TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/3 W103 2136745-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.09.2019
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Entscheidungsdatum

03.09.2019

Norm

AsylG 2005 §15b Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W103 2136745-4/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.08.2019, Zahl 1026236908-190784186, zu Recht erkannt:

A) I. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 68 Abs. 1 AVG sowie gemäß §§, 15b Abs. 1 AsylG 2005, jeweils idgF, als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Erstes Verfahren auf internationalen Schutz:

1. Der Beschwerdeführer, ein zum Zeitpunkt seiner Einreise minderjährig gewesener Staatsangehöriger Somalias, stellte am 24.07.2014 infolge illegaler Einreise den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem er am gleichen Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftlich erstbefragt wurde. Dabei gab er insbesondere an, aus XXXX zu stammen und seine Heimat verlassen zu haben, da in Somalia Krieg herrsche - Al Shabaab kämpfe gegen die Regierung. Beide Seiten hätten den Beschwerdeführer als Kämpfer haben wollen, weshalb er geflüchtet sei. Im Falle einer Rückkehr müsste er im Krieg kämpfen und könnte getötet werden.

Am 22.08.2014 fand eine kurze Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt, im Rahmen derer ihm mitgeteilt wurde, dass seitens der Behörde Zweifel an der von ihm angegebenen Minderjährigkeit bestünden und er über die weitere Vorgehensweise im Sinne einer medizinischen Altersfeststellung informiert wurde.

Aus einem in weiterer Folge in Auftrag gegebenen medizinischen Sachverständigen-Gutachten vom 06.10.2014 ergibt sich ein Mindestalter des Beschwerdeführers zum Untersuchungszeitpunkt von 17 Jahren (AS 155 ff).

Mit Eingaben vom 30.11.2015 sowie vom 29.04.2016 wurden durch die damalige gesetzliche Vertreterin des Beschwerdeführers eine Schulbesuchsbestätigung, eine Deutschkursteilnahmebestätigung, eine Bestätigung über die Vorbereitung auf den Hauptschulabschluss sowie ein Empfehlungsschreiben der österreichischen "Patin" des Beschwerdeführers in Vorlage gebracht und um einen baldigen Einvernahmetermin ersucht.

Am 19.09.2016 wurde der Beschwerdeführer im Beisein einer geeigneten Dolmetscherin für die somalische Sprache und einer Vertrauensperson niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen (vgl. AS 145 ff). Dabei gab er eingangs an, sich psychisch und physisch zur Durchführung der Einvernahme in der Lage zu fühlen und sich gut mit der anwesenden Dolmetscherin verständigen zu können.

Die weitere Befragung vernahm in ihren gegenständlich relevanten Teilen den folgenden Verlauf:

"(...) LA: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?

VP: Ich habe immer die Wahrheit gesagt. Ich wurde damals auf arabisch einvernommen, nicht in meiner Muttersprache. Aber ich habe immer die Wahrheit gesagt. Es liegt schon relativ lange zurück.

LA: Wurden diese korrekt protokolliert und Ihnen rückübersetzt?

VP .Es wurde rückübersetzt. Soweit ich es verstanden habe, wurde es richtig geschrieben.

...

LA: Wann und wo wurden Sie geboren?

VP: In XXXX (Die somalische Variante ist XXXX ) am XXXX .

LA: Wo haben Sie in Somalia gelebt?

VP: In bin in XXXX geboren und aufgewachsen. Aber die letzten Jahre war ich in XXXX .

LA: Schildern Sie bitte Ihre Lebensumstände in Somalia:

VP: Ich habe keine Schule besucht, aber ich habe gearbeitet. Ich habe viele Arbeiten gemacht. Zuletzt war ich Tischler.

Vorhalt: Sie haben bei der Erstbefragung angegeben, dass Sie für ein Jahr eine Koranschule besucht haben. Wieseo sagen Sie jetzt, dass Sie keine Schule besucht haben?

VP: Die Koranschule gilt in Somalia nicht als Schulbesuch.

LA: Können Sie lesen und schreiben?

VP: Wir haben in XXXX gelebt. Ich, mein Vater und mein Bruder. Wir haben Vieh gehütet.

Anm.: Der AW wird darauf hingewiesen, auf die ihm gestellte Frage zu antworten.

Somalisch kann ich lesen und schreiben. Etwas Mathematik habe ich auch gelernt. Deutsch kann ich auch lesen und schreiben.

LA: Wo haben Sie lesen, schreiben und Mathematik in Ihrer Heimat gelernt, wenn Sie nicht zur Schule gegangen sind?

VP: Rechnen habe ich in XXXX gelernt.

LA: Herr XXXX , verstehen Sie meine Fragen? Sie antworten ständig etwas anderes auf meine Fragen.

VP: Richtig rechnen und Mathematik habe ich in Österreich gelernt. Aus beruflichen Gründen, da ich Tischler war, musste ich etwas diesbezüglich lernen.

LA: Ich frage Sie jetzt noch einmal: Wo haben Sie in Ihrer Heimat somalisch lesen und schreiben gelernt?

VP: Ich habe selbst gelernt in Somalia. Wenn ich Freizeit hatte, habe ich mich bemüht lesen und schreiben zu lernen.

LA: Wieso sind Sie nicht zur Schule gegangen?

VP: Aus finanzielllen Gründen war das nicht möglich.

LA: Welche Angehörigen haben Sie noch zu Hause?

VP: Einen Halbbruder mütterlicherseits und eine Halbschwester väterlicherseits. Sie lebt aber in Äthiopien. Seit langer Zeit haben wir keinen Kontakt. Ich weiß nur, dass Sie drei Kinder hat.

LA: Was ist mit Ihren Eltern?

VP: Sie sind gestorben.

LA: Wann sind Ihre Eltern verstorben?

VP: Meine Mutter als ich klein war. Und der Vater 2007.

