TE Vwgh Erkenntnis 2019/11/13 Ra 2019/13/0070

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Veröffentlicht am 13.11.2019
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

EStG 1988 §16 Abs1
EStG 1988 §20 Abs1 Z2 lita
EStG 1988 §4 Abs4

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des E in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Halm, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 1090 Wien, Berggasse 10, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 3. Juni 2019, Zl. RV/7100880/2017, betreffend Einkommensteuer 2013, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber machte im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2013 u.a. Werbungskosten in Höhe von ca. 8.000 EUR für eine "Knieoperation" geltend. 2 Mit Bescheid vom 18. August 2015 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für das Jahr 2013 fest. Die Kosten für die Knieoperation wurden darin nicht als Werbungskosten berücksichtigt. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, Aufwendungen für eine Knieoperation seien keine Werbungskosten, sondern außergewöhnliche Belastungen; sie seien dort in Ansatz gebracht worden, überstiegen aber nicht den Selbstbehalt. 3 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Er sei jahrzehntelang als Schauspieler, Sänger und Solist an verschiedenen Bühnen aufgetreten und habe auch Tanzbewegungen zu erbringen gehabt, weil er oft in Operetten und Musicals aufgetreten sei. Diese Tätigkeiten hätten Schäden am Knie verursacht. Um weiterhin in Operetten und Musicals auftreten zu können, habe er sich einer Knieoperation unterziehen müssen. Nach dieser Operation habe er bei einer Musical-Aufführung die Hauptrolle spielen können. Die geltend gemachten Krankheitskosten seien Werbungskosten. Für die normalen Bewegungsabläufe des täglichen Lebens hätte er sich der Operation nicht unterziehen müssen.

4 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 15. Dezember 2015 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

5 Der Revisionswerber beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Er korrigierte sein Vorbringen dahin, dass die geltend gemachten Kosten nicht aus einer Knieoperation, sondern aus einer Hüftoperation resultierten. Er habe eine Privatbehandlung durchführen lassen, da die Wartezeit als "normaler Kassenpatient" etwa sechs Monate gedauert hätte. In dieser Zeit hätte er Engagements absagen müssen, was mit größter Wahrscheinlichkeit bedeutet hätte, dass er (er sei damals bereits älter als 65 Jahre gewesen) nie mehr wieder ein Engagement bekommen hätte.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde "teilweise Folge" und änderte den Einkommensteuerbescheid - zu Lasten des Revisionswerbers - ab. Das Bundesfinanzgericht sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7 Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs führte das Bundesfinanzgericht - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen aus, der Revisionswerber sei Sänger und Schauspieler. Er habe aus dieser Tätigkeit sowohl Einkünfte aus selbständiger als auch aus nichtselbständiger Arbeit bezogen. Im September 2013 habe er sich in einem Privatspital als Privatpatient einer Hüftoperation unterzogen. Strittig sei, ob die dafür angefallenen Kosten in Höhe von ca. 8.000 EUR als Werbungskosten zu berücksichtigen seien. In diesem Betrag seien auch Sonderklassegebühren und Einbettzimmerzuschläge in Höhe von ca. 2.000 EUR enthalten. Die Kosten für die Operation seien dadurch verursacht worden, dass sich der Revisionswerber einer Privatbehandlung unterzogen habe, um die Wartezeit für ASVG-Versicherte nicht auf sich nehmen zu müssen. Ein nahezu ausschließlicher Zusammenhang zwischen der Abnützung des Hüftgelenks und dem Beruf habe nicht festgestellt werden können. 8 Krankheitskosten seien nur dann als Betriebsausgaben oder Werbungskosten absetzbar, wenn es sich um eine typische Berufskrankheit handle oder der Zusammenhang zwischen der Erkrankung und dem Beruf eindeutig feststehe. Durch den vorgezogenen Operationstermin sei ein Verdienstentgang möglichst hintangehalten worden. Dies allein durchbreche aber den Zusammenhang mit der Privatsphäre des Revisionswerbers nicht. Die (Notwendigkeit der) Erneuerung des Hüftgelenks sei nicht als Berufskrankheit zu beurteilen.

9 Werbungskosten lägen darüber hinaus nur im Ausmaß von Mehraufwendungen im Vergleich zur üblichen Behandlung vor. Soweit die Kosten jedoch eine Behandlung beträfen, die nicht auf die spezifische berufliche Situation des Steuerpflichtigen abgestimmt sei, sondern eine allgemein übliche Behandlung erfolgt sei, lägen keine Werbungskosten vor. Ein als Werbungskosten zu berücksichtigender Mehraufwand sei nicht gegeben.

10 Die Kosten seien daher - wie bereits vom Finanzamt vorgenommen - als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wobei die geltend gemachten Kosten den Selbstbehalt nicht überstiegen und sich damit nicht steuermindernd auswirkten. 11 Aus in der Revision nicht mehr strittigen Punkten ergebe sich eine Reduktion von anderen vom Revisionswerber geltend gemachten Werbungskosten; weiters seien ausländische Einkünfte im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen. Daraus resultiere eine Abänderung des Einkommensteuerbescheides zu Lasten des Revisionswerbers.

