TE Vwgh Beschluss 2019/11/28 Ra 2019/19/0422

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Veröffentlicht am 28.11.2019
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Index

E3L E19103010
E6J
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht
49/01 Flüchtlinge

Norm

AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
FlKonv Art1 AbschnC
FlKonv Art1 AbschnC Z1
MRK Art2
MRK Art3
32011L0095 Status-RL Art11 Abs1
62008CJ0175 Salahadin Abdulla VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens und die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des Z A, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Dezember 2018, W224 1406423-3/4E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist Staatsangehöriger Syriens und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe.

2 Mit Erkenntnis vom 2. Februar 2011 erkannte der Asylgerichtshof dem Revisionswerber den Status des Asylberechtigten zu und stellte fest, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

3 Begründend ging der Asylgerichtshof davon aus, dass der Revisionswerber in Syrien vom Geheimdienst für sechs Monate inhaftiert und misshandelt worden sei und sich im Bundesgebiet kritisch gegen das syrische Regime betätigt habe. Es sei daher glaubhaft, dass ihm bei einer Rückkehr nach Syrien Verfolgung aufgrund unterstellter missliebiger politischer Gesinnung in Zusammenhalt mit der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden drohe.

4 Mit Bescheid vom 10. Oktober 2018 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) dem Revisionswerber den Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ab und stellte fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Das BFA erkannte dem Revisionswerber jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.).

5 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gerichtete Beschwerde des Revisionswerber als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Das BVwG legte seiner Entscheidung die Feststellung zu Grunde, dass sich der Revisionswerber bei der syrischen Botschaft in Wien freiwillig einen neuen syrischen Reisepass ausstellen habe lassen. Der Revisionswerber habe sich damit freiwillig wieder unter den Schutz seines Heimatlandes gestellt und den Aberkennungsgrund des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt C Z 1 GFK erfüllt.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in

nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer

außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das vom BVwG begründend herangezogene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. November 1996, 96/01/0912, wonach es im Fall der Ausstellung eines Reisepasses durch den Herkunftsstaat nicht auf eine Unterschutzstellungsabsicht des Fremden ankomme, sei auf den Fall des Revisionswerbers nicht anwendbar. Diesem Erkenntnis sei nämlich zu Grunde gelegen, dass der Fremde den Reisepass persönlich beantragt habe und in sein Heimatland zurückgekehrt sei, während der Revisionswerber weder die syrische Botschaft für die Passausstellung aufgesucht habe noch nach Syrien zurückgekehrt sei. Er habe sich den Reisepass lediglich ausstellen lassen, um visumsfrei in die Türkei einreisen zu können.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 23. Oktober 2019, Ra 2019/19/0046, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen wird, mit näherer Begründung ausgesprochen, dass es im Fall der Beantragung und Ausfolgung eines Reisepasses dem Asylberechtigten obliegt, im konkreten Einzelfall Umstände aufzuzeigen, die der rechtlichen Annahme einer bei ihm bestehenden Unterschutzstellungsabsicht entgegenstehen.

12 Ein solches Vorbringen enthält die Revision, die sich auch nicht gegen die Feststellung im angefochtenen Erkenntnis wendet, der Revisionswerber habe sich den syrischen Reisepass freiwillig ausstellen lassen, nicht. Auf die Motive für die Ausstellung des Reisepasses kommt es nach dem zitierten Erkenntnis Ra 2019/19/0046 nicht an.

13 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit auch vor, es bestehe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob der Tatbestand der Schutzgewährung durch den Herkunftsstaat auch dann vorliege, wenn die aktuelle Situation im Herkunftsstaat so "prekär" sei, dass die Unterschutzstellung faktisch nicht möglich wäre. Selbst wenn sich der Revisionswerber freiwillig unter den Schutz Syriens gestellt habe, hätte überprüft werden müssen, ob Syrien überhaupt in der Lage sei, ihm Schutz zu gewähren. Anhand der aktuellen Länderinformationen und seines Fluchtvorbringens hätte dies jedoch verneint werden müssen. 14 Auch mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dargelegt. Ob die Situation im Herkunftsstaat im Allgemeinen so geartet ("prekär") ist, dass für den Revisionswerber die Gefahr einer Verletzung seiner Rechte ua. nach Art. 2 und 3 EMRK oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit aus den in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 genannten Gründen besteht, ist für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten aus einem der Beendigungsgründe des Art. 1 Abschnitt C GFK nicht maßgeblich (vgl. EuGH 2.3.2010, Abdulla ua., C-175/08 ua., Rn. 80, wonach das etwaige Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft unbeschadet des Rechts der betroffenen Person eintritt, um die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus zu ersuchen).

15 Wenn die Revision vorbringt, das BVwG hätte prüfen müssen, ob der Herkunftsstaat Schutz vor eben jener Verfolgung gewährleiste, wegen derer ursprünglich Asyl gewährt worden sei, übersieht sie, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die erfolgreiche Beantragung der Ausstellung oder Verlängerung eines Reisepasses des Herkunftsstaates auch dann zur Beendigung der Flüchtlingseigenschaft führen kann, wenn im Herkunftsstaat selbst weiterhin die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung besteht und eine Rückkehr dorthin nicht beabsichtigt ist (vgl. VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0046, Rn. 17, unter Verweis auf VwGH 15.5.2013, 2001/01/0499).

16 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 28. November 2019

Gerichtsentscheidung

EuGH 62008CJ0175 Salahadin Abdulla VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019190422.L00

Im RIS seit

31.01.2020

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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