TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/12 W169 2206669-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.11.2019
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Entscheidungsdatum

12.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W169 2206669-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.08.2018, Zahl 1079047807-150904751, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler, schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 20.07.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 21.07.2015 gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er aus dem Bundesstaat Punjab stamme und die Sprache Punjabi spreche. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der Hindus an. Im Herkunftsstaat habe der Beschwerdeführer die Grundschule besucht und zuletzt als Fahrer gearbeitet. In Indien würden die zwei Töchter und die Schwerster des Beschwerdeführers leben. Zu seinem Ausreisegrund führte der Beschwerdeführer an, dass seine Cousine auf die Universität gegangen sei, wo sich ein junger Mann, der aus einer "Mafiafamilie" stamme, in diese verliebt habe. Obwohl sie ihn nicht habe heiraten wollen, sei der Mann sehr aufdringlich gewesen. Der Beschwerdeführer habe sich eingemischt und ihm gesagt, er solle sich von der Cousine fernhalten. Aus diesem Grund sei er bedroht und geschlagen worden.

2. Laut Mitteilung des Magistrates der Stadt Wien vom 19.01.2016 hat der Beschwerdeführer das Gewerbe "Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt" angemeldet.

3. Laut Strafantrag der Finanzpolizei vom 26.07.2017 wurde der Beschwerdeführer mangels arbeitsmarktrechtlicher Beschäftigungsbewilligung bei einer unerlaubten Beschäftigung als Ausländer gemäß §§ 3 Abs. 1 iVm 28 Abs. 1 Z 1 lit a AuslBG betreten.

4. Der Beschwerdeführer wurde mit Ladung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.05.2018 zur behördlichen Einvernahme am 26.06.2018 geladen, die laut Rückschein nachweislich an der Adresse des Beschwerdeführers hinterlegt wurde.

5. Laut Aktenvermerk des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.06.2018 ist der Beschwerdeführer zum geplanten Ladungstermin unentschuldigt nicht erschienen.

6. Am 01.08.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und gab er an, dass er aus dem Bundesstaat Punjab stamme und die Sprache Punjabi in Wort und Schrift beherrsche sowie etwas Hindi spreche. Er gehöre der Volksgruppe der Arora und der Religionsgemeinschaft der Hindus an, sei seit vierzehn Jahren verheiratet und habe zwei Kinder. Im Herkunftsstaat habe der Beschwerdeführer sieben Jahre die Grundschule besucht und zehn Jahre den Beruf als Elektriker ausgeübt. Der Beschwerdeführer habe Kontakt zu seiner Frau, die bei ihren Eltern lebe und als Kosmetikerin arbeite. Sie habe keine Probleme in Indien und werde auch nicht verfolgt. Zuletzt habe der Beschwerdeführer gemeinsam mit seinen zwei Onkeln im Eigentumshaus des Großvaters gelebt, die auch weiterhin dort wohnen würden. Seine Eltern seien bereits verstorben. Die Schwester des Beschwerdeführers lebe ebenfalls im Herkunftsstaat und sei verheiratet. Auch habe er einige Verwandte in Indien. Er habe ein gutes Verhältnis zu seinen Verwandten, aber seit dem Tod der Eltern keinen Kontakt mehr zu diesen. Der Beschwerdeführer sei gesund.

Zu seinen Fluchtgründen brachte er insbesondere Folgendes vor (A:

nunmehriger Beschwerdeführer; F: Leiter der Amtshandlung):

" (...)

FLUCHTGRUND:

F: Warum stellen Sie einen Asylantrag? Nennen Sie alle Ihre Fluchtgründe?

A: Ich habe in Indien Feinde. Deswegen musste ich Indien verlassen. Die haben mich 2 bis 3 Mal geschlagen.

F: Haben Sie alle Fluchtgründe genannt?

A: Ja.

F: Ihre Angaben sind vage und unkonkret machen Sie mir genaue Angaben rund um Ihren Fluchtgrund! Nennen Sie mir Einzelheiten und Details!

