TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/22 97/05/0182

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Veröffentlicht am 22.09.1998
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs3;
AVG §68 Abs1;
VStG §31 Abs3;
VVG §10 Abs1;
VVG §11;
VVG §2;
VVG §4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Eduard Platzer in Wien, vertreten durch Mag. Nikolaus Rosenauer, Rechtsanwalt in Wien I, Schubertring 8, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 14. Februar 1997, Zl. MA 64-BE 276/96, betreffend Kostenvorauszahlung gemäß § 4 Abs. 2 VVG in einer Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 26. September 1972 wurde dem Beschwerdeführer als Eigentümer des Hauses und der Liegenschaft im 22. Wiener Gemeindebezirk, Anisgasse Nr. 46, folgender Auftrag erteilt:

"Binnen 6 Wochen nach Rechtskraft des Bescheides sind die ohne Baubewilligung hergestellten Gebäude und zwar das Siedlungshaus mit ca. 65.00 m2 und die beiden Schuppen im Ausmaß von insgesamt 60.00 m2 auf dem Gst. Nr. 489/69 in EZ 1357 des Grundbuches der Kat.Gem. Kagran räumen und abtragen zu lassen."

In der Begründung wurde ausgeführt, daß durch amtliche Erhebung festgestellt worden sei, daß auf der angeführten Liegenschaft ein gemauertes Siedlungshaus und zwei Schuppen in dem jeweils angeführten Ausmaß ohne die hiezu erforderliche Baubewilligung errichtet worden seien.

Aufgrund der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung wurde der erstinstanzliche Bescheid mit Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 5. April 1973 dahingehend abgeändert, daß die Erfüllungsfrist mit sechs Monaten ab Rechtskraft des Bescheides festgesetzt wurde, im übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Mit Schreiben des Magistrates der Stadt Wien vom 2. September 1974 wurde unter Bezugnahme auf den angeführten Berufungsbescheid die Ersatzvornahme angedroht, sofern nicht binnen einer Woche mit den noch ausständigen Arbeiten begonnen und diese Arbeiten in ununterbrochener Folge beendet würden.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 10. Juli 1975 wurde dem Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf den angeführten Berufungsbescheid vom 5. April 1973 und die Androhung der Ersatzvornahme vom 2. September 1974 gemäß § 4 Abs. 2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz die Vorauszahlung der voraussichtlichen Kosten für die Ersatzvornahme in der Höhe von S 35.000,-- aufgetragen.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 25. Oktober 1996 wurde unter Bezugnahme auf den Titelbescheid vom 5. April 1973 und die Androhung der Ersatzvornahme vom 2. September 1974 gemäß § 4 Abs. 2 VVG die Vorauszahlung eines Ergänzungsbetrages von S 175.000,-- zu den bereits mit Bescheid vom 10. Juli 1975 vorgeschriebenen S 35.000,-- , somit die Vorauszahlung der voraussichtlichen Kosten im Gesamtbetrag von S 210.000,--, zur ungeteilten Hand gegen nachträgliche Verrechnungen der Stadt Wien aufgetragen.

Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde nach Anführung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen und dem Hinweis auf den in Rechtskraft erwachsenen Titelbescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 5. April 1973 damit begründet, daß nach diesem Titelbescheid die vom Abtragungsauftrag erfaßten Baulichkeiten zu entfernen seien, weil diese ohne die erforderliche Bewilligung errichtet worden seien. Die Konsensmäßigkeit müsse daher nicht nocheinmal geprüft werden. Die bisher einzige Vollstreckungsmaßnahme, und zwar die grundbücherliche Sicherstellung eines Betrages von S 35.000,-- durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung (aufgrund des vollstreckbaren Auftrages zur Vorauszahlung der Kosten vom 10. Juli 1975 sowie auch hinsichtlich des Beschlusses des Obersten Gerichtshofes vom 19. März 1980), gegen den Beschwerdeführer sei mit Exekutionsbewilligung des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 13. April 1982 gesetzt worden. Aus der vom Beschwerdeführer angeführten Judikatur lasse sich deswegen nichts gewinnen, weil dem rechtskräftigen Titelbescheid ein sorgfältiges Ermittlungsverfahren vorausgegangen sei, in dem der verpflichtete Haus- und Grundeigentümer Gelegenheit gehabt habe, alle seine Argumente darzulegen. Im Verfahren betreffend die Erlassung des Titelbescheides habe der Beschwerdeführer nie behauptet, es liege eine Baubewilligung vor, aber die Unterlagen darüber seien infolge der Kriegseinwirkungen verloren gegangen. Der Beschwerdeführer habe im Rahmen des Verfahrens betreffend die Erlassung des Abtragungsauftrages nie bestritten, daß für die von diesem erfaßten Baulichkeiten kein Konsens bestehe. Weiters sei aktenkundig, daß der Beschwerdeführer für das Siedlungshaus im Jahre 1982 um Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung angesucht habe, die nicht erteilt worden sei. Auch über die im Abtragungsauftrag angeführten Flächenausmaße der zu entfernenden Baulichkeiten sei bereits rechtskräftig abgesprochen worden und diese seien daher nicht Gegenstand des Vollstreckungsverfahrens. Dem Beschwerdeführer sei mit Bescheid des Magistrates vom 17. November 1975 eine Fristverlängerung bis 14. November 1977 eingeräumt worden. Dieser Bescheid sei dem Beschwerdeführer nachweislich am 21. November 1975 durch Hinterlegung zugestellt worden. Die zwangsweise Pfandrechtsbegründung sei mit Ablauf dieser Frist und daher zu Recht erfolgt. Während des Verfahrens betreffend das Ansuchen vom 9. September 1982 um Erteilung der nachträglichen Baubewilligung sei das Vollstreckungsverfahren nicht weitergeführt worden. Dies sei erst erfolgt, nachdem das Bauansuchen mit Bescheid vom 16. März 1993 rechtskräftig zurückgewiesen worden sei. Es werde darauf hingewiesen, daß der vorliegende Kostenvorauszahlungsbescheid zwar eine vorbereitende Handlung im Rahmen des Verwaltungsvollstreckungsverfahrens sei, er jedoch nicht unmittelbar dem Zweck diene, den bescheidmäßigen Zustand im Wege der Verwaltungsvollstreckung herzustellen. Dem Beschwerdeführer verbleibe immer noch die Möglichkeit, bis zur tatsächlichen Durchführung behördlicher Maßnahmen die angeordnete Beseitigung selbst vorzunehmen.

