TE Vwgh Beschluss 2019/11/19 Ra 2019/09/0016

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Veröffentlicht am 19.11.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
34 Monopole
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §66 Abs2
B-VG Art131 Abs2
B-VG Art133 Abs6 Z2
GSpG 1989 §50 Abs5
GSpG 1989 §50 Abs7
VwGG §33 Abs1
VwGG §47 Abs3
VwGG §58 Abs2
VwGVG 2014 §28 Abs3
VwRallg

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):Ra 2019/09/0024 B 19.11.2019

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die außerordentliche Revision der Steiermärkischen Landesregierung gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 7. Dezember 2018, Zl. LVwG 41.19-56/2018-4, betreffend Kostenvorschreibung nach § 2 Abs. 3 Glücksspielgesetz (mitbeteiligte Partei: A AG in W, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 19), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Der Antrag der mitbeteiligen Partei auf Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 29. November 2017 wurden der mitbeteiligten Partei gemäß § 2 Abs. 3 Glücksspielgesetz die Kosten "für das Jahr 2016 für die Errichtung eines Datenrechenzentrums bei der Bundesrechenzentrum GmbH sowie für dessen laufenden Betrieb" im Betrag von 244.988,67 Euro vorgeschrieben.

2 Mit dem angefochtenen Beschluss des Landesverwaltungsgerichte s Steiermark vom 7. Dezember 2018 wurde einer dagegen von der mitbeteiligten Partei erhobenen Beschwerde stattgegeben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zurückverwiesen. Weiters wurde ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3 Begründend ging das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges und Wiedergabe von Rechtsvorschriften davon aus, dass dem bei ihm angefochtenen Bescheid Begründungsmängel anhafteten, weil die notwendige Tatsachenfeststellung sowie die Beweiswürdigung fehlten und eine Auseinandersetzung mit den widerstreitenden Parteienbehauptungen nicht stattfinde. Der Behörde seien aber auch Ermittlungsmängel anzulasten, weil sie sich mit der wörtlichen Wiedergabe der Parteienäußerungen begnüge und sich mit den widerstreitenden Parteienvorbringen überhaupt nicht auseinandergesetzt habe, sodass sie schon deshalb "jede Ermittlungstätigkeit zur Feststellung des entscheidungsmaßgebenden Sachverhaltes unterlassen" habe. Bekräftigt werde "die unterlassene Ermittlungstätigkeit" auch durch die Aussage in den Erwägungen, es sei für die Behörde "eine Überprüfung der Abrechnungen des Bundesministeriums für Finanzen weder auf ihre sachliche Richtigkeit noch ihre Verhältnismäßigkeit möglich". Damit gebe die Behörde zu erkennen, sich inhaltlich mit den widerstreitenden Parteienvorbringen nicht auseinandersetzen zu wollen und deshalb auch keinen zur inhaltlichen Klärung der Sachfragen entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt zu haben.

4 Da die Behörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt nicht festgestellt und damit keine für eine Entscheidung in der Sache ausreichend brauchbaren Ermittlungsergebnisse geliefert habe, sei die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG erforderlich. Im fortgesetzten Verfahren werde die Behörde im Hinblick auf die widerstreitenden Parteienäußerungen insbesondere geeignete Ermittlungen zur Berechnungsgrundlage anzustellen haben und daraus entsprechende Feststellungen treffen müssen, um die sachliche Rechtfertigung der Berechnungsgrundlage beurteilen zu können. Der mitbeteiligten Partei müsse auch die Möglichkeit geboten werden, Einsicht in die einzelnen, den Kostenaufstellungen zugrunde gelegten Rechnungen zu nehmen. 5 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der Steiermärkischen Landesregierung.

6 In der nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof erststatteten Revisionsbeantwortung der mitbeteiligten Partei wurde ausgeführt, dass mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 11. März 2019 neuerlich die Kosten für das Jahr 2016 für die Errichtung eines Datenrechenzentrums bei der Bundesrechenzentrum GmbH sowie für dessen laufenden Betrieb (nunmehr im Betrag von 82.463,90 Euro) vorgeschrieben worden seien und dieser Bescheid in Rechtskraft erwachsen sei.

