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41/02 Staatsbürgerschaft;Norm
StbG 1985 §10 Abs1 Z8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des F in USA, vertreten durch Dr. Franz Calice, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schellinggasse 3, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 4. November 1996, Zl. MA 61/IV-B 396/94, betreffend Erwerb der Staatsbürgerschaft gemäß § 58c Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 16. November 1994, bei der belangten Behörde eingelangt am 4. Jänner 1995, brachte der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf § 58c Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 idF BGBl. Nr. 521/1993 (StbG) zur Anzeige, daß er sich als österreichischer Staatsbürger vor dem 9. Mai 1945 (und zwar im Jahr 1939) ins Ausland (nach USA über Paris) begeben habe, weil er Verfolgungen durch Organe der NSDAP oder der Behörden des Dritten Reiches mit Grund zu befürchten/erlitten habe bzw. weil er wegen seines Eintretens für die demokratische Republik Österreich Verfolgungen ausgesetzt gewesen sei oder solche zu befürchten gehabt habe. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 4. November 1996 stellte die belangte Behörde fest, daß diese Anzeige des Beschwerdeführers nicht zum Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft geführt habe.
Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid damit, daß der Beschwerdeführer, welcher in Österreich als stellvertretender US-Botschafter akkreditiert gewesen sei, 1990 aus Gründen der nationalen Sicherheit, gestützt auf das Gesetz 5 U.S.C. 7532, aus dem diplomatischen Dienst der USA entlassen worden sei. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 8 StbG könne die Staatsbürgerschaft einem Fremden verliehen werden, wenn er nicht mit fremden Staaten in solchen Beziehungen stehe, daß die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen oder das Ansehen der Republik schädigen würde. Unter "Beziehung" müsse man jegliche Verbindung des Bewerbers mit einem anderen Staat verstehen, sei es, daß er als dessen Organ bestellt sei, oder durch seine gegen den anderen Staat gerichteten Handlungen zu diesem in Kontakt getreten sei. Gegen den Beschwerdeführer werde seitens der Justizbehörden der Vereinigten Staaten von Amerika nach wie vor wegen des Verdachtes der Spionagetätigkeit ermittelt. Der Beschwerdeführer sei wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit aus dem amerikanischen öffentlichen Dienst entlassen worden. Wenn auch dieses Geschehen einige Jahre zurückliege, werde die Sache immer wieder von den Medien aufgegriffen. Andererseits seien die in den USA eingeleiteten einschlägigen Untersuchungen weiterhin offen. Das um Stellungnahme ersuchte Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten sehe im Wiedererwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft durch den Beschwerdeführer eine ernste Gefährdung der guten Beziehungen zwischen Österreich und den USA. Die belangte Behörde vertrete aufgrund des Akteninhaltes und "den von kompetenten österreichischen Stellen geäußerten Bedenken" die Auffassung, daß die Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 8 StbG, welche auch in Fällen des Wiedererwerbes nach § 58c StbG zum Tragen komme, im gegenständlichen Fall nicht erfüllt sei. Daß gegen den Beschwerdeführer kein Strafverfahren durchgeführt worden sei, ändere nichts am Umstand, "daß der Fall auch heute noch in der politischen Öffentlichkeit präsent" sei und der Wiedererwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft durch den Beschwerdeführer die Interessen und das Ansehen der Republik Österreich schädigen würde.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde. Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 27. November 1997, B 4944/95-5, ihre Behandlung ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 in der hier anzuwendenden Fassung der Nov. BGBl. Nr. 521/1993 lauten:
"§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft kann einem Fremden verliehen werden, wenn
...
8. er nicht mit fremden Staaten in solchen Beziehungen steht, daß die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen oder das Ansehen der Republik schädigen würde.
§ 58c. (1) Ein Fremder erwirbt unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 6 und 8 die Staatsbürgerschaft, wenn er der Behörde (§ 39) unter Bezugnahme auf dieses Bundesgesetz schriftlich anzeigt, sich als Staatsbürger vor dem 9. Mai 1945 in das Ausland begeben zu haben, weil er Verfolgungen durch Organe der NSDAP oder der Behörden des Dritten Reiches mit Grund zu befürchten hatte oder erlitten hat oder weil er wegen seines Eintretens für die demokratische Republik Österreich Verfolgungen ausgesetzt war oder solche zu befürchten hatte.
