TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/13 W169 2203764-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.09.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

13.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W169 2203764-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.07.2018, Zl. 1124406810-161052190, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, und §§ 52 und 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler, schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 28.07.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 29.07.2016 gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er aus dem Bundesstaat Punjab stamme und die Sprachen Punjabi und Hindi spreche sowie Englisch beherrsche. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikhs an, sei ledig und kinderlos. Der Beschwerdeführer habe in Indien von 2001 bis 2013 die Grundschule besucht und zuletzt als Landwirt gearbeitet. Im Herkunftsstaat würden die Mutter und die Schwester des Beschwerdeführers leben; sein Vater sei im Jahr 2013 verstorben. Zu seinem Ausreisegrund führte der Beschwerdeführer an, dass sein Vater ein Offizier bei der Polizei gewesen sei und vor einigen Jahren eine kriminelle Bande festgenommen habe. Danach sei er von deren Mitgliedern bedroht worden. Nach dem Tod des Vaters sei auch der Beschwerdeführer von diesen Männern bedroht worden und hätten sie zu ihm gesagt, dass sie seinen Vater ermordet hätten und auch ihn töten würden. Deshalb sei der Beschwerdeführer vor zwei Jahren mit seiner Familie in ein anderes Dorf umgezogen. Vor ungefähr sechs Monaten sei er erneut von der Gruppe telefonisch bedroht worden, weshalb der Beschwerdeführer das Land verlassen habe.

2. Anlässlich seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 08.06.2018 gab der Beschwerdeführer an, dass er aus dem Bundesstaat Punjab stamme und der Religionsgemeinschaft der Sikhs angehöre. Er beherrsche die Sprachen Punjabi, Hindi und Englisch. Der Beschwerdeführer sei ledig, kinderlos und gesund. Im Herkunftsstaat habe er zwölf Jahre die Grundschule besucht und den "Bachelor of Arts" abgeschlossen. Er habe im Elternhaus gelebt und in der familieneigenen Landwirtschaft ausgeholfen. Der Vater des Beschwerdeführers sei bereits verstorben und lebe seine Mutter auch weiterhin im Herkunftsort. Sie finanziere ihren Unterhalt durch die Felder und mit der Pension ihres verstorbenen Ehemannes, der bei der Polizei gearbeitet habe. Überdies würden viele weitere Verwandte des Beschwerdeführers in Form von Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen in Indien leben. Er habe täglich Kontakt zu seiner Mutter und ein sehr gutes Verhältnis zu seiner Familie.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor (VP: nunmehriger Beschwerdeführer; LA: Leiter der Amtshandlung):

"(...)

LA: Warum haben Sie Ihr Heimatland verlassen und in Österreich einen Asylantrag gestellt? Nennen Sie bitte all Ihre Fluchtgründe!

VP: Mein Vater war bei der Polizei. 1996 gab es in Indien einen Fall bezüglich Terrorismus, da hat sich eine Feindschaft entwickelt. Diese Terroristen bedrohten meinen Vater mit dem Tod. Es gibt auch eine Anzeige wo beschrieben wurde, dass mein Vater fast eine Kugel getroffen hätte. 2013 ist er verstorben. Nach seinem Tod habe ich zwei oder drei Drohanrufe bekommen wo ich mit dem Tod bedroht wurde. Ich hätte seinen Posten leicht übernehmen können, aber mein Leben war gefährdet, deshalb musste ich das Land verlassen.

LA: Haben Sie nun all Ihre Fluchtgründe genannt?

VP: Ja.

LA: Ihre Angaben sind vage und unkonkret machen Sie mir genaue Angaben rund um Ihren Fluchtgrund! Nennen Sie mir Einzelheiten und Details!

VP: Es ist alles was ich gesagt habe, ich möchte nichts dazu erfinden.

Wh. der Frage: Sie schildern einen abstrakten Sachverhalt, Ihr Vorbringen lässt Details und Einzelheiten vermissen. Machen Sie mir konkrete Angaben über Ihren Fluchtgrund!

VP: Ganz Punjab weiß was zu dieser Zeit von 1984 bis 2000 die ganzen Polizisten gefährdet. 1984 gab es einen Angriff im goldenen Tempel. Seitdem gibt es Probleme zwischen Sikhs und Polizisten. Ich bin darin verwickelt, weil mein Vater bei der Polizei war, weil er mit dem Tod bedroht wurde und ich genauso.