LA: Woran sind Ihre Eltern verstorben?

VP: Sie sind eines natürlichen Todes gestorben, nicht im Krieg.

LA :Wissen Sie woran?

VP: Meine Mutter war schwanger. Während der Geburt ist sie gemeinsam mit dem Baby gestorben.

LA: Wann war das?

VP: Ich weiß es nicht.

LA: Woran ist Ihr Vater gestorben?

VP: Eine Hüfte ist gebrochen. Man versuchte ihn zu behandeln. Später ist er gestorben.

LA: An einer gebrochenen Hüfte?

VP: Später ist er krank geworden und gestorben. So ist das.

LA: Woran ist er erkrankt?

VP: Er hatte viele Schmerzen. Es war entzündet. Er hat Fieber bekommen. Ich weiß nicht genau, aber er hatte starke Schmerzen. Er hat oft Fieber gehabt.

LA: Wo haben sie danach gelebt?

VP: Ich habe das Dorf verlassen, in dem ich gelebt habe und bin nach XXXX gegangen.

LA: Wo haben Sie dort gelebt?

VP: Ich war obdachlos. Ich habe auf der Straße gelebt.

LA: Wie lange waren Sie obdachlos?

VP: Lange Zeit. Ich war neun Jahre alt als ich dort hin bin. Bis ich ca. 14 Jahre alt war.

LA: Wovon haben Sie in dieser Zeit gelebt?

VP: Es war ein schweres Leben. Dann habe ich angefangen zu arbeiten.

LA: Was haben Sie gearbeitet?

VP: Ich war auf der Straße. Da habe ich andere Kinder und Jugendliche kennengelernt. Sie haben Schuhe geputzt. Sie haben gesagt ich soll mitkommenn und arbeiten.

LA: Was haben Sie dann gearbeitet?

VP: Zuerst habe ich als Schuhputzer gearbeitet und dann habe ich die Stadt besser kennengelernt. Vor Restaurants habe ich Schuhe geputzt. Dann habe ich Autos gewaschen. Ich habe auch in Autowerkstätten geholfen. Auch als Helfer am Bau habe ich gearbeitet.

LA: Was ist mit Ihrem Bruder?

VP: Eine Familie im Dorf, in dem wir gelebt haben, hat ihn aufgenommen. Sie gehört dem gleichen Stamm an. Zu mir haben sie gesagt ich soll arbeiten gehen.

LA: Obwohl Sie die ganzen Jahre gearbeitet haben, haben Sie immer auf der Straße gelebt?

VP: Ich habe nicht immer auf der Straße geschlafen. Manchmal auch dort wo ich gearbeitet habe.

LA: Haben Sie derzeit Kontakt mit jemandem zu Hause?

VP: Nein. Mit meiner Schwester hatte ich Kontakt, aber jetzt nicht mehr.

LA: Bei welcher Familie lebt Ihr Bruder?

VP: Es sind Gabooye wie wir. Der Vater heißt XXXX .

LA: Dort ist Ihr Bruder nach dem Tod Ihres Vaters hingekommen?

VP: Ja, sie haben ihn aufgenommen, damit er für sie die Ziegen hütet.

LA: Wie alt war Ihr Bruder damals?

VP: Er war sehr jung. Ich war damals neun Jahre alt. Er ist im Jahr 2000 geboren.

LA: Warum wurden Sie von der Familie nicht aufgenommen?

VP: Er war jung. Sie haben gesehen, dass er für sie Ziegen hüten kann. Sie konnten ihm darür etwas geben. Mich haben sie älter gesehen und dass ich selbst arbeiten kann.

LA: Wie weit sind die Orte XXXX und XXXX voneinander entfernt?

VP: Ca. 15 Kilometer.

LA: Sind Sie verheiratet?

VP: Nein, ich bin zu jung dafür.

LA: Haben Sie Kinder?

VP: Nein

LA: Wenn ich nun aufgefordert werde meine Flucht- und Asylgründe zu schildern, gebe ich an:

VP: Ich habe aufgrund von drei Problemen mein Heimatland verlassen. Wir sind eine Minderheit in Somalia. Wir werden von anderen Somaliern nicht respektiert. Wir üben kleine Berufe aus, z. B. Schmied, Töpfe herstellen, Reinigung usw. Solche kleinen Berufe, die von anderen Somaliern verachtet werden. Auch Gräben in den Boden machen. Wir werden verachtet, diskriminiert und versklavt von anderen Somaliern. Wir dürfen keine anderen Somalier heiraten. Wenn ich daran denke, eine andere Somaliern zu heiraten, könnte es sein, dass man mich dafür tötet .Deshalb durften wir nur Stammesmitglieder heiraten.

Das zweite Problem ist, dass ich in XXXX ein großes Problem hatte. Ich konnte dort nicht weiter bleiben. Ich habe es 2012 verlassen. Es gab eine Gruppe namens ASWJ. Sie haben in der ganzen Region XXXX die Kontrolle gehabt. So wie al-Shabaab die Kontrolle in XXXX hatten. Wir haben in der Moschee Koran gelernt. Es war keine bestimmte Koranschule. ASWJ ist eine religiöse Gruppe. Sie haben gepredigt in der Moschee, dass wir für die Regierung gegen die Ungläubigen kämpfen müssen .Wir sollen Mudschaheddin werden. Sie haben es einige Zeit gepredigt und es uns einzureden. Dann haben sie angefangen die jungen Männer in der Stadt mitzunehmen. Sie haben sie rekrutiert, damit sie für sie kämpfen. Eines Tages, als ich in der Moschee war, ist ein XXXX zu mir gekommen. Er gehört zu ASWJ. Er hat mich aufgefordert, für die Religion zu kämpfen und Mitglied ihrer Gruppe zu werden. Er sagte zu mir, ich muss mitgehen. Aber er wird mich nicht heute gleich mitnehmen. Ich solle ein bisschen überlegen. Ich hatte große Angst an einem Kampf teilzunehmen. Dann habe ich die Moschee verlassen und bin zurück zu meiner Arbeit als Tischler. Die Lage in der Stadt ist schwieriger geworden. Man sollte entweder Angehöriger von ASWJ oder al-Shabaab werden oder auf der Seite der Regierung stehen. Die anderen jungen Männer hat man nicht gleich rekrutiert, weil sie keinen Minderheitsstämmen angehören. Deshalb hat man gleich mit mir gesprochen, weil ich einer Minderheit angehöre und keine Familie habe, die mich unterstützt. Ich wurde nicht respektiert.

