TE Dok 2019/12/1 G 1 -DK VI/2018

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Veröffentlicht am 01.12.2019
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Norm

BDG 1979 §43 Abs1
BDG 1979 §44 Abs1

Schlagworte

Manipulation bei der Zeiterfassung, verbotene Privatnutzung Dienst-PKW, Beamter im Ruhestand, Geldstrafe

Text

Spruch

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen hat durch MR Mag Friedrich PAUL als Senatsvorsitzenden sowie MR Mag Felix Kollmann und ADir Veronika SCHMIDT als weitere Mitglieder des Disziplinarsenates IV nach der am 28. November 2019 in Anwesenheit der Disziplinaranwältin MR Mag Ursula BACHMAIR, MBA und des Beschuldigten NN im Ruhestand, vertreten durch Christian Höllerbauer, durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

NN

Beamter im Ruhestand, ehem. Briefzusteller bei der Zustellbasis X,

ist

s c h u l d i g

NN hat als Briefzusteller bei der Zustellbasis X

A.) mit dem Ziel, eine Verkleinerung seines Zustellrayons zu erwirken, regelmäßig die Zeiterfassung im Handheld/MDE-Gerät vorschriftswidrig durchgeführt und sich dadurch die Auszahlung ungerechtfertigter Mehrleistungsstunden erschlichen, insbesondere ergeben sich aus stichprobenartigen Kontrollen an acht Werktagen folgende konkrete Tatelemente:

1.) NN hat Pausenbuchungen von insgesamt 96 Minuten nicht durchgeführt,

a.) am 9. August 2018 drei Pausen von insgesamt 53 Minuten, nämlich

aa.) von 9 Uhr 37 bis 9 Uhr 44 im Gasthaus P. in xx, um einen Kaffee zu trinken,

ab.) von 10 Uhr 20 bis 10 Uhr 37, in der Raiffeisenbank xx, um sich mit Angestellten zu unterhalten und

ac.) von 12 Uhr 51 bis 13 Uhr 20, nach der Zustelladresse xx, um für ca. ½ Stunde auszuruhen,

b.) am 13. August 2018 eine Pause von 24 Minuten in der Zeit von 9 Uhr 39 bis 10 Uhr 03 im Gasthaus P in xx, um einen Kaffee zu trinken,

c.) am 9. Oktober 2018 eine Pause von 8 Minuten in der Zeit von 11 Uhr 55 bis 12 Uhr 03 beim Postpartner N in xx,

d.) am 10. Oktober 2018 eine Pause von 11 Minuten in der Zeit von 10 Uhr 43 bis 10 Uhr 54 beim Postpartner N in xx,

2.) NN hat Gehen-Buchungen von insgesamt 34 Minuten ungerechtfertigt hinausgezögert, konkret indem er

a.) am 13. September 2018 nach Dienstende um 14 Uhr 25 nochmals zur Raiffeisenbank xx zurückgekehrt ist und erst um 14 Uhr 38 seine Gehen-Buchung durchgeführt hat,

b.) am 9. Oktober 2018 nach Dienstende um 14 Uhr 30 zum Hauptplatz xx und anschließend zur dortigen Trafik gefahren ist und erst um 14 Uhr 46 seine Gehen-Buchung durchführt hat,

c.) am 10. Oktober 2018, nach Dienstende um 15 Uhr 06 zurück zur Zustellbasis X gefahren ist und die Gehen-Buchung erst um 15 Uhr 11 durchgeführt hat,

