TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/18 W215 2220075-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.07.2019
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Entscheidungsdatum

18.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §15b Abs1
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W215 2220075-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. STARK über die Beschwerde von XXXX , Staatsangehörigkeit Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.05.2019, Zahl 1223105504-190281125, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:

A)

Die Beschwerde gegen Spruchpunkte I. bis VII. wird gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG,

§ 57 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, § 55 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013 und § 15b Abs. 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal in das Bundesgebiet ein und hält sich nachweislich seit 19.03.2019 (an diesem Tag stellte sie ihren Antrag auf internationalen Schutz) in Österreich auf. Die Erstbefragung der Beschwerdeführerin fad am noch 19.03.2019 statt, danach folgten am 22.03.2019, 28.03.2019 und 03.04.2019 ausführliche, niederschriftliche Befragungen im Asylverfahren.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.05.2019, Zahl 1223105504-190281125, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 19.03.2019 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm

§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß

§ 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). In Spruchpunkt III. wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. In Spruchpunkt IV. wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. In Spruchpunkt V. wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist. In Spruchpunkt VI. wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht. In Spruchpunkt VII. wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 15b Abs. 1 AsylG beauftragt ab dem 20.03.2019 im Quartier XXXX Unterkunft zu nehmen und in Spruchpunkt VIII. wurde ausgesprochen, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt wird.

Gegen diesen Bescheid, zugestellt am 20.05.2019, wurde fristgerecht am 11.06.2019 gegenständliche Beschwerde eingebracht. In dieser wurde beantragt, den Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem Antrag auf internationalen Schutz stattgegeben und der Beschwerdeführerin der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird; in eventu den Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird; jedenfalls den Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Bescheid betreffend Rückkehrentscheidung in die Russische Föderation aufgehoben sowie [die] im Spruchpunkt V ausgesprochene Abschiebung für unzulässig erklärt wird; jedenfalls der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG zuzuerkennen; in eventu den Bescheid zur Gänze zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen; eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anzuberaumen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erstattete am 13.06.2019 eine schriftliche Stellungnahme zur Beschwerde.

2. Die Beschwerdevorlage vom 13.06.2019 langte am 14.06.2019 im Bundesverwaltungsgericht ein, was dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl schriftlich mitgeteilt wurde.

Mit Teilerkenntnis vom 19.06.2019, Zahl W215 2220075-1/4Z, wurde der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. des Bescheides gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde für den 03.07.2019 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt. Es erschien die Beschwerdeführerin, ihre Rechtsberaterin und zugleich auch bevollmächtigte Vertreterin und ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl. In der Verhandlung wurden die Quellen der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Länderinformationen dargetan. Die Partein verzichtete auf Einsichtnahme und Ausfolgung. Das Bundesverwaltungsgericht räumte den Verfahrensparteien vor Schluss der Verhandlung eine einwöchige Frist zur Abgabe von Stellungnahmen ein.

Am 10.07.2019 brachte die Beschwerdeführerin eine schriftliche Stellungnahme beim Bundesverwaltungsgericht ein. Darin wurden zusammengefasst Teile des bisherigen Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verfahren wiederholt und auszugsweise aus einem Memorandum Bericht Frauen im Nordkaukasus aus dem Jahr 2016 und einem Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe zum Thema Ehrenmord vom 22.03.2019 zitiert.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1. Die Identität der Beschwerdeführerin steht fest. Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation, gehört der Volksgruppe der Tschetschenen an und ist moslemischen Glaubens. Die Muttersprache der Beschwerdeführerin ist Tschetschenisch, sie spricht darüber hinaus sehr gut Russisch. Die Beschwerdeführerin hat die ersten XXXX Jahre ihres Lebens in XXXX verbracht.

Die Beschwerdeführerin reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 19.03.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.05.2019, Zahl 1223105504-190281125, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 19.03.2019 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm

§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). In Spruchpunkt III. wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. In Spruchpunkt IV. wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. In Spruchpunkt V. wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist. In Spruchpunkt VI. wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht. In Spruchpunkt VII. wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 15b Abs. 1 AsylG beauftragt ab dem 20.03.2019 im Quartier XXXX Unterkunft zu nehmen und in Spruchpunkt VIII. wurde ausgesprochen, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt wird.

Mit Teilerkenntnis vom 19.06.2019, Zahl W215 2220075-1/4Z, wurde der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. des Bescheides gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

2. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin in der Russischen Föderation gezwungen hätte werden sollen, gegen ihren Willen zu heiraten. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin nach ihrer Rückkehr vom Vater und/oder Bruder misshandelt und ermordet wird.

3. Die Beschwerdeführerin ist ledig, kinderlos, gesund, arbeitsfähig, verfügt über eine zehnjährige Schulbildung mit anschließendem XXXX in der Russischen Föderation und beherrscht die Sprachen Tschetschenisch und Russisch. Sie hat bis zur Ausreise aus der Russischen Föderation in der Wohnung ihrer Mutter, mit ihren Großeltern, in XXXX gelebt, musste nie arbeiten und hatte keine finanziellen Sorgen.