A: Ein Mann wollte meine Cousine heiraten. Wir haben aber die Hochzeit mit jemand anderen arrangiert. Deswegen wollte dieser Mann uns Probleme machen. Er hat mir 2 Mal auf den Kopf geschlagen, dann habe ich Indien verlassen.

Wiederholung der Frage! Sie schildern einen abstrakten Sachverhalt, Ihr Vorbringen lässt Details und Einzelheiten vermissen. Machen Sie mir konkrete Angaben über Ihren Fluchtgrund!

A: Eigentlich wollte er mich töten, aber ich hatte Glück.

F: Mehr können Sie dazu nicht angeben?

A: Nein.

F: Wurden Sie persönlich bedroht oder verfolgt?

A: Ja von dieser Person.

F: Wie oft wurden Sie bedroht oder verfolgt?

A: 50 bis 60 Mal hat er mich bedroht.

F: Wann wurden Sie zum ersten Mal und wann zu letzten Mal bedroht?

Anm.: AW denkt nach

A: Im Jahr 2012 zum ersten Mal und im Jahr 2015 das letzte Mal.

F: Wann fanden diese Vorfälle genau statt! Geben Sie mir einen zeitlichen Überblick!

A: Ich kann mich nicht erinnern.

F: Erzählen Sie mir bitte alles über die Übergriffe gegen Sie. Lassen Sie keine Einzelheiten aus.

A: Ich kann mich nicht erinnern.

Wiederholung der Frage. Sie behaupten 2 bis 3 Mal geschlagen worden zu sein und daraufhin hätten Sie Indien verlassen. Erzählen Sie mir was genau vorgefallen ist.

A: Ich kann mich nicht erinnern.

F: Mehr können Sie dazu nicht angeben?

A: Nein.

F: Machen Sie mir umfangreiche Angaben rund um den Mann der Ihre Cousine heiraten wollte und welcher Sie geschlagen hat.

A: Ich kenne diesen Mann persönlich nicht.

F: Sie gaben an, dieser Mann hat Ihnen Probleme gemacht und Sie geschlagen. Erzählen Sie mir alles was Ihnen zu dieser Person einfällt.

A: Ich kann mich nicht erinnern.

F: Wann genau haben diese Übergriffe stattgefunden?

A: Ich kann mich nicht erinnern.

F: Waren Sie bei der Polizei, haben Sie Anzeige erstattet?

A: Ja. Befragt gebe ich an, dass ich mich nicht daran erinnern kann wann das war.

F: Können Sie die Anzeige in Vorlage bringen?

A: Ich kann mich nicht an das Datum erinnern und deswegen kann ich die Anzeige nicht organisieren.

F: Beschreiben Sie mir die Bedrohungen gegen Sie.

A: Ich kann mich nicht erinnern. Ich kann mich an gar nichts erinnern.

F: Was befürchten Sie im Falle Ihrer Rückkehr nach Indien?

A: Mein Leben ist in Gefahr.

(...)".

Weiters gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er zwei Mal bei der Polizei eine Anzeige erstattet und niemals Probleme mit den indischen Behörden gehabt habe. Auch habe er den Herkunftsstaat problemlos mit seinem Reisepass verlassen und sei dabei kontrolliert worden.

Zu den Lebensumständen in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass er im Bundesgebiet keine Verwandten bzw. Familienangehörigen habe und kein Familienleben oder familienähnliche Beziehung führe. Auch bestehe zu niemandem eine finanzielle oder sonstige Abhängigkeit. Der Beschwerdeführer habe einen Freund im Bundesgebiet, ein Konventionsflüchtling aus Afghanistan. Mit diesem habe er ein Lokal eröffnet, wo der Beschwerdeführer aushelfe. Er wolle in Österreich viel arbeiten und ein zweites Lokal aufmachen. Der Beschwerdeführer habe keinen Deutschkurs besucht und sei nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation.

Am Ende der Einvernahme wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, in die Länderberichte zur aktuellen Situation in Indien Einsicht zu nehmen und hierzu eine Stellungnahme abzugeben. Dazu gab er an, dass er das nicht brauche.