3.) NN hat die vorgeschriebene Gangordnung nicht eingehalten und so ungerechtfertigte Verzögerungen von insgesamt 17 Minuten, Wegstrecken von insgesamt 47,2 km und Zusatzkosten für das Dienstfahrzeug von € 21 verursacht, und zwar indem er

a.) am 12. September 2018 gegen 11:00 Uhr nach Punkt xx seiner Gangordnung zurück zum Postpartner N in xx, gefahren ist, und dadurch einen ungerechtfertigten zusätzlichen Zeitaufwand von 2 Minuten und eine zusätzliche Wegstrecke von ca. 950 Metern verursacht hat,

b.) am 13. September 2018 gegen 11:53 Uhr, am 19. September 2018 gegen 12:17 und am 10. Oktober 2018 gegen 10 Uhr 43 jeweils nach Punkt xx seiner Gangordnung zurück zum Postpartner N in xx, gefahren ist, und dadurch einen ungerechtfertigten zusätzlichen Zeitaufwand von insgesamt 6 Minuten und eine zusätzliche Wegstrecke von ca. 2.850 Metern verursacht hat,

c.) am 9. Oktober 2018 gegen 11 Uhr 55 nach Punkt X seiner Gangordnung zum Postpartner N, xx, gefahren ist, und dadurch einen ungerechtfertigten zusätzlichen Zeitaufwand von 4 Minuten und eine zusätzliche Wegstrecke von ca. 1.000 Metern verursacht hat.

d.) am 10. Oktober 2018 gegen 15 Uhr 06, nach seiner letzten Abgabestelle in xx, anstatt wie angewiesen zu seiner Wohnadresse, nochmals zur Zustellbasis X gefahren ist, und dadurch einen ungerechtfertigten zusätzlichen Zeitaufwand bis zur Gehen-Buchung um 15:11 von 5 Minuten und eine zusätzliche Wegstrecke von ca. 42,4 Kilometern verursacht hat.

B.) am 9. August 2018, nach Durchführung der Gehen-Buchung um 14 Uhr 42 das Dienstfahrzeug PT xxxxx eigenmächtig zur Entsorgung von Altglas beim Glascontainer in xx verwendet und damit das Dienstfahrzeug für einen Zeitraum von ca. 28 Minuten vorschriftswidrig für private Zwecke verwendet

NN hat somit die Dienstpflichten eines Beamten nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, nämlich

seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen (§ 43 Abs. 1 BDG 1979)

und

seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nichts anderes bestimmt ist, zu befolgen (§ 44 Abs. 1 BDG 1979),

schuldhaft verletzt und dadurch Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 91 BDG 1979 begangen.

Es wird daher über ihn gemäß § 126 Abs. 2 in Verbindung mit § 134 Abs. Z 2 BDG 1979 die

Disziplinarstrafe der Geldstrafe

in der Höhe von € 200

verhängt.

Gemäß § 117 Abs. 2 BDG 1979 wird festgehalten, dass keine Verfahrenskosten zu ersetzen sind.

B e g r ü n d u n g

NN war seit 19. Jänner 1987 im Postdienst. NN war bei der Zustellbasis X auf dem Rayon XX als Zusteller in einem Gleitzeit-Durchrechnungsmodell beschäftigt. Mit Ablauf des 31. Mai 2019 wurde NN in den Ruhestand versetzt.

Laut Dienstbeurteilung vom 20. Dezember 2018 erbrachte NN eine noch durchschnittliche Arbeitsleistung. Es gäbe zwar kaum Kundenbeschwerden, doch wäre er immer darauf bedacht gewesen, seine Vorstellungen die Arbeit zu verrichten durchzusetzen. Prozesskonformes arbeiten, korrekte Zeitbuchungen und auch Mithilfe auf anderen Rayonen waren bei ihm nicht zu erwarten.

Zum Sachverhalt:

Der Sachverhalt ergibt sich aus den Niederschriften der mit Zustellerkontrollen befassten Organisationseinheit „Qualitätsmanagement Mitte“ vom 23. Jänner 2018 und 19. Oktober 2018

samt Beilagen (Beobachtungsprotokoll, Gangordnung, Korridorstunden 2015 bis 2018) der Disziplinaranzeige vom 6. Dezember 2018 und der Vorgesetztenbeurteilung vom 19. Dezember 2018.

