TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/22 G306 2173125-4

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Veröffentlicht am 22.07.2019
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Entscheidungsdatum

22.07.2019

Norm

BFA-VG §22a
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76

Spruch

G306 2173125-4/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER, als Einzelrichter im Rahmen des Verfahrens über die amtswegige Überprüfung der Anhaltung des XXXX, geboren XXXX, StA.

Marokko, in Schubhaft, zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Feststellungen:

Der Beschwerdeführer (BF) ist Staatsangerhöriger Marokkos und besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

Der BF ist gesund und ist haftfähig.

Der BF weist im Bundesgebiet folgende strafrechtliche Verurteilungen auf:

01) "LG XXXX vom XXXX2016 RK XXXX2016

§ 15 StGB §83 (1) StGB

§ 107 (1,2) StGB

Datum der (letzten Tat XXXX07.2016

Freiheitsstrafe 6 Monate 7 Wochen, davon Freiheitsstrafe 6 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

zu LG XXXX RK XXXX2016

LG XXXX vom XXXX2016"

Der BF reiste spätesten am 12.04.2016 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Der BF wurde kurze Zeit später straffällig und vom Landesgericht XXXX zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten und 7 Wochen, wobei der Teil von 6 Monate bedingt - Probezeit 3 Jahre - nachgesehen wurde.

Nach der Entlassung aus der Haft tauchte der BF unter. Das Asylverfahren wurde vom BFA mit Bescheid vom 13.12.2016 negativ beschieden. Es wurde gleichzeitig eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Marokko zulässig ist. Dieser Bescheid erwuchs am 29.12.2016 in Rechtskraft.

Am 01.03.2017 erfolgte eine schriftliche Beantragung bezüglich Erlangung eines Heimreisezertifikates (HRZ) bei der marokkanischen Botschaft. Am 19.06.2017 wurde über den BF die Schubhaft verhängt. Am 25 08.2017 stellte der BF neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des BFA vom 11.09.2017 wurde dieser Antrag wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen. Am 05.12.2017 wurde der BF wieder aus der Schubhaft entlassen. Ab 21.12.2017 war der BF im Bundesgebiet nicht mehr gemeldet.

Am XXXX03.2019 wurde der BF im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle im Stadtgebiet von XXXX aufgegriffen, einer Kontrolle unterzogen und festgenommen. Der BF befindet sich seit dieser Zeit - XXXX03.2019, XXXX Uhr durchgehend in Schubhaft.

Am 26.06.2019 erfolgte gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die erste Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft, es wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt und wurde vom Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) festgestellt, dass die weitere Anhaltung als verhältnismäßig erachtet wird.

Am 12.07.2019 erfolgte gegenständlich die zweite Aktenvorlage bezüglich Überprüfung der Verlängerung der Schubhaft - Verhältnismäßigkeitsüberprüfung - gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG.

Erwägungen:

Die belangte Behörde hat sich weiterhin um die Erlangung eines HRZ bemüht. Sie führte schriftliche Urgenzen am 05.02.2019, 19.03.2019, 08.04.2019 durch. Die letzte Urgenz bei der Botschaft von Marokko fand am 10.07.2019 statt.

Da der BF einen marokkanischen Personalausweis besitzt, geht die Behörde davon aus, dass die Erlangung eines HRZ in absehbarer Zeit möglich sein wird.

Bei der mündlichen Verhandlung vom 26.06.2019 - erste amtwegige Überprüfung - wurde der BF gefragt ob er freiwillig nach Marokko zurückkehren würde. Der BF gab zur Antwort, dass wenn er freigelassen werde, er Österreich verlassen würde. Er werde versuchen nach Marokko zu gelangen. Würde er dies nicht schaffen, so werde er in ein anderes Land kommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen:

Festgestellt wird, dass der BF seit XXXX03.2019, XXXX Uhr durchgängig in Schubhaft angehalten wird, dass er haftfähig ist und keine Umstände hervorgekommen sind, die eine Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts indizieren oder Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft erwecken. Festgestellt wird, dass vor dem BVwG bereits am 26.06.2019 die erste Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG stattgefunden hat.

Festgestellt wird, dass die Behörde das Verfahren zur Erlangung eines HRZ rechtzeitig und mit Nachdrücklichkeit geführt hat und auch weiterhin mit ihr zur Verfügung stehenden Mitteln versucht ein dieses zu erlangen.