In der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 VVG kann, wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden. Gemäß § 4 Abs. 2 VVG kann in einem solchen Fall dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung aufgetragen werden. Der Auftrag zur Vorauszahlung ist vollstreckbar.

Zunächst ist festzustellen, daß im Hinblick auf den bereits ergangenen Auftrag zur Kostenvorauszahlung vom 10. Juli 1975 nicht res iudicata vorliegt, da im Hinblick auf die Höhe der nunmehr - 22 Jahre nach dem bereits ergangenen Kostenvorauszahlungsauftrag - erforderlichen Aufwendungen für eine Ersatzvornahme eine maßgeblich geänderte Sachlage gegeben ist und die neue Festsetzung eines Kostenvorauszahlungsauftrages daher zulässig war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1993, Zl. 93/05/0012).

Wenn der Beschwerdeführer unter Berufung auf die im Berufungsbescheid vom 5. April 1973 vorgenommene Abänderung des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides vom 26. September 1972 meint, aus dem in zweiter Instanz ergangenen Berufungsbescheid vom 5. April 1973 ergebe sich nicht der Auftrag, binnen sechs Wochen nach Rechtskraft des Bescheides die ohne Baubewilligung hergestellten Gebäude, und zwar das angeführte Siedlungshaus und die beiden angeführten Schuppen auf dem Grundstück Nr. 489/69, räumen und abtragen zu lassen, ist er nicht im Recht. Wie bereits in der Sachverhaltsdarstellung geschildert, ging der Berufungsbescheid vom 5. April 1973 dahin, daß im Hinblick auf die Fristsetzung eine Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides erfolgte, im übrigen wurde die Berufung abgewiesen, was bedeutet, daß - abgesehen von der geänderten Fristsetzung -der erstinstanzliche Spruch Inhalt des Spruches dieses Berufungsbescheides wurde. Inhalt des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides war aber der vom Beschwerdeführer bekämpfte Abtragungsauftrag.

Der Beschwerdeführer ist auch nicht im Recht, wenn er meint, daß die Erlassung eines Kostenvorauszahlungsauftrages die vorherige Anordnung der Ersatzvornahme verlange. Nach der hg. Judikatur (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 2. Mai 1956, Slg. Nr. 4057/A, und vom 6. Juni 1989, Zl. 84/05/0035) setzt die Erlassung eines Kostenvorauszahlungsauftrages lediglich die Androhung der Ersatzvornahme, die im vorliegenden Fall mit Schreiben des Magistrates der Stadt Wien vom 2. September 1974 unbestritten erfolgt ist, voraus. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann die Androhung der Ersatzvornahme aus dem Jahre 1974, also vor 24 Jahren, nach wie vor als Grundlage für die Erlassung eines Kostenvorauszahlungsauftrages herangezogen werden. Aus keiner Norm ergibt sich die Unzulässigkeit einer solchen Bezugnahme nach Ablauf einer - wenn auch längeren - Zeitspanne (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1993, Zl. 93/05/0013).

Demgegenüber erweist sich das Vorbringen des Beschwerdeführers, es sei im Zusammenhang mit der Festsetzung der Höhe der Kostenvorauszahlung kein gesetzmäßiges Ermittlungsverfahren vorgenommen worden und es sei ihm in gesetzwidriger Weise kein Parteiengehör eingeräumt worden, berechtigt. Im vorliegenden Verfahren erfolgte im Jahre 1975 eine Kostenschätzung. Im Rahmen des Verfahrens betreffend die Kostenergänzung teilte die Magistratsabteilung 25 mit, daß die neuerlich geschätzten Kosten einschließlich der Umsatzsteuer S 210.000,-- betragen, wobei auf die Schätzung aus dem Jahre 1975 hingewiesen wurde. Diese Kostenschätzung ist nicht nachvollziehbar. Nach der hg. Judikatur (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1997, Zl. 94/05/0272) muß die amtliche Kostenschätzung jedenfalls so aufgeschlüsselt sein, daß für den Verpflichteten die Möglichkeit der Überprüfung und damit die Konkretisierung der preislichen Unangemessenheit gegeben ist, weshalb auch im vorliegenden Fall dem Beschwerdeführer nicht vorgehalten werden kann, daß er in der Berufung nichts gegen die Höhe des Kostenvorauszahlungsauftrages eingewendet hat. Es liegt auch ein wesentlicher Verfahrensmangel vor, da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Behörde bei Einhaltung der Verfahrensbestimmungen des § 37 (betreffend die Pflicht, den maßgebenden Sachverhalt zu ermitteln) und § 45 Abs. 3 AVG (Gewährung von Parteiengehör zum Ermittlungsergebnis betreffend die anzunehmende Höhe der Kosten) zu einem anderen Bescheid gekommen wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. September 1998

Schlagworte

Instanzenzug Zuständigkeit Besondere Rechtsgebiete Verfahrensrechtliche Bescheide Zurückweisung Kostenbescheide Ordnungs- und Mutwillensstrafen Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997050182.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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