TE Lvwg Erkenntnis 2019/10/14 LVwG-S-993/001-2019

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Veröffentlicht am 14.10.2019
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Entscheidungsdatum

14.10.2019

Norm

ASchG 1994 §130 Abs1 Z17
StGB §181
MRKZP 07te Art4 Abs1
StPO 1975 §190 Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Leisser als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn A, vertreten durch B Rechtsanwälte GmbH in ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom 11.03.2019, Zl. *** betreffend Strafverhängung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), zu Recht:

1.       Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) eingestellt.

2.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.


Entscheidungsgründe:

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer nachstehend angelastet:

Sie haben folgende Verwaltungsübertretungen begangen:

Zeit:

21. 6. 2017

Ort:

C GesmbH,

***, ***

Zweigniederlassung D

***, ***

Tatbeschreibung:

1.   Sie haben es als das gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ in Ihrer Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer der C GesmbH, somit als Arbeitgeber zu verantworten, dass Asbestzementplatten vom Dach des auf oben angeführter Liegenschaft befindlichen Kirche insoweit weder möglichst zerstörungsfrei, noch im Ganzen demontiert wurden, als die Demontage der Asbestzementplatten durch Abschlagen mittels Hammer und durch Herunterrutschen lassen der abgeschlagenen Asbestzementplatten erfolgte , worauf diese zerbrachen.
Sie haben daher gegen § 26 Abs. 2 der Grenzwerteverordnung – GKV 2011 insofern verstoßen, wonach bei Arbeiten nach § 21 GKV (=bei denen Arbeitnehmer/innen Asbeststaub oder Staub von asbesthaltigen Materialien ausgesetzt sind oder sein können) Arbeitsverfahren so zu gestalten sind, dass kein Asbeststaub entsteht, es müssen daher Bauteile aus Asbestzement möglichst zerstörungsfrei im Ganzen demontiert werden.

2.   Sie haben es als das gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ in Ihrer Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer der C GesmbH, somit als Arbeitgeber zu verantworten, dass im Zuge der durchgeführten Abbrucharbeiten Asbestzementdachplattenbruchstücke um das Gebäude herum am Boden unverpackt bzw. frei herumlagen und in einer offene Mulde im Kirchengarten lagerten.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

zu 1.   § 26 Abs. 2 Grenzwerteverordnung - GKV iVm. § 130 Abs. 1 Z. 17 ASchG

zu 2.    § 26 Abs. 1 Z. 2 Grenzwerteverordnung - GKV iVm. § 130 Abs. 1 Z. 17 ASchG

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:

Geldstrafen von

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafen von

Gemäß

zu  1.500,00

36 Stunden

§ 130 Abs. 1 Z. 17 ASchG

zu  1.500,00

36 Stunden

§ 130 Abs. 1 Z. 17 ASchG

 

 

 

Vorgeschriebener Kostenbeitrag gemäß § 64 Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), das sind 10% der Strafe, mindestens jedoch 10 Euro

                 300,00

                                                           Gesamtbetrag:

                 3.300,00

Begründet wurde diese Entscheidung nach Hinweis auf die vom Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten gelegte Anzeige und teilweiser Darstellung des Verwaltungsgeschehens damit, es sei zwar zutreffend, dass aufgrund des auch diesem Verfahren zugrunde liegenden Sachverhaltes ebenfalls bei der Staatsanwaltschaft *** ein Verfahren anhängig gewesen sei, welches in der Folge gemäß § 190 Z 1 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt worden wäre, weil die dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegende Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht sei oder sonst die weitere Verfolgung aus rechtlichen Gründen unzulässig wäre, jedoch erfasse dieses Verfahren nicht die hier angelasteten Übertretungen der Grenzwerteverordnung (GKV), weshalb die gegenständliche Bestrafung auch keinen Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot darstelle, dem Strafantrag des Arbeitsinspektorates zu folgen und die gegenständlichen Strafen zu verhängen gewesen.

Mit der durch seine ausgewiesene Vertretung erhobenen Beschwerde wird das bezeichnete Straferkenntnis seinem gesamten Inhalt nach aufgrund inhaltlicher Rechtswidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten.