4. Die Beschwerdeführerin hat die Nacht ihrer illegalen Einreise bei Herrn XXXX , den sie davor nie persönlich getroffen hat, aber zu dem sie ein Jahr lang Kontakt über das Internet hatte, verbracht. Obwohl der Beschwerdeführerin in Spruchpunkt VII. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 15b Abs. 1 AsylG beauftragt wurde, ab dem 20.03.2019 im XXXX Unterkunft zu nehmen, verließ sie die Unterkunft am 16.05.2019 und zog bei Herrn XXXX ein.

Es kann weder festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin in der Nacht ihrer illegalen Einreise am 18.03.2019 die Ehe nach moslemischem Ritus schloss, noch, dass sie am Morgen oder Vormittag des 19.03.2019 vor einem moslemischem Geistlichen geschlossen wurde. Die Beschwerdeführerin schloss erst am XXXX mit Herrn XXXX die Ehe nach moslemischem Ritus.

Die Beschwerdeführerin hat in Österreich keine verwandtschaftlichen Bezugspunkte und mit Ausnahme von Herrn XXXX , den Sie vor nicht einmal vier Monaten zum ersten Mal persönlich getroffen hat, keine nennenswerten Anknüpfungspunkte sozialer oder wirtschaftlicher Natur. Der Einzug bei Herrn XXXX am 16.05.2019 und die Eheschließung nach moslemischen Ritus am XXXX sind nach Erlassung des abweisenden erstinstanzlichen Bescheides erfolgt, somit zu einem Zeitpunkt, als sich die Beschwerdeführerin ihres unsicheren Aufenthaltes bewusst gewesen sein musste. Da die Beschwerdeführerin dem Auftrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 15b Abs. 1 AsylG nicht nachkam, indem sie am 16.05.2019 die ihr zugewiesene Unterkunft verließ, wurde sie am 17.05.2019 von der Grundversorgung abgemeldet. Nachdem die Beschwerdeführerin in Österreich jedoch, im Gegensatz zur Russischen Föderation, nicht selbsterhaltungsfähig ist, stellte sie am 24.05.2019 bei der Bezirkshauptmannschaft XXXX einen Antrag auf Mindestsicherung. Die Beschwerdeführerin besucht keinen Deutschkurs und spricht nicht Deutsch.

5. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin wird festgestellt:

Der Inhalt dieser Kurzinformation wird mit heutigem Datum in das LIB Russische Föderation übernommen (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 19. Bewegungsfreiheit bzw. 19.2. Tschetschenen in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens).

Bekanntlich werden innerstaatliche Fluchtmöglichkeiten innerhalb Russlands seitens renommierter Menschenrechtseinrichtungen meist unter Verweis auf die Umtriebe der Schergen des tschetschenischen Machthabers Kadyrow im ganzen Land in Abrede gestellt. Der medialen Berichterstattung zufolge scheint das Netzwerk von Kadyrow auch in der tschetschenischen Diaspora im Ausland tätig zu sein. Dem ist entgegenzuhalten, dass renommierte Denkfabriken auf die hauptsächlich ökonomischen Gründe für die Migration aus dem Nordkaukasus und die Grenzen der Macht von Kadyrow außerhalb Tschetscheniens hinweisen. So sollen laut einer Analyse des Moskauer Carnegie-Zentrums die meisten Tschetschenen derzeit aus rein ökonomischen Gründen emigrieren: Tschetschenien bleibe zwar unter der Kontrolle von Kadyrow, seine Macht reiche allerdings nicht über die Grenzen der Teilrepublik hinaus. Zur Förderung der sozio-ökonomischen Entwicklung des Nordkaukasus dient ein eigenständiges Ministerium, das sich dabei gezielt um die Zusammenarbeit mit dem Ausland bemüht (ÖB Moskau 10.10.2018).

ÖB Moskau (10.10.2018): Information per Email)

Politische Lage

Die Russische Föderation hatte im Juli 2018 mehr als 142 Millionen Einwohner und ist schätzungsweis ca. 1,8 Mal so groß wie die die U.S.A. (CIA Factbook 19.06.2019 abgefragt am 21.06.2019).

Die Russische Föderation ist eine föderale Republik mit präsidialem Regierungssystem. Am 12.06.1991 erklärte sie ihre staatliche Souveränität. Die Verfassung der Russischen Föderation wurde am 12.12.1993 verabschiedet. Das russische Parlament besteht aus zwei Kammern, der Staatsduma (Volksvertretung) und dem Föderationsrat (Vertretung der Föderationssubjekte). Der Staatspräsident der Russischen Föderation verfügt über sehr weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Amtsinhaber ist seit dem 07.05.2012 Wladimir Putin. Er wurde am 18.03.2018 mit offiziell 76,69% der Stimmen wiedergewählt. Es handelt sich um seine vierte Amtszeit als Staatspräsident. Der bisherige Ministerpräsident Dmitri Medwedjew, Staatspräsident 2008-2012, übernahm am 08.052018 erneut das Amt des Ministerpräsidenten (AA Innenpolitik 14.02.2019, abgefragt am 21.06.2019).

