TE Vwgh Beschluss 2019/11/6 Ra 2019/03/0125

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Veröffentlicht am 06.11.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/10 Grundrechte
19/05 Menschenrechte
20/13 Sonstiges allgemeines Privatrecht
40/01 Verwaltungsverfahren
93 Eisenbahn

Norm

AVG §63
AVG §68 Abs1
EisbEG 1954 §2
EisbEG 1954 §3 Abs1
EisenbahnG 1957 §35
EisenbahnG 1957 §36 Abs1
EisenbahnG 1957 §36 Abs2
MRKZP 01te Art1 Abs1
StGG Art5
VwGVG 2014 §28
VwGVG 2014 §7
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der "R" GmbH in W, vertreten durch die SRG Stock Rafaseder Gruszkiewicz Rechtsanwälte GmbH in 1040 Wien, Schwindgasse 7/6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 1. Juli 2019, Zlen. VGW- 101/042/7674/2019-6, VGW-101/042/7675/2019, VGW- 101/V/042/7896/2019 und VGW-101/V/042/7897/2019, betreffend eine Angelegenheit nach dem EisbEG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien; mitbeteiligte Partei: W KG in W), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheiden der belangten Behörde vom

26. bzw. 29. April 2019 war zugunsten der Mitbeteiligten die Enteignung näher genannter Grundstücksteile von Liegenschaften der Revisionswerberin durch Einräumung von näher konkretisierten Dienstbarkeiten verfügt (Spruchpunkte I.), die Höhe der Enteignungsentschädigung festgesetzt (Spruchpunkte II.), die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde ausgeschlossen (Spruchpunkte III.) und über Sachverständigengebühren bzw. Verwaltungsabgaben abgesprochen worden (Spruchpunkte IV. und V.).

2 Über die dagegen gerichteten Beschwerden der Revisionswerberin entschied das Verwaltungsgericht dahin, dass die Beschwerden, soweit sie sich jeweils gegen den Ausspruch der Enteignung richten (also gegen die Spruchpunkte I. der behördlichen Bescheide), mit Erkenntnis als unbegründet abgewiesen wurden; die ordentliche Revision gegen diese Entscheidung wurde nicht zugelassen. Hinsichtlich der übrigen Spruchpunkte wurden die Beschwerden jeweils mit Beschluss als unzulässig zurückgewiesen; die ordentliche Revision gegen diese Entscheidung wurde gleichfalls nicht zugelassen.

3 Dem legte das Verwaltungsgericht (soweit für das Revisionsverfahren relevant) Folgendes zu Grunde:

4 Grundlage des Enteignungsbescheids sei der Bescheid der belangten Behörde vom (richtig:) 20. Februar 2018 gewesen, mit dem der Mitbeteiligten die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung für einen näher genannten Abschnitt des Neubaus der U-Bahnlinie U2 erteilt worden sei. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen. 5 Die Revisionswerberin sei grundbücherliche Eigentümerin der beiden gegenständlichen Liegenschaften, deren Inanspruchnahme im beantragten Umfang für die Verwirklichung des - durch die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung gedeckten - Vorhabens erforderlich sei, was ein im Verfahren beigezogener eisenbahntechnischer Sachverständiger bestätigt habe. Im Enteignungsverfahren sei hingegen nicht mehr zu prüfen, ob die Enteignung im öffentlichen Interesse liege bzw. ob das umzusetzende Verkehrsprojekt notwendig sei. Die Revisionswerberin sei über das erforderliche Ausmaß der Inanspruchnahme ihrer Liegenschaften in Kenntnis gesetzt worden, eine Einigung über die Entschädigungshöhe sei trotz ernsthafter Bemühungen der Mitbeteiligten, die auch dazu einen Sachverständigen beigezogen habe, nicht zustande gekommen.

6 Die Voraussetzungen für den Ausspruch der Enteignung seien also vorgelegen, weshalb die Beschwerden insoweit - mit Erkenntnis - abzuweisen gewesen seien.

