TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/16 96/09/0320

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Veröffentlicht am 16.09.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
64/03 Landeslehrer;

Norm

AVG §58 Abs2;
BDG 1979 §123 Abs1 impl;
LDG 1984 §92 Abs1;
LDG 1984 §92 Abs2;
LDG 1984 §92;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger, über die Beschwerde der C R in H, vertreten durch die Rechtsanwälte OEG Zamponi Weixelbaum & Partner, in Linz, Kaisergasse 17, gegen den Bescheid der Disziplinarkommission für Landeslehrer für Allgemeinbildende Pflichtschulen beim Bezirksschulrat Eferding (Senat für Landeslehrer an Volks- und Sonderschulen) vom 5. Juni 1996, Zl. Schu 30-7-5-1996-H/Bü, betreffend Einleitung eines Disziplinarverfahrens nach dem Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin steht als Volksschullehrerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Oberösterreich. Sie war im Schuljahr 1995/1996 an der Volksschule Aschach tätig.

Mit dem als Einleitungs- und Unterbrechungsbeschluß bezeichneten, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 5. Juni 1996 hat die belangte Behörde gemäß § 92 Abs. 1 LDG 1984 beschlossen, ein Disziplinarverfahren gegen die Beschwerdeführerin einzuleiten. Der Spruch dieses Bescheides lautet:

"Frau VL Christine Raab ist verdächtig, schuldhaft ihre Dienstpflichten gemäß § 29 Abs. 1 und Abs. 2 LDG 1984 sowie gemäß § 30 Abs. 1 LDG 1984 verletzt zu haben.

1. Sie habe zumindest seit Beginn des Schuljahres 1995/96 im Rahmen des Schulunterrichtes auf die Schüler/innen der zweiten Klasse der Volksschule in Aschach im Sinne des Gedankengutes der "Jedidjagemeinde" durch ihren Vortrag, ihre Handlungen (Abhaltung von "Morgenkreisen"mit religiösem Inhalt und Abspielen von Kassetten, z. B. Fredi, der Esel; am Nil, im Urwald, Eugen in Not, Abenteuer im Wald), Vorlesen und Lesen z.B. aus den Büchern "In Todesgefahr" von Andreas Schwandtge, Die Geschichte "Im Flammenmeer" und "Pias Bergabenteuer" so eingewirkt, daß laut Disziplinaranzeige vom 25. April 1996 bei mehreren Schüler/innen dieser Volksschule am 5.4.1996 schwere psychische und psychosomatische Schäden durch Herrn Dr. Heinz Fölkl, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie festgestellt wurden.

2. Weiters steht sie im Verdacht, im Schuljahr 1995/96 durch ihr Einwirken auf die Schüler/innen der zweiten Klasse der Volksschule in Aschach das grundsätzlich den Eltern zustehende Recht auf "Obsorge" gemäß § 144 ABGB - vorrangiges Erziehungsrecht der Eltern - verletzt zu haben. Insbesondere das Recht betreffend der Eltern die religiöse Kindererziehung, wobei diesbezüglich auf das Bundesgesetz über die religiöse Kindererziehung 1985, BGBl. Nr. 155/1985, verwiesen wird.

Gemäß § 29 Abs. 1 LDG 1984 ist der Landeslehrer verpflichtet, die ihm obliegenden Unterrichts-, Erziehungs- und Verwaltungsaufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.

Gemäß § 29 Abs. 2 LDG 1984 hat der Landeslehrer in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

3. Die genannte Landeslehrerin ist verdächtig, Weisungen ihrer Vorgesetzten nicht befolgt zu haben, wobei diesbezüglich auf den Bescheid betreffend Suspendierung vom 3. Juni 1996, Schu 30-7-4-1996-H/Bü, verwiesen wird.

Gemäß § 82 Abs. 2 LDG 1984 hat die

zuständige Disziplinarkommission beschlossen, das Disziplinarverfahren hinsichtlich des Einwirkens auf die Schüler/innen der zweiten Volksschulklasse zu unterbrechen, da der Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlichen strafbaren Handlung, nämlich nach §§ 83 und 92 StGB durch diese Dienstpflichtverletzungen vorliegt."