Wh. der Frage: Ihre Schilderungen lassen Einzelheiten und Details vermissen, Ihr Vorbringen ist so nicht glaubhaft, was sagen Sie dazu? Nennen Sie mir alle Einzelheiten, was Sie darüber wissen! (Drohanrufe etc.)

VP: Anfangs bekam mein Vater Drohanrufe zwei bis drei Mal. Sie kamen sogar zu uns nach Hause. In ganz Punjab blieben aus Angst keine Polizisten mehr zu Hause, weil sie so große Angst hatten. Sie kamen zwei bis drei Mal zu uns nach Hause um meinen Vater ausfindig zu machen, was ihnen nicht gelungen ist, weil er nicht zu Hause war. Nachdem mein Vater verstorben ist, war ich die einzig männliche Person der zu Hause war, also wurde ich mit dem Tod bedroht.

LA: Mehr können Sie nicht angeben?

VP: Nein.

LA: Wurden Sie persönlich bedroht oder verfolgt?

VP: Verfolgt nicht, aber ich bekam zwei bis drei Drohanrufe als ich im College war.

LA: Wie oft wurden Sie bedroht?

VP: Zwei oder drei Drohanrufe.

LA: Wann wurden Sie zum ersten Mal und wann zum letzten Mal bedroht?

VP: Das erste Mal war im ersten Jahr, als ich am College war. Nach zwei Monaten den zweiten Drohanruf, das war im College. Es war entweder 2014 oder 2015.

LA: Wann fanden diese Vorfälle genau statt! Geben Sie mir einen zeitlichen Überblick!

VP: Ich glaub es war 2014. Das war innerhalb von zwei Monaten. Danach ging ich nicht mehr so oft ins College und war eher zu Hause. Ich lebte bei meinen Verwandten, weil ich mich nicht sicher fühlte.

LA: Wie gestalteten sich diese Vorfälle? Machen Sie mir umfangreiche Angaben darüber!

VP: Es waren keine Vorfälle, ich wurde nur angerufen. Ich war die einzig männliche Person zu Hause nach dem Tod meines Vaters.

Wh. der Frage. Wie gestalteten sich diese telefonischen Drohungen? Machen Sie detailliertere Angaben!

VP: Beim Anruf sagten sie, ich denke es waren Verwandte oder ich weiß nicht wer das war. Mein Vater war ein ASI Offizier. Sie hatten das Ziel meinen Vater zu töten, weil er und andere Polizisten damals im Auftrag der Polizei Leute töten mussten. Es waren ca. zwei bis drei Personen, aber ich weiß es nicht genau. Zuerst wurden diese Verhaftet, seitdem sind sie hinter meinem Vater her. Sie haben auch gesagt, dass sie beim Tod meines Vaters mitgewirkt haben und dass ich jetzt dran bin. Und sie sagten, sie werden Rache nehmen und auch mich erledigen.

LA: Mehr können Sie darüber nicht angeben?

VP: Nein.

LA: Erstatten Sie ein konkretes Vorbringen bezüglich Ihrer Drohanrufe! Schildern Sie mir alle Einzelheiten und Details über die Drohungen.

VP: Das waren, was ich gerade gesagt habe, aber nach dem Drohanruf habe ich meine Nummer gewechselt und bei Verwandten Unterkunft genommen.

LA: Mehr können Sie nicht angeben?

VP: Nein.

LA: Erstatten Sie mir umfangreiche Angaben über die Bedroher, welche Sie durch das Telefon kontaktiert haben!

VP: Sie sagten, sie wären die Verwandten, von den Personen, die damals im Auftrag der Polizei getötet worden sind.

LA: Hatten Sie jemals persönlichen Kontakt zu diesen Personen?

VP: Nein.

LA: Wie kamen diese Bedroher auf Ihre Telefonnumer?

VP: Ich weiß es nicht. Befragt gebe ich an, dass sie die Nummer zweite Nummer auch herausgefunden haben, aber die dritte Nummer nicht.

LA: Das heißt, Sie wurden nicht mehr kontaktiert?

VP: Meine dritte Nummer habe ich nur meinen Verwandten und engen Freunden gegeben. Da wurde ich nicht mehr angerufen.