LA: Wann war das in dieser Moschee?

VP: Ich weiß es nicht genau. Ich glaube im Jahr 2011 oder 2012.

LA: Wie hieß dieser Mann in der Moschee?

VP: Er hieß XXXX .

LA: Wollen Sie noch weitere Gründe geltend machen?

VP: Ich bin noch nicht fertig. Zuerst hat man mit mir gesprochen und mich aufgefordert, aber später wollte man mich zwingen mitzugehen. Ich wurde bedroht, wenn ich nicht mitkomme, werde ich getötet. Ich hatte große Angst und bin zu meiner Arbeit zurück. Ich war in der Moschee. Es gab drei Kollegen, die ich auch so wie ich bedroht wurden. Sie arbeiteten in der gleichen Tischlerei. Wir wussten nichts voneinander. Man hat uns vier eine Woche Frist gegeben. Danach mussten wir kommen und ihrer Gruppe beitreten. Sie haben gesagt, wir werden für den Kampf ausgebildet. Sie wollten, dass wir für Sie gegen al-Shabaab und gegen die Regierung kämpfen. Ich war der Jüngste. Meine Arbeitskollegen haben sich entschieden zu flüchten. Sie haben mich mitgenommen und nach Äthiopien gebracht. Dann weiter bis in den Sudan. Sie haben mir geholfen.

LA: Von wem und wann wurden Sie bedroht?

VP: Es war im Jahr 2012. An den genauen Tag erinnere ich mich nicht.

Von ASWJ :

LA: Wie lauten die Namen derer die Sie bedroht haben?

VP: XXXX . Nicht nur ich wurde bedroht. Ich und meine Arbeitskollegen. Er hat uns gedroht, wenn wir binnen einer Woche nicht zu ihm kommen, werden wir getötet.

LA: Auf welcher Seite steht ASWJ?

VP: Das ist eine eigene Gruppe. Sie haben uns gesagt, dass sie für die Religion kämpfen.

LA: Sie haben zuerst angegeben, dass diese Gruppe für die Regierung ist. Später haben Sie gesagt, dass Sie von der Gruppe aufgefordert wurden gegen die Regierung zu kämpfen. Was ist nun richtig?

Die Dolmetscherin gibt, an, dass es Religion und nicht Regierung heißen sollte. Anm.: Es wurde akustisch missverstanden.

LA: Wie heißen Ihre vier Arbeitskollegen?

VP: Es waren drei Kollegen. Ich war der Vierte. Sie heißen, XXXX ist sein Spitzname.

LA: Was ist danach passiert?

VP :Deshalb musste ich das Land verlassen.

LA: Wie heißt diese Moschee in der Sie waren?

VP: Sie liegt in der Nähe des Gemüsemarktes. Den Namen der Moschee habe ich vergessen.

LA: Sie haben noch ein drittes Problem erwähnt.

VP: Auf dem Fluchtweg habe ich ein Problem gehabt. Im Sudan habe ich meinen Kollegen verloren. Normalerweiser kassieren die Schlepper das Geld im Sudan bevor man weitergeschickt wird. Der Schlepper hat akzeptiert mich nach Libyen zu brinen bevor er das Geld kassiert.

LA: Wieso haben Sie die Gründe nicht schon in Ihrer Erstbefragung genannt?

VP: Ich habe meine Probleme erzählt.

Vorhalt: Sie haben nichts von Problemen aufgrund Ihrer Angehörigkeit einer Minderheit erwähnt.

VP: Es gab keinen somalischen Dolmetscher. Ich wurde auf arabisch befragt. Das ist ja nicht meine Muttersprache. Ich kann auf arabisch nicht alles erzählen.

LA: Wie meinen sie das?

VP: Ich kann auf arabisch nicht alles genau erzählen, da arabisch nicht meine Muttersprache ist.

Vorhalt: Sie haben sonst auch alles genau angeben können. Wieso dann das nicht?

VP: Es gibt einiges was man in einer anderen Sprache nicht erzählen kann so wie in der Muttersprache. Ich wurde auch über die Fluchtroute befragt.

LA: Sie haben bei der Erstbefragung auch angegeben, dass Sie auch für die Regierung kämpfen sollten. Ist das richtig?

VP: Nein, so habe ich das nicht gesagt . Der Dolmetscher war ein Araber.

LA: Erzählen Sie mir bitte noch eimal genau wie das in der Moschee XXXX und danach war.

VP: Er hat zuerst gepredigt, dass wir Mudchaheddin werden sollen.

LA: In der Moschee?

VP. Ja, nach dem Gebet. Er hat immer die Muschaheddin gelobt.

LA: Hat er sie dann direkt angesprochen?

VP: Ja

LA: Wann und wo war das?

VP: Nach dem Gebet in der Moschee.

LA. Was sagter er zu Ihnen genau?

VP: Das letzte Mal hat er gesagt, ich muss Ihnen beitreten, ansonsten werde ich getötet. Vorher hat er mit mir öfter gesprochen um mich aufgefordert ihnen beizutreten.

LA: Wie oft hat er vorher gesprochen mit Ihnen?

VP: Öfters. Er hat mich den Koran gelehrt in der Moschee:

LA: Wann war das und düber welchen Zeitraum ging das?

