TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/29 I419 2014997-4

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Veröffentlicht am 29.05.2019
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Entscheidungsdatum

29.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §15b Abs1
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1a
FPG §57 Abs1
FPG §57 Abs2
VwGVG §13 Abs2
VwGVG §13 Abs4
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I419 2014997-3/3E

I419 2014997-4/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerden von XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch RA Dr. Peter LECHENAUER und RAin Dr.in Margrit SWOZIL, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom (1.) 04.04.2019, Zl. XXXX, und vom (2.) 10.04.2019, Zl. XXXX, zu Recht:

A) 1. Die Beschwerde gegen den erstgenannten Bescheid wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass Spruchpunkt I zu lauten hat: "Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 AsylG 2005 wird Ihnen nicht erteilt."

2. Der Beschwerde gegen den zweitgenannten Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG teilweise stattgegeben. In dessen Spruchpunkt I entfällt das Wort "durchgängig".

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte 03.03.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, den das BFA abwies, was dieses Gericht am 15.02.2016 bestätigte. Das BFA stellte ihm eine Duldungskarte aus, die bis 09.10.2017 galt.

2. Am 03.10.2017 beantragte er eine Aufenthaltstitel besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 und änderte den Antrag am 29.11.2018 in einen auf eine Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG 2005. Den abweisenden Bescheid des BFA bestätigte dieses Gericht am 08.04.2019 und stellte sein Erkenntnis am folgenden Tag zu.

Mittels Mandatsbescheids vom 12.02.2019 erließ das BFA wider den Beschwerdeführer eine Wohnsitzauflage bezogen auf ein Quartier in einem anderen Bundesland (als dem des bisherigen Wohnsitzes), in welchem er binnen drei Tagen "durchgängig" Unterkunft zu nehmen habe, wogegen dieser am 04.03.2019 Vorstellung erhob.

3. Mit dem im Spruch erstgenannten bekämpften Bescheid, der am 18.04.2019 zugestellt wurde, erteilte das BFA dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" "gemäß § 57 AsylG" (Spruchpunkt I), erließ wider ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II), stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt III), verhängte über ihn ein drei Jahre währendes Einreiseverbot (Spruchpunkt IV), gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt V) und aberkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung (Spruchpunkt VI).

Die Beschwerde dagegen verweist auf die vorzunehmende Interessenabwägung, welche ergeben müsse, dass das Interesse des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung seines Privatlebens überwiege. Beantragt wurde die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde.

4. Mit dem zweiten im Spruch genannten Bescheid, der am 15.04.2019 zugestellt wurde, hat das BFA neuerlich die Wohnsitzauflage bezogen auf das bereits im Mandatsbescheid angeführte Quartier verhängt (Spruchpunkt I), in welchem er unverzüglich und durchgängig Unterkunft zu nehmen habe. Mit Spruchpunkt II hat das BFA die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde dagegen ausgeschlossen.

Dagegen wird in der Beschwerde vorgebracht, die Maßnahme sei überschießend. Der Beschwerdeführer habe sich nie einem Verfahren entzogen, lebe gerade in ordentlichen Verhältnissen und habe einen Arbeitsvorvertrag. Beantragt wurde die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung auch dieser Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos, befindet sich in einem arbeitsfähigen Alter und leidet an keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Seine Identität steht nicht fest.

Er stammt aus Benin City und hat Berufserfahrung in der Landwirtschaft. Die Familie des Beschwerdeführers, insbesondere seine Mutter, eine Schwester sowie vier Onkel väterlicherseits, zwei davon mit Familie, sowie weitere zwei Tanten, lebt nach wie vor im Herkunftsstaat. Zu seiner Schwester steht er regelmäßig in telefonischem Kontakt.

In Österreich hat der Beschwerdeführer weder familiäre Anknüpfungspunkte, noch lebt er in einer Lebensgemeinschaft. Er steht in Österreich in keinem Ausbildungs- oder Beschäftigungsverhältnis und hat eine Arbeitsplatzzusage als Konservenarbeiter ab dem 01.09.2019. Der Beschwerdeführer ist aktiver Spieler in einem Fußballverein und spricht Deutsch auf A2-Niveau.

Er hält sich seit spätestens 03.03.2014 in Österreich auf und hat, neben den dargelegten Schritten zur Integration, diverse Bekanntschaften geschlossen, sich im Bundesgebiet aber noch nicht nachhaltig integriert.