LA: Schildern Sie mir den Vorfall, als diese fremden Personen zu Ihnen nach Hause gekommen sind!

VP: Ich war damals sehr klein, ich kann mich daran nicht erinnern. Befragt gebe ich an, dass ich damals sechs oder sieben Jahre alt war.

LA: Waren diese Personen wiederholt bei Ihnen zu Hause?

VP: Danach habe ich sie nie wieder gesehen. Das war vor 2000.

LA: Zusammengefasst kann man sagen, dass Sie diese Personen nie gesehen haben, lediglich Drohanrufe erhalten haben. Stimmt das?

VP: Ja, es stimmt.

LA: Waren Sie bei einer anderen Polizeiinspektion oder der Oberbehörde der Polizei oder haben Sie sich einen Rechtsanwalt genommen?

VP: Ich habe es meinem Onkel mütterlicherseits erzählt, er hat alles gemacht. Er hat dann auch meine Flucht organisiert. Eigentlich war mein Traum auch Polizist zu werden.

LA: Haben Sie sich einen Anwalt genommen?

VP: Nein.

LA: Was befürchten Sie im Falle Ihrer Rückkehr nach Indien? Was würde passieren, wenn Sie morgen zurück nach Indien geschickt werden würden?

VP: Ich weiß es nicht, ich habe Angst.

(...)"

Weiters gab der Beschwerdeführer an, dass er legal mit seinem Reisepass aus Indien ausgereist sei.

Zu den Lebensumständen in Österreich gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er keine Familienangehörigen hier habe und auch mit niemandem in einer Familiengemeinschaft oder familienähnlichen Lebensgemeinschaft lebe. Er arbeite als Zeitungszusteller und habe Freunde im Bundesgebiet, auch Österreicher. In seiner Freizeit gehe er spazieren und ins Fitnessstudio. Auch sei er in einem Cricket Club. Der Beschwerdeführer habe in Österreich keine Kurse oder sonstigen Ausbildungen absolviert und er nehme nicht auf andere Weise am sozialen Leben in Österreich teil.

Dem Beschwerdeführer wurde am Ende der Einvernahme die Möglichkeit geboten, in die aktuellen Länderberichte zur Situation in Indien Einsicht zu nehmen und gegebenfalls eine diesbezügliche Stellungnahme abzugeben. Der Beschwerdeführer beantragte dafür eine zweiwöchige Frist und wurde ihm diese bis 22.06.2018 gewährt.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.07.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß §57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen kein Glauben geschenkt werde. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der eher kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien. Die Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und wurde darin moniert, dass er in seiner Heimat Verfolgung zu fürchten hätte. Das Verfahren sei mangelhaft, da die Behörde es verabsäumt habe, sich hinreichend mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen. Beantragt wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Punjab und gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Seine Identität steht nicht fest. Er beherrscht die Sprachen Punjabi, Hindi und Englisch. Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos. Im Herkunftsstaat lebte er gemeinsam mit seinen Eltern im Elternhaus im Bundesstaat Punjab, wo er zwölf Jahre die Grundschule besuchte und einen Bachelor of Arts absolvierte. Er half in der familieneigenen Landwirtschaft aus.

Die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Indien eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht. Der Beschwerdeführer reiste legal mit seinem Reisepass aus dem Herkunftsstaat aus.

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder Familienangehörigen im Bundesgebiet und lebt mit niemandem in einer Familiengemeinschaft oder familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Er arbeitet als Zeitungszusteller und hat Freunde im Bundesgebiet, auch Österreicher. In seiner Freizeit geht er spazieren und ins Fitnessstudio. Auch ist er in einem Cricket Club. Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Kurse oder sonstigen Ausbildungen absolviert und nimmt auch nicht auf andere Weise am sozialen Leben in Österreich teil. Im Herkunftsstaat leben auch weiterhin die Mutter und Schwester des Beschwerdeführers; sein Vater ist im Jahr 2013 verstorben. Seine Mutter finanziert ihren Unterhalt durch den Ertrag aus den familieneigenen Feldern und der Pension ihres verstorbenen Ehegatten. Auch leben viele weitere Verwandte des Beschwerdeführers in Form von Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen in Indien. Der Beschwerdeführer hat täglich Kontakt zu seiner Mutter und ein sehr gutes Verhältnis zu seiner Familie.

