TE Vwgh Erkenntnis 1998/10/14 97/01/1092

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Veröffentlicht am 14.10.1998
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Index

L70300 Buchmacher Totalisateur Wetten;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
Totalisateur Buchmacherwetten Gebühren 1919 §1 Abs1;
Totalisateur Buchmacherwetten Gebühren 1919 §1 Abs3;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):97/01/1093

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerden der C-Gesellschaft m.b.H. in Wien, vertreten durch Dr. Sieglinde Schubert, Rechtsanwalt in 1190 Wien, Gatterburggasse 16, gegen die Bescheide der Wiener Landesregierung 1. vom 18. August 1997, Zl. MA 7 - VA 1096/97, und

2. vom 7. August 1997, Zl. MA 7 - VA 1097/97, jeweils betreffend Bewilligung zum Abschluß von Wetten aus Anlaß sportlicher Veranstaltungen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 30.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 18. August 1997 hat die Wiener Landesregierung (die belangte Behörde) den Antrag der Beschwerdeführerin "um Erteilung der Bewilligung für den gewerbsmäßigen Abschluß von Wetten aus Anlaß sportlicher Veranstaltungen" - so die spruchgemäße Umschreibung des Antrags - in 21 "weiteren Betriebsstätten" (darunter in Wien 23, Breitenfurterstraße 330A) gemäß § 1 Abs. 3 des Gesetzes vom 28. Juli 1919, StGBl. Nr. 388, betreffend Gebühren von Totalisateur- und Buchmacherwetten sowie Maßnahmen zur Unterdrückung des Winkelwettwesens, abgewiesen. Bereits zuvor, gestützt auf dieselbe Gesetzesstelle, war seitens der belangten Behörde derselbe Antrag in bezug auf die "weitere Betriebsstätte Wien 23, Breitenfurterstraße 330A" gesondert abgewiesen worden (mit Bescheid vom 7. August 1997).

Beide Entscheidungen, die aufeinander nicht Bezug nehmen, hat die belangte Behörde im wesentlichen damit begründet, daß gemäß der genannten Gesetzesstelle die Bewilligung zum gewerbsmäßigen Abschluß von Wetten aus Anlaß sportlicher Veranstaltungen nur Personen erteilt werden dürfe, welche die Gewähr voller Vertrauenswürdigkeit bieten. Diese umfasse - wie die Bescheide unausgesprochen zugrunde legen - auch eine "finanzielle Vertrauenswürdigkeit", bei deren Ermittlung die Partei insofern eine Mitwirkungspflicht treffe, als die Feststellung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit notwendigerweise ein entsprechendes Vorbringen und Bescheinigungsanbringen voraussetze. Mit Schreiben vom 24. Juli 1997 sei die Beschwerdeführerin nachweislich aufgefordert worden, die für die Überprüfung der finanziellen Vertrauenswürdigkeit erforderlichen Unterlagen und noch fehlenden Angaben binnen einer Frist von vier Wochen nachzureichen. Mit ihrer Stellungnahme vom 6. August 1997 habe die Beschwerdeführerin demgegenüber die erforderliche Kreditrahmenbestätigung in der Höhe von S 3,6 Mio. für den Hauptstandort sowie die Kreditrahmenbestätigungen über S 1,2 Mio. pro weitere Betriebsstätte nicht vorgelegt. Diese Kreditrahmenbestätigungen stellten neben der Handelsauskunft des Kreditschutzverbandes und der Unbedenklichkeitserklärung des Finanzamtes ein wichtiges Kriterium zur Überprüfung der finanziellen Bonität dar. Die Praxis und Erfahrung in den letzten Jahren habe gezeigt, daß die Begleichung der Verbindlichkeiten mancher Unternehmen aus der Branche nicht (mehr) gesichert gewesen sei. Daher bestehe bei Frequentierung des Marktes mit zahlreichen Wettannahmestellen gleichzeitig das Erfordernis der strengen Überprüfung der finanziellen Leistungsfähigkeit. Es sollten nur jene Personen als Buchmacher bzw. als Totalisateure zugelassen werden, die eine ausgezeichnete Bonität besitzen. Der Behörde stünden nur beschränkte Möglichkeiten zur Verfügung, diese zu überprüfen. Ein Verzicht auf eine der geforderten Unterlagen käme einer mangelhaften Ermittlung des Vorliegens des Tatbestandsmerkmales der "vollen Vertrauenswürdigkeit" gleich. Soweit die Antragstellerin damit argumentiere, daß die beantragten Standorte keine Betriebsstätten seien, weil es sich dabei lediglich um mit einem Zentralrechner verbundene Selbstbedienungsterminals (Wettautomaten) handle, sei ihr zu entgegnen, daß die Differenzierung letztlich eine "parteiennahe Lösung" darstelle, da bei "Betriebsstätten" lediglich eine Kreditrahmenbestätigung in der Höhe von S 1,2 Mio. anstelle von S 3,6 Mio. für den Hauptstandort gefordert werde.