Nach Ausführungen zum Sachverhalt wird in rechtlicher Hinsichtlich geltend gemacht, dass sowohl dem Verfahren vor dem Gericht als auch dem vor der belangten Behörde ein identer Lebenssachverhalt zugrunde liege und habe das Verfahren vor der Staatsanwaltschaft nicht wie das Arbeitsinspektorat vermeine, bloß umweltrechtliche Aspekte behandelt, sondern auch die Frage, ob durch die Demontage der Asbestplatten Personen konkret an ihrer Gesundheit verletzt worden sein könnten. Gegenstand des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sei deshalb einerseits die für die Prüfung der Fahrlässigkeit erforderliche Untersuchung der Einhaltung der einschlägigen Arbeitnehmerschutzvorschriften und andererseits die Prüfung gewesen, ob es durch die Missachtung dieser Vorschriften zu einer Gesundheitsgefährdung gekommen sei. Das Strafverfahren habe sich auf die Bestimmungen der §§ 180 und 181 StGB bezogen, welcher Straftatbestand den fahrlässigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften erfasse, welche darauf abzielen, die Umwelt zu schützen, wodurch es unter anderem zu einer Gefahr für das Leben oder einer schweren Körperverletzung oder einer sonstigen für die Gesundheit oder körperliche Sicherheit einer größeren Zahl von Menschen kommen könne. Schon die Gefährdung einer einzelnen Person sei tatbildlich. Ebenso ziele der von der belangten Behörde angewandte § 130 Abs. 1 Z 17 ASchG i.V.m. § 26 Abs. 1 Z 2 bzw. Abs. 2 GKV darauf ab, sowohl die Umwelt als auch Einzelpersonen vor schädlichen Immissionen zu schützen. In ihrem materiellen Gehalt seien die Bestimmungen des StGB und jene der GKV sohin völlig ident. Im Sinne der bestehenden Judikatur sowohl des VfGH und des VwGH liege deshalb eine materielle Identität vor, sodass eine neuerliche Verfolgung des Beschwerdeführers sich auch nicht durch die vom Arbeitsinspektorat vertretene Meinung, dass hier eine andere Gesetzesmaterie zur Anwendung komme, rechtfertigen lasse. Vielmehr sei, nachdem die Staatsanwaltschaft zum Ergebnis gekommen sei, dass kein fahrlässiges Verhalten des Beschuldigten und in diesem Verfahren Beschwerdeführers vorliege, der Strafanklage Anspruch verbraucht (res judicata), sodass das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Verbot der Doppelbestrafung verstoße. Ebenso sei das von der belangten Behörde durchgeführte Verfahren bereits im Bereich der Willkür zu sehen, zumal diese es unterlassen habe, ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit und einer entsprechenden Begründung der Entscheidung nachzukommen. Bei Einhaltung der Verwaltungsvorschriften wäre die belangte Behörde nämlich zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beschwerdeführer kein strafbares Verhalten gesetzt habe. Bei Durchführung eines ordentlichen Verfahrens hätte die Behörde zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass das vorliegende Verwaltungsstrafverfahren denselben Lebenssachverhalt und Schutzgegenstand wie das von der Staatsanwaltschaft eingestellte gerichtliche Strafverfahren habe und hätte sie deshalb aufgrund des Doppelbestrafungsverbotes das Verfahren einstellen müssen.

Die weiteren Ausführungen in der Beschwerde betreffen das mangelnde Verschulden des Beschwerdeführers, welches ebenfalls keine Strafbarkeit zulasse, die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung, sowie sich das Rechtsmittel auch gegen die Höhe der im Straferkenntnis verhängten Strafen richtet. Aus welchen Gründen die ersatzlose Behebung der angefochtenen Entscheidung, bzw. der Ausspruch einer Ermahnung oder zumindest eine entsprechende Herabsetzung der verhängten Strafen beantragt wird.