7 Über Aufforderung, zur Frage der Gegenstandslosigkeit der vorliegenden Amtsrevision Stellung zu nehmen, führte die Steiermärkische Landesregierung in ihrer Stellungnahme vom 26. Juli 2019 im Wesentlichen aus, sie teile nicht die Ansicht, sie "habe sich durch die neuerliche Erlassung des Kostenbescheides für das Jahr 2016 selbst klaglos gestellt", da in der Revision begründet worden sei, warum das Verwaltungsgericht die Sachentscheidung "selbst hätte treffen sollen und letztlich auch rascher, einfacher und kostensparender hätte treffen können". Das rechtliche Interesse an einer Überprüfung ergebe sich "unter anderem auch daraus, dass für die Behörde, selbst wenn der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren einstellen würde, keine Klarheit für das Ermittlungsverfahren künftig zu erlassender Kostenbescheide" gegeben sei. Auch der neu erlassene rechtskräftige Kostenbescheid entspreche "letztlich nicht dem vom Landesverwaltungsgericht angeordneten, in der außerordentlichen Revision in Frage gestellten Ermittlungsverfahren", sondern folge "der in der außerordentlichen Revision dargestellten neuen Sachlage, die das Landesverwaltungsgericht unberücksichtigt" gelassen habe.

8 Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist die Revision nach Anhörung des Revisionswerbers in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde. 9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist mit der Einstellung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens im Sinne des § 33 Abs. 1 VwGG nicht nur bei formeller Klaglosstellung, sondern auch bei "Gegenstandslosigkeit" der Revision vorzugehen. Ein Einstellungsfall (wegen Gegenstandslosigkeit) liegt insbesondere auch dann vor, wenn der Revisionswerber kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat (vgl. VwGH 25.9.2019, Ra 2018/09/0033; 20.3.2019, Ra 2018/09/0051; 20.12.2017, Ra 2017/10/0139). Das Rechtsschutzinteresse ist immer dann zu verneinen, wenn es (auf Grund der geänderten Umstände) für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied mehr macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für ihn keinen objektiven Nutzen hat, die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen somit insoweit nur (mehr) theoretische Bedeutung haben (vgl. VwGH 22.5.2019, Ro 2018/04/0005; 2.5.2019, Ra 2018/05/0231; 20.8.2018, Ra 2018/17/0128). Diese Rechtsprechung hat auch für eine Amtsrevision der belangten Behörde gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG Gültigkeit (vgl. VwGH 25.9.2019, Ra 2018/09/0033; 27.6.2019, Ra 2019/02/0017; 28.5.2019, Ro 2019/10/0012).

10 Der Verwaltungsgerichtshof verneint eine derartige praktische Bedeutung für die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde in ständiger Rechtsprechung etwa in Fällen, in denen nach Aufhebung und Zurückverweisung eines Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG durch das Verwaltungsgericht im fortgeführten behördlichen Verfahren der verfahrensleitende Antrag zurückgezogen wird (vgl. VwGH 25.9.2019, Ra 2018/09/0033; 2.5.2019, Ra 2018/05/0231; 18.1.2018, Ra 2016/06/0056). In einem Fall eines aufhebenden Bescheides nach § 66 Abs. 2 AVG hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die neuerliche Erlassung eines Bescheides in der (durch die Aufhebung wieder offenen) Sache durch jene Behörde, deren Bescheid aufgehoben worden war, keinen Sachverhalt darstellt, der zu einer Gegenstandslosigkeit einer Beschwerde gegen den aufhebenden Bescheid führt; dies wurde damit begründet, dass nach ständiger hg. Rechtsprechung aufhebende Bescheide nach § 66 Abs. 2 AVG Bindungswirkung für das fortgesetzte Verfahren entfalten und eine allfällige Verfolgung rechtlicher Interessen für die Parteien des Verfahrens in weiterer Folge (im weiteren Verfahren auf Grund der neuerlichen erstinstanzlichen Entscheidung, die jedoch in Bindung an die Rechtsauffassung der belangten Behörde zu ergehen hatte, welche im Falle einer allfälligen Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen einen weiteren Berufungsbescheid in der Sache auch vom Verwaltungsgerichtshof zu beachten wäre) nur eingeschränkt möglich wäre. Wie in dieser Rechtsprechung hervorgehoben wird, ist die Anfechtbarkeit solcher Kassationsbescheide gerade auch aus dem Interesse an der Vermeidung des Eintritts einer solchen Bindungswirkung eröffnet. Dies muss auch für die Rechtsstellung von Amtsparteien gelten (VwGH 22.8.2012, 2011/17/0323).