Die Begründung des angefochtenen Bescheides hat folgenden Wortlaut:

"Unter Hinweis auf die bereits vom Bezirksschulrat Eferding am 6. Mai 1996, Zl. 30-7-1996 übersendeten Disziplinaranzeige von Frau VD Irmtraud Grois vom 23. April 1996, dem Bericht des Bezirksschulrates Eferding vom 24. April 1996, der Disziplinaranzeige des Bezirksschulrates Eferding vom 6. Mai 1996 sowie der vorläufigen Suspendierung durch den Bezirksschulrat Eferding vom 25. April 1996, steht Frau VL Raab im Verdacht, die oben vorgeworfenen Handlungen und Unterlassungen begangen zu haben. Die Disziplinarkommission ist in ihrer Sitzung am 29. Mai 1996 zur Ansicht gelangt, daß die zur Last gelegten Sachverhalte bei entsprechender rechtlicher Würdigung Verstöße gegen die Bestimmungen von § 29 und 30 LDG 1984 darstellen. Frau VL Raab steht daher im Verdacht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, sodaß gemäß § 92 Abs. 1 LDG 1984 die zuständige Disziplinarkommission einstimmig zu dem Beschluß gekommen ist, die Einleitung des Disziplinarverfahrens zu verfügen. Gemäß §§ 69ff LDG 1984 war daher das Disziplinarverfahren einzuleiten.

Gemäß § 82 Abs. 2 LDG 1984 hat die

zuständige Disziplinarkommission das Disziplinarverfahren zu unterbrechen, wenn sie Anzeige an die Staatsanwaltschaft, Sicherheitsbehörde oder die Verwaltungsbehörde erstattet hat oder sie sonst Kenntnis von einem anhängigen gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Strafverfahren hat. Der Disziplinarkommission ist bekannt, daß vom Gendarmerieposten Aschach am 17. Mai 1996 eine Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Wels erstattet wurde, da der Verdacht des Vergehens nach § 92 StGB besteht. Unter Berücksichtigung dieses Sachverhaltes war daher das Disziplinarverfahren in diesem Punkt zu unterbrechen."

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 30. September 1996, B 2335/96-5, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie entsprechend einem nachträglich gestellten Antrag (im Sinne des § 87 Abs. 3 VfGG) mit Beschluß vom 15. Oktober 1996, B 2335/96-7, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Die Beschwerdeführerin ergänzte (auf Grund der Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. November 1996) ihre Beschwerde mit Schriftsatz vom 5. Dezember 1996.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in den Rechten verletzt, "entgegen § 92 LDG 1984 ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen keinem Disziplinarverfahren unterzogen zu werden; entgegen den Bestimmungen des Abschnittes VII des LDG 1984 insbesondere der §§ 69 und 92, ohne Vorliegen der

gesetzlichen Voraussetzungen nicht disziplinär zur Verantwortung gezogen zu werden". Sie beantragt - nach dem wiedergegebenen Inhalt des Beschwerdepunktes bzw. ihrem gesamten Vorbringen erkennbar - die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides im Umfang der Einleitung des Disziplinarverfahrens.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 29 Abs. 1 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 (LDG 1984) ist der Landeslehrer verpflichtet, die ihm obliegenden Unterrichts-, Erziehungs- und Verwaltungsaufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle hat der Landeslehrer in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

Gemäß § 30 Abs. 1 LDG 1984 hat der Landeslehrer die Weisungen seiner Vorgesetzten, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle kann der Landeslehrer die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt worden ist oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde. Hält der Landeslehrer eine Weisung eines Vorgesetzten aus einem anderen Grund für rechtswidrig, so hat er zufolge Abs. 3 dieser Gesetzesstelle, wenn es sich nicht wegen Gefahr im Verzug um eine unaufschiebbare Maßnahme handelt, vor Befolgung der Weisung seine Bedenken dem Vorgesetzten mitzuteilen. Der Vorgesetzte hat eine solche Weisung schriftlich zu erteilen, widrigenfalls sie als zurückgezogen gilt.

Landeslehrer, die schuldhaft ihre Dienstpflichten verletzten sind gemäß § 69 LDG 1984 nach den Bestimmungen dieses Abschnittes (das ist der 7. Abschnitt Disziplinarrecht) zur Verantwortung zu ziehen.