Nach Übermittlung der Beschwerde an das Arbeitsinspektorat gab dieses eine Stellungnahme dahingehend ab, es sei faktisch unbestritten, dass das mit Asbestzement gedeckte Dach der Kirche – sohin die dem gegenständlichen Fall zugrunde liegende Baustelle – nicht ordnungsgemäß demontiert worden sei, vielmehr sei die Demontage durch Abschlagen mittels Hammer und durch das Herunterrutschen der abgeschlagenen Asbestzementplatten erfolgt. Es habe sohin sowohl beim Zerschlagen (optisch) als auch beim Aufprall nach dem Herunterrutschen akustisch ein Brechen der Asbestzementplatten erfolgen können, sowie die demontierten und heruntergeschlagenen Platten in einer offenen Mulde gelagert worden wären. Die Mulde sei nicht abgedeckt gewesen, sowie auch weitere Platten und Bruchstücke von zerbrochenen Asbestzementplatten herumgelegen seien. Zum Lösen der Asbestzementplatten sei aber ein Arbeitsverfahren zu wählen, welches beim Demontieren entsprechende Zerstörungsfreiheit gewährleiste. Nägel seien mittels einer scharf geschliffenen Zange oder einem gleichwertigen Gerät zu ziehen und hätten die Platten, wenn eine derartige Lösung nicht möglich gewesen wäre, einzeln herausgehebelt werden müssen. Asbestzementplatten dürfen jedenfalls nicht zerschlagen bzw. zerbrochen werden. Beim Entfernen der Befestigungsmittel müssten die Platten gegen Abrutschen gesichert werden. Durch die im vorliegende Fall festgestellte unsachgemäße Arbeitsweise auf der Baustelle seien jedenfalls an den Bruchstellen der Asbestzementplatten Asbestfasern freigesetzt worden. Diese seien in der Liste der krebserzeugenden Arbeitsstoffe als eindeutig krebserregend ausgewiesen, aus welchem Grunde eine sichere Arbeitsdurchführung mit diesem Gefahrenstoff besonders wichtig sei und geltende Vorschriften besonders strikt eingehalten werden müssten.

Auch stehe das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren nach Ansicht des Arbeitsinspektorates dem Doppelbestrafungsverbot nicht entgegen. Die Einstellung des Gerichtsverfahrens sei erfolgt, weil das Ermittlungsverfahren zu dem Ergebnis geführt hätte, das das angezeigte Delikt nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht sei. Unter Hinweis auf die bereits im Verfahren vor der belangten Behörde abgegebenen Stellungnahmen erscheine jedenfalls wie bereits im Strafantrag ausgeführt, die Verhängung der neunfachen Mindeststrafe gegenüber dem Beschwerdeführer als gerechtfertigt, zumal dieser nicht glaubhaft machen habe können, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft, weshalb beantragt werde, die erhobene Beschwerde abzuweisen und das Straferkenntnis der belangten Behörde zu bestätigen.

Auf Basis der vorgelegten Verwaltungsstrafakte, der beigeschafften Akte der Staatsanwaltschaft *** zur Zahl ***, sowie der Akte des Landesgerichtes *** *** geht das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der C GesmbH in *** mit der Zweigniederlassung D ***.

Die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten – laut Verantwortung des Beschwerdeführers, Herr E, Betriebsleiter der D GmbH war zum Zeitpunkt der Deliktsanlastung dem Arbeitsinspektorat gemäß § 23 Arbeitsinspektionsgesetz nicht gemeldet.

Gegen den Beschwerdeführer und auch weitere Personen wurde aufgrund eines Berichtes der Landespolizeidirektion Niederösterreich, LKA EB 7 Umweltkriminalität durch die Staatsanwaltschaft *** ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, dies aufgrund der unsachgemäßen Demontage von Asbestfaserzementplatten auf der Baustelle der Pfarrkirche *** und der sich daraus ergebenden eventuellen Deliktssetzung nach § 181 StGB, welches gegen den nunmehrigen Beschwerdeführer mit Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft *** vom 22. Dezember 2017 mangels eines fahrlässigen Verhalten des Beschuldigten und nunmehrigen Beschwerdeführers gemäß § 190 Z 1 StPO eingestellt wurde.

