte Judikat ist daher für vorliegende Fallkonstellation nicht relevant. Dass der Antragsteller in vorliegendem Fall von der Definition des Familienangehörigen gem. § 35 Abs. 5 AslyG erfasst ist, steht außer Frage und wurde oben bereits erläutert.

Dass das BFA davon ausgeht, dass der Antragsteller kein Familienangehöriger gem. § 35 Abs. 5 AslyG sei, lässt auf eine völlige Verkennung der Rechtslage schließen. Eine so begründete Ablehnung des Einreiseantrags wäre somit willkürlich und würde daher verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte - insbesondere das Recht auf Achtung des Privat und Familienlebens - verletzen.

5) Zur Prüfung der Verfolgungssituation des Antragstellers

Das Bundesamt vertritt in seiner Stellungnahme zudem die Ansicht, dass der Antragsteller in seinem Heimatland keiner Verfolgung ausgesetzt sei und der gegenständliche Antrag "lediglich auf Zuwanderung" abziele.

Auch diese Ansicht des Bundesamts lässt auf eine völlige Verkennung der Rechtslage schließen. Gem. § 35 Abs 1 AsylG 2005 kann der Familienangehörige gem. Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, zwecks Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz gem. § 34 AsylG einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels an einer österreichischen Vertretungsbehörde stellen. Das Bundesamt hat demzufolge zu prüfen, ob die antragstellende Person ein Familienangehöriger im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG ist. Ist dies der Fall, ist der antragstellenden Person ein Einreisetitel zwecks Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz gem. § 34 AsylG zu erteilen. Ob der Antragsteller in seinem Heimatland einer Verfolgungssituation ausgesetzt ist, ist somit für die Prüfung des Antrags nicht relevant, weshalb diese Ausführungen des Bundesamts ins Leere gehen."

Unter einem wurden der Stellungnahme WhatsApp Protokolle beigelegt, aus denen ersichtlich ist, dass die Bezugsperson regen Kontakt zum BF sowie auch zu dessen Mutter pflegte und pflegt.

Zudem wurde mit E-Mail vom 26.11.2018 zur obgenannten Stellungnahme schriftlich ergänzt, dass der BF und die Bezugsperson einander im September für zwei Wochen in der Türkei getroffen hätten, worüber beigeschlossene Fotos übermittelt werden; dies zum Nachweis des aufrechten Familienlebens.

Mit E-Mail vom 4.12.2018 erklärte das BFA, dass es auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme des BF an der negativen Prognoseentscheidung festhalte.

In der Folge wies die ÖB mit Bescheid vom 10.12.2018 den Antrag des BF auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG mit der Begründung ab, dass die Ehe zwischen der Bezugsperson und der Mutter des BF vor Einreise der Bezugsperson nicht mehr bestanden habe, eine Gestattung der Einreise den gesetzlichen Bestimmungen des Kindeswohls widersprechen würde und ein Verfahren nach dem NAG den gesetzlich vorgesehenen Weg (im konkreten Fall) zur Familienzusammenführung darstelle.

Gegen diesen Bescheid richtete sich die Beschwerde des BF vom 27.03.2019, in welcher der BF im Wesentlichen sein Vorbringen in der Stellungnahme vom 11.09.2018 wiederholte.

Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 25.06.2019 wurde am 27.06.2019 dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und der Verwaltungsakt übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.) Feststellungen:

Festgestellt wird zunächst der oben wiedergegebene Verfahrensgang.

Weiters wird festgestellt, dass der BF der Sohn der Bezugsperson ist. Zwischen den beiden ist auch seit der Ausreise der Bezugsperson im März 2016 aus dem Heimatland ein ständiger wechselseitiger Kontakt über soziale Medien aufrechterhalten worden und hat der BF seinen Vater auch einmal im September 2018 im Rahmen eines Türkeiaufenthaltes persönlich getroffen. Anzeichen dafür, dass zwischen dem Minderjährigen und seinem Vater gleichsam jegliche Beziehung untergegangen und jegliche Bindungen erloschen seien, finden sich in keinster Weise. Die Bezugsperson hat seit ihrem Aufenthalt im Bundesgebiet auch wiederholt Unterhaltsleistungen an den BF erbracht und diesbezüglich € 200.- im Monat an die Mutter des BF überwiesen.