Er lebte von der Grundversorgung, die am 15.02.2019 eingestellt wurde, und verfügt über kein für seinen Unterhalt ausreichendes Einkommen.

Das LG Salzburg hat den Beschwerdeführer am 26.03.2019 wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs und des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden zu acht Monaten bedingt nachgesehener Freiheitsstrafe verurteilt, nachdem dieser im Mai 2018 betrügerisch eine Internetbestellung vorgenommen hatte.

Mit Verfahrensanordnung vom 12.04.2019 wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass er das getan hätte.

Der Beschwerdeführer ist bisher weder seiner Ausreisepflicht nachgekommen noch hat er der Wohnsitzauflage entsprochen. Er hat 2016 und zuletzt 2017 jeweils einen Termin zur Mitwirkung an der Identitätsfeststellung wahrgenommen. In beiden Beschwerden verweist er auf Art. 8 EMRK sowie näher genannte Integrationsschritte. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer willens wäre, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen oder auch nur Rückkehrberatung in Anspruch zu nehmen.

Eine Gefährdung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat, die seiner Rückkehr dorthin entgegenstünde, kann nicht festgestellt werden. Änderungen des Sachverhalts gegenüber dem im Erkenntnis I403 2014997-2/5E dieses Gerichts vom 08.04.2019 festgestellten, die im vorliegenden Erkenntnis nicht angeführt sind, traten seither nicht ein.

1.2 Zum Herkunftsstaat:

Die Situation im Herkunftsstaat hat sich gegenüber der im Erkenntnis I403 2014997-2/5E dieses Gerichts vom 08.04.2019 festgestellten nicht entscheidungswesentlich geändert.

Das gilt - mangels neuen Vorbringens - auch betreffend die Rückkehr dorthin, weshalb dazu festgestellt wird:

Rückkehr

Generell kann kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Der pauschale Hinweis eines Asylwerbers auf die allgemein herrschende Situation in Nigeria reicht nicht aus, um eine Bedrohung i.S.v Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK darzustellen. Außerdem kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2018).

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden (AA 10.12.2018). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations im Rahmen von FRONTEX als "lead nation" (ÖB 10.2018). Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen (AA 10.12.2018).

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt (AA 10.12.2018). Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen (ÖB 10.2018). Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt (AA 10.12.2018) bzw. erkennungsdienstlich behandelt (ÖB 10.2018) und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 10.12.2018; vgl. ÖB 10.2018). Meist steigen sie in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖB 10.2018).

Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im "Decree 33" nicht zu befürchten (AA 10.12.2018). Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets "overstay" angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt (ÖB 10.2018).

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos und anderen Landesteilen grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. eine ausreichende Versorgung dort nicht ohne weiteres gewährleistet ist. Internationale Akteure bemühen sich, neue Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren aufzubauen. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. Gleichermaßen hat im Herbst 2018 in Lagos das Migrationsberatungszentrum der GIZ seinen Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert (AA 10.12.2018).

2. Beweiswürdigung:

Das BFA hat zwei mängelfreie, ordnungsgemäße Ermittlungsverfahren durchgeführt und in den Begründungen der angefochtenen Bescheide die Ergebnisse dieser Verfahren, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst (wenn auch, wie unten unter 3.2 erklärt, rechtlich teils nicht hinreichend fundiert). Das Gericht verweist daher auch auf die schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid.

2.1 Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der Verwaltungsakten des BFA und der Gerichtsakten. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Fremdenregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt und in die jüngst ergangene Entscheidung dieses Gerichts I403 2014997-2/5E Einsicht genommen.

2.2 Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen stützen sich auf den Inhalt der Akten des BFA sowie des BVwG in den bisherig abgeschlossenen und den nunmehrigen Verfahren. Soweit nicht die strafgerichtliche Verurteilung ihr Gegenstand ist, folgen sie im Wesentlichen denen des erwähnten Erkenntnisses vom 08.04.2019.

Mangels eines unbedenklichen Identitätsdokumentes steht die Identität des Beschwerdeführers nicht fest. Seine Staatsangehörigkeit hat die Vertretung des Herkunftsstaats verifiziert.

Die Negativfeststellung betreffend den Willen zur Ausreise oder zur Rückkehrberatung ergab sich aus dem Beschwerdevorbringen und dem tatsächlichen Verhalten des Beschwerdeführers, besonders dem Verweilen am bisherigen Aufenthaltsort trotz Wohnsitzauflage.