Russland ist formal eine Föderation aus 83 Föderationssubjekten. Die im Zuge der völkerrechtswidrigen Annexion erfolgte Eingliederung der ukrainischen Krim und der Stadt Sewastopol als Föderationssubjekte Nr. 84 und 85 in den russischen Staatsverband ist international nicht anerkannt. Die Föderationssubjekte genießen unterschiedliche Autonomiegrade und werden unterschiedlich bezeichnet (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Regionen, Gebiete, Föderale Städte). Die Föderationssubjekte verfügen jeweils über eine eigene Legislative und Exekutive. In der Praxis unterstehen die Regionen aber finanziell und politisch dem föderalen Zentrum. Ihre Gouverneure werden gewählt, aber auch (kommissarisch) durch den Kreml bestimmt. Der Föderationsrat ist als obere Parlamentskammer das Verfassungsorgan, das die Föderationssubjekte auf föderaler Ebene vertritt. Er besteht (einschließlich der vier Vertreter aus den völkerrechtswidrig annektierten Föderationssubjekten Krim und Sewastopol) aus bis zu 187 Mitgliedern (derzeit 169 Mitglieder). Jedes Föderationssubjekt entsendet zwei Vertreter in den Föderationsrat, je einen aus der Exekutive und der Legislative. Der Staatspräsident kann ferner bis zu 17 weitere Senatoren ernennen. Der im September 2000 durch Präsidialdekret geschaffene Staatsrat der Russischen Föderation tagt unter Leitung des Präsidenten und gibt als ausschließlich beratendes Gremium Empfehlungen zu aktuellen politischen Fragen und zu Gesetzesprojekten. Er besteht aus den Gouverneuren der Regionen, den Vorsitzenden von Staatsduma und Föderationsrat sowie den Fraktionsvorsitzenden der in der Staatsduma vertretenen Parteien (AA Innenpolitik 14.02.2019, abgefragt am 21.06.2019).

Die siebte Parlamentswahl in Russland hat am 18.09.2016 stattgefunden. Gewählt wurden die 450 Abgeordneten der russischen Duma. Die Duma-Wahlen wurden vom Dezember auf den September 2016 vorverschoben. Kritiker bemerkten, diese Verschiebung diene der Nichtbeachtung des Wahlkampfs während der Sommerferien sowie dem Erreichen einer geringeren Wahlbeteiligung. Insgesamt waren 14 Parteien angetreten, unter ihnen die oppositionellen Parteien Jabloko und Partei der Volksfreiheit (PARNAS). Die Wahlbeteiligung lag bei 47,8 Prozent. Die meisten Stimmen bei der Wahl, die auch auf der Halbinsel Krim abgehalten wurde, erhielt die von Ministerpräsident Dmitri Medwedew geführte Regierungspartei "Einiges Russland" mit gut 54 Prozent. Nach Angaben der Wahlkommission landete die Kommunistische Partei mit 13,5 Prozent auf Platz zwei, gefolgt von der nationalkonservativen LDPR mit 13,2 Prozent. Die nationalistische Partei "Gerechtes Russland" erhielt sechs Prozent. Diese vier Parteien waren auch bislang schon in der Duma vertreten und stimmten in allen wesentlichen Fragen mit der Mehrheit. Den außerparlamentarischen Oppositionsparteien gelang es nicht die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. In der Duma verschiebt sich die Macht zugunsten der Regierungspartei "Einiges Russland". Die Partei erreicht im Parlament mit 343 Sitzen deutlich die Zweidrittelmehrheit, die ihr nun Verfassungsänderungen ermöglicht. Die russischen Wahlbeobachter von der NRO Golos berichteten auch in diesem Jahr über viele Verstöße gegen das Wahlrecht (LIP Geschichte und Staat Mai 2019, abgefragt am 21.06.2019).

(CIA, Central Intelligence Agency, The World Factbook, Russland, last update 19.06.2019, abgefragt am 21.06.2019, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html

AA, Auswärtiges Amt, Russische Föderation, Innenpolitik, Stand 14.02.2019, abgefragt am 21.06.2019, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/-/201710

Geschichte und Staat, letzte Aktualisierung Mai 2019, abgefragt am 21.06.2019, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat)

