TE Vwgh Erkenntnis 1986/11/12 85/03/0054

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Veröffentlicht am 12.11.1986
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Index

Öff Verkehr - Eisenbahn

Norm

AVG §38
AVG §68 Abs1
BaumschutzG Wr 1974 §4
BaumschutzG Wr 1974 §5
EisbEG 1954 §11
EisbEG 1954 §17
EisbEG 1954 §2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Baumgartner, Dr. Weiss, Dr. Leukauf und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Riha, über die Beschwerde des Dr. FM in W, vertreten durch Dr. Josef Olischar, Rechtsanwalt in Wien IX, Ferstelgasse 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 4. Februar 1985, Zl. EB 42.071/3-II/4/85, betreffend Enteignung zur Begründung von Dienstbarkeiten (mitbeteiligte Partei: Stadt Wien als Alleininhaberin der Wiener Stadtwerke-Verkehrsbetriebe, Generaldirektion in Wien VI, Rahlgasse 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Landeshauptmann von Wien verfügte mit Bescheid vom 13. November 1984 gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 und 4 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 auf Antrag der mitbeteiligten Partei bezüglich der im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden Liegenschaft EZ n1, Kat.Gem. Landstraße, die Enteignung zur Begründung folgender Dienstbarkeiten zugunsten der mitbeteiligten Partei:

"1. Auf Dauer zu Lasten des Grundstückes 609 in Ansehung des in dem Servitutsplan des Ing. Kons. f. Verm. Wesen Dipl. Ing. ME, GZ 1863/81, vom 21. Juni 1983 im Grundriß und Schnitt braun umrandet dargestellten Raumes im Ausmaß von 465 m2 die Duldung der Errichtung einer U-Bahn-Tunnelröhre sowie die Duldung des Bestandes und der Benützung dieser Tunnelröhre für den Betrieb der U-Bahn in der genehmigten Form und Ausgestaltung, sämtliches durch die Stadt Wien als Alleininhaberin der protokollierten Firma Wiener Stadtwerke - Verkehrsbetriebe bzw. durch von ihr ermächtigte dritte Personen.

2. Auf Baudauer, längstens bis 30. April 1987, zu Lasten des Grundstückes n2 in Ansehung des im Servitutsplan des Ing. Kons. f. Verm. Wesen Dipl. Ing. ME, GZ 1863/81, vom 21. Juni 1983 im Grundriß und Schnitt blau umrandet dargestellten Raumes im Ausmaß von 1.073 m2 die Duldung der Durchführung aller zum Ausbau des im Punkt 1. bezeichneten U-Bahn-Bauwerkes notwendigen Baumaßnahmen in der von der Eisenbahnbehörde genehmigten Form und Ausgestaltung, sämtliches durch die Stadt Wien als Alleininhaberin der protokollierten Firma Wiener Stadtwerke- Verkehrsbetriebe bzw. durch von ihr ermächtigte dritte Personen."