7 Hingegen seien die Beschwerden, soweit sie sich gegen die Spruchpunkte II. bis V. der behördlichen Bescheide richteten, aus näher dargelegten Gründen unzulässig und deshalb insoweit - mit Beschluss - zurückzuweisen gewesen.

8 Gegen das genannte Erkenntnis richtet sich die vorliegende - außerordentliche - Revision.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 12 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung der Revision legt nicht dar, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen hätte.

13 Die Revision macht geltend, die Revision sei zulässig, weil sich das Verwaltungsgericht (ausgehend von der Annahme einer Bindung an den eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsbescheid) nicht mit dem Vorbringen der Revisionswerberin zur Mangelhaftigkeit des Edikts und den daraus resultierenden Rechtsfolgen auseinandergesetzt habe. Da der eisenbahnrechtliche Baugenehmigungsbescheid gegenüber der Revisionswerberin im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses noch nicht in Rechtskraft erwachsen sei, sei der vorliegende Fall nicht mit jenem vergleichbar, der dem Erkenntnis VwGH 12.11.1986, 85/03/0054, zu Grunde gelegen sei.

14 Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

15 Zum Verhältnis zwischen eisenbahnrechtlicher Baugenehmigung

und darauf aufbauender Enteignung wird vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung judiziert, dass die rechtskräftige eisenbahnrechtliche Baugenehmigung den Umfang der für die Herstellung und den Betrieb der Eisenbahn im Sinne des § 2 EisbEG notwendigen Baumaßnahmen verbindlich festlegt. Vor diesem Hintergrund kann der Eigentümer einer durch den rechtskräftigen Baugenehmigungsbescheid betroffenen Liegenschaft im Enteignungsverfahren nicht mehr einwenden, die Inanspruchnahme liege nicht im öffentlichen Interesse. Vielmehr ist im Enteignungsverfahren nur mehr zu prüfen, in welchem Umfang eine Enteignung für die Ausführung dieser Maßnahmen erforderlich ist (vgl. VwGH 27.11.2012, 2012/03/0148, mwN).

16 Die Erhebung einer Revision - bzw. früher einer Beschwerde -

an den Verwaltungsgerichtshof ändert für sich an der Rechtskraft nichts (vgl. nur etwa VwGH 4.2.2019, Ra 2019/11/0006;

VwGH 3.5.2018, Ra 2018/11/0028; VwGH 15.3.2011, 2010/05/0165;

VwGH 28.4.2006, 2004/05/0194; VwGH 12.11.1986, 85/03/0054). 17 Da die von der Revisionswerberin behauptete Mangelhaftigkeit des Ediktalverfahrens nicht vorlag, hat das Verwaltungsgericht die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsbescheid zu Recht als unzulässig zurückgewiesen (vgl. den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom heutigen Tag, Ra 2019/03/0124, auf den gemäß § 43 Abs. 2 iVm Abs. 9 VwGG verwiesen wird).

18 Da eine unzulässige Beschwerde - gleich wie eine unzulässige Berufung - den Eintritt der Rechtskraft nicht hindert (vgl. VwGH 10.7.2018, Ra 2018/05/0167; VwGH 15.3.2011, 2010/05/0165; VwGH 16.12.2003, 2002/05/0483), kommt dem von der Revision ins Treffen geführten Umstand, im Zeitpunkt der Erlassung des nunmehr angefochtenen Erkenntnisses (über die Enteignung) sei das Beschwerdeverfahren über die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung "noch anhängig" gewesen (ausgehend vom Vorbringen der Revisionswerberin sei das Erkenntnis am 5. Juli 2019 zugestellt worden, der Beschluss über die Zurückweisung der Beschwerde erst am 8. Juli 2019), keine Bedeutung zu. 19 Nach dem Gesagten werden in der Revision keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 6. November 2019

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019030125.L00

Im RIS seit

09.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

09.12.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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