Das Gericht verkennt nicht, dass der Beschwerdeführer Fahrscheine betreffend eine Wienreise am 19.02.2019 sowie ein Lichtbild vorgelegt hat, das ihn vor dem Sitz der Botschaft des Herkunftslandes zeigt. Zumal das Lichtbild undatiert ist, und die Botschaft nach dem Wissen des Gerichts zumindest auf Wunsch Bestätigungen über stattgefundene Vorsprachen ausstellt, ergibt sich daraus nicht einmal, dass der - rechtlich vertretene - Beschwerdeführer an dem Tag tatsächlich das Gebäude betreten hätte.

Dies auch deshalb, weil die dazu abgegebene Stellungnahme vom 20.02.2019 damit nicht übereinstimmt, wonach der Beschwerdeführer am 18.(!) 02.2019 versuchen werde (!), von der Botschaft Dokumente für ein Heimreisezertifikat zu erhalten, was weder chronologisch stimmen kann, noch dem Datum der Entwertung der Fahrscheine, 19.02.2019, entspricht. Der Beschwerdeführer hat dem BFA später auch keine solchen "Dokumente" vorgelegt.

2.3 Zum Herkunftsstaat

Die im zuletzt ergangenen Erkenntnis getroffenen Feststellungen entsprechen, soweit für die Rückkehrentscheidung und die Zulässigkeit der Abschiebung relevant, nach wie vor dem aktuellen Stand der Länderinformationen, wie er im Detail unter "Rückkehr" zitiert ist.

Weitere Feststellungen waren demnach nicht nötig, zumal den bisherigen in den Beschwerden nichts Substanzielles entgegengesetzt wird, wenn diese ausführen, eine Rückkehr des Beschwerdeführers diene "nicht dem europäischen Grundgedanken einer liberalen Lebensführung" freier Menschen (S. 5 der Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung), und dem Beschwerdeführer drohe existenzbedrohende Armut, eine Rückkehr würde ihm an Leib und Leben und seiner Gesundheit schaden (S. 7 der Beschwerde gegen die Wohnsitzauflage), wobei Letzteres bereits Gegenstand der Gerichtsentscheidung vom 08.04.2019 war.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Bestätigung des Bescheids 1 und teilweise Stattgebung zu Bescheid 2:

3.1 Zu Bescheid 1: Abweisung der Beschwerde (Spruchpunkt A 1.):

3.1.1 Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels (Spruchpunkt I des Bescheids)

Im Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheids sprach das BFA aus, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" "gemäß § 57 AsylG" nicht erteilt werde. Damit war der Begründung zufolge (S. 71, AS 107) das in § 57 AsylG 2005 beschriebene Rechtsinstitut "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemeint. Dem war durch die Richtigstellung des Spruchs Rechnung zu tragen.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG 2005 hat der Beschwerdeführer zwar behauptet. Darüber hat dieses Gericht aber bereits im Erkenntnis I403 2014997-2/5E abgesprochen. Aus den Beschwerden und den Verwaltungsakten ergeben sich keine Hinweise, die nahelegen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung nun dennoch in Betracht kommt.

3.1.2 Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II):

Nach § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG ist eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn ein Drittstaatsangehöriger sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Das ist beim Beschwerdeführer der Fall, der sich unrechtmäßig in Österreich befindet, weil er seiner Ausreiseverpflichtung nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens nicht nachkam, wie schon im Vorerkenntnis geklärt wurde. Auch das Vorbringen, sich ein Leben außerhalb Österreichs gar nicht mehr vorstellen zu können, wurde dort bereits behandelt.

Eine Rückkehrentscheidung ist nur dann nicht vorgesehen, wenn sie wegen eines Eingriffs in das Privat- oder Familienleben eines Fremden auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für dauernd unzulässig zu erklären ist. Zu entscheiden ist dabei nach einer individuellen Abwägung der berührten privaten Interessen gegenüber den öffentlichen, ob ein Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig ist.

Eine individuelle Abwägung der berührten Interessen ergibt, dass ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers durch seine Außerlandesbringung als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig anzusehen ist. Dies hat dieses Gericht bereits im mehrfach erwähnten Erkenntnis entschieden, seit welchem sich keine Sachverhaltsänderung ergab, die darauf Einfluss hätte.