Die gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer eingebrachte Berufung wies der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr mit Bescheid vom 4. Februar 1985 ab. In der Begründung seines Bescheides führte der Bundesminister zum Einwand des Beschwerdeführers in der Berufung, er habe gegen den Bescheid des Landeshauptmannes vom 26. April 1984, mit dem die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung zur Herstellung des in Rede stehenden U-Bahn-Tunnels genehmigt worden sei, Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben und es stehe daher, wenn der Verwaltungsgerichtshof seiner Beschwerde stattgebe, keineswegs der Verlauf des U-Bahn-Tunnels im Bereich seiner Liegenschaft fest, aus, daß der zitierte Baugenehmigungsbescheid in Rechtskraft erwachsen sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe dem Antrag des Beschwerdeführers, der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht stattgegeben, sodaß die Herstellung des U-Bahntunnels genehmigt erscheine. Dem weiteren Einwand des Beschwerdeführers in der Berufung, es stünden auf dem gegenständlichen Grundstück Bäume und es liege für die Baumfällung keine Bewilligung vor, zumindest sei ihm ein diesbezüglicher Bescheid nicht zugestellt worden - er habe nie einen Antrag auf Bewilligung der Baumfällungen gestellt und es wäre auch wegen der fehlenden Antragslegitimation ein durchgeführtes Verwaltungsverfahren nach dem Baumschutzgesetz mit Nichtigkeit behaftet -, weshalb er den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens gemäß § 38 AVG 1950 gestellt habe, entgegnete der Bundesminister, daß die erforderlichen Baumfällungen mit Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes für den 3. Bezirk vom 19. Juni 1984 bewilligt worden seien. Dies sei dem Beschwerdeführer von der Erstbehörde bei der mündlichen Verhandlung am 6. November 1984 bekanntgegeben worden. Der Beschwerdeführer sei daher hinsichtlich seiner Behauptung, daß das Verfahren nach dem Baumschutzgesetz eine Vorfrage gemäß § 38 AVG 1950 darstelle, klaglos gestellt. Da dieses Verfahren weiters vor Abschluß des Enteignungsverfahrens durch den angeführten Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes für den 3. Bezirk finalisiert worden sei, der Beschwerdeführer aber kein Interesse an den Baumfällungen habe, könnte dieser Bescheid nur nach positivem Abschluß des Enteignungsverfahrens exekutiert werden und sei daher als aufschiebend bedingt erlassen anzusehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor. Sie und die mitbeteiligte Partei erstatteten Gegenschriften, in denen die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 kann das Enteignungsrecht zu einer dauernden oder vorübergehenden Enteignung nur insoweit ausgeübt werden, als es die Herstellung und der Betrieb der Eisenbahn notwendig machen. Gemäß § 11 leg. cit. werden Gegenstand und Umfang der Enteignung auf Grund der dafür maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse und unter Berücksichtigung des Ergebnisses einer mündlichen Verhandlung, die zur Prüfung des die Anlage der Bahn darstellenden Bauentwurfes vorgenommen wird, festgestellt. Gemäß § 17 Abs. 2 leg. cit. ist die Entscheidung, soweit sie von der dem Bundesministerium für Verkehr und verstaatlichte Betriebe (nunmehr Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr) zustehenden Erledigung einer Frage abhängt - vgl. dazu etwa § 11 des Eisenbahngesetzes 1957 -, bis zum Bekanntwerden der endgültigen Erledigung des Antrages aufzuschieben.

Daß einer der im § 17 Abs. 2 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 angeführten Tatbestände vorliege, die einen Aufschub der Entscheidung über die Enteignung erforderlich gemacht hätte, wird selbst vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Er wendet auch nicht ein - dies sei vorweg bemerkt -, daß das Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 eine Bestimmung dahin enthalte, die die Enteignung vom Vorliegen einer nach anderen Rechtsvorschriften erforderlichen Bewilligung abhängig mache. Der Beschwerdeführer bringt vielmehr in der vorliegenden Beschwerde wie schon im Verwaltungsverfahren vor, daß er gegen den "präjudiziellen eisenbahnrechtlichen Baubewilligungsbescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 26.4.1984" Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht habe, sodaß der Verlauf des U-Bahntunnels im Bereich seiner Liegenschaft keinesfalls feststehe. Die eisenbahnrechtliche Baubewilligung sei zwar formell rechtskräftig, jedoch nicht endgültig, da - falls der Verwaltungsgerichtshof seiner Beschwerde stattgebe - mit einem anderen U-Bahntunnelverlauf zu rechnen sei, der seine Liegenschaft nicht berühre. Es sei derzeit überhaupt nicht überprüfbar, ob die beantragte Enteignung erforderlich sei, um den U-Bahnbau durchführen zu können. Da somit die Erforderlichkeit der Enteignung abschließend noch nicht beurteilt werden könne, hätte mit der beantragten Enteignung zugewartet oder das diesbezügliche Verfahren bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über seine Beschwerde gegen den eisenbahnrechtlichen Baubewilligungsbescheid ausgesetzt werden müssen.

Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun. Im Beschwerdefall lag der belangten Behörde eine rechtskräftige Baugenehmigung für das in Rede stehende Projekt, zu dessen Gunsten die Enteignung beantragt worden war, vor. Mit dem von der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides angeführten Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 26. April 1984 wurde gemäß § 35 Abs. 1 bis 3 und § 36 Abs. 1 und 2 des Eisenbahngesetzes 1957 die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung für die Lage der Hoch- und Kunstbauten und der ortsfesten eisenbahntechnischen Einrichtungen sowie für die tiefbaumäßigen Herstellungen in den Bauabschnitten 1. bis 4. der neuprojektierten U-Bahnlinie U 3 der Wiener U-Bahn erteilt. Dieser Bescheid erwuchs unbestritten in Rechtskraft. Damit stand auch der Verlauf des U-Bahntunnels, durch den die Liegenschaft des Beschwerdeführers unterquert wird, für die Behörde bindend fest. Diesen Bescheid hatte die belangte Behörde, die von der Rechts- und Sachlage im Zeitpunkte ihrer Entscheidung auszugehen hatte, ungeachtet der vom Beschwerdeführer gegen den Baugenehmigungsbescheid beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde der Beurteilung der Notwendigkeit der beantragten Enteignung zugrundezulegen, ohne daß sie gehalten war, mit der Entscheidung über die Enteignung bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Beschwerde gegen die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung zuzuwarten. In Hinsicht darauf, daß über die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung von der hiezu zuständigen Behörde bereits rechtskräftig entschieden worden war, war die belangte Behörde auch gar nicht berechtigt, das Enteignungsverfahren gemäß § 38 AVG 1950 auszusetzen.