VP: Es war öfters nach dem Mittags-, Nachmittags-oder Abendgebet.

LA.: Wann war das und über welchen Zeitraum?

VP: Ich weiß nicht genau wann das war. Es war 2011 oder 2012. Zuerst wurde auf nette Art gepredigt. Später sind Drohungen dazugekommen.

LA: Wann sind Sie aus Somali weg?

VP: Im Jahr 2012.

LA: Wieviel Zeit verging nach der letzten Drohung und Ihrer Ausreise aus Somalia?

VP: Ca. vier Tage bis eine Woche.

LA: Wieso sind Sie nicht innerstaatlich geflüchtet?

VP: Das war nicht möglich. In anderen Regionen gibt es al-Shabaab und die Regierung.

LA: Was befürchten Sie im Fall einer Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat?

VP: Die ASWJ glauben dass ich keine Religion habe und ich getötet gehöre. Ich habe keine Familie mehr, die mich unterstützt. Meine Eltern sind gestorben. Deshalb hatte ich kein Dach.

LA: Würden Ihnen im Falle der Rückkehr in Ihrem Herkunftsland Verfolgung, unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe drohen?

VP: Ich wurde unmenschlich behandelt. Sie wollten mich damals töten. Die ASWJ existiert noch immer in XXXX und in ganz XXXX .

LA: Von wem wurden Sie unmenschlich behandelt?

VP: Das Volk verachtet uns. Wir durften keine höhere Position erreichen. Wir müssen nur für die anderen kleine Berufe ausüben.

LA: Mit mir werden nun die Feststellungen zur Situation in meinem Herkunftsland erörtert. Möchten Sie dazu etwas angeben?

VP: In Somalia geht es uns wie ich Ihnen bereits erzählt habe.

LA: Wollen Sie Gründe geltend machen, die gegen eine Rückkehrentscheidung sprechen?

VP: Ich habe die Familie und die Vertrauensperson kennengelernt. Ich besuche einen Deutschkurs. Ich habe Angst, dass ich getötet werde, wenn ich nach Somalia abgeschoben werde.

LA: Haben Sie besondere Bindungen zu Österreich?

VP: Ich habe hier keine Verwandten, aber ich habe Leute hier kennengelernt, die mir geholfen haben.

LA: Sind Sie erwerbstätig oder besuchen Sie eine Schule?

VP: Ich besuche einen Deutschkurs. Die Vertrauensperson gibt an, dass er bis 18 eine Schule in XXXX besucht hat, dann nach XXXX gekommen ist und jetzt in XXXX ist.

...

LA: Hatten Sie jemals Probleme mit der Polizei in Österreich?

VP: Als ich nach Österreich gekommen bin, kannte ich das Gesetz nicht und habe mit anderen jungen Männern gerauf. Ich war vor Gericht. Aber jetzt mache ich nichts mehr. Es ist schon eine Zeit her. Danach ist nichts mehr passiert.

LA: Haben Sie eine Strafe oder Verurteilung bekommen?

VP: Wenn ich binnen dreieinhalb Jahren etwas mache, komme ich für fünf Monate ins Gefängnis.

LA: Wissen Sie, das man die Gesetze eines Landes nicht kennen muss um zu wissen, dass Raufhandel strafbar ist?

VP: In Somalia ist das nicht so. Man bekommt seine Rechte nur mit seiner Hand.

LA: Also haben Sie geglaubt, dass es in Österreich auch so ist?

VP: Ja, im Flüchtlingsheim gibt es immer Streit. Ich dachte nicht, dass es etwas besonderes ist. Ich kannte das Gesetz nicht. Inzwischen habe ich dazugelernt und nichts mehr gemacht.

LA: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alles vorzubringen, was Ihnen wichtig erscheint oder wollen Sie noch etwas hinzufügen?

VP: Wenn es möglich wäre, ich würde gerne meinen Bruder und meine Schwester nachholen. (...)"

Vorgelegt wurden einige Fotos, auf welchen der Beschwerdeführer bei sozialen Aktivitäten in Österreich zu sehen ist, Schulbesuchs- und Deutschkursteilnahmebestätigungen, ein fachärztlicher Befund vom 03.02.2015 sowie ein Schreiben des Beschwerdeführers, in welchem er die Umstände seiner Flucht schilderte.

2. Mit Bescheid vom 23.09.2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers vom 24.07.2014 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Somalia ebenfalls abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde diesem gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Außerdem wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte insbesondere fest, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen volljährigen somalischen Staatsangehörigen handle, dessen präzise Identität nicht feststehe (AS 301). Die von ihm angegebenen Gründe für das Verlassen seines Herkunftsstaates seien unglaubwürdig; es habe weder festgestellt werden können, dass dieser aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer Minderheit verfolgt würde, noch dass er von einer Gruppe namens ASWJ gezwungen worden wäre, für diese zu kämpfen. Insgesamt habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer in Somalia einer individuellen, konkret gegen seine Person gerichteten Gefahr ausgesetzt wäre. Der Beschwerdeführer habe sein Herkunftsland aufgrund des Bürgerkrieges verlassen. Weiters wurde festgestellt, dass die allgemeine Sicherheitslage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers keinesfalls so zu bewerten sei, als dass eine Rückkehr dorthin generell als unmöglich einzustufen wäre. Die Versorgung mit Dingen des täglichen Bedarfs sei - insbesondere in XXXX - ebenfalls gegeben. Der Beschwerdeführer verfüge über keine besondere familiäre oder private Verankerung in Österreich.

Das Bundesamt legte dem angefochtenen Bescheid einen allgemeinen Ländervorhalt zur aktuellen Situation in Somalia zugrunde, welchem sich Ausführungen zu den Themen politische Lage, Sicherheitslage, Al Shabaab, (Zwangs-)Rekrutierung und Kindersoldaten, Minderheiten und Clans, Subjekte gezielter Attentate durch Al Shabaab, Grundversorgung/Wirtschaft, rückkehrspezifische Grundversorgung sowie Rückkehr entnehmen lassen.

