TE Vfgh Erkenntnis 2019/9/23 E1494/2019

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Veröffentlicht am 23.09.2019
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
EU-Grundrechte-Charta Art47 Abs2
AsylG 2005 §3, §8, §10, §13, §57
BFA-VG §21
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander und im Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz eines irakischen Staatsangehörigen; keine Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens; keine Auseinandersetzung mit der aktuellen allgemeinen Lage in Mossul

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) und im Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Art47 Abs2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.        Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1.       Der Beschwerdeführer ist ein am 30. Dezember 1991 geborener Staatsangehöriger des Irak, der der Volksgruppe der Araber angehört und sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam bekennt. Er stammt aus Mossul, wo er bis zu seiner Ausreise lebte. Am 17. Oktober 2015 reiste der Beschwerdeführer in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend führte der Beschwerdeführer zu diesem Antrag im Wesentlichen aus, dass er im Jahr 2014 von der Terrormiliz IS auf Grund seiner Tätigkeit als Security bei der Stadtverwaltung in Mossul gefangen genommen worden sei. Nach dem Fall Mossuls habe der Vorgesetzte des Beschwerdeführers mit Mitarbeitern der Stadtverwaltung eine bewaffnete Miliz gegründet, die gegen den IS kämpfen sollte. Der Vorgesetzte habe den Namen des Beschwerdeführers auf eine Liste mit Personen geschrieben, die nicht anwesend gewesen seien und von denen er vermutet habe, dass sie für den IS kämpfen würden. Diese Liste sei den irakischen Streitkräften übergeben worden. Die irakischen Behörden würden daher davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer mit dem IS zusammenarbeite.

2.       Mit Bescheid vom 2. Oktober 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß §3 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 ab; ebenso wurde der Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß §8 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen. Weiters wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §57 AsylG 2005 nicht erteilt, gemäß §10 Abs1 Z3 AsylG 2005 iVm §9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß §52 Abs2 Z2 FPG erlassen und gemäß §52 Abs9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß §46 FPG zulässig sei. Ferner wurde einer Beschwerde gegen den Bescheid gemäß §18 Abs1 Z2 und 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt und ausgesprochen, dass gemäß §55 Abs1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestünde und der Beschwerdeführer gemäß §13 Abs2 Z3 AsylG 2005 sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet verloren habe. Schließlich wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß §53 Abs1 und 2 FPG ein auf vier Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen.

3.       Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18. Oktober 2018 wurde der Beschwerdeführer wegen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §27 Abs2a SMG zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten (auf eine Probezeit von drei Jahren) verurteilt.

4.       Die gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht – ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung – mit Erkenntnis vom 19. März 2019 als unbegründet ab. Nach einer wörtlichen Wiedergabe der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, der Sachverhaltsfeststellungen und der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides führte das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Beweiswürdigung aus, bei den maßgeblichen Feststellungen der schlüssigen Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides zu folgen. Demnach sei das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers widersprüchlich und daher als unglaubwürdig zu qualifizieren. Im Herkunftsstaat bzw in der Herkunftsregion Mossul bestehe aktuell auch keine Notlage, welche bei einer Rückkehr die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung iSd Art3 EMRK indizieren würde, sodass die Voraussetzungen für die Gewährung des subsidiären Schutzes nicht vorliegen würden.

5.       Mit Beschluss vom 28. Mai 2019, Ra 2019/14/0197-6, wies der Verwaltungsgerichtshof die gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes

vom 19. März 2019 erhobene außerordentliche Revision zurück, weil keine Rechtsfragen aufgeworfen wurden, denen iSd Art133 Abs4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

6.       Gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19. März 2019 richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.

Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichtes zur Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers nicht hinreichend seien und der Sachverhalt zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nicht völlig geklärt gewesen sei. Sowohl das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als auch das Bundesverwaltungsgericht hätten eine stichhaltige Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers unterlassen. Zudem habe das Bundesverwaltungsgericht aktenwidrige Feststellungen getroffen. So habe das Bundesverwaltungsgericht etwa aktenwidrig festgestellt, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung nicht angegeben hätte, dass er entführt worden sei. In der Erstbefragung habe der Beschwerdeführer jedoch unmissverständlich dargelegt, dass er ein Jahr in der Gefangenschaft des IS gewesen sei.