Bereits im Dezember 2017 wies NN Korridorstunden in Höhe von 173,64 Stunden auf. Deshalb wurden vom Qualitätsmanagement Mitte mehrere Outdoorkontrollen des Beamten durchgeführt. Niederschriftlich wurde NN am 23. Jänner 2018 vom Erhebungsdienst der Österreichischen Post AG zu den in diesem Zusammenhang beobachteten Unregelmäßigkeiten und Abweichungen befragt. NN zeigte sich teilweise geständig, wollte aber zu den meisten Vorhalten nichts sagen, führte aber aus, dass der Arbeitsdruck sehr hoch wäre.

Da die Niederschrift vom 23. Jänner 2018 keinen Erfolg brachte, wurden neuerlich Outdoorkontrollen durchgeführt, die im Wesentlichen zu den gleichen Ergebnissen führten.

Bei der am 19. Oktober 2018 vorgenommenen niederschriftlichen Einvernahme durch den Erhebungsdienst zeigte sich NN geständig, falsche Handheld-Eingaben durchzuführen. Er buche die Pausen nicht, um zusätzliche Dienstzeit vorzutäuschen und so einen Zeitabbau im Korridor verhindern zu können. Er mache dies, um die seines Erachtens zu hohe Arbeitsbelastung durch den seiner Meinung nach falsch berechneten und zu groß bemessenen Rayon aufzuzeigen. NN gab im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme am 19.10.2018 u.a. an, er buche die Pausen nicht richtig, weil er monatlich seine Überstunden haben wolle. Eine Überstundenauszahlung erfolgt bei einer Überschreitung eines Korridorwertes von 150 Stunden.

Die Dienstbehörde erlangte von den Unregelmäßigkeiten bei der Zeiterfassung erstmals am 22. Oktober 2018 durch die übermittelten Niederschriften des Erhebungsdienstes Kenntnis.

Die Zeiterfassung mittels Handheld ist mit Dienstanweisung vom 12. Dezember 2012, welche ihre Grundlage in der Betriebsvereinbarung vom 5. September 2012 findet, geregelt.

Unabhängig von den obligatorischen Mitarbeiterschulungen bei Übertritt ins Gleitzeitmodell bzw. bei Gewährung der Heimfahrtsgenehmigung (Verpflichtungserklärung) musste NN spätestens seit der Niederschrift vom 23. Jänner 2018 wissen, dass sämtliche Pausen im Handheld zu erfassen sind, dass unverzüglich nach dem Zustellvorgang an der letzten Zustelladresse die Gehen-Buchung durchzuführen ist, dass das Dienstfahrzeug ausschließlich zu dienstlichen Zwecken zu verwenden ist und die Heimfahrt an die private Wohnadresse auf kürzestem Weg zu erfolgen hat.

Die niederschriftlichen Angaben von NN, keine Pausenbuchungen vorzunehmen sowie zusätzliche Wegstrecken zu verursachen, um aufzeigen zu können, dass der ihm zugewiesene Rayon zu groß berechnet wäre, zeigen auch klar, dass NN wissentlich gegen die Weisungen seiner Vorgesetzten trotz einschlägiger Vorbelastung verstoßen hat.

Nach seinen eigenen Angaben und wie die Menge der einzelnen Manipulationen an nur 8 Werk- Beobachtungstagen zeigt, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass NN seine Zeiterfassung regelmäßig, wohl täglich, manipuliert hat, weshalb die im Spruch einzeln dargestellten Zeitwerte und ungerechtfertigt zurückgelegten Wegstrecken auf die kalkulatorischen 221 Arbeitstage jährlich hochzurechnen sind.

In Hinblick auf die Rayonsgroße ist fest zu halten, dass NN am 17. Jänner 2018 trotz erschwerter Bedingungen (starker Schneefall und Zustellung mit einem Ersatzauto ohne Allrad-Antrieb) die Zustellung innerhalb seines Rayons nicht nur innerhalb der dafür errechneten Arbeitszeit bewältigte, sondern darüber hinaus sogar einen deutlichen Zeitabbau im Ausmaß von 51 Minuten erreichen konnte.