Die Verfahren gegen Mitbeschuldigte blieben von dieser Einstellung unberührt und wurde im folgendem Verfahren vor dem Landesgericht *** ein für die Baustelle verantwortlicher selbständiger Bautechniker, welcher die Baustellenkoordination inne hatte, ebenfalls von den Tatvorwürfen freigesprochen, während der vom Beschwerdeführer genannte E zwar nicht im Sinne des Verwaltungsstrafgesetzes und des Arbeitsinspektionsgesetzes als verantwortlicher Beauftragter für die Baustelle bestellt, aufgrund seiner Eigenschaft als Betriebsleiter der Zweitniederlassung wegen des Vergehens der fahrlässigen Beeinträchtigung der Umwelt nach § 181 Abs. 1 i.V.m. § 180 Abs. 1 Z 1, 3 und 4 und Abs. 2 erster Satz, letzter Fall StGB dahingehend schuldig erkannt wurde, im Juni 2017 auf der Baustelle in *** entgegen der bestehenden Rechtsvorschrift die Luft so verunreinigt zu haben, dass dadurch eine Gefahr für das Leben oder einer schweren Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) oder sonst für die Gesundheit einer größeren Zahl von Menschen und eine lange Zeit andauernde Verschlechterung des Zustandes der Luft entstehen kann und durch die Tat ein Beseitigungsaufwand oder sonst ein Schaden an einer fremden Sache, der € 50.000,-- übersteigt, herbeigeführt wurde, weil die auf der Baustelle der denkmalgeschützten Pfarrkirche *** eingesetzten, nicht ausreichend unterwiesenen Arbeiter Asbestfaserhaltige Dachplatten ohne persönliche Schutzausrüstung und in einer Art und Weise, dass es zu unzähligen Plattenbrüchen kam, demontierten, sodass es zu einer Freisetzung von Asbeststaub an den Bruchkanten der Asbestfaserzementplatten und einer Kontamination der Liegenschaft, insbesondere des Dachbodenbereichs der Kirche mit Asbest kam, 11 Arbeitnehmer einer inhalierbaren Asbestfaserkonzentration von 2.000.000 Fasern pro Kubikmeter und eine unbekannte Anzahl an Personen, die sich in der unmittelbaren Umgebung zu der Baustelle aufgehalten haben, einer inhalierbaren Asbestfaserkonzentration von über 500 Fasern pro Kubikmeter ausgesetzt waren, und zwar als Bauleiter der Firma D GmbH fahrlässig dadurch, dass er entgegen dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz sowie der Verordnung betreffend die persönliche Schutzausrüstung, die auf der Baustelle eingesetzten Arbeitnehmer vor Beginn der Arbeiten (Abdeckung des mit Asbestzementplatten gedeckten Kirchendaches) hinsichtlich der gesundheitlichen Gefahren und der sachgemäßen Demontage der Asbestzementplatten nicht unterwies, das Tragen von persönlicher Schutzausrüstung nicht anordnete und keine ausreichende Schutzausrüstung zur Verfügung stellte. Der Genannte habe dadurch das Vergehen der fahrlässigen Beeinträchtigung der Umwelt nach den eingangs zitierten Bestimmungen gesetzt, weshalb er nach dem ersten Strafsatz des § 181 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 Monaten und zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt wurde, wobei der Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Der dem Gerichtsverfahren zugrunde liegende Sachverhalt enthält sowohl Feststellungen dahingehend, als die vom Dach der Kirche nicht sachgemäß und durch die Arbeiter ohne geeignete Schutzausrüstung entfernten Asbestfaserplatten auch nach ihrer Entfernung vom Dach von dort heruntergelassen wurden, sodass sie auf dem Boden teilweise wiederum zerbrachen, sowie sie dort ebenfalls als Bruchstücke herumlagen, dadurch eine Verschlechterung des Zustandes der Luft herbeiführten, wodurch eine Gefahr für das Leben oder einer schweren Körperverletzung oder körperlichen Sicherheit einer größeren Anzahl von Menschen entstand. Ebenso enthält der Sachverhalt Feststellungen darüber, dass die näher genannten Arbeitnehmer der Firma D, welche mit dem Entfernen der alten Dachplatten beschäftigt waren, von E nicht angewiesen worden waren, wie derartige Asbestplatten zu entfernen seien und auch nicht über die Gefahren bei der Arbeit mit asbesthaltigen Dachplatten aufgeklärt worden wären, sowie auch die Schutzmasken und Einwegschutzanzüge, welche nicht ausreichend für alle Arbeitnehmer vorhanden waren, von keinem der Arbeiter getragen wurden, sowie die Arbeiter ebenfalls nicht über das Tragen derselben aufgeklärt worden wären. Ebenso wenig war eine Aufklärung der Arbeiter dahingehend erfolgt, dass die Dachplatten bruchfrei zu demontieren seien, vielmehr seien diese teilweise herausgehebelt und zerschlagen worden, sodass sie zerbrachen. Auch hätte man die Platten teilweise von der Dachoberfläche runterrutschen lassen, bis sie im Schneerechen landeten, wobei sie dort von einem Arbeiter in einem offenen Kübel gelegt und zu Boden gelassen worden seien, sowie die zerbrochenen Platten dann in einem gegenüber der Kirche stehenden, nicht abgedeckten Container geleert und zunächst dort belassen worden seien, wobei dieser Container über keine Möglichkeit zur Abdeckung verfügt hätte. Darüberhinaus seien noch Bruchstücke der asbestfaserhältigen Dachplatten rund um die Kirche herum zum Liegen gekommen, als auch auf dem Schutzweg zwischen der Kirche und der Schule, sowie auch auf mehreren demontierten und zerbrochenen Dachplatten noch unversehrte, verbogene oder abgezwickte Nägel zu sehen gewesen seien.