Der unbescholtene Beschwerdeführer ist gesund und steht im erwerbsfähigen Alter.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

Allgemeine Menschenrechtslage

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 16.8.2016). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2016). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 16.8.2016). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.8.2016).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit bei (USDOS 13.4.2016).

Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 6.2016), eine verallgemeinernde Bewertung kaum möglich:

Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 16.8.2016). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 16.8.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen Die Stimmung wird durch hindunationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 6.2016).

Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im Maoistengürtel begehen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 13.4.2016).

Die Behörden verstoßen auch weiterhin gegen die Privatsphäre der Bürger. In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein und es gibt Berichte von Verhaftungen, aber keine Verurteilungen nach diesem Gesetz. Manche Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 13.4.2016).

Im Oktober 1993 wurde die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) gegründet. Ihre Satzung beinhaltet den Schutz des Menschenrechtgesetzes aus dem Jahre 1993. Die Kommission verkörpert das Anliegen Indiens für den Schutz der Menschenrechte. Sie ist unabhängig und wurde durch ein Umsetzungsgesetz des Parlaments gegründet. Die NHRC hat die Befugnis eines Zivilgerichtes (NHRC o.D.). Die NHRC empfiehlt, dass das Kriminalermittlungsbüro alle Morde, in denen die angeblichen Verdächtigen während ihrer Anklage, Verhaftung, oder bei ihrem Fluchtversuch getötet wurden, untersucht. Viele Bundesstaaten sind diesem unverbindlichen Rat nicht gefolgt und führten interne Revisionen im Ermessen der Vorgesetzten durch. Die NHRC Richtlinien weisen die Bundesstaatenregierungen an, alle Fälle von Tod durch Polizeihandlung binnen 48 Stunden an die NHRC zu melden, jedoch hielten sich viele Bundesstaatenregierungen nicht an diese Richtlinien. Die NHRC forderte von den Bundesstaatenregierung, den Familien von Opfern eine finanzielle Kompensation zu bieten, aber die Bundesstaatenregierungen erfüllten diese Richtlinien nicht konsequent. Die Behörden haben die Streitkräfte nicht dazu aufgefordert, Todesfälle während der Haft an die NHRC zu melden (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

BICC - Bonn International Centre for Conversion (6.2016):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/201607/indien.pdf, Zugriff 13.12.2016

-

NHRC - The National Human Rights Commission India (o. D.): The National Human Rights Commission India, http://www.nhrc.nic.in/Documents/Publications/NHRCindia.pdf, Zugriff 5.1.2017

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 13.12.2016

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 13.4.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 16.8.2016).

Die Regierung lockerte Einschränkungen in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen. Die Sicherheitskräfte untersuchen Wagen und deren Inhaber bei Checkpoints im Kaschmirtal, vor öffentlichen Veranstaltungen in Neu Delhi oder nach großen terroristischen Angriffen (USDOS 13.4.2016).

Die Regierung darf die legale Ausstellung eines Passes, an einen Anwärter, von dem geglaubt wird, dass er in Aktivitäten außerhalb des Landes verwickelt ist, die "schädlich für die Souveränität und Integrität der Nation" sind, verweigern Bürger von Jammu und Kaschmir sind auch weiterhin mit massiven Verzögerungen bei der Ausstellung eines Passes konfrontiert, oft dauert es bis zu zwei Jahre, bis ihnen das Außenministerium einen Pass ausstellt oder erneuert. Die Regierung setzt Antragsteller - geboren in Jammu und Kaschmir -, darunter auch Kinder von Militäroffizieren Berichten zufolge zusätzlichen Kontrollen aus, bevor sie einen Pass erhalten (USDOS 16.8.2016).

Mit dem geplanten Datenverbundsystem für die zentralen Sicherheitsbehörden und die Unionsstaaten, Crime and Criminal Tracking Network System (CCTNS), soll künftig ein Informationsaustausch auf allen Ebenen gewährleistet sein. Für 2012 war eine Anbindung von 15.000 Polizeistationen und 6.000 übergeordneten Stellen vorgesehen. Die Umsetzung des ambitionierten Vorhabens liegt jedoch weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan (AA 3.3.2014).