Mit Verfahrensanordnung vom 26.09.2016 wurde dem Beschwerdeführer amtswegig eine Rechtsberatungsorganisation für eine allfällige Beschwerdeerhebung zur Seite gestellt.

3. Gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtete sich die fristgerecht am 04.10.2016 eingebrachte Beschwerde, in welcher beantragt wurde, dem Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers Folge zu geben und diesem 1.) Asyl, 2.) in eventu subsidiären Schutz, zu gewähren, 3.) in eventu die ausgesprochene Rückkehrentscheidung respektive den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung aufzuheben, 4.) in eventu die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG, 5.) in eventu den Bescheid zur Gänze zu beheben und zur Verfahrensergänzung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen sowie 6.) eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Der Beschwerdeführer habe sein Heimatland aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen, bezüglich derer die somalischen Sicherheitsbehörden sowie die Regierung nicht gewillt bzw. imstande seien, dem Beschwerdeführer den notwendigen Schutz zu bieten. Der Beschwerdeführer habe im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausführlich zu seinen Asylgründen Stellung genommen. Insofern dem Beschwerdeführer vorgeworfen wurde, die Verfolgung aufgrund seiner Minderheitenzugehörigkeit anlässlich seiner Erstbefragung noch nicht erwähnt zu haben, müsse berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer damals vorwiegend zu seiner Reiseroute befragt worden wäre und sich die Erstbefragung gemäß § 19 AsylG nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen habe. Die belangte Behörde habe ihre Beweiswürdigung auf eine Gegenüberstellung der Aussagen anlässlich der polizeilichen Erstbefragung und jenen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gestützt, wodurch den Anforderungen der amtswegigen Ermittlungspflicht nicht entsprochen werde. Sofern die belangte Behörde die vorgebrachten Verständigungsschwierigkeiten mit dem Dolmetscher für Arabisch anlässlich der Erstbefragung bezweifle, sei anzumerken, dass der Beschwerdeführer in Libyen Arabisch gelernt habe, wo er sich zwei Jahre lang aufgehalten hätte; davor habe er Arabisch weder sprechen noch verstehen können. Seine Arabischkenntnisse seien nicht ausreichend, um in dieser Sprache eine Einvernahme durchzuführen, wodurch auch die Verständigungsfehler in der Erstbefragung begründet wären. Dies gelte insbesondere für den angeblichen Widerspruch, demzufolge der Beschwerdeführer in der Erstbefragung angegeben hätte, sowohl von Al Shabaab als auch von der Regierung zum Kämpfen aufgefordert worden zu sein, wohingegen er in seiner ausführlichen Einvernahme geschildert hätte, durch eine Gruppen namens ASWJ bedroht worden zu sein. Wenn die Behörde dem Beschwerdeführer vorwerfe, den Namen der Moschee vergessen zu haben, so sei auszuführen, dass der Beschwerdeführer angegeben habe, dass diese sich in der Nähe eines (nunmehr näher genannten) Gemüsemarktes befinde. Da es sich um keine richtige Moschee, sondern um einen kleinen Raum in der Nähe des Gemüsemarktes handle, habe diese "Moschee" auch keinen Namen. Bezüglich des Eventualantrages auf Zuerkennung subsidiären Schutzes sei festzuhalten, dass sich die gegenwärtige Situation in Somalia so auswirke, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr einem Klima ständiger Bedrohung, struktureller Gewalt und unmittelbarer Einschränkungen sowie einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt wäre. Diesbezüglich wurde auf näher angeführtes Berichtsmaterial sowie eine aktuelle Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (W201 2129872-1 vom 20.09.2016) verwiesen. Der Beschwerdeführer könne nicht nach Somalia zurückkehren, zumal er dort niemanden mehr habe. Von der Behörde sei nicht geprüft worden, wo der Beschwerdeführer ohne familiären Rückhalt in Somalia leben solle. Der Beschwerdeführer sei jahrelang obdachlos gewesen und von niemandem unterstützt worden. Zudem sei der Beschwerdeführer sehr bemüht, sich zu integrieren und könne sich bereits in der deutschen Sprache verständigen.

4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 10.10.2016 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

5. Mit hg. Beschluss vom 09.08.2017, Zl. W103 2136745-1, wurde der oben dargestellte Bescheid in Erledigung der Beschwerde behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

6. Im fortgesetzten Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fand am 02.02.2018 eine ergänzende Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt, welche in ihren gegenständlich relevanten Teilen den folgenden Verlauf vernahm:

"(...) LA Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?

VP Ja, ich habe immer die Wahrheit gesprochen.

LA Wurden diese korrekt protokolliert und Ihnen rückübersetzt?

VP Ja, aber trotzdem hatte ich das Gefühl, dass der Dolmetscher, die Dolmetscherin nicht alles verstanden hat. Es wurde Religion mit Regierung verwechselt. Es wurde übersetzt, dass ich für die Regierung kämpfte, aber ich kämpfte für die Religion. Weiters gebe ich zur Frage bezüglich des Namens einer Moschee an, auf diese Frage habe ich geantwortet: Mowlac, was soviel bedeutet wie ein Gebetsplatz. Auf diese Frage wurde geschrieben, dass ich vergessen habe, wie die Moschee hieß. Es ist nicht wie eine Moschee, sondern ein Gebetsraum, der von Steinen begrenzt wurde.

LA Warum wissen Sie jetzt auf einmal den Namen dieser Moschee? In der ersten Einvernahme haben Sie ihn nicht gewusst.

VP Es unterscheidet sich von einer Moschee. Ich habe damals gesagt, dass Mowlac nicht gleich Moschee ist.

LA Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

VP Gabooye.

LA Wo wurden Sie geboren?

