Entscheidungsdatum
11.10.2019Norm
AsylG 2005 §35Spruch
W165 2213854-1/2E
W165 2213855-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse LESNIAK als Einzelrichterin nach Beschwerdevorentscheidung des Österreichischen Generalkonsulats Istanbul vom 20.12.2018, GZ: Istanbul-GK/KONS/2681/2016, aufgrund der Vorlageanträge von 1. XXXX , geb. XXXX und 2. XXXX , geb. XXXX , beide StA. Syrien, über die Beschwerden gegen die Bescheide des Österreichischen Generalkonsulats Istanbul vom 10.10.2018, GZ: Istanbul-GK/KONS/2681/2016, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerden werden gemäß § 35 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Die Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), geboren am XXXX und XXXX , sind Brüder und Staatsangehörige Syriens. Die BF brachten am 25.10.2016 gemeinsam mit ihrer Mutter und drei minderjährigen Geschwistern beim Österreichischen Generalkonsulat Istanbul (im Folgenden: ÖGK Istanbul), unter Anschluss diverser Unterlagen (ua. Reisepasskopien) Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 ein.
Als Bezugsperson wurde der Vater der BF angegeben, welchem mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 05.10.2016, Zl. 1071464109-150595040, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde.
In den Einreiseanträgen der BF wurden die Geburtsdaten - übereinstimmend mit den in den Reisepasskopien ausgewiesenen Geburtsdaten - wie eingangs wiedergegeben, angegeben.
Nach Weiterleitung der Einreiseanträge samt Unterlagen an das BFA teilte dieses dem ÖGK Istanbul mit Schreiben vom 07.11.2017 mit, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei. In der beigefügten Stellungnahme wurde ua begründend ausgeführt, dass die BF zum Einbringungsdatum der Anträge das 18. Lebensjahr bereits vollendet hätten und es sich zum prüfungsrelevanten Zeitpunkt demnach nicht mehr um minderjährige Personen handeln würde.
Mit Schreiben des ÖGK Istanbul vom 08.11.2017, zugestellt am 10.11.2017, wurden die BF davon in Kenntnis gesetzt, dass das BFA nach Prüfung der Einreiseanträge mitgeteilt habe, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Es erging die Aufforderung, die angeführten Ablehnungsgründe innerhalb einer Woche ab Zustellung des Schreibens durch unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen.
In einer Stellungnahme des Rechtsvertreters der BF vom 23.11.2017 wurde zusammengefasst vorgebracht, dass die geplante Ablehnung der Einreiseanträge einen ungerechtfertigten Eingriff in das Recht der BF auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK bedeuten würde. Es handle sich um 19-jährige und 20-jährige junge Männer, die beide schwer hörgeschädigt seien und aufgrund ihrer Hörbehinderung in einem ausgeprägten Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Eltern und Geschwistern stünden. Die Brüder hätten aufgrund ihrer Hörbehinderung keine Schule besucht oder Ausbildung genossen und seien keinesfalls in der Lage, selbständig ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Die BF hätten stets im Familienverband gelebt und würden von ihren Eltern und Geschwistern bei der Bewältigung alltäglicher Aufgaben unterstützt werden. Sie hätten weder in Syrien noch in der Türkei Angehörige, die sie unterstützen könnten und wären - sollten die restlichen Familienmitglieder ihrem Ehemann und Vater nach Österreich nachziehen - komplett auf sich alleine gestellt.
Der Stellungnahme beigelegt waren zwei türkische ärztliche Atteste vom 16.11.2017 samt beglaubigter deutscher Übersetzung, wonach bei den BF eine Sprach- und Hörfunktionsstörung (Insuffizienz) diagnostiziert worden sei.
Nachdem in weiterer Folge eine am 15.03.2018 geplante Einvernahme der BF im ÖGK Istanbul aufgrund ihrer Hör- und Sprachbehinderungen nicht erfolgen konnte, ersuchte das BFA um Übermittlung eines ärztlichen Attests über den Schweregrad der Beeinträchtigung der BF.