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern (ÖB 12.2016). Es ist davon auszugehen, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten/halbstaatlichen Probleme entziehen können, da nicht davon auszugehen ist, dass über das Dorf hinaus Anwohner oder lokale Behörden Hinweise erhalten oder recherchieren können oder sich überhaupt dafür interessieren, was ein Zugezogener in der Vergangenheit gemacht haben könnte. Es fehlen jegliche zentrale Aktenführung oder Informationsaustausch. Es bedarf lediglich eines sehr einfachen, öffentlichen Namensänderungsverfahrens, um seine Identität zu verschleiern (AA 3.3.2014).

Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 16.8.2016). Ob der Betreffende nach der Umsiedlung dort die Möglichkeit hat, sich ein wirtschaftliches Auskommen zu verschaffen, hängt ausschließlich von seiner Eigeninitiative ab (AA 3.3.2014).

In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB 12.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (3.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Pracitces 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 28.12.2016

Meldewesen

Es gibt kein Meldewesen in Indien (AA 16.8.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

Grundversorgung/Wirtschaft

Indiens Wirtschaft hat sich zuletzt erholt und an Dynamik gewonnen. Indien zählt nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt. Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2015/2016 bei 7,6% (AA 9.2016).

Das Land hat eine aufstrebende urbane Mittelschicht. Die große Zahl an Facharbeitskräften macht es zu einem beliebten Ziel für internationale Firmen, die versuchen ihre Arbeit auszulagern. Der Großteil der ländlichen Bevölkerung ist weiterhin arm, da deren Leben auch weiterhin durch das altertümliche Hindukastensystem beeinflusst wird, welches jeder Person einen Platz in der sozialen Hierarchie zuweist (BBC 27.9.2016)

Das hohe Wachstum der Jahre bis 2011 hat die regionalen Entwicklungsunterschiede auf dem Subkontinent und das zunehmende Einkommensgefälle zwischen der expandierenden städtischen Mittelschicht und der überwiegend armen Bevölkerung auf dem Lande, wo noch knapp 70% aller Inder leben, schärfer hervortreten lassen. Ende September 2014 verkündete Premierminister Modi die "Make in India" Kampagne und rief ausländische Investoren dazu auf, in Indien bei verbesserten Investitionsbedingungen zu produzieren. Zur Ankurbelung der weiteren Industrialisierung werden groß angelegte Infrastrukturprojekte verfolgt. Auch im Bereich Schiene, den Häfen und im Luftverkehr sind erhebliche Investitionen nötig und geplant. Wachstum und Wohlstand verdankt Indien vor allem dem Dienstleistungssektor mit einem Anteil von über 53% am BIP. Hiervon profitiert aber bei einem Beschäftigungsanteil von etwa 30% nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Zur Überwindung der Massenarmut sollen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, vor allem auch für nicht oder gering qualifizierte Kräfte (AA 9.2016).

Indien hat eine Erwerbsbevölkerung von 404,5 Millionen, von welchen 43 Millionen im formellen Sektor und 361 Millionen im informellen Sektor arbeiten, wo sie weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert sind, noch Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung haben (AA 9.2016). Der Hauptteil der Menschen, die im informellen Sektor arbeiten, sind im privaten Sektor tätig (BAMF 12.2015). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 17,4% (2015/16) der Gesamtwirtschaft, obgleich rund 50% der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 9.2016).

Die Regierung hat überall im Land mehr als 900 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle im Regierungssekte frei ist. Das MGNREGA Gesetz (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act) ist ein Arbeitsgarantieprogramm. Erwachsenen eines ländlichen Haushalts, welche gewillt sind Handwerksarbeit zum Mindestlohn zu verrichten, wird hierdurch eine gesetzliche Jobgarantie für 100 Tage im Jahr gewährt. Das Kommissariat oder Direktorat der Industrie (The Commissionerates or Directorates of Industries) bieten Hilfe bei der Geschäftsgründung in den verschiedenen Staaten. Einige Regierungen bieten Arbeitslosenhilfe für Personen, die bereits mehr als drei Jahre bei der Stellenbörse registriert sind (BAMF 12.2015)

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 1.313 Euro. Etwa 30% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze von 1 USD pro Kopf und Tag. Rund 70% haben weniger als 2 USD pro Tag zur Verfügung. Auf dem Human Development Index des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme - UNDP) steht Indien auf Platz 135 unter 187 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 9.2016).