VP In XXXX . (ausgesprochen lt. Dolmetscher XXXX ).

LA Wo haben Sie in Somalia gelebt.

VP Ich bin in diesem Dorf geboren und aufgewachsen. Die letzten Jahre habe ich in XXXX verbracht.

LA Wie viele Jahre haben Sie dort verbracht?

VP Im Alter von ca. neun Jahren zog ich alleine nach XXXX .

LA Schildern Sie mir nochmals Ihre Flucht- und Asylgründe:

VP Ich habe Somalia aus drei verschiedenen Gründen verlassen. Zwei Gründe, die mich zur Ausreise aus Somali bewogen haben und ein Grund auf dem Reiseweg.

Erstens gehöre ich einer Minderheit an, die in Somalia diskriminiert wird.

Zweitens wurde ich von einer Gruppe namens Ahlu Sunnah Wal Jamaca gezwungen, mitzukämpfen. Ich sollte für die Religion kämpfen.

LA Welche Minderheit meinen Sie damit genau?

VP Mit Minderheit meine ich meinen Clan der Gabooye.

LA Wie haben diese Diskriminierungen ausgesehen?

VP Warum ich als Angehöriger der Gabooye eine Beute für die oben genannte Gruppe war, war, weil ich keinen Schutz vor dieser Gruppe hatte und mich niemand beschützte. Andere Clanangehörige könnten nicht von der Gruppe zum Krieg gezwungen werden, weil Sie von Ihren Angehörigen beschützt werden.

LA Schildern Sie mir Ihre Lebensbedingungen als Angehöriger dieser Volksgruppe.

VP In Somalia hatte ich keinen Respekt von Angehörigen von anderen Clans. Angehörige meines Clans dürfen nur Berufe ausüben, die nicht von Angehörigen höherer Clans ausgeübt werden, wie Werkzeugherstellung.

LA Welche Handlungen oder Diskriminierungen wurden gegen Sie konkret aufgrund der Zugehörigkeit zu dieser Volksgruppe vollzogen?

LA Ich selbst hatte keine Eltern mehr. Mein Mutter verstarb zuerst und dann mein Vater im Jahr 2007. Damals war ich noch ein Kind und konnte nicht viel verstehen. Ich wurde von einem Mann, der der oben genannten Gruppe angehört, gezwungen zu kämpfen. Ich sollte das Blut anderer Menschen fließen lassen. Früher war ich noch selbst ein Kind und konnte noch nicht viel verstehen. Später wurde ich von dieser Gruppe aufgefordert, mitzukämpfen um andere Menschen zu töten. Aus diesem Grund flüchtete ich aus Somalia.

LA Auf welche Art und Weise hat Sie dieser Mann gezwungen zu kämpfen. Wie ist das genau vor sich gegangen?

VP Er war mein Koranlehrer. Er unterrichtete mich im Koran. Erst begann er mich zu manipulieren und mich für die Gruppe anzuwerben. Früher sagte er mir noch, dass ich, wenn ich im Krieg sterbe, in den Himmel kommen werde. Später wurde er aggressiver und forderte mich auf zur Gruppe zu kommen und mitzukämpfen. Ansonsten würde er mich umbringen. Er wusste auch, dass ich niemanden habe, der mich vor ihm schützen würde. Ich war ihm ausgeliefert. Aus diesem Grund sitze ich heute hier vor Ihnen.

LA Wie oft gingen Sie in diese Koranschule?

VP Nach dem Gebet unterrichtete er Koran. Ich besuchte nicht regelmäßig eine Koranschule sondern ich bekam Unterricht von diesem Mann.

LA Wie oft hatten Sie Unterricht bei ihm?

VP Jeden zweiten oder dritten Tag unterrichtete er mich in einem Vers oder einer Sure des Korans. Er unterstützte mich anfangs, weil ich ihm kein Geld gegeben habe.

LA Wo fand dieser Unterricht statt?

VP Auf dem Mowlac-Platz.

LA Wann hat er angefangen Sie anzuwerben, zu manipulieren zu zwingen?

VP Ich kann Ihnen keinen Zeitpunkt oder ein Datum nennen. Nachdem der Mann gemerkt hatte, dass ich ein braver Schüler bin, der sich für den Koran interessiert, hat er damit begonnen.

LA Wie lange sind Sie insgesamt zu ihm hingegangen um unterrichtet zu werden?

VP Ich kann es nicht wirklich sagen. Ich würde schätzen. Eineinhalb Jahre, ein Jahr und acht Monate oder knapp zwei Jahre.

LA Nach welcher Zeitspanne hat der Mann begonnen, Sie zu manipulieren und anzuwerben?

VP Ca. im Jahr 2012 hat er angefangen mich zu manipulieren.

LA Nach welchem Zeitraum hat er begonnen?

VP Ich kann es nicht sagen. Ich war ja jung.

LA Waren Ihnen diese Versuche unangenehm? Wie ist es Ihnen dabei gegangen? Was haben Sie gefühlt.

VP Ich war noch sehr jung und verwirrt und wusste nicht was ich machen sollte.

LA Auf welche Art und Weise hat er sie gezwungen zu kämpfen?

VP Er sagte mir, wenn ich mich nicht für die Gruppe entscheide, dass ich von ihm getötet werde, weil ich für ihn ein Ungläubiger bin.

LA Wie oft hat er das in etwa gesagt?

VP Wie meinen Sie das?

LA Verstehen Sie meine Fragen nicht? Wie oft hat er das gesagt?

VP Nachdem er mir das gesagt hat, flüchtete ich aus Somalia.

LA Wie lange waren Sie noch in Somalia, nachdem er das gesagt hatte?

VP Es unterstützten mich andere Jugendliche, die mit mir aus Somalia flüchteten. Ich war noch ca. vier bis fünf Tage in Somalia.

LA Er hat Sie also gewzungen. Danach sind sie vier oder fünf Tage später aus Somalia weg.