(2) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 1 vor, so hat die Behörde mit schriftlichem Bescheid festzustellen, daß der Einschreiter die Staatsbürgerschaft mit dem Tag des Einlangens der Anzeige bei der Behörde (§ 39) wiedererworben hat."
Die Bestimmung des § 10 Abs. 1 Z. 8 StbG stellt auf eine materielle Prüfung der Persönlichkeit des Fremden ab. Unter "Beziehung" ist jegliche Verbindung des Bewerbers mit einem anderen Staat zu verstehen, sei es, daß er als dessen Organ bestellt ist, oder durch seine gegen den anderen Staat gerichteten Handlungen oder Unterlassungen zu diesem in Kontakt getreten ist (z.B. Hochverrat, im Ausland anhängiges gerichtliches Strafverfahren, Nahebeziehungen zu maßgeblichen Vertretern eines Staates; vgl. die in Mussger-Fessler, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht4, S. 56 f und in Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II, S. 189 f zit. hg. Rsp.). Als Kriterien, wann eine solche Nahebeziehung einen Hinderungsgrund darstellt, nennt das Gesetz die mögliche Gefährdung der Interessen und des Ansehens der Republik.
Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muß in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, daß gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), Seite 1044, wiedergegebene ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Diesen Erfordernissen wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht.
Die belangte Behörde begründet das Vorliegen des Kriteriums "Schädigung der Interessen der Republik" mit der Stellungnahme des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten, der eine "ernste Gefährdung der guten Beziehungen zwischen Österreich und den USA" befürchte. Die belangte Behörde zeigt jedoch nicht auf, auf welchen sachverhaltsmäßigen Grundlagen diese Befürchtung beruht. Auch aus dem Akteninhalt ist eine solche Annahme nicht nachvollziehbar. Denn in den schriftlichen und mündlichen Stellungnahmen des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten wird nicht ausgeführt, warum dieser zur Annahme gelange, daß seitens der USA der Wiedererwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft durch den Beschwerdeführer etwa als "Affront" (Akt S. 63) gewertet würde. Zu Recht weist der Beschwerdeführer darauf hin, daß die einzige im Verwaltungsakt ersichtliche offizielle Antwort einer Behörde der USA zur bevorstehenden allfälligen Wiedereinbürgerung des Beschwerdeführers, nämlich das Schreiben des United States Department of State vom 7. Juni 1995, lediglich beinhaltet, daß seitens der U.S. Regierung gegen den Beschwerdeführer keine Klage wegen eines Verbrechens anhängig sei. Er sei aus dem diplomatischen Dienst des U.S. Außenministeriums nach den Bestimmungen des U.S. Gesetzes 5 U.S.C. 7532 aus nationalen Sicherheitsgründen entlassen worden (letzteres wird durch ein vom Beschwerdeführer vorgelegtes Schreiben des Under Secretary of State for Management vom 5. November 1990 an den Beschwerdeführer anläßlich der Entlassung aus dem Auswärtigen Dienst bestätigt). Ein Hinweis darauf, daß die USA die Wiedereinbürgerung als "Affront" auffassen würden, ist darin nicht enthalten.
Die belangte Behörde hat auch anläßlich einer Anfrage an das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten vom 7. November 1995 richtig erkannt, daß für einen "negativen Feststellungsbescheid, gestützt auf § 10 Abs. 1 Z. 8 StbG, eine entsprechend schlüssige Begründung erforderlich ist, welche einer allfälligen Anfechtung des Bescheides beim Verwaltungsgerichtshof Stand halten" könne und deshalb um "Übermittlung möglichst ausführlicher Unterlagen bzw. Daten, welche den von do. geäußerten Bedenken zugrundeliegen", ersucht. Im angefochtenen Bescheid hat sich die belangte Behörde aber trotz des Umstandes, daß diesem Ersuchen nicht entsprochen wurde, mit der unbegründeten Annahme zufriedengegeben.
