TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/30 93/13/0061

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Veröffentlicht am 30.09.1998
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §303 Abs4;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde der Mag. K in W, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien I, Johannesgasse 16, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VI) vom 26. Februar 1993, Zl. 6/3 - 3393/92-05, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens (Umsatzsteuer 1986 und 1987 sowie Einkommensteuer 1986 bis 1988), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bei der Beschwerdeführerin, die im Verwaltungsverfahren ihre Tätigkeit als wissenschaftlich, unterrichtend und schriftstellerisch bezeichnet hat, fand für die Jahre 1986 bis 1989 eine abgabenbehördliche Prüfung statt. Dabei vertrat der Prüfer unter anderem die Auffassung, daß verschiedene Entgelte, für die die Beschwerdeführerin sowohl die Umsatzsteuerbefreiung gemäß § 6 Z. 14 UStG 1972 (Umsätze aus schriftstellerischer Tätigkeit) als auch die Einkommensteuerbefreiung gemäß § 3 Z. 5 lit. b EStG 1972 (Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln zur unmittelbaren Förderung von Wissenschaft und Forschung) in Anspruch genommen hatte, nicht unter die genannten Steuerbefreiungsbestimmungen subsumierbar seien. Eine schriftstellerische Tätigkeit liege deswegen nicht vor, weil die von der Beschwerdeführerin verfaßten Studien wissenschaftlichen Charakters nicht zur Veröffentlichung bestimmt gewesen seien, und das Vorliegen von Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln sei deswegen zu verneinen, weil bei den Zuwendungen in Wahrheit der Entlohnungscharakter für die von der Beschwerdeführerin erbrachten Leistungen im Vordergrund gestanden sei.

Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ nach Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatzsteuer 1986 und 1987 sowie Einkommensteuer 1986 bis 1988 entsprechende Sachbescheide.

Die Beschwerdeführerin erhob sowohl gegen die Wiederaufnahme der Verfahren als auch gegen die Sachbescheide Berufung und brachte vor, daß keine neuen Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen seien. Es seien sowohl die gemäß § 3 Z. 5 EStG 1972 steuerfreien Einkünfte als auch ein diesbezüglicher Vertrag offengelegt worden.

In seiner Stellungnahme zur Berufung pflichtete der Betriebsprüfer der Beschwerdeführerin insofern bei, als das Finanzamt hinsichtlich eines Teiles der strittigen Einkünfte tatsächlich bereits in den Erstbescheiden die Steuerbegünstigung versagen hätte können, weil der maßgebende Sachverhalt diesbezüglich offengelegt worden sei. Auf andere Einkünfte, für die ebenfalls die Steuerbegünstigungen in Anspruch genommen worden seien "(Uni Klagenfurt, Expertenseminar, Schwupp Di Wupp, Frauenabenduni)" treffe dies jedoch nicht zu.

Die Beschwerdeführerin trat dieser Stellungnahme lediglich mit dem Argument entgegen, das "Nichttätigwerden (es wäre ja ohne weiteres möglich gewesen, zu den Steuererklärungen entsprechende Vorhalte zu erlassen)" könne nicht dazu führen, daß nunmehr von neu hervorgekommenen Tatsachen gesprochen werde.

In der Folge wurde die Berufung als verspätet zurückgewiesen. Eine dagegen erhobene, unter hg. Zl. 92/13/0141 protokollierte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof führte nach Aufhebung des Zurückweisungsbescheides hinsichtlich der Wiederaufnahme der Verfahren durch den Bundesminister für Finanzen insoweit zur Klaglosstellung, als sich die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend die Wiederaufnahme der Umsatzsteuer- und Einkommensteuerverfahren richtete. Da sich die Beschwerdeführerin über Anfrage des Gerichtshofes als "vollkommen klaglosgestellt" erklärte, weil sich ihre Beschwerde nur gegen die Wiederaufnahme der Verfahren gerichtet habe, wurde das verwaltungsgerichtliche Verfahren mit Beschluß vom 25. November 1992, Zl. 92/13/0141, gemäß § 33 Abs. 1 VwGG eingestellt.

Im fortgesetzten Verfahren betreffend die Wiederaufnahme der Verfahren fand am 25. Februar 1993 eine mündliche Verhandlung statt, an der sowohl die Beschwerdeführerin als auch ihr steuerlicher Vertreter teilnahmen. Dabei wurde - ohne nähere Begründung - das Vorbringen wiederholt, es lägen keine Wiederaufnahmsgründe vor. Die Beschwerdeführerin verwies zusätzlich darauf, daß sie die Umsatzsteuer den Auftraggebern in Rechnung gestellt hätte, wenn ihr die Rechtsansicht des Finanzamtes bekannt gewesen wäre. Es sei ihrer Meinung nach "für einen Staatsbürger unzumutbar, sich nicht auf den Inhalt eines Bescheides verlassen zu können, der dann in der Folge aufgrund der Feststellungen der Betriebsprüfung abgeändert wird". Außerdem wurden diverse Schriftstücke vorgelegt, mit denen unter anderem dargelegt werden sollte, daß ein Teil der der Umsatzsteuer unterzogenen Entgelte in Wahrheit aus einem Dienstverhältnis stammten; weiters wurden Honorarnoten über Leistungen, die von dritter Seite an die Beschwerdeführerin erbracht worden waren, vorgelegt und die betreffenden Beträge als Betriebsausgaben geltend gemacht.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Die Beschwerdeführerin habe nicht bestritten, daß hinsichtlich einiger der ihr zugeflossenen Entgelte im Betriebsprüfungsverfahren neue Sachverhaltselemente hervorgekommen seien. Daß das Finanzamt schuldhaft bei Erlassung der Erstbescheide kein ausreichendes Ermittlungsverfahren durchgeführt habe, stehe einer Wiederaufnahme des Verfahrens ebensowenig entgegen wie der von der Beschwerdeführerin angesprochene Vertrauensschutz.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erklärt sich in ihren Rechten auf ein mängelfreies Berufungsverfahren, auf Unterbleiben der Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn hiefür die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, und auf Berücksichtigung von gewinnmindernden Betriebsausgaben verletzt.

