TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/4 97/18/0354

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Veröffentlicht am 04.09.1997
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §55 Abs1;
MRK Art8 Abs2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/18/0355 97/18/0356

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des Shefqet Haskaj in Wien, geboren am 16. November 1971, vertreten durch Dr. Herbert Eisserer, Rechtsanwalt in Wien XVIII, Jörgerstraße 14, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien je vom 10. Februar 1997, jeweilige Zl. SD 38/97, betreffend Ausweisung, Ausstellung eines Fremdenpasses und Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 10. Februar 1997, wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 1. März 1992 unter Verwendung eines falschen Reisepasses nach Österreich eingereist und habe am 3. März 1992 einen Asylantrag gestellt, welcher mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für Wien vom 23. Juli 1992, rechtskräftig seit 13. August 1992, abgewiesen worden sei. Der Antrag des Beschwerdeführers vom 22. Oktober 1993 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei durch den im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Jänner 1995 rechtskräftig abgewiesen worden. Einer dagegen eingebrachten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof sei die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt worden. Der Beschwerdeführer sei nur bis zum rechtskräftigen Abschluß des Asylverfahrens gemäß § 7 Asylgesetz 1991 zum vorläufigen Aufenthalt berechtigt gewesen.

Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer mit seinem Bruder im gemeinsamen Haushalt lebe, sei mit der Ausweisung ein Eingriff in das Privat- und Familienleben verbunden. Die Maßnahme sei jedoch zum Schutz der öffentlichen Ordnung, im besonderen auf dem Gebiet des Fremdenwesens, dringend geboten, da den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zukomme. Der mehrjährige unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers stelle eine Beeinträchtigung der maßgeblichen öffentlichen Interessen von solchem Gewicht dar, daß die Ausweisung im Sinne des § 19 FrG zulässig sei.

1.2. Mit mit dem weiteren im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 10. Februar 1997 hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 27. Oktober 1995 auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 55 Abs. 1 FrG abgewiesen.

Der Beschwerdeführer habe seinen vermeintlichen Anspruch auf Ausstellung eines Fremdenpasses darauf gestützt, daß er während des Asylverfahrens über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung verfügt hätte und sich die Asylbehörden mit den Gründen seines Asylantrages nicht auseinandergesetzt hätten. Er könnte von seinem Heimatstaat nur ein Heimreisezertifikat erhalten, dies käme einer politischen Verfolgung gleich.

Die Verweigerung eines Reisedokuments durch den Heimatstaat stelle jedoch für sich allein keinen Grund für die Ausstellung eines Fremdenpasses dar, weil der Beschwerdeführer weder staatenlos noch ungeklärter Staatsbürgerschaft noch zum unbefristeten Aufenthalt berechtigt sei und auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltsberechtigung nicht erfülle. Aus den Motiven für den seinerzeitigen Asylantrag bzw. aus der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung während des Asylverfahrens lasse sich ein Recht auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltsberechtigung ebensowenig ableiten, wie aus dem derzeitigen tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet.

1.3. Schließlich hat die belangte Behörde mit dem weiteren im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 10. Februar 1997 aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers gemäß § 54 FrG festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in der Jugoslawischen Föderation gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

2. Gegen diese Bescheide richtet sie die vorliegende, der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, sie aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zu den Beschwerdeausführungen gegen den Ausweisungsbescheid:

1.1. In der Beschwerde bleibt die Ansicht der belangten Behörde, daß sich der Beschwerdeführer (seit 14. August 1992) nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, unbekämpft. Auf dem Boden der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen hegt der Gerichtshof gegen diese Beurteilung keine Bedenken.

1.2. Gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung nach § 19 FrG bringt der Beschwerdeführer vor, er gehe in Österreich einer erlaubten Beschäftigung nach, verdiene seinen eigenen Unterhalt und falle niemandem zur Last. Er habe sich "mit unerhörter Anstrengung" bemüht, von den jeweils zuständigen Behörden auch die formelle Erlaubnis zum weiteren Aufenthalt in Österreich zu erhalten, nachdem sein Asylantrag abgewiesen worden sei. Er habe "die Hoffnung nicht aufgegeben", daß ihm aufgrund der im Aufenthaltsbewilligungsverfahren erhobenen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde "endlich Recht gegeben" werde.

1.3. Dem ist zu entgegnen, daß die belangte Behörde im Hinblick auf den gemeinsamen Haushalt des Beschwerdeführers mit seinem Bruder im Inland ohnehin einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben im Sinne des § 19 FrG angenommen hat. Weder durch das (erfolglose) Bemühen um die Legalisierung des Aufenthaltes noch durch die Behauptung, daß der Beschwerdeführer in Österreich niemandem "zur Last fällt", werden die privaten Interessen verstärkt. Wenn die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangte, daß die Ausweisung im Hinblick auf Art. 8 Abs. 2 MRK dringend geboten und damit im Grunde des § 19 FrG zulässig sei, so haftet dieser Beurteilung selbst dann keine Rechtswidrigkeit an, wenn man zusätzlich zugunsten des Beschwerdeführers berücksichtigt, daß dieser einer legalen Beschäftigung nachgeht. Denn der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch die Normadressaten kommt aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein hoher Stellenwert zu; dieses maßgebliche öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens wurde durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers, dessen Aufenthalt bisher, wenn überhaupt, nur aufgrund eines unberechtigten Asylantrages für etwa ein halbes Jahr legal war, gravierend beeinträchtigt. Dies vor allem durch den unrechtmäßigen Aufenthalt in der Dauer von bereits etwa viereinhalb Jahren und den Verbleib im Bundesgebiet ungeachtet der rechtskräftigen Abweisung seines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung - daß der diesbezüglichen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde keine aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten.