Die Dienstbehörde führte auf fernmündliche Anfrage des Vorsitzenden am 27.11.2019 aus, es sei keine Rückforderung von zu Unrecht empfangenen Leistungen (Übergenüssen) gem. § 13 Gehaltsgesetz 1956 im Kontext erfolgt.

Im Rahmen der Disziplinarverhandlung wurde der Sachverhalt laut Einleitungsbeschluss vom Vertreter (NN konnte an der Verhandlung laut Vertreter aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen) außer Streit gestellt.

NN leide an einer schweren Erkrankung und habe seit ca. 1,5 Jahren ca. 8.000 Euro für Medikamente ausgegeben (die BVA habe hierfür einmal 86 und einemal 120 Euro refundiert).

Als Monatsnettoeinkommen konnte von der Vertretung lediglich eine Sachätzung (1400 Euro netto) angegeben werden. Die Erkrankung von NN sei ca. 2 Jahre lang falsch behandelt worden. 2017 und 2018 sei bereits eine starke Erkrankung der Organe gegeben gewesen. Aufgrund der medikamentösen Behandlung habe NN ca. alle 2 Stunden eine warme Mahlzeit und warme Getränke zu sich nehmen müssen. Deshalb sei NN auch immer wieder zum Post Partner Nah und Frisch gefahren. NN habe sich in seinem Beruf in den letzten Jahren überfordert gefühlt. Möglicherweise habe NN dies auch mit seinen Handlungen zum Ausdruck bringen wollen.

Der Senat hat erwogen:

Das Disziplinarrecht hat den Zweck, Beeinträchtigungen des Vertrauensverhältnisses, die durch Fehlverhalten der Beamten entstehen, zu beseitigen bzw. zu vermeiden.

Einerseits soll beim Beschuldigten ein konstruktiver Gesinnungswandel (Einsicht) erreicht werden, der ihn davon abhält, künftig weitere Dienstpflichtverletzungen zu begehen (Spezialprävention), andererseits muss mit dem Strafmittel auch ein Signal an andere Beamte gesetzt werden, diese von der Begehung von Dienstpflichtverletzungen abzuhalten, beziehungsweise ihr normgerechtes Verhalten zu bestätigen (Generalprävention). In spezialpräventiver Hinsicht war aber zu berücksichtigen, dass NN mit Ablauf des 31. Mai 2019 in den Ruhestand versetzt wurde und damit eine Wiederholungsgefahr nicht gegeben ist. Aus generalpräventiven Gründen bestand dennoch Handlungsbedarf, da klar zustellen ist, dass eine derart gleichgültige Einstellung gegenüber den Dienstpflichten keinesfalls toleriert wird.

Da bei einem so personalintensiven Betrieb wie bei der Österreichischen Post AG eine lückenlose Kontrolle aller Arbeitsvorgänge nicht möglich ist, muss man mit stichprobenartigen Kontrollen das Auslangen finden. Die Österreichische Post AG ist daher in besonderem Ausmaß von der Redlichkeit und Vertrauenswürdigkeit der beschäftigten Beamten und Beamtinnen abhängig (vgl. VwGH 23.2.2000, 97/09/0082 m.w.N.). Dabei entspricht es dem gegenseitigen Treue- und Vertrauensverhältnis, dass Beamte und Beamtinnen ihre Dienstpflichten aus eigenem Antrieb und eigener Verantwortlichkeit einhalten

Als mildernd wurde das letztendlich erfolgte Geständnis gewertet, auch die persönliche Situation (Erkrankung und Aufwand für Heilbehandlung) berücksichtigt.

Als erschwerend wurde gewertet, dass sich NN Zeitguthaben ungerechtfertigt geschaffen hat, die Dienstbeschreibung ist bestenfalls als durchschnittlich zu werten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Parteien gaben im Rahmen der Verhandlung am 28. November 2019 einen Rechtsmittelverzicht ab, wodurch Rechtskraft eingetreten ist.

-END-

Zuletzt aktualisiert am

17.12.2019
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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