7.       Das Bundesverwaltungsgericht hat die Verwaltungs- und Gerichtsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der den Beschwerdebehauptungen Folgendes entgegengehalten wird:

"Das Bundesverwaltungsgericht beehrt sich anzuführen, dass die behaupteten Mängel – unter Verweis auf die Begründung im angefochtenen Erkenntnis – bestritten werden.

Was in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof seitens des Beschwerdeführers unerwähnt bleibt ist, dass die hier monierten Verfahrensmängel im Wesentlichen bereits im Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof vorgebracht wurden und dieser hat mit Beschluss vom 28.05.2019, Ra 2019/14/0197-6 (OZ 21) die Revision zurückgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof bestätigte darin, dass das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung die durch die Höchstgerichte mit ihrer Judikatur vorgelegten Leitlinien beachtete und ein ordnungsgemäßes Verfahren führte."

II.      Erwägungen

1.       Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

2.       Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

3.       Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:

3.1.    Das Bundesverwaltungsgericht gibt in seinem Erkenntnis die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die Sachverhaltsfeststellungen und die Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides wörtlich wieder. Die im Bescheid getroffenen Länderfeststellungen, welche auf dem Länderinformationsblatt zur Lage im Irak mit Stand 18. Mai 2018 basieren, werden im Erkenntnis gerafft wiedergegeben. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich ausdrücklich den getroffenen Feststellungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl an. Ebenso folgt es dessen Beweiswürdigung, welche "im Wesentlichen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig" sei. Demnach seien die Schilderungen des Beschwerdeführers widersprüchlich und somit unglaubwürdig.

3.2.    Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich in seinem Erkenntnis zur Gänze auf die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die Sachverhaltsfeststellungen und die Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides. Es trifft weder eigene (aktuelle) Länderfeststellungen im Hinblick auf die Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers noch führt es eine mündliche Verhandlung durch, auf Basis deren es eigene Feststellungen bzw eine entsprechende Beweiswürdigung vornehmen hätte können.

3.3.    Den in Erwiderung auf die Beschwerde ergänzend aufgenommenen Ausführungen zur Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers kommt angesichts der mangelhaften Argumentation kein Begründungswert zu. So hält das Bundesverwaltungsgericht etwa ohne weitere Begründung (und ohne eine mündliche Verhandlung durchgeführt zu haben) pauschal fest, dass der Beschwerdeführer "keine bzw geringe Bereitschaft zeigte, wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Offensichtlich hielt [die beschwerdeführende Partei] es selbst für einen positiven Ausgang des beantragten internationalen Schutzes für abträglich hier den Tatsachen entsprechende Angaben zu machen."

3.4.    Die kurz gehaltenen Ausführungen zur Unglaubwürdigkeit im Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, denen sich das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich anschließt und im Erkenntnis wörtlich wiedergibt, stellen ebenfalls keine substantiierte Begründung dar. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stützte sich im Wesentlichen darauf, dass die Angaben des Beschwerdeführers in den Einvernahmen seiner Aussage in der Erstbefragung völlig widersprechen würden. Allerdings gab der Beschwerdeführer sowohl bei der Erstbefragung als auch in den späteren Einvernahmen gleichbleibend an, vom IS gefangen genommen worden zu sein, weshalb ein "völliger Widerspruch" aus den Akten nicht erkennbar ist.