Tschetschenien

Die Tschetschenische Republik ist eine der 22 Republiken der Russischen Föderation. Die Fläche beträgt 15.647 km2 (Rüdisser 11.2012) und laut offizieller Bevölkerungsstatistik der Russischen Föderation zum 1.1.2018 beläuft sich die Einwohnerzahl Tschetscheniens auf 1,4 Millionen (GKS 25.01.2018), wobei die offiziellen Angaben von unabhängigen Medien infrage gestellt werden. Laut Aussagen des Republiksoberhauptes Ramzan Kadyrow sollen rund 600.000 Tschetschenen außerhalb der Region leben, die eine Hälfte davon in der Russischen Föderation, die andere Hälfte im Ausland. Experten zufolge hat die Hälfte Tschetschenien während der Kriege nach dem Zerfall der Sowjetunion verlassen, bei der anderen Hälfte handle es sich um Siedlungsgebiete außerhalb Tschetscheniens, die bereits vor über einem Jahrhundert entstanden seien, teilweise durch Migration aus dem Russischen in das Osmanische Reich, und zwar über Anatolien bis in den arabischen Raum (ÖB Moskau 12.2017). In Bezug auf Fläche und Einwohnerzahl ist Tschetschenien somit mit der Steiermark vergleichbar. Etwa die Hälfte des tschetschenischen Territoriums besteht aus Ebenen im Norden und Zentrum der Republik.

Heutzutage ist die Republik eine nahezu monoethnische: 95,3% der Bewohner/innen Tschetscheniens gaben [bei der letzten Volkszählung] 2010 an, ethnische Tschetschenen/innen zu sein. Der Anteil ethnischer Russen an der Gesamtbevölkerung liegt bei 1,9%. Rund 1% sind ethnische Kumyken, des Weiteren leben einige Awaren, Nogaieren, Tabasaren, Türken, Inguscheten und Tataren in der Republik (Rüdisser 11.2012).

In Tschetschenien gilt Ramzan Kadyrow als Garant Moskaus für Stabilität. Mit Duldung der russischen Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres Herrschaftssystem geschaffen, das vollkommen auf seine eigene Person ausgerichtet ist und weitgehend außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert (ÖB Moskau 12.2017, AA 21.05.2018). So musste im Mai 2016 der Vorsitzende des Obersten Gerichts Tschetscheniens nach Kritik von Kadyrow zurücktreten, obwohl die Ernennung/Entlassung der Richter grundsätzlich in föderale Kompetenz fällt. Fraglich bleibt auch die föderale Kontrolle über die tschetschenischen Sicherheitskräfte, deren faktische Loyalität vorrangig dem Oberhaupt der Republik gilt. Im Juni 2016 beschloss das tschetschenische Parlament die vorzeitige Selbstauflösung, um vorgezogene Neuwahlen parallel zu den Wahlen zum Oberhaupt der Republik durchzuführen. Bei den Wahlen vom 18.09.2016 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien weit über dem landesweiten Durchschnitt. Kadyrow wurde laut offiziellen Angaben bei hoher Wahlbeteiligung mit überwältigender Mehrheit für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Unabhängige Medien berichteten über Unregelmäßigen bei den Wahlen, in deren Vorfeld Human Rights Watch über massive Druckausübung auf Kritiker des derzeitigen Machthabers berichtet hatte. Das tschetschenische Oberhaupt bekundet immer wieder seine absolute Loyalität gegenüber dem Kreml (ÖB Moskau 12.2017). Vertreter russischer und internationaler NGOs berichten immer wieder von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen, einem Klima der Angst und Einschüchterung (AA 21.05.2018).

Gegen vermeintliche Extremisten und deren Angehörige, aber auch gegen politische Gegner, wird rigoros vorgegangen. Anfang 2016 sorgte Kadyrow landesweit für Aufregung, als er die liberale Opposition in Moskau als Staatsfeinde bezeichnete, die danach trachteten, Russland zu zerstören. Nachdem er dafür von Menschenrechtsaktivisten sowie von Vertretern des präsidentiellen Menschenrechtsrats scharf kritisiert worden war, wurde in Grozny eine Massendemonstration zur Unterstützung Kadyrows organisiert (ÖB Moskau 12.2017).

Während der mittlerweile über zehn Jahre dauernden Herrschaft des amtierenden Republikführers Ramzan Kadyrow gestaltete sich Tschetscheniens Verhältnis zur Russischen Föderation ambivalent. Einerseits ist Kadyrow bemüht, die Zugehörigkeit der Republik zu Russland mit Nachdruck zu bekunden, tschetschenischen Nationalismus mit russischem Patriotismus zu verbinden, Russlands Präsidenten in der tschetschenischen Hauptstadt Grozny als Staatsikone auszustellen und sich als "Fußsoldat Putins" zu präsentieren. Andererseits hat er das Föderationssubjekt Tschetschenien so weit in einen Privatstaat verwandelt, dass in der Umgebung des russischen Präsidenten die Frage gestellt wird, inwieweit sich die von Wladimir Putin ausgebaute föderale Machtvertikale dorthin erstreckt. Zu Kadyrows Eigenmächtigkeit gehört auch eine Außenpolitik, die sich vor allem an den Mittleren Osten und die gesamte islamische Welt richtet. Kein anderer regionaler Führer beansprucht eine vergleichbare, über sein eigenes Verwaltungsgebiet und die Grenzen Russlands hinausreichende Rolle. Kadyrow inszeniert Tschetschenien als Anwalt eines russländischen Vielvölker-Zusammenhalts, ist aber längst zum "inneren Ausland" Russlands geworden. Deutlichster Ausdruck dieser Entwicklung ist ein eigener Rechtszustand, in dem islamische und gewohnheitsrechtliche Regelungssysteme sowie die Willkür des Republikführers in Widerspruch zur Gesetzgebung Russlands geraten (SWP 03.2018).