In Indien haben derzeit von 400 Millionen Arbeitskräften nur etwa 35 Millionen Zugang zum offiziellen Sozialen Sicherungssystem in Form einer Altersrentenabsicherung. Dies schließt Arbeiter des privaten Sektors, Beamte, Militärpersonal und Arbeitnehmer von Unternehmen des staatlich öffentlichen Sektors ein (BAMF 8.2014). Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 12.2015).

Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 12.2015).

Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unter dem Existenzminimum. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 16.8.2016).

Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar ID Nummer ausgestellt. Obwohl diese nicht verpflichtend ist, gaben Beamte an, dass der Nichtbesitz den Zugang zur Staatshilfe limitieren werden könnte (FH 3.10.2013). Die unverwechselbare Identitätsnummer ermöglicht es beispielsweise, dass staatliche Zuschüsse direkt an den Verbraucher übermittelt werden. Anstatt diese auf ein Bankkonto zu senden, wird sie an die unverwechselbare Identitätsnummer überwiesen, die mit der Bank verbunden ist und geht so an das entsprechende Bankkonto. 750 Millionen Inder haben derzeit eine derartige Identitätsnummer, ca. 130 Millionen haben diese auch mit ihrem Bankkonto verknüpft (International Business Times, 2.2.2015).

Die Identifizierungsbehörde Indiens wurde eingerichtet, um die rechtliche und technische Infrastruktur zu schaffen, die notwendig ist, um allen indischen Einwohnern eine 12-stellige Identitätsnummer (UID) auszustellen, die online überprüft werden können. Dieses Projekt soll gefälschte und doppelte Identitäten ausschließen. Das neue Identitätssystem wird mit Fotos, demographischen und biometrischen Details (Fingerabdrücke und IrisBild) verbunden. Der Erwerb einer UID ist freiwillig und kostenlos. Es gibt keine rechtliche Verpflichtung, sich registrieren zu lassen (UK Home Office 2.2015).

Da die im Rahmen des UID bzw. Aadhaar Projektes gesammelten Daten nicht in das nationale Bevölkerungsregister (NPR) integriert werden, stellt dieses jedoch nur eine bloße Auflistung von Namen und demographischen Details dar. Bisher wurden 1,04 Milliarden Aadhaar Nummern generiert, mit dem Plan der vollständigen Erfassung der Bevölkerung bis März 2017. Die zuständige Behörde für die einheitliche Identifikationsnummer weigert sich, die gesammelten Daten an das für das Bevölkerungsregister zuständige Innenministerium weiterzuleiten, da sie aufgrund des im Juli 2016 verabschiedeten Gesetzes von einem Datenaustausch ausgeschlossen ist (HT 8.8.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

AA - Auswärtiges Amt (9.2016): Indien, Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8E633C2F61937CFE7189E5065CD31B93/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Wirtschaft_node.html, Zugriff 23.12.2016

-

BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016) India profile - Overview, http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 28.12.2016

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (8.2014):

Länderinformationsblatt Indien, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_indien-dl_de.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 29.12.2016

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (12.2015):

Länderinformationsblatt Republik Indien, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772099/18364589/Indien_-_Country_Fact_Sheet_2015%2C_deutsch.pdf?nodeid=17927013&vernum=-2, Zugriff 29.12.2016

-

FH - Freedom House (3.10.2013): Freedom on the Net 2013 - India, http://www.ecoi.net/file_upload/3714_1380802722_fotn-2013-india.pdf, Zugriff 9.1.2017

-

HT - Hindustan Times (8.8.2016): National Population Register project now a Rs 4,800-crore sinkhole, http://www.hindustantimes.com/india-news/national-population-register-project-now-a-rs-4-800-crore-sinkhole/story-xwmSEA3NwijJFoOpxYe3dN.html, Zugriff 9.1.2017

-

International Business Times (2.2.2015): One Billion Indians To Have UID Numbers By Year-End As India Seeks To Boost Social Security,

http://www.ibtimes.com/one-billion-indians-have-uid-numbers-year-end-india-seeks-boost-social-security-1802126, Zugriff 9.1.2017

-

UK Home Office (2.2015): Country Information and Guidance India:

Background information, including actors of protection, and internal relocation,

https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/402790/cig_india_background_2015_02_04_v2_0.pdf, Zugriff 29.12.2016