Mit Schreiben vom 07.05.2018 übermittelte das ÖGK Istanbul dem BFA zwei die BF betreffende ärztliche Atteste (undatiert) samt beglaubigter deutscher Übersetzung. Aus den beiden (wortgleich lautenden) Berichten einer Privatklinik in Istanbul geht im Wesentlichen hervor, dass beide BF an Sprech- und speziellen Sprachentwicklungsstörungen leiden würden sowie ein sensorineuraler Gehörverlust vorliegen würde. Festgehalten wurde, dass der "hör- und sprachgeschädigte Patient" bei der "Erlernung einer Fremdsprache Schwierigkeiten" haben könnte.
Mit Schreiben vom 22.08.2018 teilte das BFA dem ÖGK Istanbul mit, dass betreffend die Mutter und die drei minderjährigen Geschwister der BF die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten wahrscheinlich sei und ersuchte diesbezüglich um Ausstellung von Visa der Kategorie D. Hinsichtlich der beiden BF wurde hingegen die ursprüngliche negative Wahrscheinlichkeitsprognose aufrechterhalten und mitgeteilt, dass die Zuerkennung des Status nicht wahrscheinlich sei, da die Volljährigkeit der BF feststehe. Aus den beiden ärztlichen Attesten gehe zudem keine Pflegebedürftigkeit hervor und sei nach der Zeugeneinvernahme des Vaters nicht davon auszugehen, dass im vorliegenden Fall ein derart besonderes Abhängigkeitsverhältnis gegeben sei, das einer Beziehung zwischen Eltern und minderjährigen Kindern gleichkomme.
Mit Bescheiden vom 10.10.2018 lehnte das ÖGK Istanbul die Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 ab, da die BF bereits volljährig seien.
Gegen die Bescheide richten sich die am 07.11.2018 eingelangten Beschwerden, in denen im Wesentlichen vorgebracht wird, dass eine nicht nachvollziehbare Abwägung bezüglich Art. 8 EMRK erfolgt sei. Die BF würden an einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit leiden, aufgrund derer sie nur sehr laute Geräusche wahrnehmen würden. Weiters habe die Bezugsperson im Rahmen ihrer Einvernahme ausgesagt, dass die BF zwar volljährig seien, jedoch mehr Aufmerksamkeit und Pflege benötigen würden als minderjährige Kinder. Im vorliegenden Fall bestehe ein ausgeprägtes Abhängigkeitsverhältnis zwischen den BF und ihren Eltern und sei ihnen daher im Sinne des Art. 8 EMRK die Einreise nach Österreich zu gewähren.
Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 20.12.2018 wies das ÖGK Istanbul die Beschwerden gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG unter Darstellung des Verfahrensganges als unbegründet ab.
Am 31.12.2018 wurden beim ÖGK Istanbul Vorlageanträge gemäß § 15 VwGVG eingebracht, worin begründend auf die Beschwerden vom 07.11.2018 sowie auf die Stellungnahme vom 23.11.2017 verwiesen wurde.
Mit beim Bundesverwaltungsgericht am 31.01.2019 eingelangter Note des Bundesministeriums für Inneres vom 28.01.2019 wurden die Vorlageanträge samt Verwaltungsakt übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt werden zunächst der unter I. dargelegte Verfahrensgang und Sachverhalt.
Eine Familienangehörigeneigenschaft der BF zur Bezugsperson im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 kann nicht festgestellt werden. Bei den BF handelt es sich zum im Zeitpunkt der Antragstellung bereits volljährige Personen. Die Volljährigkeit der BF im Antragszeitpunkt wurde von diesen nicht bestritten.
Die BF leiden an Sprech- und Sprachentwicklungsstörungen sowie an einem sensorineuralen Gehörverlust. Ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis der BF zu ihren Eltern bzw. ihren minderjährigen Geschwistern ist jedoch nicht ersichtlich. Die Mutter und die minderjährigen Geschwister reisten nach Gewährung von Visa D ihrem Ehemann bzw. Vater nach Österreich nach und stellten hier am 19.11.2018 Anträge auf internationalen Schutz. Ihren Anträgen wurde am 10.01.2019 stattgegeben und ihnen der Status von Asylberechtigten gewährt.