(GKS, Staatliches Statistikamt, Bevölkerungsverteilung zum 01.01.2018, 25.01.2018,

http://www.gks.ru/free_doc/new_site/population/demo/PrPopul2018.xlsx

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand Dezember 2018, 13.02.2019

Österreichische Botschaft Moskau, Asylländerbericht Russische Föderation, Dezember 2017

Ria Novosti, United Russia gets over 99 percent of votes in Chechnya, 05.12.2012,

http://en.rian.ru/society/20111205/169358392.html

Rüdisser, V. Russische Föderation/Tschetschenische Republik, Länderinformation n°15, Österreichischer Integrationsfonds, November 2012,

http://www.integrationsfonds.at/laenderinformation/laenderinformation_russiche_foederationtschetschenische_republik/

SWP, Stiftung Wissenschaft und Politik, Tschetscheniens Stellung in der Russischen Föderation. Ramsan Kadyrows Privatstaat und Wladimir Putins föderale Machtvertikale, 03.2018, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2018S01_hlb.pdf)

Sicherheitslage

Aufgrund verschiedenster Terroranschläge wird zu erhöhter Vorsicht und Wachsamkeit vor allem in öffentlichen Verkehrsmitteln und bei größeren Menschenansammlungen geraten. Konflikte im Nordkaukasus können in der gesamten Russischen Föderation zu Attentaten führen. Es sollte nur wenig Bargeld mitgeführt und Wertgegenstände nicht offen zur Schau gestellt werden. Nachtlokale sollten wegen Überfallsgefahr nur in Begleitung oder in Gruppen verlassen werden. Fernreisen mit dem Zug können unsicher sein. Bei Taxifahrten in den Nachtstunden wird empfohlen, vor dem Einsteigen demonstrativ das Kennzeichen aufzuschreiben und anschließend einen Anruf zu tätigen. Bei Überfällen sollte wegen der möglichen Verwendung von Schusswaffen jeglicher Widerstand vermieden werden (BMEIA 21.06.2019).

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, zu Anschlägen kommen. Todesopfer forderte zuletzt ein Terroranschlag in der Metro von St. Petersburg im April 2017. Die russischen Behörden halten ihre Warnung vor Anschlägen aufrecht und rufen weiterhin zu besonderer Vorsicht auf. Die generelle Empfehlung, besondere Aufmerksamkeit und Vorsicht insbesondere bei Menschenansammlungen und bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel (insbesondere Metro, Bus) walten zu lassen, gilt unverändert. Wie auch in anderen Großstädten kann es in Bars und Clubs russischer Großstädte zu Straftaten kommen. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund wird Wachsamkeit bei der Wahl eines Taxis bzw. die Nutzung registrierter Taxiunternehmen empfohlen. In den touristischen Zentren russischer Städte sowie in größeren Menschenansammlungen (z.B. in der Metro) kommt es darüber hinaus zu Taschendiebstahl, sodass auch hier besondere Achtsamkeit empfohlen wird. Ein aktuelles Problem stellt außerdem der Internetbetrug dar, welcher seit einigen Jahren auch von der Russischen Föderation aus betrieben wird (AA Reise- und Sicherheitshinweise 21.06.2019).

(BMEIA, Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten Reiseinformation Russische Föderation, Sicherheit und Kriminalität, unverändert gültig seit 28.02.2019, Stand 21.06.2019,

https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/russische-foederation

AA, Auswärtiges Amt, Russische Föderation, Reise- und Sicherheitshinweise, unverändert gültig seit 15.01.2019, Stand 21.06.2019,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/russischefoederationsicherheit/201536)

Nordkaukasus

Ein von Tschetschenien ausgehendes erhöhtes Gefährdungspotential ist im gesamten Nordkaukasus (Regionen Krasnodar und Stawropol, Republiken Adygeja, Karatschai-Tscherkessien, Nordossetien) gegeben (BMEIA 21.06.2019).

Menschenrechtsorganisationen sehen übereinstimmend bestimmte Teile des Nordkaukasus als den regionalen Schwerpunkt der Menschenrechtsverletzungen in Russland. Hintergrund sind die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und islamistischen Extremisten in der Republik Dagestan, daneben auch in Tschetschenien, Inguschetien und Kabardino-Balkarien. Der westliche Nordkaukasus ist hiervon praktisch nicht mehr betroffen. Die Opfer der Gewalt sind ganz überwiegend "Aufständische" und Sicherheitskräfte (AA 13.02.2019).