Dem Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich stehen öffentliche Interessen gegenüber. Zuerst steht ihnen das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel anwesend sind - gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz - auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden.

Im Fall des Beschwerdeführers kommt dazu infolge seiner strafgerichtlichen Verurteilung noch das öffentliche Interesse an der Verhinderung von Vermögens- und anderen Delikten.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne des § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden.

3.1.3 Zulässigkeit der Abschiebung

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, die Festlegung eines solchen Staates wäre aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich.

Die Abschiebung in einen Staat ist nach § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention verletzt würden, oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat auch unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.

§ 50 Abs. 3 FPG erklärt die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria einer realen Gefahr der Folter, der unmenschlichen Strafe oder Behandlung oder der Todesstrafe ausgesetzt wäre.

Es fehlt auch jedes Indiz dafür, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr durch einen innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikt Gefahr laufen würde in seinem Leben beeinträchtigt oder gar getötet würde.

Zudem liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und damit die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre.

Bereits im mehrfach erwähnten Vorerkenntnis I403 2014997-2/5E hat dieses Gericht die Feststellung bestätigt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat zulässig ist. Auch diesbezüglich sind keine Änderungen des Sachverhalts zu berücksichtigen.

Die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz werden jedenfalls im konkreten Fall gedeckt werden können. Es genügt nicht für die Annahme, der Beschwerdeführer würde nach seiner Rückkehr keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können, dass er möglicherweise in Österreich wirtschaftlich besser leben kann als im Herkunftsland. Somit fehlen im vorliegenden Fall Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

Zudem besteht in Nigeria keine so extreme Gefahrenlage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre.

Stichhaltige Gründe für die Annahme, dass in Nigeria das Leben des Beschwerdeführers oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch in der Beschwerde nicht neu behauptet.

Eine der Abschiebung nach Nigeria entgegenstehende Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte besteht nicht.

Daher erwiesen sich die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung als rechtmäßig und die Beschwerde daher auch insoweit als unbegründet.

3.1.4 Zum Einreiseverbot (Spruchpunkt IV):

Nach § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt, und zwar grundsätzlich für bis zu 10 Jahre. Eine solche Tatsache, die auch bei der Bemessung der Dauer zu berücksichtigen ist, ist nach Z. 1 die gerichtliche Verurteilung des Drittstaatsangehörigen zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten.

Die festgestellte Verurteilung erfüllt die angeführte Voraussetzung der Mindestdauer der verhängten Freiheitsstrafe. Aus der Kombination von Urkunden- und Vermögensdelikt ergibt sich, dass der Beschwerdeführer mehrere Rechtsgüter angegriffen hat, was darauf schließen lässt, dass er die rechtlich geschützten Werte nicht ausreichend verinnerlicht hat, woraus sozial inadäquates Verhalten folgte.

Der Beschwerdeführer vermag ferner auch die Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen, was nach § 53 Abs. 2 FPG schon für sich genommen ein Einreiseverbot für bis zu fünf Jahre nach sich zöge, hier aber bei der Bemessung der Verbotsdauer zu Buche schlägt.

Angesichts dessen, dass die vom Strafgericht gewährte Bewährungsfrist von drei Jahren noch zu fast zwei Dritteln offen ist, vermag das Vorbringen, der Beschwerdeführer lebe "gerade in ordentlichen Verhältnissen" auch nicht mit den weiteren geltend gemachten Integrationsschritten einen entscheidenden Einfluss auf die Gefährlichkeitsprognose zu haben.

Zu erinnern ist dabei auch daran, dass nach dem weiteren Inhalt der Entscheidung der Arbeitsvorvertrag mangels Arbeitserlaubnis nicht zu einer tatsächlichen Anstellung führen wird, und die Delinquenz des Beschwerdeführers sogar schon zu einer Zeit auftrat, als er noch Grundversorgung bezog.

Wenn das Gericht bei einem Strafrahmen von fünf Jahren (§ 148 StGB) die Strafe eines Ersttäters mit acht Monaten (wenn auch bedingt nachgesehen) bemisst, also 13 % der Höchststrafe, dann ist auch nicht von einem geringeren als dem deliktstypischen Schuldmaß auszugehen.

Die Dauer des Einreiseverbots hat sich an der Dauer der zu prognostizierenden vom Fremden ausgehenden Gefährdung zu orientieren Außerdem ist auf seine privaten und familiären Interessen Bedacht zu nehmen (VwGH 20.12.2016, Ra 2016/21/0109).