Die belangte Behörde begründet sodann das Vorliegen des Kriteriums "Schädigung des Ansehens der Republik" mit den weiterhin in den USA laufenden Untersuchungen gegen den Beschwerdeführer, dessen Entlassung und der deshalb weiter bestehenden Präsenz des Falles in der "politischen Öffentlichkeit" sowie dem nach wie vor bestehenden Medieninteresse.
Abgesehen davon, daß der belangte Behörde auch in diesem Punkt ein Begründungsmangel vorzuwerfen ist, als sie nicht nachvollziehbar dargelegt hat, aus welchen - bisherigen - Medienberichten und welchen Inhalten sie auf eine zukünftige Gefährdung des Ansehens Österreichs durch Medienberichte im Falle der Wiedereinbürgerung des Beschwerdeführers schließt und sie auch nicht darlegt, warum der Umstand, daß der Fall heute noch in der "politischen Öffentlichkeit" präsent sei, eine solche Gefährdung darstellte, ist die auf "Medienwirksamkeit" gestützte Ansicht der belangten Behörden auch inhaltlich rechtswidrig.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar im Erkenntnis vom 28. April 1970, Slg. 7785 A, im Falle der Einbürgerung eines in der Schweiz wegen Hochverrats zugunsten des Dritten Reiches verurteilten Schweizer Staatsbürgers das Ansehen der Republik Österreich als gefährdet angesehen, weil dies mit der "betont antinationalsozialistischen Haltung Österreichs" unvereinbar sei, und die dadurch verursachte Kritik in den "Massenmedien" das Ansehen Österreichs nicht nur in der Schweiz, sondern auch in anderen Staaten schädigen würde. Dieses Erkenntnis ist aber auf den gegenständlichen Fall schon deshalb nicht anwendbar, weil der Beschwerdeführer nicht wegen "Spionage" oder ähnlichen Tatbeständen gerichtlich verurteilt wurde - ja nicht einmal ein Strafverfahren eingeleitet wurde, sondern die nach mehrjährigen Erhebungen ermittelten Tatsachen nicht zur Anklageerhebung geführt haben, weshalb für den Beschwerdeführer die Unschuldsvermutung zu gelten hat. Abgesehen davon, daß in den im Verwaltungsakt einliegenden Presseberichten wiederholt hervorgehoben wird, daß die Ermittlungen gegen den Beschwerdeführer hinsichtlich "Spionage" etc. nicht zu seiner gerichtlichen Bestrafung geführt haben, darf ein bloßes "Medieninteresse" für sich alleine nicht herangezogen werden, um (quasi als mediale "Vorverurteilung" zu Lasten einer Person) daraus abzuleiten, das Ansehen Österreichs wäre gefährdet. Dies wäre aber etwa dann der Fall, wenn bloß eine rechtskräftig abgeurteilte Tat durch die Medien berichtet wird, deren Verwirklichung auch ohne mediale Aufbereitung geeignet ist, bei Einbürgerung des Täters das Ansehen Österreichs zu gefährden. Denn nur eine Einbürgerung, die einer (objektiv) berechtigten negativen Kritik im Ausland unterliegt, ist angetan, das Ansehen Österreichs zu schädigen (vgl erneut das hg. Erkenntnis vom 28. April 1970, Slg. 7785 A).
Die Berichte über Ladendiebstähle, derentwegen der Beschwerdeführer zumindest einmal, höchstens zweimal gerichtlich bzw. behördlich in den USA bestraft wurde, hat die belangte Behörde - wegen der Geringfügigkeit dieser Taten, gemessen an dem hier anzulegenden Maßstab, auch zu Recht - nicht in ihre Gefährdungsprognose miteinbezogen.
Der angefochtene Bescheid erweist sich aus obigen Gründen mit - prävalierender - Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im beantragten Umfang auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 23. September 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998010091.X00Im RIS seit
20.11.2000