Das Kaukasus-Emirat, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum sogenannten IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Novaya Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23. Juni 2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein ‚Wilajat Kavkaz', eine Provinz Kaukasus, als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus Emirats dem ‚Kalifen' Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Dschihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren (SWP 10.2015). Das rigide Vorgehen der Sicherheitskräfte, aber auch die Abwanderung islamistischer Kämpfer in die Kampfgebiete in Syrien und in den Irak haben dazu geführt, dass die Gewalt im Nordkaukasus in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen ist. Innerhalb der extremistischen Gruppierungen verschoben sich in den vergangenen Jahren die Sympathien zur regionalen Zweigstelle des sogenannten IS, die mittlerweile das Kaukasus-Emirat praktisch vollständig verdrängt haben soll. Dabei sorgt nicht nur Propaganda und Rekrutierung des IS im Nordkaukasus für Besorgnis der Sicherheitskräfte. So wurden Mitte Dezember 2017 im Nordkaukasus mehrere Kämpfer getötet, die laut Angaben des Anti-Terrorismuskomitees dem sogenannten IS zuzurechnen waren (ÖB Moskau 12.2017). Offiziell kämpfen bis zu 800 erwachsene Tschetschenen für die Terrormiliz IS. Die Dunkelziffer dürfte höher sein (DW 25.01.2018).

Es gibt nach wie vor gewaltsame Konflikte im Nordkaukasus angetrieben von Dschihad-Gruppierungen, interethnischen Konflikten, persönlicher und auf Clanstrukturen beruhender Blutrache und Exzesse durch Sicherheitskräfte (USDOS 20.04.2018).

Die Menschenrechtsorganisation Memorial beschreibt in ihrem Bericht über den Nordkaukasus vom Sommer 2016 eindrücklich, dass die Sicherheitslage für gewöhnliche Bürger zwar stabil ist, Aufständische einerseits und Kritiker der bestehenden Systeme sowie Meinungs- und Menschenrechtsaktivisten andererseits weiterhin repressiven Maßnahmen und Gewalt bis hin zum Tod ausgesetzt sind (AA 13.02.2019).

Im dritten Quartal 2018 gab es nach Angaben von Caucasian Knot im Nordkaukasus 24 Opfer des bewaffneten Konfliktes, 16 davon wurden getötet und 08 verwundet (Caucasian Knot 07.12.2018). Im vierten Quartal 2018 gab es nach Angaben von Caucasian Knot im Nordkaukasus 21 Opfer des bewaffneten Konfliktes, 16 davon wurden getötet und 05 verwundet (Caucasian Knot 31.01.2019).

Im ersten Quartal 2019 gab es nach Angaben von Caucasian Knot im Nordkaukasus 21 Opfer des bewaffneten Konfliktes, 16 davon wurden getötet und 05 verwundet (Caucasian Knot 20.06.2019).

(BMEIA, Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten Reiseinformation Russische Föderation, Sicherheit und Kriminalität, unverändert gültig seit 28.02.2019, Stand 21.06.2019,

https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/russische-foederation

ÖB, Österreichische Botschaft Moskau, Asylländerbericht Russische Föderation, Dezember 2017

USDOS, United States Department of State, Country Report on Human Rights Practices 2017, Russische Föderation, 20.04.2018, https://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/2017/eur/277211.htm

SWP, Stiftung Wissenschaft und Politik, Reaktionen auf den Islamischen Staat (ISIS) in Russland und Nachbarländern, 10.2015, http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2015A85_hlb.pdf

Caucasian Knot, Statistik zu Konfliktopfern im Nordkaukasus, drittes Quartal 2018, 07.12.2018,

http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/45433/

DW, Deutsche Welle, Tschetschenien: "Wir sind beim IS beliebt", 25.01.2018,

https://www.dw.com/de/tschetschenien-wir-sind-beim-is-beliebt/a-42302520

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand Dezember 2018, 13.02.2019

31.01.2019, Caucasian Knot, Statistik zu Konfliktopfern im Nordkaukasus, viertes Quartal 2018, 31.01.2019, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/46005/

Caucasian Knot, Statistik zu Konfliktopfern im Nordkaukasus, erstes Quartal 2019, 20.06.2019,

http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/47554)

Tschetschenien

In Tschetschenien konnte der Kriegszustand überwunden und ein Wiederaufbau eingeleitet werden. In einem Prozess der "Tschetschenisierung" wurde die Aufstandsbekämpfung im zweiten Tschetschenienkrieg an lokale Sicherheitskräfte delegiert, die sogenannten Kadyrowzy. Diese auf den ersten Blick erfolgreiche Strategie steht aber kaum für nachhaltige Befriedung (SWP 04.2017).