3.5.    Im Hinblick auf die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigen führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass in der Herkunftsregion Mossul aktuell keine Notlage bestehe, welche bei einer Rückkehr die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung iSd Art3 EMRK indizieren würde. Dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes sind jedoch keine näheren Länderfeststellungen zur Sicherheits- und Versorgungslage in der Herkunftsregion Mossul zu entnehmen. In der gerafften Wiedergabe der im Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl getroffenen Länderfeststellungen wird lediglich festgehalten, dass keine Situation willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde. Demgegenüber wird es laut dem im Bescheid zitierten Länderinformationsblatt "jedoch noch lange dauern, bis in Mossul wieder so etwas wie Sicherheit herrschen wird." So würden Djihadisten hunderte Anschläge durchführen, große Teile der Stadt seien praktisch unbewohnbar und wesentliche Teile der Infrastruktur seien zerstört.

3.6.    Das Bundesverwaltungsgericht hat somit die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens gänzlich unterlassen und sich insbesondere auch nicht mit der aktuellen allgemeinen Lage in jener Region auseinandergesetzt, aus der der Beschwerdeführer stammt. Dadurch hat das Bundesverwaltungsgericht Willkür geübt (vgl VfSlg 18.459/2008; VfGH 23.2.2015, E155/2014; 14.3.2017, E2628/2016; 13.3.2019, E4744/2018; zu den Anforderungen an Länderfeststellungen in den Irak betreffenden Fällen vgl VfGH 26.6.2018, E4387/2017; 25.9.2018, E1764/2018 ua).

4.       Für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht regelt §21 Abs7 BFA-VG den Entfall der mündlichen Verhandlung. Das Absehen von einer mündlichen Verhandlung steht – sofern zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde – jedenfalls in jenen Fällen im Einklang mit Art47 Abs2 GRC, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist (vgl VfSlg 19.632/2012).

Das Absehen von einer mündlichen Verhandlung, wenn diese zur Gewährleistung einer, den Anforderungen des Art47 Abs2 GRC an ein faires Verfahren entsprechenden Entscheidung des erkennenden Gerichtes geboten ist, stellt aber eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß Art47 Abs2 GRC dar (VfGH 13.3.2013, U1175/12 ua; 26.6.2013, U1257/2012; 22.9.2014, U2529/2013; 26.11.2018, E4221/2017).

5.       Eine solche Verletzung von Art47 Abs2 GRC liegt aus folgenden Gründen vor:

5.1.    Hinsichtlich der Beurteilung der mangelnden Glaubhaftmachung des Fluchtvorbringens, der Möglichkeit einer Rückkehr in die Herkunftsregion Mossul sowie des Nichtvorliegens der Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz stützt sich das Bundesverwaltungsgericht ausschließlich auf die Feststellungen bzw Ausführungen des angefochtenen Bescheides. Eine mündliche Verhandlung zur Prüfung der Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers und der Auseinandersetzung – anhand aktueller Länderberichte –, ob dem Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr die reale Gefahr einer Verletzung von durch die EMRK gewährleisteten Rechten droht, hat das Bundesverwaltungsgericht nicht durchgeführt.

5.2.    Die Akten haben jedoch erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung des Sachverhaltes im vorliegenden Fall erwarten ließe. Sowohl die nicht substantiierte Begründung der Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers im Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl als auch die dort festgestellte "völlige Widersprüchlichkeit" der Aussagen des Beschwerdeführers, die zumindest für die Gefangennahme durch den IS mit der Aktenlage nicht übereinstimmt, wären klärungsbedürftig gewesen. Das Bundesverwaltungsgericht hätte daher nicht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen dürfen. Somit ist der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Art47 Abs2 GRC verletzt worden (vgl VfGH 23.2.2015, E155/2014; 10.6.2016, E2108/2015; 24.11.2016, E1079/2016; 13.3.2019, E4744/2018).

III.    Ergebnis

1.       Der Beschwerdeführer ist somit durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander gemäß ArtI Abs1 BVG zur Durchführung des internationalen Abkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung und im Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Art47 Abs2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verletzt worden.

Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

2.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3.       Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– enthalten.

Schlagworte

Asylrecht, Ermittlungsverfahren, Verhandlung mündliche, Entscheidungsbegründung, EU-Recht, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2019:E1494.2019

Zuletzt aktualisiert am

06.12.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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