Der Beschwerdeführer legte in seiner Einvernahme eine Mitgliedskarte der WKO, Nr. 0918172, einen Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 05.04.2018 über die Eintragung einer Kommanditgesellschaft ins Firmenbuch und einen Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem Austria (GISA) vom 17.04.2018 vor.

7. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.08.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu den von ihm behaupteten Verfolgungsgründen die Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen sei. Unabhängig davon würde dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehen. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Fall einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der nicht übermäßig langen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien. Die Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Nach Wiederholung der Fluchtgründe wurde insbesondere ausgeführt, dass die Behörde ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgegangen sei, zumal der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat polizeilichen Schutz gesucht habe und in Indien Korruption bei den Sicherheitsbehörden ein Problem sei. In den Länderberichten würden sich keine Informationen zu "kriminellen Organisationen" finden. Auch sei das Vorbringen des Beschwerdeführers falsch gewürdigt worden - insbesondere habe die Behörde die Narben am Rücken nicht begutachtet, um den Wahrheitsgehalt des Vorbringens festzustellen zu können. Aufgrund der schlechten Hindi-Kenntnisse sei dem Beschwerdeführer auch eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zumutbar. Für den Fall einer Rückkehr drohe ihm jedenfalls eine Verletzung seiner in Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte. Schließlich sei der Beschwerdeführer im Bundesgebiet bemüht, sich zu integrieren, gehe einem Erwerb nach, habe zwei Restaurants eröffnet, zahle Steuern und sei versichert. Zudem beziehe er keine Leistungen aus der Grundversorgung. Beantragt wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Punjab, gehört der Volksgruppe der Arora und der Religionsgemeinschaft der Hindus an. Seine Identität steht nicht fest. Er beherrscht die Sprache Punjabi in Wort und Schrift und spricht etwas Hindi. Im Herkunftsstaat besuchte der Beschwerdeführer sieben Jahre die Grundschule und arbeitete zehn Jahre als Elektriker. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Zuletzt lebte der Beschwerdeführer mit seinen zwei Onkeln im Eigentumshaus des Großvaters. Seine Eltern sind bereits verstorben. Der Beschwerdeführer ist gesund und steht im erwerbsfähigem Alter.

Die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Indien eine an asylrelevanten Merkmalen anknüpfende Verfolgung droht. Dem Beschwerdeführer steht in Indien eine inländische Schutz- bzw. Fluchtalternative offen. Der Beschwerdeführer hatte keine Probleme mit den indischen Behörden.

Der Beschwerdeführer hat im Bundesgebiet keine Verwandten bzw. Familienangehörigen und führt kein Familienleben oder familienähnliche Beziehung. Auch besteht zu niemandem eine finanzielle oder sonstige Abhängigkeit. Der Beschwerdeführer hat einen Freund im Bundesgebiet, einem Konventionsflüchtling aus Afghanistan, mit welchem er ein Lokal eröffnet hat, wo der Beschwerdeführer aushilft. Der Beschwerdeführer hat das Gewerbe "Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt" angemeldet. Er will in Österreich arbeiten und ein zweites Lokal eröffnen. Er hat keinen Deutschkurs besucht und ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation. Der Beschwerdeführer bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung und ist strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer wurde mangels arbeitsmarktrechtlicher Beschäftigungsbewilligung bei einer unerlaubten Beschäftigung als Ausländer betreten.

Im Herkunftsstaat befinden sich die Ehefrau und die zwei Kinder des Beschwerdeführers; seine Ehefrau lebt bei ihren Eltern und arbeitet als Kosmetikerin und hat keine Probleme im Herkunftsstaat. Er hat Kontakt zu seiner Ehefrau. Die Onkel des Beschwerdeführers leben auch weiterhin im Haus des Großvaters. Auch hat der Beschwerdeführer viele weitere Verwandte im Herkunftsstaat.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

Allgemeine Menschenrechtslage

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 16.8.2016). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2016). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 16.8.2016). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.8.2016).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit bei (USDOS 13.4.2016).

Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 6.2016), eine verallgemeinernde Bewertung kaum möglich:

Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 16.8.2016). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 16.8.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen Die Stimmung wird durch hindunationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 6.2016).

Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im Maoistengürtel begehen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 13.4.2016).

Die Behörden verstoßen auch weiterhin gegen die Privatsphäre der Bürger. In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein und es gibt Berichte von Verhaftungen, aber keine Verurteilungen nach diesem Gesetz. Manche Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 13.4.2016).

Im Oktober 1993 wurde die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) gegründet. Ihre Satzung beinhaltet den Schutz des Menschenrechtgesetzes aus dem Jahre 1993. Die Kommission verkörpert das Anliegen Indiens für den Schutz der Menschenrechte. Sie ist unabhängig und wurde durch ein Umsetzungsgesetz des Parlaments gegründet. Die NHRC hat die Befugnis eines Zivilgerichtes (NHRC o.D.). Die NHRC empfiehlt, dass das Kriminalermittlungsbüro alle Morde, in denen die angeblichen Verdächtigen während ihrer Anklage, Verhaftung, oder bei ihrem Fluchtversuch getötet wurden, untersucht. Viele Bundesstaaten sind diesem unverbindlichen Rat nicht gefolgt und führten interne Revisionen im Ermessen der Vorgesetzten durch. Die NHRC Richtlinien weisen die Bundesstaatenregierungen an, alle Fälle von Tod durch Polizeihandlung binnen 48 Stunden an die NHRC zu melden, jedoch hielten sich viele Bundesstaatenregierungen nicht an diese Richtlinien. Die NHRC forderte von den Bundesstaatenregierung, den Familien von Opfern eine finanzielle Kompensation zu bieten, aber die Bundesstaatenregierungen erfüllten diese Richtlinien nicht konsequent. Die Behörden haben die Streitkräfte nicht dazu aufgefordert, Todesfälle während der Haft an die NHRC zu melden (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

BICC - Bonn International Centre for Conversion (6.2016):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/201607/indien.pdf, Zugriff 13.12.2016

-

NHRC - The National Human Rights Commission India (o. D.): The National Human Rights Commission India, http://www.nhrc.nic.in/Documents/Publications/NHRCindia.pdf, Zugriff 5.1.2017

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 13.12.2016

Relevante Bevölkerungsgruppen

Die Verfassung verbietet Diskriminierung auf Basis von Rasse, Geschlecht, Invalidität, Sprache, Geburtsort, Kaste oder sozialen Status. Die Regierung arbeitet mit unterschiedlichem Erfolg an der Durchsetzung dieser Bestimmungen (USDOS 13.4.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016).

Quellen:

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 23.12.2016

-

BICC - Bonn International Centre for Conversion (6.2016):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/201607/indien.pdf, Zugriff 7.12.2016

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 13.4.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 16.8.2016).

Die Regierung lockerte Einschränkungen in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen. Die Sicherheitskräfte untersuchen Wagen und deren Inhaber bei Checkpoints im Kaschmirtal, vor öffentlichen Veranstaltungen in Neu Delhi oder nach großen terroristischen Angriffen (USDOS 13.4.2016).

Die Regierung darf die legale Ausstellung eines Passes, an einen Anwärter, von dem geglaubt wird, dass er in Aktivitäten außerhalb des Landes verwickelt ist, die "schädlich für die Souveränität und Integrität der Nation" sind, verweigern Bürger von Jammu und Kaschmir sind auch weiterhin mit massiven Verzögerungen bei der Ausstellung eines Passes konfrontiert, oft dauert es bis zu zwei Jahre, bis ihnen das Außenministerium einen Pass ausstellt oder erneuert. Die Regierung setzt Antragsteller - geboren in Jammu und Kaschmir -, darunter auch Kinder von Militäroffizieren Berichten zufolge zusätzlichen Kontrollen aus, bevor sie einen Pass erhalten (USDOS 16.8.2016).

