Entscheidungsdatum
13.09.2019Norm
AVG §6Spruch
W228 2149594-3/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald Wögerbauer als Einzelrichter in der Beschwerdesache des XXXX , geb. XXXX 1999, StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein XXXX und dessen Obfrau RA XXXX , betreffend den Vorlageantrag gegen die erste Beschwerdevorentscheidung vom 29.07.2019, Zl. XXXX , beschlossen:
A)
Das Verfahren wird eingestellt und der Akt gem. § 6 AVG an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, EAST Ost, weitergeleitet.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.11.2018, W260 2149594-1/14E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA bestätigt, mit welchem das BFA den Antrag des Beschwerdeführers vom 10.11.2015 auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten in Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan in Spruchpunkt II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abwies, keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erließ, gemäß § 52 Abs. 9 AsylG 2005 feststellte, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 AsylG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt III.) und, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 AsylG 2005 die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.). Begründend wurde ausgeführt, dass keine neuen Fluchtgründe vorlägen und dass der maßgebliche Sachverhalt sich seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert habe. Daher war der Folgeantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Am 18.07.2019 stellte der Beschwerdeführer abermals einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.05.2019, W241 2149594-2/3E, wurde die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gem. gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG 2005 in Verbindung mit § 22 BFA-VG ausgesprochen.
Am 29.05.2019 fand die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan statt.
Mit Bescheid des BFA vom 30.06.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten in Spruchpunkt I. sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan in Spruchpunkt II. gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache abgewiesen, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 AsylG 2005 festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 AsylG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt V.) und, dass gemäß § 55 Abs. 1a AsylG 2005 keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.).
Am 18.07.2019 wurde seitens der Vertretung des Beschwerdeführers eine, hier verfahrensgegenständliche, Beschwerde eingebracht. Inhaltlich wurde ausgeführt, der VfGH habe in wiederholter und gefestigter Rechtsprechung betont, dass auch im Asylverfahren stets eine vierwöchige Rechtsmittelfrist einzuräumen sei. Willkürlich verkürze die belangte Behörde die Rechtsmittelfrist auf nur zwei Wochen. Dies sei verfassungswidrig und verstoße nicht nur gegen die österreichische Rechtsordnung, sondern auch gegen das Gebot der Gleichbehandlung. Eine Beschwerde gegen eine zurückweisende Entscheidung gemäß res iudicata oder eine Dublin-Entscheidung sei nicht weniger zeitaufwendig als andere Rechtsmittel und benötige dieselbe Sorgfalt wie andere Schriftsätze. Es müsse daher die auch sonst übliche vierwöchige Frist auch hier gelten. Gegenständlich sei der Sachverhalt so komplex, dass innerhalb von nur zwei Wochen ein ausreichend umfassender Beschwerdeschriftsatz nicht möglich zu verfassen sei. Beantragt werde daher, festzustellen, dass die Rechtsmittelbelehrung verfassungswidrig sei und eine vierwöchige Rechtsmittelfrist einzuräumen sei. Sollte sich das BVwG außerstande sehen, in diesem Sinne zu entscheiden, so werde beantragt, die Sache dem VfGH vorzulegen und im Falle einer Abweisung der gegenständlichen Beschwerde die ordentliche Revision an den VwGH zuzulassen. Jedenfalls werde beantragt, für den gegenständlichen Fall die Frist für das Rechtsmittel auf vier Wochen zu erstrecken. Falls die Behörde nicht reagiere, gehe der Beschwerdeführer davon aus, dass die Fristerstreckung gewährt werde.
Die, zu dieser Beschwerde ergangene, hier verfahrensgegenständliche, erste Beschwerdevorentscheidung datiert auf den 29.07.2019 und wurde am 31.07.2019 zugestellt. Darin wird die Beschwerde (Spruchpunkt I.) und der Fristerstreckungsantrag (Spruchpunkt II.) als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wird unter Verweis auf Hengstschläger/Leeb AVG § 61 Rz3 u.a. ausgeführt, dass sich die Beschwerde nur gegen die Rechtsmittelbelehrung richte, diese als bloße Mitteilung einer Rechtsansicht keinen normativen Abspruch über Parteienrechte darstelle und somit nicht rechtskraftfähig sei und daher könne ein Bescheid nicht hinsichtlich seiner Rechtskraft angefochten (VwSlg 15.907 A/1929) oder aufgehoben werden (VwGH 29.10.1998, 98/07/0136). Die Rechtsmittelbelehrung stelle keinen tauglichen Verfahrensgegenstand dar. Einwände gegen die Rechtsmittelbelehrung könnten nur im Rahmen einer Bescheidbeschwerde vorgebracht werden. Eine solche läge jedoch aufgrund ausdrücklicher Bekämpfung der Rechtsmittelbelehrung des Bescheids. Auch aus dem Inhalt ergäben sich keine Anhaltspunkte, dass der Bescheid des BFA angefochten hätte werden sollen. Alle Gründe wie auch das Begehren stehen im Zusammenhang mit der Rechtsmittelbelehrung, nicht aber mit der inhaltlichen Erledigung des BFA. Außerdem werde auf die gleichgelagerte und begründete Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.07.2019, W239 2193301-2/3E, verwiesen.