Die beiden BF leben demnach zum Entscheidungszeitpunkt seit fast einem Jahr ohne ihre engsten Familienangehörigen und haben ihren Alltag offenbar ohne Hilfe ihrer Eltern und Geschwister bewältigt. Mangels anderslautender Hinweise ist nicht anzunehmen, dass in dieser Zeit eine existenzbedrohende Situation für die BF eingetreten wäre, sodass gegenständlich zwischen den im Ausland aufhältigen BF und ihren in Österreich lebenden Familienangehörigen kein derart besonderes Abhängigkeitsverhältnis gegeben ist, das einer Beziehung zwischen Eltern und minderjährigen Kindern gleichkommen würde.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem Akt des ÖGK Istanbul, den vorgelegten Unterlagen, den Angaben der BF und den Auszügen aus dem Zentralen Fremdenregister.
Die Volljährigkeit der BF im Zeitpunkt der Antragstellung ergibt aus den mit den vorgelegten Urkunden (Reisepässen) übereinstimmenden Angaben der BF.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerden:
Die maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 idgF lauten:
Familienverfahren im Inland
§ 34 (1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist und
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:
1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;
2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind."
Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden
§ 35 (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.
(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und
3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.
Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) idgF lauten:
Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.
Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005
§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152 uvam).
Soweit es innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems allerdings dem Bundesverwaltungsgericht nunmehr offensteht, auch die Einschätzung des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002), so führt diese Überprüfung im Beschwerdefall zu keinem anderen Ergebnis. Die Prognose des BFA - und die in der Folge darauf gestützte Auffassung der Vertretungsbehörde, dass Familienangehörigeneigenschaft zwischen dem BF und der Bezugsperson nicht vorliegt - ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes zutreffend:
Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich, dass die am XXXX und XXXX geborenen BF zum Antragszeitpunkt (25.10.2016) unbestritten volljährig waren, sodass der Familienangehörigenbegriff des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 (arg. "zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind") nicht erfüllt ist.
Auch der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seiner Entscheidung zu Zlen. Ra 2015/21/0230 bis 0231-3 unter anderem mit dem Begriff des Familienangehörigen nach § 35 Abs. 5 AsylG 2005 auseinandergesetzt und ausgeführt, dass aus den ErläutRV zum FNG-AnpassungsG 2014 eine restriktive Tendenz in Bezug auf den zu erfassenden Personenkreis zu erkennen sei.
Die belangte Behörde hat zum verfahrensgegenständlichen Einreiseantrag ein mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt und ist aufgrund der zutreffenden Mitteilung des BFA, dass die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bzw. des Asylberechtigten an die BF im Sinne des § 35 Abs. 4 AsylG 2005 infolge deren Volljährigkeit nicht wahrscheinlich sei, zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 AsylG 2005 nicht vorliegen.
Soweit die BF in ihrer Beschwerde reklamierem, dass die Behörde Ermittlungen dazu unterlassen habe, ob durch die negative Entscheidung das Recht der BF auf Privat- und Familienleben gemäß Art. 8 EMRK verletzt werde, ist zunächst anzumerken, dass Beziehungen zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern oder zwischen Geschwistern nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nicht unter den Begriff des "Familienlebens" des Art. 8 EMRK fallen, außer im Falle, dass weitere Faktoren einer Abhängigkeit, die über normale Gefühlsbande zwischen solchen Familienangehörigen hinausgehen, festgestellt werden können (EGMR 13.12.2007; Emonet und andere/Schweiz, Nr. 39051/03, Abs. 35 und EGMR 07.11.2000, Kwakye-Nti und Dufie/Niederlande, Nr. 31519/96).
Solche Faktoren der Abhängigkeit gehen aus der Aktenlage nicht hervor. Wie bereits oben ausgeführt, leiden die BF zwar an Sprech- und Sprachentwicklungsstörungen sowie an einem sensorineuralen Gehörverlust, jedoch kann den vorliegenden ärztlichen Attesten eine Pflegedürftigkeit der BF nicht entnommen werden. Festzuhalten ist zudem, dass die Mutter und die minderjährigen Geschwister nach Gewährung von Visa D ihrem Ehemann bzw. Vater nach Österreich nachreisten und hier am 19.11.2018 Anträge auf internationalen Schutz stellten, denen am 10.01.2019 stattgegeben wurde. Die beiden BF leben somit zum Entscheidungszeitpunkt bereits seit fast einem Jahr in ständiger räumlicher Trennung von ihren engsten Familienangehörigen und haben ihren Alltag offenbar ohne Hilfe ihrer Eltern und Geschwister bewältigt. Mangels anderslautender Hinweise kann nicht angenommen werden, dass in dieser Zeit eine existenzbedrohende Situation für die BF eingetreten wäre, sodass gegenständlich zwischen den im Ausland aufhältigen BF und ihren in Österreich lebenden Familienangehörigen kein derart besonderes Abhängigkeitsverhältnis erkannt werden kann, das einer Beziehung zwischen Eltern und minderjährigen Kindern gleichkommen würde.