Fallbezogen kommt auf Grund des angeführten gesetzlichen Rahmens eine Dauer bis zu zehn Jahren in Frage. Die Gefährdung hingegen, die vom Fremden ausgeht, wird mit einiger Wahrscheinlichkeit enden, wenn dieser im Herkunftsland adäquate Arbeit und ein stabiles soziales Umfeld gefunden haben wird. Es ist dem BFA daher nicht entgegenzutreten, wenn es drei Jahre für sachgerecht hielt, wenngleich dem Bescheid explizite Überlegungen dazu nicht entnommen werden können.

Private Interessen, die eine kürzere Dauer gebieten würden, sind nicht zu erkennen. Gegen eine solche spricht aber auch das massive fremdenrechtliche Fehlverhalten samt Verweigerung der Befolgung der Wohnsitzauflage und unterlassener Ausreise.

Im vorliegenden Beschwerdefall sind auch keine anderen Umstände zutage getreten, die dem Gericht eine Reduzierung der Befristung nahelegen würden. Nach all dem war die Beschwerde auch betreffend diesen Spruchpunkt IV abzuweisen.

3.1.5 Zum Nichtbestehen einer Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt V):

Das BFA hat die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde aberkannt und dies mit der im folgenden Punkt zu erörternden Voraussetzung des § 18 Abs. 2 BFA-VG begründet. Wie zu zeigen sein wird, hat es diese Bestimmung zu Recht angewendet.

Bereits unmittelbar aus § 55 Abs. 1a FPG ergibt sich, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht besteht, wenn eine Entscheidung aufgrund eines Verfahrens nach § 18 BFA-VG durchführbar wird, was hier - nach dem Spruchpunkt VI des angefochtenen Bescheides - der Fall ist.

Es besteht daher keine Frist für die freiwillige Ausreise. Deshalb war die Beschwerde auch zu diesem Spruchpunkt abzuweisen.

3.1.6 Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt VI):

Nach § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise eines Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich ist oder Fluchtgefahr besteht.

Die sofortige Ausreise erweist sich als nötig in diesem Sinne, da der Beschwerdeführer bereits im Genuss der Grundversorgung dazu überging, sich betrügerisch fremdes Vermögen zu verschaffen, nun aber weder über eine Grundversorgung noch über familiäre Bindungen im Inland oder ein Arbeitseinkommen verfügt. Er reiste auch pflichtwidrig nicht aus und nahm pflichtwidrig nicht im zugewiesenen Quartier Unterkunft.

Dem BFA ist aus diesen Gründen beizupflichten, dass beim Beschwerdeführer das sofortige Ausreiseinteresse wegen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu bejahen war, weil in dessen Situation das Risiko weiterer Angriffe gegen unterschiedliche geschützte Rechtsgüter deutlich höher ist als bei sozial und wirtschaftlich integrierten Vergleichspersonen, und auch die Fluchtgefahr nicht zu übersehen ist.

Demnach besteht die Notwendigkeit, mit der Ausreise nicht zuzuwarten. Daher war die Beschwerde auch gegen Spruchpunkt VI des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

Nach § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Ein Antragsrecht, das auf diese Entscheidung gerichtet wäre, ist nicht vorgesehen. Der in der Beschwerde gestellte Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung erweist sich damit als unzulässig, weshalb er mit Beschluss zurückzuweisen wäre, würde er nicht mit der Erlassung der vorliegenden inhaltlichen Entscheidung ohnehin gegenstandslos (vgl. VwGH 30.01.2015, Ra 2014/02/0174 mwH).

3.2 Zum zweiten Bescheid: Anpassung der Wohnsitzauflage, Bestätigung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt A 2.):

Betreffend das nach Erhebung einer Vorstellung gegen einen Mandatsbescheid durchzuführende Ermittlungsverfahren hat der VwGH ausgesprochen, dass es dazu dient, "auf Grundlage des unter Wahrung des Parteiengehörs ermittelten Sachverhaltes in der Weise bescheidmäßig neu zu entscheiden, dass ausgesprochen wird, ob das Mandat aufrecht bleibt, behoben (beseitigt) oder abgeändert wird."

Prozessgegenstand des Verfahrens über die Vorstellung ist somit das erlassene Mandat. (VwGH 10.10.2003, 2002/18/0241 mwH).