Mit dem geplanten Datenverbundsystem für die zentralen Sicherheitsbehörden und die Unionsstaaten, Crime and Criminal Tracking Network System (CCTNS), soll künftig ein Informationsaustausch auf allen Ebenen gewährleistet sein. Für 2012 war eine Anbindung von 15.000 Polizeistationen und 6.000 übergeordneten Stellen vorgesehen. Die Umsetzung des ambitionierten Vorhabens liegt jedoch weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan (AA 3.3.2014).

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern (ÖB 12.2016). Es ist davon auszugehen, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten/halbstaatlichen Probleme entziehen können, da nicht davon auszugehen ist, dass über das Dorf hinaus Anwohner oder lokale Behörden Hinweise erhalten oder recherchieren können oder sich überhaupt dafür interessieren, was ein Zugezogener in der Vergangenheit gemacht haben könnte. Es fehlen jegliche zentrale Aktenführung oder Informationsaustausch. Es bedarf lediglich eines sehr einfachen, öffentlichen Namensänderungsverfahrens, um seine Identität zu verschleiern (AA 3.3.2014).

Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 16.8.2016). Ob der Betreffende nach der Umsiedlung dort die Möglichkeit hat, sich ein wirtschaftliches Auskommen zu verschaffen, hängt ausschließlich von seiner Eigeninitiative ab (AA 3.3.2014).

In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Pracitces 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 28.12.2016

Meldewesen

Es gibt kein Meldewesen in Indien (AA 16.8.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

Grundversorgung/Wirtschaft

Indiens Wirtschaft hat sich zuletzt erholt und an Dynamik gewonnen. Indien zählt nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt. Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2015/2016 bei 7,6% (AA 9.2016).

Das Land hat eine aufstrebende urbane Mittelschicht. Die große Zahl an Facharbeitskräften macht es zu einem beliebten Ziel für internationale Firmen, die versuchen ihre Arbeit auszulagern. Der Großteil der ländlichen Bevölkerung ist weiterhin arm, da deren Leben auch weiterhin durch das altertümliche Hindukastensystem beeinflusst wird, welches jeder Person einen Platz in der sozialen Hierarchie zuweist (BBC 27.9.2016)

Das hohe Wachstum der Jahre bis 2011 hat die regionalen Entwicklungsunterschiede auf dem Subkontinent und das zunehmende Einkommensgefälle zwischen der expandierenden städtischen Mittelschicht und der überwiegend armen Bevölkerung auf dem Lande, wo noch knapp 70% aller Inder leben, schärfer hervortreten lassen. Ende September 2014 verkündete Premierminister Modi die "Make in India" Kampagne und rief ausländische Investoren dazu auf, in Indien bei verbesserten Investitionsbedingungen zu produzieren. Zur Ankurbelung der weiteren Industrialisierung werden groß angelegte Infrastrukturprojekte verfolgt. Auch im Bereich Schiene, den Häfen und im Luftverkehr sind erhebliche Investitionen nötig und geplant. Wachstum und Wohlstand verdankt Indien vor allem dem Dienstleistungssektor mit einem Anteil von über 53% am BIP. Hiervon profitiert aber bei einem Beschäftigungsanteil von etwa 30% nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Zur Überwindung der Massenarmut sollen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, vor allem auch für nicht oder gering qualifizierte Kräfte (AA 9.2016).

Indien hat eine Erwerbsbevölkerung von 404,5 Millionen, von welchen 43 Millionen im formellen Sektor und 361 Millionen im informellen Sektor arbeiten, wo sie weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert sind, noch Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung haben (AA 9.2016). Der Hauptteil der Menschen, die im informellen Sektor arbeiten, sind im privaten Sektor tätig (BAMF 12.2015). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 17,4% (2015/16) der Gesamtwirtschaft, obgleich rund 50% der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 9.2016).