Auch die Sicherheitslage hat sich deutlich verbessert und kann als stabil, wenn auch volatil, bezeichnet werden. Die Stabilisierung der Region erfolgt(e) jedoch um den Preis gravierender Menschenrechtsverletzungen, d. h. menschen- und rechtsstaatswidriges Vorgehen der Behörden gegen Extremismusverdächtige und äußerst engmaschige Kontrolle der Zivilgesellschaft (AA 13.02.2019).

Ein von Tschetschenien ausgehendes erhöhtes Gefährdungspotential ist im gesamten Nordkaukasus (Regionen Krasnodar und Stawropol, Republiken Adygeja, Karatschai-Tscherkessien, Nordossetien) gegeben (BMEIA 21.06.2019).

Bei Reisen in den Föderalbezirk Nordkaukasus sowie angrenzende Regionen wird auf die erhöhte Sicherheitsgefährdung hingewiesen. Insbesondere von nicht zwingend erforderlichen Reisen nach Inguschetien, Tschetschenien und Dagestan wird abgeraten. In den oben genannten Regionen besteht aufgrund von möglichen Anschlägen mit terroristischem Hintergrund, bewaffneten Auseinandersetzungen und Entführungsfällen ein höheres Sicherheitsrisiko als in anderen russischen Landesteilen (AA Reise- und Sicherheitshinweise 21.06.2019).

Im dritten Quartal 2018 gab es nach Angaben von Caucasian Knot im Nordkaukasus 13 Opfer des bewaffneten Konfliktes, acht davon wurden getötet und fünf verwundet (Caucasian Knot 07.12.2018). Im vierten Quartal 2018 gab es nach Angaben von Caucasian Knot in Tschetschenien drei Opfer des bewaffneten Konfliktes, alle drei wurden getötet (Caucasian Knot 31.01.2019).

Im ersten Quartal 2019 gab es nach Angaben von Caucasian Knot in Tschetschenien drei Opfer des bewaffneten Konfliktes (Caucasian Knot 20.06.2019).

(BMEIA, Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten Reiseinformation Russische Föderation, Sicherheit und Kriminalität, unverändert gültig seit 28.02.2019, Stand 21.06.2019,

https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/russische-foederation

SWP, Stiftung Wissenschaft und Politik, Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, 04.2017, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb.pdf

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand Dezember 2018, 13.02.2019

Caucasian Knot, Statistik zu Konfliktopfern im Nordkaukasus, drittes Quartal 2018, 07.12.2018,

http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/45433/

Caucasian Knot, Statistik zu Konfliktopfern im Nordkaukasus, viertes

Quartal 2018, 31.01.2019,

http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/46005/

Caucasian Knot, Statistik zu Konfliktopfern im Nordkaukasus, erstes

Quartal 2019, 20.06.2019,

http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/47554/

AA, Auswärtiges Amt, Russische Föderation, Reise- und Sicherheitshinweise, unverändert gültig seit 15.01.2019, Stand 21.06.2019,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/russischefoederationsicherheit/201536)

Justiz

Höchste Rechtsinstanz in Russland ist der Oberste Gerichtshof, daneben gibt es einen Obersten Schiedsgerichtshof. Die Richter dieser Gerichte werden durch den Föderationsrat auf Empfehlung des Präsidenten ernannt. 2003 haben Schwurgerichte ihre Arbeit aufgenommen (LIP Geschichte und Staat Mai 2019, abgefragt am 21.06.2019).

Im Grundrechtsteil der Verfassung ist die Gleichheit aller vor Gesetz und Gericht festgelegt. Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Nationalität, Sprache, Herkunft und Vermögenslage dürfen nicht zu diskriminierender Ungleichbehandlung führen (Art. 19 Abs. 2). Für Strafverfahren gegen Militärangehörige sind Militärgerichte zuständig, die seit 1999 formal in die zivile Gerichtsbarkeit eingegliedert sind (AA 13.02.2019).

Das Gesetz sieht eine unabhängige Justiz vor, aber Richter stehen unter dem Einfluss von Exekutive, Militär und anderen bewaffneten Einheiten, insbesondere in hochkarätigen oder politisch sensiblen Fällen und von Korruption. Die Ergebnisse mancher Prozesse scheinen vorbestimmt (USDOS 13.03.2019).

Immer wieder legen einzelne Strafprozesse in Russland den Schluss nahe, dass sachfremde Gründe hinter der Strafverfolgung stehen. Am 23.08.2017 wurde bspw. der international tätige und renommierte Theater- und Filmregisseur Kirill Serebrennikow von einem Moskauer Gericht unter Hausarrest gestellt. Es ist nicht auszuschließen, dass das Vorgehen durch dessen kritische Haltung zum russischen Staat motiviert sein könnte. Auch Verfahren gegen hochrangige Beamte wie den ehemaligen Wirtschaftsminister Uljukajew wegen Korruptionsvorwürfen werden oft als Ausdruck von Machtkämpfen verstanden (AA 21.05.2018).