Vor diesem Hintergrund ist der Spruch des bekämpften Bescheides, so zu verstehen, dass das Mandat damit mit der Maßgabe aufrecht bleiben soll, dass der Beschwerdeführer nicht binnen drei Tagen, sondern unverzüglich in der genannten Einrichtung Unterkunft zu nehmen habe.

Eine schlichte Bestätigung des Mandatsbescheids hätte demgegenüber dessen Vollstreckbarkeit unberührt gelassen und daher auf den Spruchpunkt II verzichten können.

3.2.1 Zur Wohnsitzauflage (Spruchpunkt I des Bescheids):

Das BFA hat sich bei der Verhängung der Wohnsitzauflage auf § 57 Abs.1 FPG gestützt. Diese Bestimmung sieht vor, dass einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig wurde und dessen Aufenthalt nicht geduldet ist, aufgetragen werden kann, bis zur Ausreise in vom BFA bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn entweder keine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 gewährt wurde oder (Z. 1) oder nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird (Z. 2).

Nach Abs. 2 ist beim letztgenannten Tatbestand insbesondere zu berücksichtigen, ob der Fremde entgegen einer Anordnung des BFA (...) ein Rückkehrberatungsgespräch nicht in Anspruch genommen hat (Z. 1), nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise seinen Wohnsitz oder den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts gewechselt und das BFA davon nicht in Kenntnis gesetzt hat (Z. 2) oder an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen im Sinne der § 46 Abs. 2 und 2a FPG nicht mitwirkt (Z. 3). Z. 4 f nennen weitere Umstände, die fallbezogen nicht relevant sind.

Nach den Materialien (2285/A Blg. XXV. GP, 63 ff) soll eine Wohnsitzauflage nicht systematisch erfolgen, sondern jedenfalls abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls ergehen. Dabei sind insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie Art. 8 EMRK, speziell im Hinblick auf familiäre Strukturen, die Wahrung der Familieneinheit und die Bedürfnisse Minderjähriger zu berücksichtigen. Die Wohnsitzauflage soll daher "als ultima ratio nur dann angeordnet werden", wenn der Drittstaatsangehörige seiner Verpflichtung zur Ausreise bislang nicht nachgekommen und aufgrund der Umstände anzunehmen ist, dass er das auch weiterhin nicht wird.

Die Interessenabwägung zu Art. 8 EMRK nimmt das BFA Bezug nehmend auf die rechtskräftige Rückkehrentscheidung vor und hält fest, dass seither keine Änderungen bekannt geworden seien, und solche gegebenenfalls im Bewusstsein der Ausreiseverpflichtung stattfgefunden hätten.

Dieser Überlegung ist beizupflichten (im Gegensatz zu weiteren, wonach die Wohnsitzauflage als geringerer Eingriff gegenüber der Abschiebung quasi immer zulässig, und aus einer pflichtwidrigen Nichtausreise auf fehlende "wesentliche integrative Bindung zu Österreich" zu schließen sei).

Auch wenn die Feststellungen lediglich ergeben, dass keine Hinweise auf ein Rückkehrgespräch existierten, lässt sich dennoch aus dem entgegen den gerichtlichen Feststellungen und ungeachtet der Rechtskraft der bisherigen Entscheidungen fortgesetzten Beharren des Beschwerdeführers auf dem behaupteten Überwiegen seiner privaten Interessen am Verbleib, verbunden mit dem Nichtbefolgen der Ausreisepflicht, die Annahme rechtfertigen, dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

Bereits im Vorerkenntnis hat dieses Gericht nach individueller Abwägung der berührten Interessen entschieden, dass ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers durch seine Außerlandesbringung als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden kann. Dieses ist vor etwa sieben Wochen ergangen, und im nunmehrigen Verfahren wurde nichts vorgebracht, was auf inzwischen entscheidungswesentlich stärkere private oder familiäre Anknüpfungen des Beschwerdeführers im Inland hindeutete.

Im Hinblick auf den festgestellten Sachverhalt, der den in § 57 Abs. 2 FPG demonstrativ angeführten Indizien seiner Art und Schwere nach zumindest nahekommt, ist daher die Anordnung des BFA in Spruchpunkt I nicht nur begründet, sondern auch verhältnismäßig.