Die Regierung hat überall im Land mehr als 900 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle im Regierungssekte frei ist. Das MGNREGA Gesetz (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act) ist ein Arbeitsgarantieprogramm. Erwachsenen eines ländlichen Haushalts, welche gewillt sind Handwerksarbeit zum Mindestlohn zu verrichten, wird hierdurch eine gesetzliche Jobgarantie für 100 Tage im Jahr gewährt. Das Kommissariat oder Direktorat der Industrie (The Commissionerates or Directorates of Industries) bieten Hilfe bei der Geschäftsgründung in den verschiedenen Staaten. Einige Regierungen bieten Arbeitslosenhilfe für Personen, die bereits mehr als drei Jahre bei der Stellenbörse registriert sind (BAMF 12.2015)

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 1.313 Euro. Etwa 30% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze von 1 USD pro Kopf und Tag. Rund 70% haben weniger als 2 USD pro Tag zur Verfügung. Auf dem Human Development Index des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme - UNDP) steht Indien auf Platz 135 unter 187 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 9.2016).

In Indien haben derzeit von 400 Millionen Arbeitskräften nur etwa 35 Millionen Zugang zum offiziellen Sozialen Sicherungssystem in Form einer Altersrentenabsicherung. Dies schließt Arbeiter des privaten Sektors, Beamte, Militärpersonal und Arbeitnehmer von Unternehmen des staatlich öffentlichen Sektors ein (BAMF 8.2014). Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 12.2015).

Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 12.2015).

Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unter dem Existenzminimum. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 16.8.2016).

Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar ID Nummer ausgestellt. Obwohl diese nicht verpflichtend ist, gaben Beamte an, dass der Nichtbesitz den Zugang zur Staatshilfe limitieren werden könnte (FH 3.10.2013). Die unverwechselbare Identitätsnummer ermöglicht es beispielsweise, dass staatliche Zuschüsse direkt an den Verbraucher übermittelt werden. Anstatt diese auf ein Bankkonto zu senden, wird sie an die unverwechselbare Identitätsnummer überwiesen, die mit der Bank verbunden ist und geht so an das entsprechende Bankkonto. 750 Millionen Inder haben derzeit eine derartige Identitätsnummer, ca. 130 Millionen haben diese auch mit ihrem Bankkonto verknüpft (International Business Times, 2.2.2015).

Die Identifizierungsbehörde Indiens wurde eingerichtet, um die rechtliche und technische Infrastruktur zu schaffen, die notwendig ist, um allen indischen Einwohnern eine 12-stellige Identitätsnummer (UID) auszustellen, die online überprüft werden können. Dieses Projekt soll gefälschte und doppelte Identitäten ausschließen. Das neue Identitätssystem wird mit Fotos, demographischen und biometrischen Details (Fingerabdrücke und IrisBild) verbunden. Der Erwerb einer UID ist freiwillig und kostenlos. Es gibt keine rechtliche Verpflichtung, sich registrieren zu lassen (UK Home Office 2.2015).

Da die im Rahmen des UID bzw. Aadhaar Projektes gesammelten Daten nicht in das nationale Bevölkerungsregister (NPR) integriert werden, stellt dieses jedoch nur eine bloße Auflistung von Namen und demographischen Details dar. Bisher wurden 1,04 Milliarden Aadhaar Nummern generiert, mit dem Plan der vollständigen Erfassung der Bevölkerung bis März 2017. Die zuständige Behörde für die einheitliche Identifikationsnummer weigert sich, die gesammelten Daten an das für das Bevölkerungsregister zuständige Innenministerium weiterzuleiten, da sie aufgrund des im Juli 2016 verabschiedeten Gesetzes von einem Datenaustausch ausgeschlossen ist (HT 8.8.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016): Indien, Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8E633C2F61937CFE7189E5065CD31B93/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Wirtschaft_node.html, Zugriff 23.12.2016

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BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016) India profile - Overview, http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 28.12.2016

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (8.2014):

Länderinformationsblatt Indien, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_indien-dl_de.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 29.12.2016

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (12.2015):