1.4. Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführer daher zu Recht ausgewiesen.

2. Zu den Beschwerdeausführungen gegen die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Fremdenpasses:

2.1. Der Beschwerdeführer bringt dazu vor, sein Heimatstaat stelle ihm keinen Paß aus, solange er sich in Österreich befinde. Über einen entsprechenden Antrag sei er aufgefordert worden, nach Hause zu reisen, um die Paßangelegenheit dort zu regeln. Eine Rückreise komme für ihn jedoch nicht in Frage, weil er in seinem Heimatland verfolgt werde.

2.2. § 55 Abs. 1 FrG hat folgenden Wortlaut:

"Fremdenpässe können, sofern dies im Hinblick auf die Person des betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist, auf Antrag ausgestellt werden für

1.

Staatenlose oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen;

2.

ausländische Staatsangehörige, die zum unbefristeten Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt und nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen;

3.

ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen und bei denen im übrigen die Voraussetzungen für die Erteilung eines unbefristeten Sichtvermerkes gegeben sind;

4.

ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich das für die Auswanderung aus dem Bundesgebiet erforderliche Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen;

5.

ausländische Staatsangehörige, die seit mindestens vier Jahren ununterbrochen ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet haben, sofern der zuständige Bundesminister oder die Landesregierung bestätigt, daß die Ausstellung des Fremdenpasses wegen der vom Fremden erbrachten oder zu erwartenden Leistungen im Interesse des Bundes oder des Landes liegt."

Nach den insofern unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde erfüllt der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für keine dieser Alternativen. Er ist nicht staatenlos (Z. 1) oder zum unbefristeten Aufenthalt berechtigt (Z. 2); er erfüllt - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines unbefristeten Sichtvermerks (Z. 3) und bringt nicht vor, den Paß für die Auswanderung aus dem Bundesgebiet zu benötigen (Z. 4); auch eine Bestätigung nach § 55 Abs. 1 Z. 5 FrG liegt nicht vor.

Es braucht daher auf die in der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob der Beschwerdeführer das für die Z. 2 bis 4 des § 55 Abs. 1 FrG kumulativ zu erfüllende weitere Tatbestandselement, nicht in der Lage zu sein, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates zu beschaffen, erfüllt, nicht eingegangen zu werden.

2.3. Der Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses wurde von der belangten Behörde daher zu Recht abgewiesen.

3. Zu den Beschwerdeausführungen zur Abweisung des Antrages auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung:

3.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Falle der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 6. Mai 1997, Zl. 97/18/0180, mwN).

3.2. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, es müsse der Behörde bekannt sein, daß ein politischer Flüchtling aus dem Kosovo im Fall der Rückkehr in seine Heimat insbesondere aufgrund seiner Nationalität mit "strengster und lebensbedrohender behördlicher Behandlung" zu rechnen habe, ist ihm zu entgegnen, daß der bloße Hinweis auf die Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe im Kosovo nicht ausreicht, eine den Beschwerdeführer individuell betreffende, aktuelle Verfolgungssituation darzutun.

3.3. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, sich im Verwaltungsverfahren nur darauf gestützt zu haben, daß er Einberufungsbefehlen zur jugoslawischen Armee nicht Folge geleistet habe und deshalb nach ihm gefahndet worden sei. Der belangten Behörde ist zuzustimmen, daß die Strafverfolgung wegen Wehrdienstverweigerung keine Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 2 FrG darstellt (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 6. Mai 1997). Daran änderte auch der in der Beschwerde vorgebrachte Umstand nichts, daß im Zuge der Fahndung nach dem Beschwerdeführer dessen Vater festgenommen worden sei, um nach dem Aufenthalt des Beschwerdeführers befragt zu werden.

3.4. Insoweit der Beschwerdeführer vorbringt, er sei in einem Verfahren, dem er nicht zugezogen worden sei, wegen "Vereinigung von feindlichen Tätigkeiten gegen die Staatsordnung der Republik Jugoslawien und Serbien" zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt worden, gesteht er selbst zu, daß ihm dieser Umstand aufgrund einer der Beschwerde angeschlossenen Urkunde - welche am 31. Mai 1991 ausgestellt wurde und u.a. zum Inhalt hat, daß nach dem Beschwerdeführer seit 1996 und bis auf weiteres gefahndet werde - erst "vor kurzem" bzw. "nunmehr" bekannt geworden sei. Bei diesem Vorbringen handelt es sich somit um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).

3.5. Der Feststellung der belangten Behörde, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefährdung und/oder Bedrohung des Beschwerdeführers in der Jugoslawischen Föderation im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG, haftet daher keine Rechtswidrigkeit an.

4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997180354.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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