Im Gegensatz zu § 15b AsylG 2005 ("Anordnung der Unterkunftnahme"), der unter einem mit § 57 FPG in Kraft trat, und wonach das BFA einem Asylwerber unter näher bezeichneten Voraussetzungen aufgetragen werden, in einem zur Verfügung gestellten Quartier "durchgängig" Unterkunft zu nehmen, ist in § 57 FPG nur davon die Rede "Unterkunft zu nehmen", nicht aber "durchgängig". Das macht insofern einen Unterschied, als der Begriff "durchgängig" bei der Anordnung der Unterkunftnahme nach den Materialien "jedenfalls so zu verstehen [ist], dass die Anwesenheit des Asylwerbers in dem zugewiesenen Quartier während den Nachstunden erforderlich ist".

Die Unterscheidung der beiden Maßnahmen erscheint auch nicht als Redaktionsversehen, sondern insofern konsequent, als nach den Materialien die rechtskräftige Rückkehrentscheidung als Voraussetzung der Wohnsitzauflage eine deutliche Abgrenzung zur Anordnung der Unterkunftnahme gemäß § 15b AsylG 2005 bildet, "welche nur bis zur Rechtskraft der Entscheidung Gültigkeit besitzen kann". Im Regelfall gilt daher die Anordnung der Unterkunftnahme (nur) für die Verfahrensdauer, die Wohnsitzauflage aber grundsätzlich unbefristet.

Mangels Rechtsgrundlage war daher das Wort "durchgängig" aus Spruchpunkt I zu entfernen. Das BFA hat die Bescheidbegründung mit einer "Belehrung" über die nächtliche Anwesenheitspflicht erweitert, die sich damit fallbezogen mangels Rechtsgrundlage für das Wort "durchgängig" als gegenstandslos erweist.

3.2.2 Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt II):

Das BFA hat die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid nach § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen und dies mit einem überwiegenden öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug des Bescheides begründet.

Die zitierte Bestimmung sieht demgegenüber den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung vor, "wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist".

Zu fragen ist demnach, ob Gefahr im Verzug vorliegt, und deshalb der vorzeitige Vollzug dringend nötig ist.

Das BFA führt aus, das überwiegende öffentliche Interesse sei bereits durch die Entscheidung des Gesetzgebers für eine Wohnsitzauflage mittels Mandatsbescheides indiziert, der sofort durchsetzbar sei. Angesichts des Zwecks der Auflage "im Hinblick auf die Ausreise in Erfüllung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme" lägen daher "jedenfalls" überwiegende öffentliche Interessen am sofortigen Vollzug vor.

Dem ist nicht zu folgen, und zwar zunächst schon deswegen, weil das Vorsehen eines Mandatsbescheids für sich allein nur bedeutet, dass ein Bescheid ohne vorangegangenes Ermittlungsverfahren ergehen darf oder muss. Dies ist nach § 57 AVG für bestimmte Geldleistungen und bei Gefahr im Verzug auch noch für unaufschiebbare Maßnahmen vorgesehen, aber nach verschiedenen Verwaltungsvorschriften auch unter anderen Voraussetzungen (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts10 [2014] Rz 578 ff).

Die Materialien (2285/A Blg. XXV. GP, 65 f; ursprünglich AA-213 XXV. GP, 66 f) gehen davon aus, dass bei Wohnsitzauflagen nach § 57 Abs. 1 Z. 1 FPG "der Ausschluss einer Frist zur freiwilligen Ausreise an die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Rückkehrentscheidung (§ 18 Abs. 2 BFA-VG) geknüpft" wurde, und so "bereits im Falle einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde und der Nichtgewährung einer Frist gemäß § 55 [FPG] festgestellt [sei], dass eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt". Diese Darstellung der Begründung des Abänderungsantrags übergeht, dass in § 18 Abs. 2 BFA-VG neben dem "Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit" (Z. 1) noch zwei weitere Tatbestände beinhaltet sind (Z. 2 f), und sich § 55 (Abs. 4) FPG auf alle drei bezieht.

Sie lässt ferner außer Acht, dass die aufschiebende Wirkung nicht nur - wie hier geschehen - nach § 18 Abs. 2 BFA VG aberkannt worden sein kann, sondern (stattdessen) auch nach § 18 Abs. 1 BFA-VG, weil (z. B.) das Vorbringen zu Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht.