Dazu ist folgendes zu sagen: Im Recht auf ein mängelfreies Verfahren kann ein Beschwerdeführer nur verletzt sein, wenn er die Relevanz der von ihm behaupteten Verfahrensmängel dartut. Die Beschwerde muß demnach ein Vorbringen enthalten, aus dem erkennbar ist, inwiefern der von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegte Sachverhalt unvollständig geblieben ist oder unrichtig ermittelt wurde. Die diesbezüglichen Fakten müssen konkret angeführt werden. Der allgemein gehaltene Hinweis, der Sachverhalt bedürfe einer Ergänzung oder einzelne festgestellte Sachverhaltselemente entsprächen nicht dem tatsächlichen Geschehen, reicht nicht aus, um einen entscheidungsrelevanten Verfahrensmangel darzutun, wenn das zu ergänzende oder zu korrigierende Sachverhaltselement nicht in einer Weise dargestellt wird, das die Überprüfbarkeit seiner Relevanz für den angefochtenen Bescheid durch den Verwaltungsgerichtshof ermöglicht.

Im Beschwerdefall wurde kein derartiges konkretisiertes Vorbringen erstattet. Es wurde lediglich die bereits im Verwaltungsverfahren aufgestellte Behauptung, es lägen keine Wiederaufnahmsgründe vor, in allgemein gehaltener Form wiederholt. Der Feststellung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, es seien im Zuge der Betriebsprüfung sehr wohl Sachverhaltselemente (insbesondere vertragliche Abmachungen) neu hervorgekommen, die zu anders lautenden Abgabenbescheiden geführt hätten, wird in der Beschwerde nichts entgegengesetzt. Im Verwaltungsverfahren wurde dem lediglich entgegengehalten, die Abgabenbehörde hätte bereits im Erstverfahren durch entsprechende Vorhalte Klarheit schaffen können und man müsse davon ausgehen dürfen, daß die Abgabenbehörde ihrer Verpflichtung zur Durchführung eines mängelfreien Ermittlungsverfahrens nachkomme. Das Vertrauen auf eine derartige rechtskonforme Vorgangsweise der Abgabenbehörde dürfe durch eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht verletzt werden.

Zu Recht verweist die belangte Behörde auf die hg. Judikatur, wonach auch ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren grundsätzlich kein Hindernis für eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens darstellt. Daß die belangte Behörde von dem bei der amtswegigen Wiederaufnahme des Verfahrens zu übenden Ermessen in rechtswidriger Weise Gebrauch gemacht hätte, wird von der Beschwerde nicht behauptet und ist auch für den Gerichtshof nicht zu erkennen.

Zur Verfahrensrüge, dem steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin sei, ohne daß "der mindeste Anlaß bestand", in der mündlichen Verhandlung das Wort entzogen worden, ist ebenfalls auf die obigen Ausführungen zu verweisen, wonach die Relevanz allfälliger Verfahrensmängel in der Beschwerde darzutun ist. Die Beschwerde enthält aber keine Ausführungen darüber, an welchem konkreten Vorbringen die Beschwerdeführerin bzw. ihr steuerlicher Vertreter durch die behauptete Entziehung des Wortes gehindert worden wäre.

Was schließlich die geltend gemachte Rechtsverletzung betrifft, die die Beschwerdeführerin darin erblickt, daß ihr die Möglichkeit genommen worden sei, im Berufungsverfahren den Abzug "beträchtlicher Betriebsausgaben" zu erwirken, ist der belangten Behörde Recht zu geben, daß Gegenstand des Berufungsverfahrens nur die Bescheide betreffend die Wiederaufnahme von Abgabenverfahren, nicht jedoch die diesbezüglichen Sachbescheide selbst waren. Wird einer solchen Berufung stattgegeben, so scheiden die auf der (beseitigten) Wiederaufnahme des Verfahrens beruhenden Sachbescheide aus dem Rechtsbestand aus, ohne daß es weiterer Verfahrensschritte bedürfte. Wird einer solchen Berufung nicht stattgegeben, so bleiben auch die Sachbescheide unverändert. Eine neuerliche Entscheidung über die Sachbescheide im Berufungsverfahren würde voraussetzen, daß auch die Sachbescheide mit Berufung angefochten wurden und daß diese Berufung zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Berufung gegen die Wiederaufnahmebescheide noch offen ist. Dies trifft jedoch im Beschwerdefall nicht zu, weil die Berufung gegen die Sachbescheide zu diesem Zeitpunkt bereits rechtskräftig zurückgewiesen worden war.

Die Beschwerde erweist sich somit zur Gänze als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 30. September 1998

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH AllgemeinIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1993130061.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

05.03.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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