Gegen diese Bescheide hat die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Dieser hat mit Beschluß vom 28. November 1997 die Behandlung der Beschwerden abgelehnt und sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Vor diesem wird die Aufhebung der angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, begehrt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete Gegenschriften, in denen sie die Abweisung der Beschwerden als unbegründet beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat ihre abweisenden Bescheide auf § 1 Abs. 3 des Gesetzes vom 28. Juli 1919, StGBl. Nr. 388, betreffend Gebühren von Totalisateur- und Buchmacherwetten sowie Maßnahmen zur Unterdrückung des Winkelwettwesens, gegründet. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12. Dezember 1996, Zl. G 36/95, mit dem einige Wortfolgen in § 1 Abs. 4 des genannten Gesetzes aufgehoben worden sind, ausgesprochen hat, gehört dieses Gesetz als in den einzelnen Bundesländern geltendes Landesgesetz weiterhin dem Rechtsbestand an.

§ 1 Abs. 1 und 3 leg. cit. lautet wie folgt:

"(1) Die gewerbemäßige Vermittlung und der gewerbemäßige Abschluß von Wetten aus Anlaß sportlicher Veranstaltungen (Rennen, Regatten usw.) ist nur mit Bewilligung der Landesregierung zulässig.

(2) ...

(3) Die Bewilligung zum gewerbemäßigen Abschlusse der im ersten Absatze angeführten Wetten darf nur Personen erteilt werden, welche die Gewähr voller Vertrauenswürdigkeit bieten. Personen, denen diese Bewilligung erteilt wurde, werden in diesem Gesetze als Buchmacher bezeichnet."

Die belangte Behörde hat der Beschwerdeführerin im Ergebnis die "volle Vertrauenswürdigkeit" abgesprochen, weil diese ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht nachgewiesen habe; sie habe die geforderten Kreditrahmenbestätigungen - über S 3,6 Mio. für den Hauptstandort und über S 1,2 Mio. je weitere Betriebsstätte - nicht vorgelegt.

Die Beschwerdeführerin geht demgegenüber davon aus, daß ihre Vertrauenswürdigkeit schon durch die Unbedenklichkeitserklärung des Finanzamtes, die Handelsauskunft des Kreditschutzverbandes von 1870 sowie eine Strafregisterbescheinigung ihres Geschäftsführers (welche Unterlagen von ihr jeweils vorgelegt worden waren) nachgewiesen worden sei. Ein Zusammenhang "der gesetzlich verlangten Vertrauenswürdigkeit der Person und der von der Behörde daran geknüpften Bonität" sei nicht erkennbar, insbesondere finde die verlangte "ausgezeichnete Bonität" im gegenständlichen Ausmaß keine gesetzliche Deckung. In der ursprünglichen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof spricht die Beschwerdeführerin darüber hinaus davon, daß hinsichtlich der Bonitätsprüfung mit einer Kreditrahmenbestätigung in Höhe von insgesamt S 3 Mio. das Auslangen hätte gefunden werden können.

Mit Verwendung der Worte "volle Vertrauenswürdigkeit" hat sich der Gesetzgeber eines unbestimmten Gesetzesbegriffes bedient. Bei dessen Auslegung ist nach den Zielvorstellungen des Gesetzes zu fragen. Diese liegen zweifelsohne u.a. darin - wie die Normierung einer Bewilligungspflicht zeigt -, für eine ordnungsgemäße Ausübung des Buchmachergewerbes Sorge zu tragen. Daraus ergibt sich, daß es im besonderen auf die für eine solche ordnungsgemäße Ausübung dieses Gewerbes maßgeblichen Eigenschaften ankommen muß. Davon ausgehend kann der belangten Behörde zunächst einmal nicht entgegengetreten werden, wenn sie unter Beachtung der vom Gesetz geforderten "vollen Vertrauenswürdigkeit" auch die finanzielle Bonität der Beschwerdeführerin in ihre Prüfung miteinbezogen hat; daß es gerade bei einem Buchmacher darauf ankommt, daß seine mit dem Abschluß von Wetten übernommenen finanziellen Verpflichtungen jederzeit erfüllt werden können, kann nicht ernsthaft in Abrede gestellt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1989, Zl. 89/01/0194). Im übrigen ist zu betonen, daß der Begriff "volle Vertrauenswürdigkeit" offenkundig mehr erfassen will als etwa die "erforderliche Zuverlässigkeit" der Gewerbeordnung.