Fallbezogen nicht zu übersehen ist auch, dass die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung durch den datumsmäßig ersten Bescheid zum Zeitpunkt der Erlassung des zweiten noch nicht dem Rechtsbestand angehörte, da der erste bei Zustellung des zweiten noch nicht erlassen war, weil er erst drei Tage später als der zweite zugestellt wurde.

Die erst vor Kurzem erfolgte gerichtliche Verurteilung (die das BFA im Bescheid auch feststellte) manifestiert indes öffentliche Interessen am vorzeitigen Vollzug der angefochtenen Wohnsitzauflage. Angesichts des Fehlens legaler Einkünfte des Beschwerdeführers und der so drohenden jederzeitigen Möglichkeit weiterer Angriffe gegen unterschiedliche geschützte Rechtsgüter ist nämlich auch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer der folgenden neuerlichen gerichtlichen Strafe durch zu entgehen versuchen wird, dass er sich durch Untertauchen dem Zugriff der Behörden entzieht. Das gilt umso mehr, als er ohnehin nicht mit einem weiteren Verbleib am bisherigen Wohnsitz rechnen kann.

Angesichts einer bereits im Vorerkenntnis festgestellten fehlenden nachhaltigen Integration und des Fehlens eines Familienlebens und einer Lebensgemeinschaft ergab (zum Entscheidungszeitpunkt des BFA) und ergibt die Abwägung der berührten öffentlichen Interessen am vorzeitigen Vollzug gegenüber dem Interesse des Beschwerdeführers am Abwarten der nun vorliegenden Entscheidung, dass die Wohnsitzauflage wegen Gefahr im Verzug ausnahmsweise bereits vorab vollstreckbar zu sein hatte.

Daher war die Beschwerde gegen diesen Spruchpunkt abzuweisen.

Gemäß § 13 Abs. 4 VwGVG haben Beschwerden gegen Bescheide über den Ausschluss (oder die Zuerkennung) der aufschiebenden Wirkung ihrerseits keine derartige Wirkung. Solch einer Beschwerde kann - mangels Rechtsgrundlage - die aufschiebende Wirkung auch nicht zuerkannt werden. Allerdings trifft die Behörde die Verpflichtung zur unverzüglichen Vorlage der Beschwerde an das VwG, das daraufhin ebenso unverzüglich und ohne weiteres Verfahren über die Beschwerde zu entscheiden hat (vgl VwGH 19. 6. 2017, Fr 2017/19/0023; Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 [2018] § 13 VwGVG, Anm. 8). Bereits unter diesem Gesichtspunkt hatte eine "Zuerkennung" der aufschiebenden Wirkung zu unterbleiben.

Zur Gegenstandslosigkeit des darauf gerichteten Antrags sei auf das oben bei 3.1.6 Ausgeführte verwiesen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Relevanz des Privat- und Familienlebens bei Rückkehrentscheidungen, zu den Voraussetzungen der Zulässigkeit der Abschiebung oder jener der Aberkennung der Aufschiebenden Wirkung oder zur ganzheitlichen Verhaltensbeurteilung bei der Verhängung und Bemessung von Einreiseverboten.

Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage(n) kamen nicht hervor.

4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist.

Außerdem muss die Verwaltungsbehörde ihre die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Gericht diese tragenden Erwägungen in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Die genannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist - aufgrund des Umstandes, dass zwischen den Entscheidungen durch die belangte Behörde und jener durch das Gericht sieben bzw. acht Wochen liegen - die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Gericht zur Gänze angeschlossen. Den Beschwerden sind keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, die geeignet wären, die vom BFA getroffenen Entscheidungen infrage zu stellen.

Die Abhaltung einer Verhandlung konnte demnach unterbleiben.

Schlagworte

Abschiebung, Asylverfahren, Aufenthaltsberechtigung besonderer
Schutz, Aufenthaltstitel, aufschiebende Wirkung - Entfall,
berücksichtigungswürdige Gründe, Einreiseverbot, freiwillige
Ausreise, Frist, Gefährdung der Sicherheit, Gefährdungsprognose,
Interessenabwägung, Mittellosigkeit, öffentliche Interessen,
öffentliche Ordnung, öffentliche Sicherheit, Privat- und
Familienleben, private Interessen, Rückkehrentscheidung,
Straffälligkeit, strafrechtliche Verurteilung, Unterkunft,
Verhältnismäßigkeit, Vermögensdelikt, Wohnsitzauflage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I419.2014997.4.00

Zuletzt aktualisiert am

21.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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