12 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision. 13 In der Revision wird - auch zu ihrer Zulässigkeit - zusammengefasst geltend gemacht, es bestehe keine Judikatur zu dem Fall, dass durch das Inkaufnehmen von Operationskosten als Privatpatient die Wartezeit für "normale Kassenpatienten" überbrückt worden sei und auch der Operationstermin mit den Engagements habe koordiniert werden können und damit auch die Einkommenserzielung habe gesichert werden können. Es gehe im vorliegenden Fall nur darum, dass der Revisionswerber eine kurzzeitige Berufsunfähigkeit, bedingt durch die Hüftoperation und die daran anschließende notwendige Rehabilitation, frei disponierbar habe gestalten müssen, um einerseits die bereits bestehenden Auftrittsverpflichtungen wahrnehmen zu können und anderseits nicht zu lange warten zu müssen. Es sei daher ohne Bedeutung, ob die Beschädigung der Hüfte berufskausal gewesen sei oder nicht. Es gehe nur darum, ob der Revisionswerber durch diesen von ihm zu tragenden Aufwand seine Einkünfte habe sichern und erhalten können.

14 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat das Finanzamt eine Revisionsbeantwortung eingebracht; hierauf replizierte der Revisionswerber.

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

16 Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.

17 Werbungskosten sind Wertabgaben, die durch die auf die Erzielung außerbetrieblicher Einkünfte ausgerichtete Tätigkeit veranlasst sind (vgl. VwGH 29.7.2014, 2010/13/0126, VwSlg. 8931/F).

18 Nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung nicht abgezogen werden, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. 19 Die Bestimmung des § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 enthält als wesentliche Aussage ein Verbot des Abzuges gemischt veranlasster Aufwendungen (so genanntes Aufteilungs- und Abzugsverbot; vgl. VwGH 24.11.2016, Ro 2014/13/0045, mwN). Dieser Ausschluss der Abziehbarkeit gilt dann nicht, wenn eine eindeutige, klar nachvollziehbare Trennung zwischen der privaten Veranlassung einerseits und der betrieblichen bzw. beruflichen Veranlassung andererseits gegeben und die betriebliche bzw. berufliche Veranlassung nicht bloß völlig untergeordnet ist. Eine Aufteilung kann aber nicht vorgenommen werden, wenn mangels klarer Quantifizierbarkeit der einzelnen Veranlassungskomponenten ein objektiv überprüfbarer Aufteilungsmaßstab nicht besteht und damit ein entsprechendes Vorbringen des Steuerpflichtigen keiner Nachprüfung zugänglich ist. Ist eine derartige objektiv nachvollziehbare und einwandfreie Aufteilung nicht möglich, kommt die Berücksichtigung von Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten nur in Betracht, wenn der Steuerpflichtige den Nachweis für eine (zumindest beinahe) gänzliche betriebliche bzw. berufliche Veranlassung erbringt (vgl. VwGH 27.1.2011, 2010/15/0197, VwSlg. 8613/F; 26.4.2012, 2009/15/0088, VwSlg. 8716/F). 20 Krankheitskosten gehören grundsätzlich zu den gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 nicht abzugsfähigen Aufwendungen der Lebensführung. Sie sind dann als Betriebsausgaben oder Werbungskosten absetzbar, wenn es sich um eine typische Berufskrankheit handelt oder der Zusammenhang zwischen der Erkrankung und dem Beruf eindeutig feststeht (vgl. - teils noch zum EStG 1972 - VwGH 9.12.1992, 91/13/0094; 15.11.1995, 94/13/0142, VwSlg. 7046/F; 21.12.1999, 96/14/0123, VwSlg. 7472/F; vgl. in diesem Sinne auch - bei ähnlicher Rechtslage - deutscher Bundesfinanzhof 21.9.2009, GrS 1/06, Rz 122 f; 9.11.2015, VI R 36/13). Werbungskosten liegen aber auch dann vor, wenn Mehraufwendungen unmittelbar durch die konkrete berufliche Tätigkeit notwendig sind, wenn und soweit also durch die konkrete berufliche Tätigkeit Mehraufwendungen im Vergleich zur üblichen Behandlung angefallen sind (vgl. VwGH 22.12.2004, 2002/15/0011, VwSlg. 7994/F; 24.9.2007, 2006/15/0325).

21 Im vorliegenden Fall ist im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht mehr strittig, dass weder eine typische Berufskrankheit vorliegt noch ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Krankheit und dem konkret ausgeübten Beruf besteht. Der Revisionswerber macht aber geltend, er habe den Zusatzaufwand als Privatpatient getragen, um seine Einkünfte - insbesondere im Hinblick auf die durch die Privatbehandlung mögliche Terminkoordination und den früheren Operationstermin - zu erhalten.

22 Dass die Art der Behandlung im Hinblick auf die konkrete Berufstätigkeit anders gewesen wäre als bei einer sonst üblichen Hüftoperation, wird vom Revisionswerber nicht geltend gemacht; hiefür liegen auch keine Anhaltspunkte vor. Auch wenn der Revisionswerber, hätte er nicht Verdienstentgang vermeiden wollen, eine für ihn kostengünstigere Behandlung (im Rahmen der Sozialversicherung) hätte wählen können, kommen die Vorteile der stattdessen gewählten Behandlung und damit auch der Mehraufwand doch sämtlichen - auch privaten - Lebensbereichen des Revisionswerbers zugute (vgl. in diesem Sinne VwGH 21.12.1999, 96/14/0123, VwSlg. 7472/F). Die Veranlassungskomponenten können insoweit nicht quantifiziert und damit aufgeteilt werden. Eine völlige Zurückdrängung der privaten Mitveranlassung liegt in einem derartigen Fall nicht vor (vgl. auch VwGH 24.4.2014, 2011/15/0187, VwSlg. 8908/F).

23 Damit wurden aber diese Aufwendungen zutreffend nicht als Werbungskosten berücksichtigt.

24 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

25 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20

14.

Wien, am 13. November 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019130070.L00

Im RIS seit

30.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

30.12.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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