2.) Beweiswürdigung:

Die Festgestellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Akt der ÖB, insbesondere dem Vorbringen des BF iVm den diesbezüglich vorgelegten Nachweisen, wie etwa Whats-App-Protokolle, Fotos, etc.

3.) Rechtliche Beurteilung:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) idgF lauten wie folgt:

"§ 2 Soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch den Senat vorsehen, entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter (Rechtspfleger).

Verfahren vor dem Verwaltungsgericht

Anzuwendendes Recht

§ 17 Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte."

Erkenntnisse

"§ 28 (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

(4... )"

§§ 11, 11a Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lauten:

"Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung ist auch die Rechtsmittelinstanz anzugeben.

(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.

(6) Kann dem Antrag auf Erteilung eines Visums D auf Grund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben werden, so ist die Vertretungsbehörde ermächtigt, sich auf den Hinweis des Vorliegens zwingender Versagungsgründe zu beschränken. Der maßgebliche Sachverhalt muss auch in diesen Fällen im Akt nachvollziehbar sein.

(7) Der Fremde hat im Antrag auf Erteilung eines Visums D den jeweiligen Zweck und die beabsichtigte Dauer der Reise und des Aufenthaltes bekannt zu geben. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Antragsteller, ausgenommen die Fälle des § 22 Abs. 3 FPG, trotz Aufforderung und Setzung einer Nachfrist kein gültiges Reisedokument oder gegebenenfalls kein Gesundheitszeugnis vorlegt oder wenn der Antragsteller trotz entsprechenden Verlangens nicht persönlich vor der Behörde erschienen ist, obwohl in der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde.

(8) Minderjährige Fremde, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können bei Zustimmung des gesetzlichen Vertreters die Erteilung eines Visums selbst beantragen.

(9) Für Entscheidungen über die Erteilung eines Visums für Saisoniers (§2 Abs. 4 Z 13) ist Art. 23 Abs. 1 bis 3 Visakodex sinngemäß anzuwenden.

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in

Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt."

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 idgF (AsylG) lauten wie folgt:

Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1.

gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2.

das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3.

im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

Im vorliegenden Fall wurde ein schriftlicher Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt und als Bezugsperson der in Österreich asylberechtigte Vater des BF genannt.

Die Erwägungen des BFA und der ÖB, wonach kein Familienleben des BF mit der Bezugsperson bestehe bzw. untergegangen sei, erweisen sich als nicht richtig, vielmehr ist den Einwendungen in der Beschwerde zu folgen:

Das Familienleben von Eltern und minderjährigen Kindern endet nämlich nicht per se durch eine vorübergehende Trennung, sondern bleibt im Regelfall aufrecht, sofern nicht ganz außergewöhnliche Umstände gegeben sind, die das Familienleben zu minderjährigen Kindern und deren Eltern ausnahmsweise zum Erlöschen bringen. Im vorliegenden Fall sind derartige Umstände jedoch nicht gegeben, sondern hat der BF vielmehr bereits im erstinstanzlichen Verfahren glaubhaft und durch Unterlagen belegt dargetan, dass der Kontakt zu seinem Vater auch nach dessen Ausreise aus dem Heimatland etwa über soziale Medien aufrechterhalten worden ist. Zudem wurde vorgebracht, dass die Bezugsperson regelmäßige Unterhaltsleistungen für den BF gezahlt hat und wurde auch dokumentiert, dass der BF seinen Vater im September 2018 in der Türkei persönlich getroffen hat. Vor diesem Hintergrund kann keinesfalls rechtlich geschlossen werden, dass zwischen dem BF und der Bezugsperson kein Familienleben mehr bestehe, sondern dies untergegangen wäre - vgl. diesbezüglich VwGH vom 28.06.2011, 2008/01/0583, RS Nr. 1 (Fettdruck im Original nicht vorhanden):

"Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind Kinder aus einer Familienbeziehung im Sinne des Art. 8 EMRK allein auf Grund ihrer Geburt und von diesem Zeitpunkt an ipso iure Teil dieser Familie. Mit der Trennung der Eltern endet nicht automatisch das Familienleben eines der Elternteile zu seinem minderjährigen Kind. Zur Beurteilung der Frage, ob ein "Familienleben" im Sinne des Art. 8 EMRK besteht, ist im Einzelfall auf das tatsächliche Vorliegen enger persönlicher Bindungen ("close personal ties") abzustellen, wobei es insbesondere auf das nachweisliche Interesse des betreffenden Elternteiles am Kind und sein diesbezügliches Engagement ankommt (vgl. etwa das Urteil des EGMR vom 3. Dezember 2009, Zaunegger gegen Deutschland, Beschwerde Nr. 22028/04, Rdnr. 37 und 38, mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des EGMR)."

Die Erwägungen des BFA, die das Engagement der Bezugsperson (häufige WhatsApp-Kontakte, Unterhalt, Treffen in der Türkei,) völlig außer Acht lassen, widersprechen somit der ständigen Judikatur der Höchstgerichte zum Familienleben zwischen minderjährigen Kindern und deren Eltern im Falle einer vorübergehenden Trennung.

Auch die weiteren Erwägungen des BFA etwa über die Ehescheidung der Bezugsperson, sowie zum Kindeswohl, die lediglich auf - dem erklärten Willen des BF und seiner gesetzlichen Vertreter widersprechenden - Mutmaßungen der Behörde beruhen, zu welchen Personen der BF "innigere Beziehungen" aufweise, sind nicht geeignet, die erstinstanzliche Entscheidung zu begründen. Schließlich ist auch der Hinweis, dass der BF den gegenständlichen Antrag bloß im Hinblick auf eine wirtschaftliche Migration gestellt hätte und er selbst gar keiner Verfolgungsgefahr unterliegen würde, rechtlich verfehlt, da §§ 34, 35 AsylG nicht auf eine eigene Verfolgungsgefahr des Antragstellers abstellen, sondern geradezu im Kern den Nachzug von nicht verfolgten/bedrohten Familienangehörigen regeln.

Unverständlich ist auch, dass das BFA in seiner Stellungnahme vom 29.08.2018 von einem "angeblichen" Einverständnis der Mutter zur Migration des BF zum Vater spricht, da unzweifelhaft die Mutter des BF als dessen gesetzliche Vertreterin den Einreiseantrag für den BF eingebracht und sie auch ausdrücklich erklärt hat, dass sie mit der Zuwanderung des BF zum Vater einverstanden sei. Hier bleibt kein Raum dafür, dass Einverständnis der Mutter des BF in dem Sinne anzuzweifeln, dass dieses nur "angeblich" vorgelegen hätte.

Die Familieneigenschaft und das nach wie vor bestehende Familienleben des BF zur Bezugsperson sind vielmehr gegeben, der BF erfüllt die Voraussetzungen des §§ 34, 35 Abs. 1 AsylG, sodass für einen Verweis auf die Bestimmungen zum Familiennachzug gem. NAG kein Raum bleibt und die ÖB den begehrten Einreisetitel gemäß § 35 Abs. 1 und 4 leg.cit. zu erteilen hat.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

Eine mündliche Verhandlung war gemäß § 11a Abs. 2 FPG nicht durchzuführen.

Barauslagen iSd § 11a Abs. 3 leg.cit. sind im Beschwerdeverfahren nicht entstanden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 Satz 1 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wurde.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Die gegenständliche Entscheidung weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen und es liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Einreisetitel, Familienleben, Minderjährige

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W144.2220525.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.01.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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