TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/17 95/18/1336

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Veröffentlicht am 17.09.1998
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

B-VG Art144 Abs3;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
MRK Art3;
VwGG §48 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des IA, vertreten durch Dr Gabriel Liedermann, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Gudrunstraße 143, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 31. Mai 1995, Zl. SD 689/95, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

     Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von

S 4.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

     Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 31. Mai 1995 wurde aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers, eines kroatischen Staatsangehörigen, gemäß § 54 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß er in Kroatien und Slowenien gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Der Beschwerdeführer sei kroatischer Staatsangehöriger, er lebe seit dem Jahr 1990 in Österreich, habe aber nach wie vor in Kroatien ein Haus, wohin er regelmäßig zurückkehre. Im Zuge des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes habe er am 28. April 1995 zu Protokoll gegeben, daß er in Kroatien weder strafrechtliche noch politische Verfolgung zu befürchten hätte. Wenige Tage später habe er im Wege seines Vertreters den gegenständlichen Feststellungsantrag gestellt und diesen damit begründet, daß er Angehöriger der bosnischen Volksgruppe wäre - ohne allerdings zu präzisieren, ob er kroatischer, serbischer oder moslemischer Abstammung wäre - und daß er Gefahr liefe, unmittelbar nach Betreten Kroatiens zum kroatischen Militär einberufen und Kriegshandlungen in Westslawonien zugeführt zu werden, somit zu einer Armee, mit der er nichts zu tun hätte und die auch gegen Bosnien Krieg geführt hätte und führte. Die ihn zu erwartende Strafe oder Behandlung wäre unmenschlich, er würde aus der Armee desertieren und seine Freiheit wäre dann aus Gründen seiner bosnischen Herkunft oder seiner gegen den Krieg gerichteten Ansichten bedroht.

Die Einberufung zum Militärdienst sei aber grundsätzlich nicht als Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG anzusehen. Eine wegen der Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes bzw. wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung könne grundsätzlich nicht als solche Bedrohung angesehen werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zum Asylgesetz) gelte dies auch in Fällen, in denen in den betroffenen Heimatstaaten Bürgerkrieg, oder bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen stattfänden. Danach könnte die Flucht wegen Einberufung zum Militärdienst nur dann relevant sein, wenn die Einberufung aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen wäre. Die gegenwärtige Situation in Kroatien sei jedenfalls kein Grund, generell eine Bedrohung im Sinn des § 37 FrG anzunehmen.

Im vorliegenden Fall sei der Beschwerdeführer zugegebenermaßen regelmäßig in seiner Heimat gewesen, ohne Angst vor seiner Einberufung gehabt zu haben; es bestünde kein Anhaltspunkt dafür, daß er bisher zum Militärdienst einberufen worden wäre. Es bestünde weiters auch kein Anhaltspunkt dafür, daß eine allfällige Einberufung, abweichend von der für jeden Kroaten bestehenden Militärdienstpflicht, aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründen erfolgt wäre, d.h., daß ein Zusammenhang gerade zwischen seiner Einberufung zum Militärdienst und seiner politischen Gesinnung oder mit seiner Zugehörigkeit zu einer von den Kroaten unterdrückten Nationalität erkennbar wäre. Es habe sich jedenfalls nicht ergeben, daß Angehörige der vom Beschwerdeführer bezeichneten bosnischen Volksgruppe im Vergleich zu anderen in erheblicher (die Intensität einer Verfolgung erreichender) Weise im Zusammenhang mit einer Einberufung zum Militärdienst benachteiligt würden. Dies ist vom Beschwerdeführer übrigens auch nicht behauptet worden. Er habe vielmehr zuletzt darauf hingewiesen, daß es den kroatischen Stellen nicht darauf ankommen dürfte, gerade ihn "in den Krieg zu schicken", daß sie aber die mit dem Kriegsdienst für ihn eintretenden Folgen in Kauf nehmen würden. Damit habe sich keine aktuelle Bedrohung des Beschwerdeführers im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG, weiters aber auch nicht ergeben, daß dem Beschwerdeführer die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG drohe. Aus diesen Gründen sei auch "den Beweisanträgen nicht zu folgen" gewesen. Dem Beschwerdeführer sei es jedenfalls nicht gelungen, stichhaltige Gründe für eine Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluß vom 25. September 1995, B 2116/95, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren machte der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragte, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

3. Die belangte Behörde teilte mit, daß sie die Verwaltungsakten bereits zur Beschwerdesache Zl. 95/18/1379 vorgelegt habe und erstattete eine Gegenschrift, in der sie Abweisung der Beschwerde beantragte.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22. Jänner 1998, Zl. 96/18/0188).