Abgesehen davon ist Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nur ein Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG 2005, worüber die Botschaft in einem relativ formalisierten Ermittlungsverfahren zu entscheiden hat. Die Tatbestandsvoraussetzungen nach dieser Gesetzesbestimmung, die vom Verfassungsgerichtshof nicht beanstandet wurden, liegen gegenständlich, wie ausgeführt, nicht vor. Bei Erteilung eines Einreisetitels ist zu berücksichtigen, dass Art. 8 EMRK im Allgemeinen kein Recht auf Einreise in ein bestimmtes Land gewährt (EGMR 02.08.2001, Fall Boultif, Appl. 54.273/00, newsletter 2001, 159 uva). Art. 8 EMRK gewährt auch kein unmittelbares Zuwanderungsrecht und lässt den Mitgliedstaaten der EMRK bei der Regelung der Einwanderungspolitik einen breiten Ermessensspielraum (vgl. VfSlg 17.013/2003 und 18.613/2008). Die - unter Gesetzesvorbehalt stehende - Regelung des Art. 8 EMRK schreibt auch keineswegs vor, dass in allen Fällen der Familienzusammenführung jedenfalls der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren wäre. Vielmehr wird im Regelfall ein Aufenthaltstitel nach den fremdenrechtlichen Bestimmungen in Betracht kommen. Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) stellen in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen (so kann etwa subsidiär Schutzberechtigten nach fünf Jahren unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 45 Abs. 12 NAG ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" gewährt werden, danach kann eine Familienzusammenführung nach § 46 NAG erfolgen). Gegen die Entscheidung der zuständigen Einwanderungsbehörde stehen letztlich auch noch Rechtsbehelfe an ein Verwaltungsgericht sowie an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offen. In einem Verfahren nach den Bestimmungen des NAG sind aber auch die öffentlichen Interessen, insbesondere am wirtschaftlichen Wohl des Landes, entsprechend in die Prüfung einzubeziehen (zB Einkünfte, Integrationsvereinbarung, Quotenplatz), wird doch das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK nicht absolut verbürgt, sondern nur unter Gesetzesvorbehalt. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass der EuGH in seinem Urteil vom 21.04.2016, in der Rechtssache C- 558/14, betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV ausgesprochen hat, dass Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung dahin auszulegen sei, "dass er es den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats erlaubt, die Ablehnung eines Antrags auf Familienzusammenführung auf eine Prognose darüber zu stützen, ob es wahrscheinlich ist, dass die festen, regelmäßigen und ausreichenden Einkünfte, über die der Zusammenführende verfügen muss, um ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen zu decken, während des Jahres nach dem Zeitpunkt der Einreichung des Antrags weiterhin vorhanden sein werden, und dabei dieser Prognose die Entwicklung der Einkünfte des Zusammenführenden während der sechs Monate vor der Antragstellung zugrunde zu legen". Diese Auslegung lässt jedenfalls erkennen, dass Aspekten des wirtschaftlichen Wohls eines Landes im Zusammenhang mit dem Familiennachzug im Rahmen der öffentlichen Interessen offenkundig ein hoher Stellenwert zukommen darf.
Im Hinblick darauf, dass es im Rahmen der gegenständlichen Verfahren auch keine Möglichkeit der Erteilung eines humanitären Einreisetitels gibt, war spruchgemäß zu entscheiden.
Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war dieses Erkenntnis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu erlassen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.
Schlagworte
Angehörigeneigenschaft, Einreisetitel, VolljährigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W165.2213855.1.00Zuletzt aktualisiert am
04.12.2019