VP Ja, zuerst hat er nur immer versucht mich zu manipulieren. Da war noch keine Bedrohung da.

LA Ist in diesen vier bis fünf Tagen noch etwas passiert?

VP Ich hatte solche Ängste, dass ich jederzeit an den Tod dachte. Es halfen mir Jugendliche, die selbst auf der Flucht waren.

LA Ist in diesen vier oder fünf Tagen noch etwas passiert?

VP Ich hatte große Angst und versteckte mich.

LA Wann hat Sie dann diese Gruppe aufgefordert mit Ihnen zu kämpfen?

VP Ich haben Ihnen erzählt, was zwischen 2011 und 2012 passierte, bevor ich Somalia verließ.

LA Sie haben vorhin angegeben, dass Sie später von dieser Gruppe aufgefordert worden sind, mitzukämpfen. Was meinen Sie mit später und wie hat diese Aufforderung ausgesehen?

VP Als der Mann mir sagte, dass ich zur Gruppe kommen und mitkämpfen muss und wenn ich das nicht mache, würde er mich umbringen, weil ich ein Ungläubiger bin. Davor versuchte mich dieser Mann für die Gruppe anzuwerben um mich zu manipulieren Ich war noch jung und der Mann dachte, dass ich nicht soviel verstehe.

LA Wie heißt dieser Mann?

VP XXXX

LA Wo haben Sie in diesen eineinhalb bis zwei Jahren gelebt oder gewohnt?

VP Ich arbeitete als Tischler in einer Tischlerei. Durch meine Arbeit konnte ich mich ernähren.

LA Verstehen Sie meine Fragen bzw. den Dolmetscher?

VP Ja

LA Wieso antworten Sie dann ständig etwas anderes? Wo haben Sie gelebt und gewohnt?

VP Ich lebte und arbeitete dort. Ich lebte mit niemandem zusammen.

LA Sie haben also in dieser Tischlerei gewohnt?

VP Ja. Ich selbst hatte keine eigene Unterkunft. Ich lebte als Obdachloser am Markt auf der Straße oder schlief in der Tischlerei.

LA Wie alt waren Sie damals ca.?

VP Ca 14 Jahre.

LA Wieviel haben Sie als Tischler verdient?

VP Ich bekam manchmal gar kein Geld. Wenn ich ihn um Geld gefragt habe, sagte er mir, dass ich umsonst dort schlafe.

LA Wie viele Leute haben dort gearbeitet?

VP Mehrere. Ich habe sie nicht gezählt. Ich und drei weitere Jugendliche. Diese drei Jugendlichen, dir mir geholfen haben, arbeiteten ständig dort.

LA Wie weit war diese Moschee weg von dieser Tischlerei?

VP 20 Schritte.

LA Wo haben Sie sich denn in diesen vier bis fünf Tagen versteckt?

VP Ich verließ dort nachts in der Dunkelheit, aber ich war in der Tischlerei. Aber ich bin nicht mehr in die Moschee gegangen.

LA Haben Sie gearbeitet in diesen Tagen?

VP Ja.

LA Ganz normal?

VP Ja.

LA Haben Sie diesen XXXX einmal gesehen?

VP Nein, ich vermutete, er wartete auf mich.

LA Hat er gewusst wo Sie arbeiten?

VP Ja. Diese Frage haben Sie zuvor nie gestellt.

LA Sind diese anderen drei Jugendlichen auch weg aus Somalia oder haben sie Ihnen nur geholfen?

VP Wir sind alle zusammen gereist. Erst im Sudan haben wir uns getrennt.

LA Haben diese auch in der Tischlerei gearbeitet?

VP Ja

LA Aus welchem Grund sind diese drei Jugendlichen weg?

VP Sie wurden auch von der Gruppe bedroht.

LA Waren Sie aufgrund Ihrer Clanzugehörigkeit noch mit anderen Problemen konfrontiert?

VP Meinen Sie persönlich?

LA Ja.

VP Wie gesagt, ich war damals noch jung und wie gesagt wurde ich aufgefordert andere Menschen zu töten.

LA Woran ist Ihre Mutter gestorben?

VP Meine Mutter ist verstorben, als Sie mit dem dritten Kind schwanger war. Sie war schwanger als sie normal verstarb.

LA Wie alt waren Sie als Ihr Vater gestorben ist?

VP Ich kann nur sagen, dass mein Vater ca. im Jahr 2007 verstarb.

LA Wer hat sich danach um Sie gekümmert?

VP Nach dem Tod meines Vaters niemand.

LA Was haben Sie dann gemacht?

VP Es gab noch einen jüngeren Bruder. Er wurde von einer Familie aufgenommen, die dem selben Clan wie ich angehört. Ich sollte selbst auf mich schauen.

LA Wie alt war Ihr Bruder damals?

VP Er ist um ein Jahr jünger als ich. Er ist ca. im Jahr 2000 geboren.

LA Sie hat man nicht aufgenommen. Nur Ihren Bruder?

VP Richtig. Denn mein Bruder war jünger als ich. Sie haben ihn aus Mitleid aufgenommen. Außerdem glaube ich, dass sie ihn aufgenommen haben, damit er auf die Ziegen aufpasst.

LA Wieviel Zeit lag zwischen dem Tod der Mutter und dem Tod des Vaters?

VP Ich war zwei Jahre alt und mein Bruder ca. ein Jahr.

LA War Ihr Vater berufstätig?

VP Mein Vater passte auf Tiere auf um uns und die Familie zu versorgen. Er hatte keine richtige Arbeit um für uns Essen kaufen zu können.

LA Wer hat sich um Sie und Ihren Bruder gekümmert wenn Ihr Vater arbeiten war?

VP Diese Frage haben Sie damals nicht gestellt. Wir hatten eine weitschichtige Verwandte, die im dritten Grad mit meinem Vater verwandt ist. Sie passte auf uns auf. Später ging sie nahc Kenia.