Auch der weitere vom Beschwerdeführer ebenfalls schon im Verwaltungsverfahren vorgetragene Einwand, daß zur Herstellung des geplanten U-Bahntunnels vorerst auf seiner Liegenschaft stehende Bäume gefällt werden müßten und für eine Fällung der Bäume die nach dem Baumschutzgesetz erforderliche Bewilligung nicht vorliege, ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Die belangte Behörde ging nach der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, daß mit Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes für den 3. Bezirk vom 19. Juni 1984 die erforderlichen Baumfällungen bewilligt wurden. Demgegenüber vertritt der Beschwerdeführer den Standpunkt, daß wegen der fehlenden Antragslegitimation das nach dem Baumschutzgesetz durchgeführte Verfahren nichtig sei. Da es um die Bewilligung von Baumfällungen auf einer in seinem Eigentum stehenden Liegenschaft gehe, wäre ihm der angeführte Bescheid jedenfalls zuzustellen gewesen.

Gemäß § 4 Abs. 1 des Wiener Baumschutzgesetzes, LGBl. Nr. 27/1974, bedarf das Entfernen von diesem Gesetz unterliegenden Bäumen einer behördlichen Bewilligung. Antragsberechtigt für eine Bewilligung nach § 4 ist gemäß § 5 Abs. 1 leg. cit. der Grundeigentümer (Bauberechtigte), im Falle der Bestandgabe oder sonstigen Überlassung zur Nutzung unbeschadet allfälliger zivilrechtlicher Verpflichtungen auch der Bestandnehmer oder sonstige Nutzungsberechtigte.

Ob die belangte Behörde angesichts dieser Rechtslage im Hinblick auf das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Berufung, daß er niemals einen solchen Antrag nach dem Wiener Baumschutzgesetz gestellt habe, die mitbeteiligte Partei zur Antragstellung nicht legitimiert gewesen sei und daß ihm als Grundeigentümer ein diesbezüglicher Bescheid auch nie zugestellt worden sei, ohne weiteres das Vorliegen eines rechtskräftigen Bewilligungsbescheides nach § 5 des Wiener Baumschutzgesetzes annehmen durfte, kann im Beschwerdefall aber auf sich beruhen. Das Vorliegen einer derartigen Bewilligung ist nämlich keine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Enteignung. Bei der im § 4 des Wiener Baumschutzgesetzes normierten Bewilligungspflicht handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Beschränkung des Eigentums, der zwar der jeweilige Grundeigentümer (Bestandnehmer, Nutzungsberechtigter) unterliegt, die aber eine gleichfalls im öffentlichen Recht beruhende notwendige Enteignung nicht hindert. Vielmehr wird erst auch diesbezüglich mit der Enteignung, da vom Beschwerdeführer als Enteignungsgegner zu Recht eine Antragstellung nach § 4 des Wiener Baumschutzgesetzes nicht erwartet werden kann, für denjenigen, zu dessen Gunsten die Enteignung ausgesprochen wird, die Möglichkeit geschaffen, die Bewilligung für das zur Verwirklichung des Projektes erforderliche Entfernen von Bäumen zu erlangen. Solcherart war die Frage nach dem Vorliegen der Bewilligung nach dem Wiener Baumschutzgesetz in dem von der belangten Behörde durchzuführenden Enteignungsverfahren keine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG 1950, noch stand das Fehlen einer derartigen Bewilligung der von der belangten Behörde verfügten Enteignung entgegen. (Vgl. dazu auch die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. November 1967, Zl. 637/65, und vom 20. September 1968, Zlen. 467 bis 470/66; hinsichtlich der zitierten, nichtveröffentlichten hg. Entscheidungen wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.)

Da sich die Beschwerde sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 und Abs. 3 Z. 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 und C Z. 7 sowie Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 12. November 1986

Schlagworte

Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1986:1985030054.X00

Im RIS seit

04.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

04.12.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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