Ebenfalls am 29.07.2019 wurde seitens der Vertretung des Beschwerdeführers eine zweite Beschwerde eingebracht. Inhaltlich wurde ausgeführt, dass der Bescheid des BFA vom 30.06.2019 im vollen Umfang angefochten werde. Es gäbe neues Vorbringen, dass die Rechtskraft des Vorverfahrens durchbrechen könne. Die Lage in Afghanistan habe sich im Allgemeinen und speziell für den Beschwerdeführer relevant verschlechtert. Das Gutachten und die Meinung von XXXX war im ersten Asylverfahren richtungsgeben, diese Sichtweise ist nicht haltbar. Daher hätte eine inhaltliche Prüfung stattfinden müssen. Das Vorbringen der Verfassungswidrigkeit der 2-wöchigen Beschwerdefrist wurde wiederholt.
Die, zu dieser zweiten Beschwerde ergangene, zweite Beschwerdevorentscheidung datiert auf den 08.08.2019 und wurde am 13.08.2019 zugestellt. Darin wird die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen. Begründend wird ausgeführt, dass die Beschwerdefrist mit Ablauf des 18.07.2019 geendet habe, die Beschwerde vom 29.07.2019 somit verspätet eingebracht sei.
Am 26.08.2019 wurde der gemeinsame Vorlageantrag gegen die Beschwerdevorentscheidungen vom 29.07.2019 und 08.08.2019 gestellt. Inhaltlich wurde vorgebracht, dass auch in den Beschwerdevorentscheidungen fälschlich eine Rechtsmittelfrist von 2 Wochen angegeben sei und auch diese verfassungswidrig sei.
Der gemeinsame Vorlageantrag, die beiden Beschwerdevorentscheidungen und die beiden Beschwerden wurden unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 09.09.2019 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die erste, hier verfahrensgegenständliche, Beschwerdevorentscheidung vom 29.07.2019 wurde am 31.07.2019 zugestellt.
Der, für beide Beschwerdevorentscheidungen gemeinsam eingebrachte, Vorlageantrag wurde am 26.08.2019 gestellt.
2. Beweiswürdigung:
Die Datierung der Beschwerdevorentscheidungen ergibt sich aus derselbigen, welche sich im Akt befinden und unstrittig sind. Die Angabe zur Zustellung stützt sich auf die Angabe der Vertretung des Beschwerdeführers im Vorlageantrag und ist ebenfalls unstrittig.
Die Angaben zur Einbringung des, für beide Beschwerdevorentscheidungen gemeinsam eingebrachten, Vorlageantrags ergibt sich aus dem im Akt befindlichen Mailaudsruck und ist unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Nach § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Zu A) Einstellung des Verfahrens und Weiterleitung an das BFA:
Die Rechtsmittelfrist für den Vorlageantrag beträgt nach § 15 Abs. 1 VwGVG 2 Wochen.
Soweit die Vertretung des Beschwerdeführers vermeint, dass die Rechtsmittelbelehrung fälschlich auf 2 Wochen lautet, so kann dies seitens des erkennenden Richters aufgrund des klaren Wortlauts der gesetzlichen Anordnung nicht nachvollzogen werden. Sollte die Vertretung des Beschwerdeführers damit andeuten wollen, dass diese Bestimmung aus ihrer Sicht auch verfassungswidrig sei - analog zum Vorbringen zur 2-wöchigen Rechtsmittelfrist in § 16 Abs. 1 BFA-VG, so wurde dies weder begründet noch ergeben sich sonst Anhaltspunkte dafür, da diese Frist aufgrund der Definition in den verfahrensrechtlichen Bestimmungen grundsätzlich für alle Verwaltungsverfahren gilt. Außerdem bedarf es bei der Stellung eines Vorlageantrags keiner Begründung. Somit bestehen beim erkennenden Richter gegen diese Frist keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Da die erste, hier verfahrensgegenständliche, Beschwerdevorentscheidung vom 29.07.2019 am 31.07.2019 zugestellt wurde, endete die Frist zur Einbringung des Vorlageantrags, entsprechend der Fristenberechnung nach § 32 Abs. 2 AVG, am 14.08.2019. Daher ist der Vorlageantrag vom 26.08.2019 bezüglich dieser ersten Beschwerdevorentscheidung, da er nach Ablauf der Rechtsmittelfrist gestellt wurde, verspätet.
Gemäß § 15 Abs. 3 VwGVG ist ein verspäteter Vorlageantrag von der Behörde zurückzuweisen.
Da diese Zurückweisung des verspäteten Vorlageantrags mittels Bescheid (nicht Beschwerdevorentscheidung!) bisher vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht erfolgte (und daher ein Rechtsmittel in Form einer Beschwerde dagegen binnen 4 Wochen noch nicht eingebracht werden konnte), konnte bezüglich der ersten Beschwerdevorentscheidung die Zuständigkeit zur Entscheidung noch nicht auf das Bundesverwaltungsgericht übergehen. Daher ist das, mit verfrühter Aktenübermittlung beim Bundesverwaltungsgericht eingeleitete, Verfahren einzustellen und der Akt zur Erlassung einer Entscheidung nach § 15 Abs. 3 VwGVG dem noch immer zuständigen Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzustellen.
Der Vollständigkeit halber wird darauf verwiesen, dass die Entscheidung über den Vorlageantrag gegen die zweite, nicht verfahrensgegenständliche, Beschwerdevorentscheidung, mit Zahl W228 2149594-4 erfolgt.
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 Satz 1 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wurde.
Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil bislang keine gefestigte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage vorliegt, inwieweit bei einem verwaltungsgerichtlich als verspätet beurteilten Vorlageantrag mit Einstellungs- oder z. B. mit Zurückweisungsbeschluss vorzugehen ist.
Schlagworte
Revision zulässig, Unzuständigkeit BVwG, Verfahrenseinstellung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W228.2149594.3.01Zuletzt aktualisiert am
10.12.2019