Rückkehr

Allein die Tatsache, dass eine Person in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der Abschiebung. In den letzten Jahren hatten indische Asylbewerber, die in ihr Heimatland abgeschoben wurden, grundsätzlich - abgesehen von einer intensiven Prüfung der (Ersatz-) Reisedokumente und einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden - keine Probleme. Polizeilich gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen (AA 16.8.2016). Die indische Regierung hat kein Reintegrationsprogramm und bietet auch sonst keine finanzielle oder administrative Unterstützung für Rückkehrer (BAMF 12.2015).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (12.2015):

Länderinformationsblatt Republik Indien, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772099/18364589/Indien_-_Country_Fact_Sheet_2015%2C_deutsch.pdf?nodeid=17927013&vernum=-2, Zugriff 29.12.2016

2. Beweiswürdigung:

2.1. Mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokumentes steht die Identität des Beschwerdeführers nicht fest. Seine Staatsangehörigkeit und seine Herkunft erscheinen auf Grund seiner Sprach- und Ortskenntnisse glaubhaft.

Die Feststellungen über die Lebenssituation des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat sowie die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer in Österreich keine Verwandten oder Familienangehörigen hat, mit niemandem in einer Familiengemeinschaft oder familienähnlichen Lebensgemeinschaft lebt, als Zeitungszusteller arbeitet, österreichische Freunde im Bundesgebiet hat, in seiner Freizeit ins Fitnessstudio und spazieren geht, in einem Cricket Club ist, keine Kurse oder sonstigen Ausbildungen absolviert hat, er auch nicht auf andere Weise am sozialen Leben in Österreich teilnimmt und gesund ist, beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 08.06.2018.

Dass der Beschwerdeführer keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nimmt und strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus der Einsichtnahme ins Grundversorgungssystem und ins österreichische Strafregister.

Die Beurteilung der belangten Behörde, wonach das Vorbringen des Beschwerdeführers über die Bedrohung durch die Feinde seines Vaters nicht glaubhaft sei, ist zutreffend. Der Beschwerdeführer hat zwar eine derartige Bedrohungssituation sowohl im Verlauf der sicherheitsbehördlichen Erstbefragung am 29.07.2016, als auch bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 08.06.2018 behauptet, seine diesbezüglichen Angaben sind jedoch, wie im angefochtenen Bescheid richtig festgehalten, als wenig konkret und detailliert sowie logisch nicht nachvollziehbar zu qualifizieren.

So nahm der Beschwerdeführer bloß allgemein, sehr abstrakt und nur wenig konkret Bezug auf die Ereignisse rund um die Verfolgung seiner Person. Nach seinen Fluchtgründen befragt, führte er an, dass er nach dem Tod seines Vaters zwei oder drei Drohanrufe bekommen habe. Das seien all seine Fluchtgründe. Aufgefordert, Einzelheiten und Details zu schildern, entgegnete der Beschwerdeführer, dass das alles sei und er "nichts dazu erfinden" wolle. Auf Vorhalt, dass er einen abstrakten Sachverhalt schildere und nach nochmaliger Aufforderung, konkrete Angaben zum Fluchtgrund zu tätigen, gab der Beschwerdeführer der Frage ausweichend an, dass die Polizisten im Punjab in den Jahren 1984 bis 2000 gefährdet gewesen seien und es 1984 einen Angriff auf den Goldenen Tempel gegeben habe. Doch selbst nach weiterer Nachfrage wiederholte der Beschwerdeführer sein detailarmes Vorbringen und verneinte die Frage, ob er dazu nicht mehr angeben könne.