Aufgrund des bisher gezeigten Verhalten des BF ist davon auszugehen, dass beim BF nach wie vor eine hohe Fluchtgefahr besteht und diese, da er nunmehr - durch Sicherstellung seines marokkanischen Personalausweises - damit rechnen muss, tatsächlich nach Marokko überstellt werden zu können, noch erheblich angestiegen ist. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Weiterführung der Schubhaft zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung nach wie vorgegeben, sie ist auch verhältnismäßig und erforderlich.

Der BF verfügt über keinerlei berufliche, familiäre oder sonstige soziale Bindungen in Österreich, er hat keinen Wohnsitz und ist in keiner Weise selbsterhaltungsfähig. Der BF ist bereits rechtskräftig strafrechtlich verurteilt worden. Der BF wies seit dem 21.12.2017 keine behördliche Meldung im Bundesgebiet auf. Es konnte dem BF auch kein Glaube geschenkt werden, dass er versuchen würde freiwillig nach Marokko zurückzukehren. Hat er doch im März 2019 vorerst einen Antrag auf freiwillige Rückkehr gestellt und diesen Antrag wieder am 06.06.2019 zurückgezogen.

Beweiswürdigung:

Den Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts.

Aufgrund des bisherigen Verhalten des BF steht fest, dass der BF nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren möchte, bzw. nicht gewillt ist, sich Rechtsordnungen entsprechend zu verhalten. Sein bisheriges Verhalten und seine Lebensweise lassen keine Zweifel daran, dass der BF in Österreich nicht integriert ist und dass er seine Freilassung nur dazu nützen wird, sich seiner Abschiebung zu entziehen und wiederum Straftaten zu begehen bzw. wieder unterzutauchen.

Die Behörde ist zutreffend von hoher Fluchtgefahr und akutem Sicherungsbedarf hinsichtlich des BF ausgegangen, was die Verhängung der Schubhaft und das Absehen eines gelinderen Mittels rechtfertigte. Die Schubhaft ist im Hinblick auf sein bisheriges Verhalten und unter Berücksichtigung aller Umstände auch verhältnismäßig.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt A. - Fortsetzung der Schubhaft

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakte so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakte gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

Gemäß § 76 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn 1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei ist das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig. Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann. Die Verhängung der Schubhaft darf stets nur ultima ratio sein.

Die Behörde hat im Sinne der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen zu Recht die Schubhaft wegen Fluchtgefahr angeordnet, weil aus dem vergangenen Verhalten des BF mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der BF seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt. Die Behörde hat im Hinblick auf das bisherige Verhalten des BF und seine unzureichende Verankerung im Bundesgebiet zu Recht eine hohe Fluchtgefahr und akuten Sicherungsbedarf angenommen. Der BF hat keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde, die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände auch verhältnismäßig. Das Verhalten des BF in der Vergangenheit schließt auch die Anordnung gelinderer Mittel aus. Es besteht nicht nur ein grundsätzliches öffentliches Interesse am effizienten Vollzug des Fremdenrechts, wie die politische Diskussion in der Bundesregierung und in der Öffentlichkeit aktuell zeigt, besteht auch ein erhebliches öffentliches Interesse, Fremde nach abgeschlossenem negativen Asylverfahren, die sich ohne Rechtsgrundlage in Österreich aufhalten, außer Landes zu bringen. In diesem Sinne hat die Behörde bisher alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel eingesetzt um ein HRZ für den BF erlangen zu können.

Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihres Zukunftsbezuges keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen. Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Entfall einer mündlichen Verhandlung

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und die Anberaumung einer Verhandlung auch nicht beantragt wurde, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFAVG iVm 24 Abs. 4 VwGVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Zu Spruchpunkt B. (Unzulässigkeit der Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der einschlägigen Erkenntnisse des VwGH vom 19.02.2015, Zl. Ro 2013/21/0075, vom 23.04.2015, Zl. Ro 2014/21/0077, und vom 19.05.2015, Zl. Ro 2014/21/0071, sowie auch der die Schubhaft betreffenden Erkenntnisse des VfGH vom 12.03.2015, G 151/2014 ua., und E 4/2014.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Interessenabwägung, öffentliche Interessen, Schubhaft,
Sicherungsbedarf, Verhältnismäßigkeit, Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G306.2173125.4.00

Zuletzt aktualisiert am

24.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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