11 Vor dem Hintergrund der Stellungnahme der Revisionswerberin vom 26. Juli 2019 ist nun aber nicht ersichtlich, dass einer meritorischen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes im hier vorliegenden Fall noch praktische Bedeutung zukäme, behauptet die Revisionswerberin doch nicht, dass der von ihr im fortgesetzten Verfahren erlassene und in Rechtskraft erwachsene Kostenbescheid auf einer unrichtigen, aber vom Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss im Grunde des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG überbundenen Rechtsansicht beruht. Die Revisionswerberin verweist in ihrer Stellungnahme geradezu gegenteilig darauf, dass "der neu erlassene rechtskräftige

Kostenbescheid ... letztlich nicht dem vom

Landesverwaltungsgericht angeordneten, in der außerordentlichen Revision in Frage gestellten Ermittlungsverfahren" entspreche, sondern aus "der in der außerordentlichen Revision dargestellten neuen Sachlage, die das Landesverwaltungsgericht unberücksichtigt" gelassen habe, folge. Vor dem Hintergrund dieser Stellungnahme ist somit nicht ersichtlich, dass einer meritorischen Entscheidung im vorliegenden Fall noch praktische Bedeutung zukäme. Auch die mitbeteiligte Partei hat den genannten Kostenbescheid unangefochten gelassen. Zu einer rein abstrakten Prüfung der Rechtmäßigkeit einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ist der Verwaltungsgerichtshof aber nicht berufen (vgl. VwGH 20.3.2019, Ra 2018/09/0051; 24.4.2018, Ra 2016/05/0112, 0113; 29.6.2017, Ro 2015/04/0021).

12 Die Revision war daher in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Revisionsverfahren einzustellen.

13 Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 47 Abs. 3 und § 58 Abs. 2 leg. cit. Fällt bei einer Revision das Rechtsschutzinteresse nachträglich weg, so ist dies nach der zuletzt genannten gesetzlichen Bestimmung bei der Entscheidung über die Kosten nicht zu berücksichtigen; würde hiebei die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, so ist darüber nach freier Überzeugung zu entscheiden. Die in § 47 Abs. 3 VwGG getroffene Regelung, wonach Mitbeteiligte "einen Anspruch auf Aufwandersatz" nur "im Fall der Abweisung der Revision" haben, führt daher nicht dazu, dass der mitbeteiligten Partei ein Kostenersatz schon deshalb nicht zustehe, weil vorliegend kein Fall der Revisionsabweisung gegeben ist (vgl. VwGH 9.9.2015, Ro 2015/03/0028). Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Partei war vielmehr deshalb abzuweisen, weil die Revision (wäre sie nicht gegenstandslos geworden) schon deshalb nicht abzuweisen gewesen wäre, da der angefochtene Beschluss - wie (auch) in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision gerügt wird - entgegen der hg. Judikatur (vgl. das in der Revision dazu genannte Erkenntnis VwGH 18.4.2018, Ra 2018/22/0015, mwN) keine Begründung enthält, warum das Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass die Ergänzung des Ermittlungsverfahrens bzw. die Nachholung der fehlenden Feststellungen durch das Verwaltungsgericht selbst nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre.

Wien, am 19. November 2019

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019090016.L00

Im RIS seit

16.01.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.01.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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