Die belangte Behörde ist auch darin im Recht, daß die mit dem Einsatz der gegenständlichen Wettautomaten beabsichtigte Ausweitung des Geschäftsbetriebs der Beschwerdeführerin erhöhte finanzielle Absicherung erfordert. Unbestreitbar ist nämlich, wie in der Gegenschrift zutreffend dargestellt wird, daß mit einem Anwachsen des Kundenkreises auch die potentiell erzielbaren Wettgewinne steigen und sich insofern die Notwendigkeit höherer Gewinnauszahlungen ergeben kann.

Von dieser im Ansatz richtigen Überlegung ausgehend hat die belangte Behörde die Vorlage der schon genannten Kreditrahmenbestätigungen verlangt. Dabei hat sie allerdings offenkundig die Ansicht vertreten, daß es zwingend dieser Kreditrahmenbestätigungen bedürfte und daß der Nachweis ausreichender finanzieller Kapazität nicht anderweitig erbracht werden könne. Nicht anders sind jedenfalls ihre ultimativen Vorhalte im Verwaltungsverfahren zu verstehen, wonach die erforderlichen Unterlagen (darunter die Kreditrahmenbestätigungen) bei sonstiger Abweisung des Bewilligungsansuchens beigebracht werden müßten. Auch die angefochtenen Bescheide bringen diese Ansicht zum Ausdruck, wenn es dort heißt, daß die "erforderliche Kreditrahmenbestätigung in der Höhe von S 3,6 Mio. für den Hauptstandort sowie die Kreditrahmenbestätigungen über S 1,2 Mio. pro weitere Betriebsstätte" gänzlich fehlten. Schließlich läßt sich aber auch noch den Gegenschriften diese Auffassung entnehmen; dort wird nämlich (jeweils auf Seite 4) festgehalten, daß "unter Berücksichtigung künftiger Gewinnauszahlungsverpflichtungen von der Vorlage entsprechender Kreditrahmenbestätigungen nicht abgesehen werden" könne.

Indem die belangte Behörde von der verpflichtenden Vorlage von Kreditrahmenbestätigungen ausgegangen ist, hat sie die Rechtslage verkannt. Zweifelsohne stellen derartige Bestätigungen geeignete Mittel zur Bescheinigung der notwendigen finanziellen Leistungsfähigkeit dar. Es muß den Bewilligungswerbern jedoch unbenommen bleiben, ihre wirtschaftliche Potenz auch anderweitig - etwa durch Präsentation von Sparbüchern oder Bescheinigungen über den Besitz von Wertpapierdepots - nachzuweisen. Im übrigen ist es verfehlt, bei diesem Nachweis bzw. bei der geforderten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit an standardisierte Vorgaben (S 3,6 Mio. bzw. S 1,2 Mio.) anzuknüpfen. Es geht nicht an, schlichtweg auf ein vorher abstrakt definiertes Maß abzustellen, ohne die konkreten Verhältnisse des Bewilligungswerbers miteinzubeziehen.

Mit anderen Worten: Die erforderliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die nachzuweisen ist, hat sich an den Einrichtungen des Bewilligungswerbers zu orientieren, die von Fall zu Fall unterschiedlich einmal höhere und das andere Mal geringere Gewinnauszahlungsverpflichtungen zur Folge haben können. So macht es zweifelsohne einen Unterschied, ob ein großes Wettbüro (und sei es auch als "weitere Betriebsstätte") oder ob ein einzelner Wettautomat (wie in den gegenständlichen Fällen) zu beurteilen ist.

An Stelle einer typisierten Betrachtungsweise wird daher eine auf die Verhältnisse der Beschwerdeführerin zugeschnittene "Risikoberechnung" (das ist die Ermittlung der mit realistischer Wahrscheinlichkeit prognostizierbaren maximalen Auszahlungssummen) anzustellen sein, welche die belangte Behörde offenzulegen, wozu sie Gehör zu gewähren und worüber sie schließlich ausreichend präzise Feststellungen zu treffen haben wird, die einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich sind.

Wie sich aus dem eben Gesagten ergibt, hat die belangte Behörde die angefochtenen Bescheide mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Diese waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Bei diesem Ergebnis fällt es nicht ins Gewicht, daß über den Aufstellungsort "Wien 23, Breitenfurterstraße 330A" in beiden Bescheiden abgesprochen worden ist.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 14. Oktober 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997011092.X00

Im RIS seit

02.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

09.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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