LA Woran ist Ihr Vater gestorben?

VP Mein Vater war früher ein gesunder Mann und arbeitete. Später brach er sich die Hüfte. Nach langer Krankheit starb er in Folge seiner Hüftenprobleme.

LA Erklären Sie mir die Situation als Sie plötzlich als Kind ganz allein gewesen sind? Was haben Sie gemacht. Wie haben Sie sich ernährt? Wo sind sie hin?

VP So einfach wie es sich anhört war es nicht. Aber wie üblich in Somalia, wenn jemand stirbt, kommen viele Menschen um den Toten zu beerdigen. Die Menschenmenge, die sich dort versammelt hatte, sprach über uns, was mit uns geschehen soll. Sie kamen zum Schluss, dass eine Familie meinen Bruder aufnimmt, die demselben Clan wie wir angehört. Für mich gab es keine Familie, da ich nach ihrer Ansicht alt genug war um mich selbst zu versorgen.

LA Wie alt waren Sie?

VP Ca. neun Jahr.

LA Meine Frage haben Sie wieder nicht beantwortet. Waren Sie dann sozusagen mit einem Schlag vollkommen alleine?

VP Ja.

LA Wie sind Sie mit dieser Situation umgegangen? Was haben Sie gemacht als Sie plötzlich ganz alleine gewesen sind?

VP Das erste was ich gemacht habe, war dass ich nach XXXX gereist bin. Ich kehrte nicht mehr in das Dorf zurück.

LA Wie weit ist XXXX von Ihrem Dorf entfernt?

VP Genau weiß ich es nicht. Wenn ich schätzen darf, glaube ich 15.

LA Was 15?

VP Kilometer.

LA Wie sind Sie dort hingekommen?

VP Mit dem Milchtransporter bin ich hingekommen.

LA Können Sie mir das Dorf auf der Karte zeigen?

VP Ich kenne mich mit Karten nicht so aus. Schauen Sie die Karte der XXXX an. Sie werden das Dorf dort finden.

LA Sie haben auch noch eine Schwester. Was ist mit Ihr?

VP Ich weiß nicht wo sie ist. Zuletzt hat Sie in Äthiopien gelebt.

LA Wie alt ist Ihre Schwester?

VP Sie ist älter als ich und hat drei Kinder. Ich weiß nicht wie alt sie ist. (...)"

Der Beschwerdeführer legte eine Teilnahmebestätigung an einem Theater-Workshop vom 27.04.2017, ein Zertifikat über die Teilnahme am Bildungsangebot " XXXX " vom 07.07.2017, eine Bestätigung über die Teilnahme an einem Radio-Projekt vom 19.01.2017, eine Bestätigung über die ehrenamtliche Mitarbeit in einem Ausmaß von 5

Stunden in einem Second-Hand-Geschäft vom 12.05.2017, eine Anmeldebestätigung für einen Deutschkurs B1.2 vom 26.01.2018 sowie eine Teilnahmebestätigung an einem Deutschkurs B1.1. vom 09.10.2017, eine Teilnahmebestätigung an einem Vorbereitungslehrgang für den Pflichtschulabschluss vom 28.09.2017, eine Teilnahmebestätigung vom 07.07.2017, sowie Empfehlungsschreiben vom 26.01.2018, vom 29.01.2018 und vom 01.02.2018, vor.

7. Mit Bescheid vom 06.02.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers vom 24.07.2014 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Somalia ebenfalls abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde diesem gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt IV.). Außerdem wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Das Bundesamt stellte im Wesentlichen fest, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen volljährigen somalischen Staatsbürger handle, welcher dem Clan der Gabooye angehöre, ledig sei und keine Kinder habe. Dieser habe in Somalia keine Schule besucht, könne jedoch sowohl lesen, als auch schreiben und habe in seinem Herkunftsland verschiedene berufliche Tätigkeiten ausgeübt. Der Beschwerdeführer leide an keinen schwerwiegenden psychischen oder physischen Erkrankungen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Clan der Gabooye persönlichen, konkret gegen seine Person gerichteten, Diskriminierungen ausgesetzt gewesen wäre. Weiters habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer von Mitgliedern der Gruppe Ahlu Sunna Wal Jama'a (ASWJ) bzw. von seinem Koranlehrer, welcher dieser Gruppe angehöre, aufgefordert bzw. gezwungen worden wäre, für diese zu kämpfen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr in sein Herkunftsland in eine lebensbedrohliche Situation geraten würde. Die allgemeine Sicherheitslage in seiner Herkunftsregion Puntland bzw. Galmudug, zu denen XXXX gehöre, sei keinesfalls so zu bewerten, als dass eine Rückkehr dorthin generell als unmöglich einzustufen wäre, die Versorgung mit den Dingen des täglichen Bedarfs sei ebenfalls gegeben. Die Stadt XXXX zähle zu den best entwickelten seiner Herkunftsregion. Der Beschwerdeführer verfüge im Herkunftsstaat über familiäre Anknüpfungspunkte zumindest in Form seines Vaters und eines Bruders. Der Beschwerdeführer könne nach einer Rückkehr in seinem Herkunftsstaat wieder eine Arbeit aufnehmen. In Österreich habe der Beschwerdeführer weder Familienangehörige, noch sei er erwerbstätig. Er habe jedoch eine Schule und Deutschkurse besucht, sowie an diversen Bildungsangeboten und Projekten teilgenommen. Der Beschwerdeführer habe seinen rund dreieinhalbjährigen Aufenthalt zur Begehung gerichtlich strafbarer Handlungen genutzt und sei nicht selbsterhaltungsfähig.

Beweiswürdigend wurden im Wesentlichen die folgenden Ausführungen getroffen:

"(...) Betreffend die Feststellungen zu den Gründen für das Verlassen Ihr

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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