Der Beschwerdeführer war überdies weder in der Lage, seine angeblichen Verfolger - die Terroristen, die seinen Vater getötet haben sollen - konkreter zu beschreiben, noch die behaupteten, gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlungen detailliert zu schildern oder die Chronologie der Ereignisse anzuführen. So gab er nur äußerst oberflächlich zu Protokoll, dass er zwei oder drei Mal telefonisch bedroht worden sei. Auf die Frage, wie sich die telefonischen Drohungen gestalteten hätten, gab er nur lapidar an, dass es wahrscheinlich die Verwandten jener Personen gewesen seien, die damals von seinem Vater verhaftet worden seien. Dabei habe es sich um "ca. zwei bis drei Personen" gehandelt, die immer hinter seinem Vater her gewesen seien. Sie hätten gesagt, sie würden Rache nehmen und auch den Beschwerdeführer erledigen. Mehr könne er dazu nicht angeben. Ebenso wenig konnte der Beschwerdeführer angeben, wann sich die behaupteten, gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlungen überhaupt ereignet haben sollen. So gab er danach gefragt nur lapidar zu Protokoll: "Das erste Mal war im ersten Jahr, als ich am College war. Nach zwei Monaten den zweiten Drohanruf, das war im College. Es war entweder 2014 oder 2015.". Nochmals gefragt, wann diese Vorfälle genau stattgefunden hätten und aufgefordert, einen zeitlichen Überblick zu geben, wiederholte der Beschwerdeführer sein abstraktes Vorbringen und führte an, dass er glaube, es sei 2014 gewesen, innerhalb von zwei Monaten. Danach sei er nicht mehr oft ins College gegangen, sondern eher zuhause geblieben. Eine konkrete Antwort zu den Geschehnissen blieb der Beschwerdeführer somit schuldig.

Da der Beschwerdeführer nicht in der Lage war, nachvollziehbare und detaillierte Angaben zu den behaupteten, gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlungen zu tätigen, war dem Vorbringen schon aus diesem Grund die Glaubwürdigkeit abzusprechen.

Den Ausfügrungen der belangten Behörde ist auch jedenfalls in jener Hinsicht zu folgen, wonach kein zeitlicher Zusammenhang zwischen den Geschehnissen rund um den Vater des Beschwerdeführers bzw. dessen behaupteter Ermordung und jenen des Beschwerdeführers gegeben ist. So lebte der Beschwerdeführer nach dem Tod seines Vaters im Jahr 2013 über Jahre hinweg im Herkunftsstaat, bis er erst im Jahr 2016 Indien verließ. Hätte der Beschwerdeführer jedoch tatsächlich eine Verfolgung durch die Feinde seines Vaters zu fürchten gehabt, so hätte er sich nicht über eine derart lange Zeit im Herkunftsstaat aufgehalten, sondern hätte Indien wohl schon früher verlassen.

Wie im angefochtenen Bescheid ferner völlig richtig festgehalten, hat der Beschwerdeführer seine Verfolger auch niemals angetroffen und wurde er auch niemals aufgesucht und gefunden. Dazu relativierte er sein Fluchtvorbringen, indem er anführte, keine Drohanrufe mehr bekommen zu haben, nachdem er das zweite Mal die Telefonnummer gewechselt habe und diese nur seinen engsten Freunden und Verwandten gegeben zu haben. Aus diesem Grund kann auch bei Wahrunterstellung der Verfolgungsbehauptungen keinesfalls davon ausgegangen werden, der Beschwerdeführer hätte für den Fall einer Rückkehr Verfolgung zu fürchten.

Der Beschwerdeführer gab auch an, dass er sich nicht an die heimatlichen Behörden gewendet hat und keine polizeiliche Anzeige bezüglich der behaupteten Drohanrufe erstattete. Wieso der Beschwerdeführer nicht einmal den Versuch unternommen hat, sich unter den behördlichen Schutz des Heimatstaates zu stellen, ist, wie im angefochtenen Bescheid zu Recht festgehalten, insbesondere aus dem Grund nicht nachvollziehbar, weil der Vater des Beschwerdeführers als Polizist tätig war und daher davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer dadurch über einen erleichterten Zugang bzw. Kontakte zu den heimatlichen Behörden verfügt. Auch aus diesem Grund ist dem Vorbringen die Glaubwürdigkeit abzusprechen.

Aufgrund der äußerst detailarmen und wenig plausiblen Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich einer Verfolgung durch die Feinde seines Vaters ist sohin davon auszugehen, dass es sich bei dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen lediglich um ein gedankliches Konstrukt handelt.

2.2. Die oben wiedergegebenen Feststellungen zur Situation in Indien ergeben sich aus den im angefochtenen Bescheid herangezogenen Länderberichten, die dieser Entscheidung zugrunde gelegt wurden. Bei den angeführten Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Indien ergeben.

Den herangezogenen Länderberichten wurde weder in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch im Beschwerdesch

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten