TE Vwgh Erkenntnis 1998/10/21 96/09/0180

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Veröffentlicht am 21.10.1998
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §67g Abs1;
VStG §51e Abs1;
VStG §51i;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger, in der Beschwerdesache des F V in K, vertreten durch Dr.Klaus Reisch, Dr. Anke Reisch, Rechtsanwälte in Kitzbühel, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 17. April 1996, Zl. 14/176-1/1995, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 17. April 1996 wurde der Beschwerdeführer - ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung - der Begehung von Verwaltungsübertretungen nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) dahingehend schuldig erkannt, er habe als Betreiber des Hotels "Zur Tenne" in K und somit als Arbeitgeber zwei namentlich genannte Ausländer (ungarische Staatsangehörige) am 14. Feber 1995 beschäftigt, ohne daß für diese Ausländer Beschäftigungsbewilligungen erteilt bzw. Befreiungsscheine oder Arbeitserlaubnisse ausgestellt worden seien. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurde über den Beschwerdeführer "je beschäftigtem Ausländer" die gesetzlich vorgeschriebene Mindeststrafe von je S 5.000,-- (insgesamt S 10.000,--), Ersatzfreiheitsstrafen je zwei Tage und Kosten verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens im Sinne der §§ 9, 22 und 55e VStG sowie auf gesetzmäßige Anwendung des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes verletzt. Er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 51e Abs. 1 VStG (in der im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 620/1995) ist, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zu dieser sind die Parteien und die anderen zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige zu laden. Wenn in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid oder nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder wenn im bekämpften Bescheid eine 3.000 Schilling nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, dann kann nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle eine Verhandlung unterbleiben, es sei denn, daß eine Partei die Durchführung einer Verhandlung ausdrücklich verlangt.

Gemäß § 51i leg. cit. ist, wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet, oder als es sich um Beweiserhebungen handelt, deren Erörterung infolge des Verzichts auf eine fortgesetzte Verhandlung gemäß § 51e Abs. 3 dritter Satz entfallen ist.

Gemäß § 67g Abs. 1 AVG (diese Bestimmung gilt zufolge § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren) ist der Bescheid samt der wesentlichen Begründung öffentlich zu verkünden. Wenn keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, dann kann die öffentliche Verkündung des Bescheides unterbleiben, sofern die Einsichtnahme in den Bescheid jedermann gewährleistet ist. Gleiches gilt, wenn der Bescheid nicht unmittelbar im Anschluß an die Verhandlung gefällt wird und alle anwesenden Parteien auf die Verkündung verzichten.

Im Beschwerdefall richtete sich die erhobene Berufung gegen ein Straferkenntnis, mit dem zwei Geldstrafen in der Höhe von je S 10.000,-- verhängt worden waren. In seiner Berufung hat der Beschwerdeführer unter anderem behauptet und näher dargelegt, daß bzw. warum der von der Erstbehörde angenommene Sachverhalt unvollständig und unrichtig festgestellt worden sei. Er hat insbesondere sinngemäß vorgebracht, ihn treffe infolge Krankheit kein Verschulden an der ihm zur Last gelegten Handlung, es habe ihm die Möglichkeit zu rechtmäßigem Verhalten gemangelt, weshalb die Annahme einer ihn treffenden Fahrlässigkeit unrichtig gewesen sei. Der Behörde wäre es ein leichtes gewesen, seine Krankheit zu verifizieren.

Darüber hinaus wurde in Hinblick auf ein nur geringes allfälliges Verschulden die Höhe der ausgesprochenen Strafe, insbesondere die Nichtanwendung des § 21 VStG bemängelt.

Bei dieser Konstellation des Beschwerdefalles lagen der belangten Behörde aber Tatfragen vor, die der Klärung in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung bedurft hätten, in der die belangte Behörde auch die in einem Verwaltungsstrafverfahren nach dem AuslBG dem Beschuldigten durch Art. 6 EMRK gewährleisteten Verfahrensgarantien zu wahren gehabt hätte (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 12. Dezember 1995, Zl. 95/09/0057, und vom 19. Dezember 1996, Zl. 95/09/0231).

Für den Fall gesetzmäßigen Vorgehens hätte die belangte Behörde im Hinblick auf § 51i VStG (Unmittelbarkeit des Verfahrens) bei ihrer Entscheidung nur auf das Rücksicht nehmen dürfen, was in der Verhandlung vorgekommen ist. Solcherart ist aber der von der belangten Behörde ihrer Entscheidung ausschließlich aufgrund der Ermittlungen der Erstbehörde zugrunde gelegte Sachverhalt nicht in einem gesetzmäßigen (mängelfreien) Verfahren zustande gekommen. Sie hätte sich vielmehr auch mit dem in der Berufung erstatteten Vorbringen des Beschwerdeführers seine Schuldunfähigkeit betreffend auseinanderzusetzen gehabt. Dies wäre insbesondere in Hinblick darauf geboten gewesen, daß eine Übertragung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit im Sinne des § 9 Abs 2 VStG auf den "Direktor" des Hotels, Monitzer, nach der Aktenlage nicht anzunehmen ist.

Da von den Parteien auf Verkündung des Bescheides nicht verzichtet wurde, hätte - für den Fall gesetzmäßigen Vorgehens - zudem der angefochtene Bescheid samt seiner wesentlichen Begründung öffentlich verkündet und damit den Parteien Gelegenheit gegeben werden müssen, an der Verkündung teilzunehmen (§ 67g Abs. 1 AVG; vgl. auch Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate, 2. Auflage, S. 132 f).

Gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG ist vom Verwaltungsgerichtshof der vor ihm angefochtene Bescheid aufzuheben, wenn Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Im vorliegenden Fall läßt sich nicht ausschließen, daß die belangte Behörde bei Beachtung der Bestimmungen der §§ 51e und 51i VStG und unter Wahrung der dem Beschwerdeführer in der Verhandlung zukommenden Mitwirkungsbefugnisse zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 21. Oktober 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996090180.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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