2.1. Der Beschwerdeführer wendet gegen den angefochtenen Bescheid ein, er habe zwar zwischen 1984 und 1989 mit seiner Familie in Kroatien gelebt, aber - sehe man von seinem kroatischen Reisepaß ab - keinerlei Bindungen zu diesem Staat. Weiters habe er schon im Verwaltungsverfahren vorgebracht, daß er im Fall seiner Abschiebung nach Kroatien in akuter Gefahr stehe, in die kroatische Armee eingezogen und den Kriegshandlungen in Westslawonien zugeführt zu werden. Er wäre dann genötigt, in einem grausamen und sinnlosen Krieg gegen Bosnier, deren Ethnie er angehöre, oder Serben zu kämpfen und dabei sein Leben zu riskieren. Da er - wie erwähnt - keine Bindungen zu Kroatien aufweise, stelle bereits die Zuführung des Beschwerdeführers zu den besagten Kampfhandlungen eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG dar. Dazu käme noch, daß der Beschwerdeführer bei der ersten sich bietenden Gelegenheit aus der kroatischen Armee desertieren würde; die ihm diesbezüglich drohende Bestrafung wäre als Bedrohung sowohl im Sinn des § 37 Abs. 1 als auch des § 37 Abs. 2 FrG anzusehen; letzteres deswegen, weil seine Freiheit aus Gründen seiner bosnischen Herkunft und seiner politischen Ansicht bedroht sei, daß seine Teilnahme an Kampfhandlungen im Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens (insbesondere auf Seiten Kroatiens) eine Beteiligung an einer verbrecherischen, gegen die Prinzipien des Völkerrechts und der Humanität verstoßenden Handlung darstellen würde. Schließlich wäre die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Slowenien einer direkten Abschiebung nach Kroatien gleichzuhalten, da ihn die slowenischen Behörden "ohne jedes Zuwarten" nach Kroatien "weiterschieben" würden.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Bei dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er würde nach der Rückkehr in sein Heimatland zum Militärdienst eingezogen und in dem besagten Gebiet zum Einsatz kommen, handelt es sich um eine bloße Vermutung, hat doch der Beschwerdeführer nach den in der Beschwerde nicht bestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid seine Behauptung, nach seiner Rückkehr zum Wehrdienst einberufen zu werden, nicht durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert. Selbst wenn sich aber diese Vermutung als richtig erweise, wäre damit für die Beschwerde nichts gewonnen. Wie die belangte Behörde zutreffend festgehalten hat, kann aus einer vom Beschwerdeführer befürchteten Einberufung zum Wehrdienst eine Bedrohung bzw. Gefährdung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG nicht abgeleitet werden, hat doch der Beschwerdeführer weder dargetan, daß eine solche Einberufung aus einem der in der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genannten Gründe erfolgen würde, noch eine ihm dort aktuell drohende Verfolgung durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert.

Soweit der Beschwerdeführer meint, er habe in seiner Heimat wegen der von ihm beabsichtigten Desertion mit einer Freiheitsstrafe zu rechnen, ist dem entgegenzuhalten, daß die befürchtete Verhängung einer Freiheitsstrafe (als solche) wegen Desertion weder eine Bedrohung der Freiheit aus den im § 37 Abs. 2 FrG genannten Gründen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. September 1997, Zl. 97/18/0354, 0355, 0356, mwH) noch eine unmenschliche Behandlung oder Strafe (oder Todesstrafe) im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG darstellt, zumal der Beschwerdeführer weder - wie erwähnt - seine Einberufung zum Wehrdienst, was seine Desertion als bloß hypothetisch erscheinen läßt, noch seine Behauptung, die ihn beim Militär erwartende Behandlung wäre unmenschlich, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert und weiters auch nicht dargetan hat, daß ihm im Fall einer Desertion aus den in der besagten Konvention genannten Gründen eine schwerere Bestrafung als anderen Staatsangehörigen drohen würde.

2.3. Vor diesem Hintergrund ist auch die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe den Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt, maßgebliche Feststellungen unterlassen und den Bescheid nicht ausreichend begründet, nicht zielführend.

Schließlich ist der im Rahmen der Verfahrensrüge behaupteten Verletzung des Art. 3 EMRK entgegenzuhalten, daß die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in dem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, nicht genügt, um die Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des Art. 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG unzulässig erscheinen lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der betreffende Fremde den nach Art. 3 EMRK verpönten Übergriffen ausgesetzt wäre (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 17. Juli 1997, Zl.97/18/0336, mwH).

3. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vom Verfassungsgerichtshof mit der Abtretung der hg. dann zur Zl. 95/18/1379 protokollierten Beschwerde (betreffend ein gegen den Beschwerdeführer erlassenes Aufenthaltsverbot) - auf diese Akten bezieht sich die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift - übermittelt wurden (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Wien 1987, 689, zu § 48 Abs. 2 Z. 1 VwGG zitierte hg. Rechtsprechung).

Wien, am 17. September 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995181336.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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