Nach § 2 Schulunterrichtsgesetz (SchUG) regelt dieses Bundesgesetz zur Erfüllung der Aufgabe der österreichischen Schule gemäß § 2 des Schulorganisationsgesetzes die innere Ordnung des Schulwesens als Grundlage des Zusammenwirkens von Lehrern, Schülern und Erziehungsberechtigten als Schulgemeinschaft.

Gemäß § 17 Abs. 1 SchUG hat der Lehrer in eigenständiger und verantwortlicher Unterrichts- und Erziehungsarbeit die Aufgabe der österreichischen Schule (§ 2 des Schulorganisationsgesetzes) zu erfüllen. In diesem Sinne und entsprechend dem Lehrplan der betreffenden Schulart hat er unter Berücksichtigung der Entwicklung der Schüler und der äußeren Gegebenheiten den Lehrstoff des Unterrichtsgegenständes dem Stand der Wissenschaft entsprechend zu vermitteln, eine gemeinsame Bildungswirkung aller Unterrichtsgegenstände anzustreben, den Unterricht anschaulich und gegenwartsbezogen zu gestalten, die Schüler zur Selbständigkeit und zur Mitarbeit in der Gemeinschaft anzuleiten, jeden Schüler nach Möglichkeit zu den seinen Anlagen entsprechenden besten Leistungen zu führen, durch geeignete Methoden und durch zweckmäßigen Einsatz von Unterrichtsmitteln den Ertrag des Unterrichtes als Grundlage weiterer Bildung zu sichern und durch entsprechende Übungen zu festigen.

Gemäß § 2 Schulorganisationsgesetz (SchUOG) hat die österreichische Schule die Aufgabe, an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwirken. Sie hat die Jugend mit dem für das Leben und den künftigen Beruf erforderlichen Wissen und Können auszustatten und zum selbständigen Bildungserwerb zu erziehen. Die jungen Menschen sollen zu gesunden, arbeitstüchtigen, pflichttreuen und verantwortungsbewußten Gliedern der Gesellschaft und Bürgern der demokratischen und bundesstaatlichen Republik Österreich herangebildet werden. Sie sollen zu selbständigem Urteil und sozialem Verständnis geführt, dem politischen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen sowie befähigt werden, am Wirtschafts- und Kulturleben Österreichs, Europas und der Welt Anteil zu nehmen und in Freiheits- und Friedensliebe an den gemeinsamen Aufgaben der Menschheit mitzuwirken.

Die besonderen Aufgaben der einzelnen Schularten ergeben sich nach Absatz 2 dieser Gesetzesstelle aus den Bestimmungen des II. Hauptstückes.

Gemäß § 9 Abs. SchOG hat die Volksschule in den ersten vier Schulstufen (Grundschule) eine für alle Schüler

gemeinsame Elementarbildung unter Berücksichtigung einer sozialen Integration behinderter Kinder zu vermitteln.

Im Lehrplan (§ 6) der Grundschule sind zufolge § 10 Abs. 2 SchOG vorzusehen:

a) als Pflichtgegenstände: Religion, Lesen, Schreiben, Deutsch, Sachunterricht, Mathematik, Musikerziehung, Bildnerische Erziehung, Technisches Werken, Textiles Werken, Leibesübungen;

b) als verbindliche Übungen: Verkehrserziehung und in der 3. und

4.

Schulstufe (für Schüler, die für den zweisprachigen Unterricht an Volksschulen für sprachliche Minderheiten angemeldet sind, als unverbindliche Übung) eine lebende Fremdsprache.

Gemäß § 13 Abs. 1 SchOG ist der Unterricht in jeder Volksschulklasse - abgesehen von einzelnen Unterrichtsgegenständen und einzelnen Unterrichtsstunden - durch einen Klassenlehrer zu erteilen.

Sofern die Landesgesetzgebung Disziplinarkommissionen vorsieht, finden zufolge § 91 Abs. 1 LDG 1984 für das Verfahren vor diesen die §§ 92 bis 101 Anwendung.

Das oberösterreichische Landeslehrer-Diensthoheitsgesetz 1984 (LDHG 1986, LBGl. Nr. 18/1986 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 93/1991) bestimmt in seinem § 13 Abs. 1, daß zur Durchführung von Disziplinarverfahren gemäß dem 7. Abschnitt des LDG 1984 gegen Landeslehrer für Volks-, Haupt- und Sonderschulen sowie für Polytechnische Schulen, sofern nach diesem Gesetz - hinsichtlich der Supendierung im Zusammenhalt mit § 80 Abs. 3 bis 5 LDG 1984 - nicht eine andere Behörde ausdrücklich für zuständig erklärt ist, bei jedem Bezirksschulrat eine Disziplinarkommission eingerichtet wird. Dieser Disziplinarkommission gehören nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle an:

a) der Vorsitzende des Bezirksschulrates oder in seiner Vertretung ein vom Vorsitzenden bestimmter rechtskundiger Beamter einer Bezirksverwaltungsbehörde bzw. in Städten mit eigenem Statut der Vorsitzende des Bezirksschulrates oder in seiner Vertretung der Amtsdirektor des Bezirksschulrates bzw. im Falle dessen Verhinderung ein vom Vorsitzenden bestimmter rechtskundiger Beamter des Magistrats als Vorsitzender;

b) der (die) Bezirksschulinspektor(en) bzw. dessen (deren) Vertreter;

c) ein vom Vorsitzenden des Bezirksschulrates bestellter rechtskundiger Beamter einer Bezirksverwaltungsbehörde bzw. dessen in gleicher Weise bestellter Vertreter;

d) je drei Vertreter der Landeslehrer für Volks- und Sonderschulen sowie für Hauptschulen und Polytechnische Schulen des politischen Bezirkes.

Gemäß § 92 Abs. 1 LDG1984 hat der Vorsitzende der Disziplinarkommission nach Einlangen der Disziplinaranzeige die Disziplinarkommission zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der landesgesetzlich hiezu berufenen Behörde im Auftrag der Disziplinarkommission durchzuführen.

Hat die Disziplinarkommission die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen (Einleitung des Disziplinarverfahrens), so ist nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle dieser Beschluß dem beschuldigten Landeslehrer, dem Disziplinaranwalt und der landesgesetzlich hiezu berufenen Behörde zuzustellen. Gegen die Einleitung des Disziplinarverfahrens ist kein Rechtsmittel zulässig.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. zu den wegen ihrer wesentlichen Inhaltsgleichheit maßgeblichen Bestimmungen des BDG 1979 etwa das hg. Erkenntnis vom 9. September 1997, Zl. 95/09/0243, und die darin angegebene Vorjudikatur, und zum LDG 1984 etwa das hg. Erkenntnis vom 29. August 1996, Zlen. 94/09/0230, 0244, sowie die hg. Beschlüsse vom 1. Juli 1998, Zl. 97/09/0189, und Zlen. 97/09/0095, 0110) dargelegt hat, ist die dem Einleitungsbeschluß in einem Disziplinarverfahren zukommende rechtliche Bedeutung in erster Linie darin gelegen, dem wegen einer Dienstpflichtverletzung beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren innerhalb der Verjährungsfrist eingeleitet wurde. Der Bescheid, durch den das Disziplinarverfahren eingeleitet wird, und der für dessen weiteren Gang eine Prozeßvoraussetzung bildet, dient zugleich dem Schutz des Beschuldigten, der ihm entnehmen kann, nach welcher Richtung er sich vergangen und inwiefern er pflichtwidrig gehandelt haben soll. Der Einleitungsbeschluß begrenzt regelmäßig den Umfang des vor der Disziplinarkommission stattfindenden Verfahrens: Es darf keine Disziplinarstrafe wegen eines Verhaltens ausgesprochen werden, das nicht Gegenstand des durch den Einleitungsbeschluß in seinem Umfang bestimmten Disziplinarverfahrens ist. Um dieser Umgrenzungsfunktion gerecht zu werden, muß das dem Disziplinarbeschuldigten als Dienstpflichtverletzung vorgeworfene Verhalten im Einleitungsbeschluß derart umschrieben werden, daß unverwechselbar feststeht, welcher konkrete Vorgang den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildet. Die angelastete Tat muß daher nach Ort, Zeit und Tatumständen so gekennzeichnet werden, daß keine Unklarheit darüber möglich ist, welches dem Disziplinarbeschuldigten zur Last gelegte Verhalten auf der Grundlage des Einleitungsbeschlusses als Prozeßgegenstand im Disziplinarverfahren behandelt werden darf. Solcherart muß sich daher der Tatvorwurf von anderen gleichartigen Handlungen oder Unterlassungen, die dem Disziplinarbeschuldigten angelastet werden können, genügend unterscheiden lassen.

Diesen Voraussetzungen genügt der angefochtene Bescheid in allen drei Anschuldigungspunkten.

Der Beschwerdeführerin wird unter Spruchpunkt 1.) des angefochtenen Bescheides vorgeworfen, sie habe im Rahmen ihres Schulunterrichtes auf Schüler und Schülerinnen der zweiten Klasse Volksschule Aschach "im Sinne des Gedankengutes der Jedidjagemeinde" so eingewirkt, daß am 5. April 1996 bei mehreren Schülern und Schülerinnen psychische und psychosomatische Schäden festgestellt worden seien.

Dieser Vorwurf ist zeitlich ("seit Beginn des Schuljahres 1995/96) und örtlich ("Volksschule in Aschach") klar abgegrenzt. Eine weitere klare Abgrenzung enthält Spruchpunkt 1.) des angefochtenen Bescheides in der Richtung, daß sich das "Einwirken" der Beschwerdeführerin "auf die Schüler/innen der zweiten Klasse der Volksschule in Aschach", also auf einen relativ kleinen, unschwer feststellbaren Personenkreis, bezogen hat.

Der gegen die Beschwerdeführerin in diesem Spruchpunkt erhobene Vorwurf geht dahin, sie habe durch verschiedene beispielhaft aufgezählte Handlungsweisen auf ihre Schüler und Schülerinnen gesundheitsgefährdend eingewirkt. Nicht näher umschrieben ist im angefochtenen Bescheid, worin jenes "Gedankengut der Jedidjagemeinde" bestanden hat, welches angeblich die genannten Folgen bei den der Beschwerdeführerin anvertrauten Kindern nach sich gezogen hat. Dazu ist jedoch zu sagen, daß dieses "Gedankengut" (nicht anders als jenes anderer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften) objektiv ermittel- und feststellbar ist, sodaß im

weiteren Disziplinarverfahren nachgeprüft werden kann, inwieweit die Beschwerdeführerin tatsächlich in seinem Sinne gehandelt und dadurch die genannten gesundheitlichen Folgen (oder auch nur Gefährdungen) an ihren Schülern und Schülerinnen herbeigeführt hat.

Gerade bei einem über einen längeren Zeitraum fortgesetzten, aus zahlreichen Einzelhandlungen bestehenden Verhalten muß eine zusammenfassende Umschreibung der in einem konkreten Zeitraum zumindest beispielsweise bezeichneten Einzelakte im Einzelfall zur Erfüllung der für einen dem Gesetz entsprechenden Einleitungsbeschluß notwendigen Umgrenzung genügen (vgl. dazu insbesondere die hg. Erkenntnisse vom 18. März 1998, Zl. 96/09/0145, und vom 20. April 1995, Zl. 95/09/0027).

Im Sinne dieser Ausführungen ist die der Beschwerdeführerin unter Spruchpunkt 1.) des angefochtenen Bescheides vorgeworfene Dienstpflichtverletzung ihrer Eigenart entsprechend ausreichend substantiiert. Ob, bei welchen Gelegenheiten und auf welche Weise die Beschwerdeführerin "im Sinne des Gedankengutes der Jedidjagemeinde" auf ihre Schüler und Schülerinnen tatsächlich negativ "eingewirkt" hat, wird im weiteren Disziplinarverfahren zu klären sein; einzelne Fakten wurden im angefochtenen Bescheid hiezu nur "beispielsweise" angeführt (vgl. auch dazu die hg. Erkenntnisse vom 18. März 1998, Zl. 96/09/0145, und vom 20. April 1995, Zl. 95/09/0027, sowie das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1990, Zl. 90/09/0107).

Spruchpunkt 2.) des angefochtenen Bescheides bezieht sich durch die Worte "durch ihr Einwirken auf die Schüler/innen der zweiten Klasse der Volksschule in Aschach" ausdrücklich auf den bereits in Spruchpunkt 1.) erhobenen Tatvorwurf. In Wahrheit stellt Spruchpunkt 2.) daher entgegen dem äußeren Anschein des angefochtenen Bescheides keinen zusätzlichen Tatvorwurf, sondern nur eine rechtliche Qualifikation in Form eines Hinweises darauf dar, was das "Einwirken" durch die Beschwerdeführerin nicht nur bei den Kindern, sondern letztlich auch hinsichtlich der Erziehungsrechte der Eltern an unerwünschten Folgen nach sich gezogen habe.

Spruchpunkt 2.) des angefochtenen Bescheides hat aus dieser Sicht notwendiger Weise das rechtliche Schicksal des Spruchpunktes

1.) zu teilen.

Unter dem Spruchpunkt 3.) wird der Beschwerdeführerin vorgeworfen, sie habe Weisungen ihrer Vorgesetzten nicht befolgt. Die belangte Behörde hat es unterlassen, diese Weisungen im angefochtenen Bescheid näher zu umschreiben. Sie hat aber in dieser Hinsicht auf ihren im Suspendierungsverfahren gegen die Beschwerdeführerin ergangenen Bescheid vom 3. Juni 1996 verwiesen. Diesem (dem Vertreter der Beschwerdeführerin am 5. Juni 1996 zugestellten) Bescheid vom 3. Juni 1996 kann entnommen werden, daß der Beschwerdeführerin damit angelastet wird, sie habe der ihr am 7. März 1996 von Bezirksschulinspektor Rudolf Mattle erteilten Weisung, ab sofort keinen "Morgenkreis" (gemeinsames Gebet im Sesselkreis) mit den Schülern abzuhalten, am 11. April 1996 zuwidergehandelt und einen "Morgenkreis" mit den Kindern durchgeführt. Daß der Beschwerdeführerin unter Spruchpunkt 3.) erkennbar dieser Weisungsverstoß angelastet werden soll, wird auch in der Beschwerde nicht bezweifelt. Für den Verwaltungsgerichtshof ist daher unter Berücksichtigung dieses Verweises auf den Suspendierungsbescheid und die dargelegte Deutung des Inhaltes des Bescheidspruches 3.) in bezug auf die Umgrenzungsfunktion dieses Teiles des Einleitungsbeschlusses keine Rechtsverletzung erkennbar (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 29. August 1996, Zlen. 94/09/0230, 0244).

Insoweit die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit diesem angelasteten Weisungsverstoß rügt, der Weisungsgeber (Bezirksschulinspektor Mattle) habe als befangenes Mitglied der Disziplinarkommission (belangte Behörde) mitgewirkt, ist zu erwidern, daß der Bezirksschulinspektor gemäß § 13 Abs. 2 lit. b des oberösterreichischen LDHG 1986 der Disziplinarkommission angehört. Daß der genannte Bezirksschulinspektor und Weisungsgeber auch als Mitglied der belangten Behörde angehört, war anläßlich der am 29. Mai 1996 von der belangten Behörde in Anwesenheit der Beschwerdeführerin und ihres Vertreters durchgeführten Verhandlung bekannt, bzw. für die Beschwerdeführerin erkennbar. Der Verhandlungsschrift über diese die Suspendierung und die Einleitung des Disziplinarverfahrens betreffende Verhandlung ist aber kein Einwand der Beschwerdeführerin gegen die Zugehörigkeit des Bezirksschulinspektors zur belangten Behörde und auch kein Vorbringen zu entnehmen, daß der genannte Bezirksschulinspektor Mattle befangen sei. Die Beschwerde enthält keine ausreichend substantierten Hinweise darauf, daß dieses Mitglied der belangten Behörde tatsächlich befangen gewesen sei, oder daß dem angefochtenen Bescheid Bedenken in diese Richtung entnommen werden können. Zu der in der Beschwerde ins Treffen geführten Zeugenstellung des Bezirksschulinspektors ist es in dem der Erlassung des angefochtenen Bescheides vorangegangenen Verfahren jedenfalls nicht gekommen. Ob die Zugehörigkeit des Bezirksschulinspektors zur Disziplinarkommission im Falle der Notwendigkeit seiner Anhörung als Zeuge im fortgesetzten Disziplinarverfahren aufrecht erhalten werden kann, oder ob in diesem Fall zur Vermeidung des Anscheins der Mitwirkung eines befangenen Organes deshalb dessen Vertreter (vgl. § 13 Abs. 2 lit. b LDHG 1986) der Disziplinarkommission angehören zu haben wird, kann daher im vorliegenden Fall unbeantwortet bleiben.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. September 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996090320.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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