Länderinformationsblatt Republik Indien, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772099/18364589/Indien_-_Country_Fact_Sheet_2015%2C_deutsch.pdf?nodeid=17927013&vernum=-2, Zugriff 29.12.2016

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FH - Freedom House (3.10.2013): Freedom on the Net 2013 - India, http://www.ecoi.net/file_upload/3714_1380802722_fotn-2013-india.pdf, Zugriff 9.1.2017

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HT - Hindustan Times (8.8.2016): National Population Register project now a Rs 4,800-crore sinkhole, http://www.hindustantimes.com/india-news/national-population-register-project-now-a-rs-4-800-crore-sinkhole/story-xwmSEA3NwijJFoOpxYe3dN.html, Zugriff 9.1.2017

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International Business Times (2.2.2015): One Billion Indians To Have UID Numbers By Year-End As India Seeks To Boost Social Security,

http://www.ibtimes.com/one-billion-indians-have-uid-numbers-year-end-india-seeks-boost-social-security-1802126, Zugriff 9.1.2017

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UK Home Office (2.2015): Country Information and Guidance India:

Background information, including actors of protection, and internal relocation,

https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/402790/cig_india_background_2015_02_04_v2_0.pdf, Zugriff 29.12.2016

Rückkehr

Allein die Tatsache, dass eine Person in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der Abschiebung. In den letzten Jahren hatten indische Asylbewerber, die in ihr Heimatland abgeschoben wurden, grundsätzlich - abgesehen von einer intensiven Prüfung der (Ersatz-) Reisedokumente und einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden - keine Probleme. Polizeilich gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen (AA 16.8.2016). Die indische Regierung hat kein Reintegrationsprogramm und bietet auch sonst keine finanzielle oder administrative Unterstützung für Rückkehrer (BAMF 12.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (12.2015):

Länderinformationsblatt Republik Indien, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772099/18364589/Indien_-_Country_Fact_Sheet_2015%2C_deutsch.pdf?nodeid=17927013&vernum=-2, Zugriff 29.12.2016

2. Beweiswürdigung:

2.1. Mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokumentes steht die Identität des Beschwerdeführers nicht fest. Seine Staatsangehörigkeit und seine Herkunft erscheinen auf Grund seiner Sprach- und Ortskenntnisse glaubhaft.

Die Feststellungen über die Lebenssituation des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat sowie die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer in Österreich keine Verwandten bzw. Familienangehörigen hat, kein Familienleben oder familienähnliche Beziehung führt, zu niemandem eine finanzielle oder sonstige Abhängigkeit besteht, einen Freund im Bundesgebiet hat, mit welchem er ein Lokal eröffnet hat, wo der Beschwerdeführer aushilft, zu seinen Zukunftsvorstellungen, dass er das Gewerbe "Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt" angemeldet hat, dass er keinen Deutschkurs besucht hat, nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation und gesund ist, beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 01.08.2018, der im Akt aufliegenden Mitteilung des Magistrates der Stadt Wien vom 19.01.2016 und schließlich den im Verfahren vorgelegten Unterlagen - der Mitgliedskarte der WKO, dem Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 05.04.2018 und dem Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem Austria (GISA) vom 17.04.2018.

Dass der Beschwerdeführer mangels arbeitsmarktrechtlicher Beschäftigungsbewilligung bei einer unerlaubten Beschäftigung als Ausländer betreten wurde, ergibt sich aus dem im Akt aufliegenden Strafantrag der Finanzpolizei vom 26.07.2017, Zl. FA-GZ. 012/10470/19/0717.

Dass der Beschwerdeführer keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nimmt und strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus der Einsichtnahme ins Grundversorgungssystem und ins österreichische Strafregister.

Die Beurteilung der belangten Behörde, wonach das Vorbringen des Beschwerdeführers über eine Bedrohung durch Privatpersonen aufgrund von privaten Streitigkeiten hinsichtlich der Hochzeit seiner Cousine nicht glaubhaft sei, ist zutreffend. Der Beschwerdeführer hat zwar eine derartige Bedrohungssituation sowohl im Verlauf der sicherheitsbehördlichen Erstbefragung am 21.07.2015, als auch bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 01.08.2018 behauptet, seine diesbezüglichen Angaben sind jedoch, wie im angefochtenen Bescheid richtig festgehalten, logisch nicht nachvollziehbar und als wenig konkret und detailliert zu qualifizieren. Zudem wurde das Vorbringen im Verfahren geändert und auch gesteigert.

So behauptete der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, dass er von einem Mann, der aus einer "Mafiafamilie" komme, bedroht und geschlagen worden sei, weil er die Cousine des Beschwerdeführers habe heiraten wollen, der Beschwerdeführer jedoch dagegen gewesen sei und sich eingemischt habe. Wie in der Bescheidbegründung richtig festgehalten, gab der Beschwerdeführer aber in seiner behördlichen Einvernahme in diesem Zusammenhang befragt an, dass er den Mann eigentlich gar nicht persönlich kenne, was im Gegensatz zum Vorbringen steht, wonach sein Feind ihn geschlagen haben soll. Dass er seinen Verfolger niemals gesehen habe, widerspricht ebenso dem weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers in derselben Befragung, wonach sein Feind ihn auch zwei Mal auf dem Kopf geschlagen habe. Wie der Beschwerdeführer körperliche Übergriffe erlitten haben kann, wenn er seinen Verfolger niemals persönlich gesehen hat, lässt sich logisch nicht erklären. Zudem erwähnte der Beschwerdeführer eine Zugehörigkeit seines Verfolgers zu einer "Mafiafamilie" in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit keinem Wort. Gleichzeitig steigerte der Beschwerdeführer sein Vorbringen in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auch damit, dass sein Verfolger ihn "50-60 Mal" bedroht hätte und ihn zudem auch hätte umbringen wollen. Schon aufgrund der mangelnden Fähigkeit des Beschwerdeführers, wesentliche Teile seines Vorbringens, und zwar zu seinem Verfolger und zu den Verfolgungshandlungen in seinen zwei Befragungen stringent und einheitlich zu erzählen, war die Glaubwürdigkeit des Vorbringens bereits stark anzuzweifeln.

Überdies war der Beschwerdeführer nicht in der Lage, die behaupteten, gegen ihn gerichteten Bedrohungssituationen nachvollziehbar zu schildern. Schon eingangs seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach den Gründen seiner Asylantragsstellung gefragt, führte er nur vage an, dass er in Indien Feinde habe, die ihn zwei bis drei Mal geschlagen hätten und er deshalb das Land habe verlassen müssen. Selbst nach diesbezüglichem Vorhalt und Aufforderung durch den Leiter der Amtshandlung, alle Einzelheiten und Details zu nennen, wiederholte er sein detailarmes Vorbringen und gab nur oberflächlich zu Protokoll, dass der Mann, der seine Cousine habe heiraten wollen, Probleme gemacht und dem Beschwerdeführer zwei Mal auf dem Kopf geschlagen habe, da sie eine Hochzeit mit einem anderen Mann arrangiert hätten. Die Frage, ob er dazu nicht mehr angeben könne, verneinte der Beschwerdeführer und unterließ es, genauere Ausführungen zu tätigen. Danach führte er im weiteren Verlauf seiner Befragung nur lapidar an, dass er im Zeitraum zwischen 2012 und 2015 etwa fünfzig bis sechzig Mal bedroht worden sein will. Auch danach gefragt, wann die Vorfälle denn genau stattgefunden haben sollen und wiederholt aufgefordert, von allen Übergriffen zu erzählen, entgegnete der Beschwerdeführer immer wieder auf die jeweiligen Aufforderungen, dass er sich nicht mehr erinnern könne. Eine konkrete Antwort blieb er somit schuldig.

Daraufhin aufgefordert, zumindest umfangreiche Angaben rund um den Mann, der seine Cousine habe heiraten wollen und ihn geschlagen haben soll, zu tätigen, gab der Beschwerdeführer nur ausweichend an, dass er diesen Mann nicht kenne und er

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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