Daraus leitet sich zunächst ab, dass dieser der Staatsanwaltschaft angezeigte Sachverhalt bei zumindest einem der Mitbeschuldigten zu einer gerichtlichen Verurteilung führte, während etwa gegen den Beschwerdeführer bereits eine Einstellung der Staatsanwaltschaft gemäß § 190 Z 1 StPO erfolgte und ein weiterer Mitbeschuldigter mit Urteil freigesprochen wurde. Dem Strafverfahren gegen sämtliche der Beschuldigte lag unter anderem der oben wiedergegebene Sachverhalt zugrunde. Die Einstellung gegen den Beschwerdeführer erging deshalb, weil dieser laut Staatsanwaltschaft nicht fahrlässig gehandelt hat.

Art. 4 Abs. 1 7. ZP MRK besagt, dass niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen welcher er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden darf. In diesem Sinne ist zunächst zu prüfen, ob die strafgerichtlich verfolgte Handlung einerseits und die verwaltungsstrafrechtliche Übertretungshandlung andererseits dieselbe strafbare Handlung im Sinn des Art. 4 Abs. 1 7. ZP MRK betreffen (VwGH 15.04.2016, Ra 2015/02/0226, bzw. 10.01.2017 Ra 2016/02/0230).

Art. 4 Abs. 1 7. ZP MRK verbietet sohin die Wiederholung eines Strafverfahrens, welches mit einer endgültigen Entscheidung beendet worden ist (Sperrwirkung). Als endgültig ist die Entscheidung, unabhängig ob Freispruch oder Verurteilung dann anzusehen, wenn sie die Wirkung einer res judicata erlangt hat. Dies ist der Fall, wenn sie unwiderruflich ist, also keine ordentlichen Rechtsmittel mehr zulässig sind, alle Rechtsmittel ergriffen wurden oder Rechtsmittelfristen ergebnislos verstrichen sind.

Im Falle einer Einstellung nach § 190 StPO ist allerdings zu prüfen, ob sie (formell und materiell) rechtskräftig im Sinne von unwiderruflich geworden ist, sohin keine formlose Fortführungsmöglichkeit mehr besteht und daher ein Anklageverbrauch stattgefunden hat. Ebenso ist im Hinblick auf den Umfang einer Sperrwirkung zu prüfen, auf welcher inhaltlichen Basis und aufgrund welcher Prüfungstiefe diese Entscheidung ergangen ist. Eine Bindungswirkung wird nur hinsichtlich jener Fakten anzunehmen sein, welche auch den Ausgangspunkt des vorangegangenen Strafverfahrens gebildet haben (VwGH 29.05.2015, 2012/02/0238).

Die im vorliegenden Fall zur Zl. *** gegen den Beschwerdeführer ergangene Einstellung der Staatsanwaltschaft *** gemäß § 190 Z 1 StPO ist rechtskräftig und besteht keine Möglichkeit das gerichtliche Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer fortzuführen. Dieses Strafverfahren, welches alle Sachverhaltselemente abdeckt, die auch dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren zugrunde liegen, wurde von der Staatsanwaltschaft, welche sich mit den bestehenden Sorgfaltspflichten des Beschwerdeführers auseinandergesetzt hat, deshalb eingestellt, weil kein fahrlässiges Verhalten des Beschwerdeführers erkannt werden konnte.

Für eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers und sohin die Einleitung und Fortführung des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens bleibt aufgrund des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Doppelbestrafungsverbotes deshalb kein Raum, weshalb der erhobenen Beschwerde der Erfolg nicht zu versagen und spruchgemäß zu entscheiden war.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG unterbleiben, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass das mit Beschwerde angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil die Entscheidung auch nicht von der darin zitierten und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht.

Schlagworte

Arbeitsrecht; Arbeitnehmerschutz; Sicherungsmaßnahmen; Verwaltungsstrafe; Verfahrensrecht; Doppelbestrafungsverbot; Einstellung; res iudicata;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.S.993.001.2019

Zuletzt aktualisiert am

30.12.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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