Das Gesetz verlangt, dass Verwandte von Terroristen für die Kosten, welche durch Angriffe verursacht werden, aufkommen, was von Menschenrechtsanwälten als Kollektivbestrafung kritisiert wird (USDOS 13.03.2019).

Am 14. Juli 2015 entschied das russische Verfassungsgericht, dass die Verfassung im Konfliktfall Vorrang gegenüber Urteilen internationaler Gerichte haben könne. Die Staatsduma hat in einem Gesetz ein Verfahren geschaffen, nach dem der Präsident oder die Regierung das Verfassungsgericht anrufen können, um überprüfen zu lassen, ob eine Entscheidung eines internationalen Gerichts zum Schutz von Menschen- und Freiheitsrechten ohne Verletzung der russischen Verfassung umgesetzt werden kann. (AA 13.02.2019).

Das Gesetz verlangt die gerichtliche Genehmigung von Haftbefehlen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen und Inhaftierungen. Die Beamten erfüllen diese Anforderungen in der Regel, obwohl Bestechung oder politischer Druck manchmal den Prozess der Erlangung gerichtlicher Haftbefehle unterwanderten (USDOS 13.03.2019).

Die Strafverfolgungsorder Strafzumessungspraxis unterscheidet grundsätzlich nicht nach Merkmalen wie ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder Nationalität. Es gibt jedoch Hinweise auf selektive Strafverfolgung, die auch sachfremd, etwa aus politischen Gründen oder wirtschaftlichen Interessen, motiviert sein kann (AA 13.02.2019).

Repressionen Dritter, die sich gezielt gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe richten, äußern sich hauptsächlich in homophoben, fremden feindlichen oder antisemitischen Straftaten, die von Seiten des Staates nur in einer Minderheit der Fälle zufriedenstellend verfolgt und aufgeklärt werden (AA 13.02.2019).

Unabhängige Prozessbeobachter berichteten, dass in Strafprozessen und Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten systematisch gegen das Recht auf ein faires Verfahren verstoßen wurde. Dies betraf auch Fälle, in denen es um gewaltfreien Protest ging. Die meisten Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten stützten sich auf äußerst umstrittene Polizeiberichte

als einziges Beweismaterial. Die Prozesse endeten mit hohen Geld- und langen Haftstrafen. Oft waren die Verfahren sehr kurz; nach den Protesten am 26.03.2017 verhandelte das für den Moskauer Bezirk Twerskoi zuständige Gericht 476 Fälle an 17 Prozesstagen (AI 22.02.2018).

Die russischen Behörden zeigen sich durchaus bemüht, den Vorwürfen der Verfolgung von bestimmten Personengruppen in Tschetschenien nachzugehen. Bei einem Treffen mit Präsident Putin Anfang Mai 2017 betonte die russische Ombudsfrau für Menschenrechte allerdings, dass zur Inanspruchnahme von staatlichem Schutz eine gewisse Kooperationsbereitschaft der mutmaßlichen Opfer erforderlich sei. Das von der Ombudsfrau Moskalkova gegenüber Präsident Putin genannte Gesetz sieht staatlichen Schutz von Opfern, Zeugen, Experten und anderen Teilnehmern von Strafverfahren sowie deren Angehörigen vor. Unter den Schutzmaßnahmen sind im Gesetz Bewachung der betroffenen Personen und deren Wohnungen, strengere Schutzmaßnahmen in Bezug auf die personenbezogenen Daten der Betroffenen sowie vorläufige Unterbringung an einem sicheren Ort vorgesehen. Wenn es sich um schwere oder besonders schwere Verbrechen handelt, sind auch Schutzmaßnahmen wie Umsiedlung in andere Regionen, Ausstellung neuer Dokumente, Veränderung des Aussehens etc. möglich. Die Möglichkeiten des russischen Staates zum Schutz von Teilnehmern von Strafverfahren beschränken sich allerdings nicht nur auf den innerstaatlichen Bereich. So wurde im Rahmen der GUS ein internationales Abkommen über den Schutz von Teilnehmern im Strafverfahren erarbeitet, das im Jahr 2006 in Minsk unterzeichnet, im Jahr 2008 von Russland ratifiziert und im Jahr 2009 in Kraft getreten ist. Das Dokument sieht vor, dass die Teilnehmerstaaten einander um Hilfe beim Schutz von Opfern, Zeugen und anderen Teilnehmern von Strafverfahren ersuchen können. Unter den Schutzmaßnahmen sind vorläufige Unterbringungen an einem sicheren Ort in einem der Teilnehmerstaaten, die Umsiedlung der betroffenen Personen in einen der Teilnehmerstaaten, etc. vorgesehen (ÖB Moskau 10.10.2018).

(AI, Amnesty International, Report 2017/18, The State of the World's Human Rights, Russian Federation, 22.02.2018, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/russland

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand Dezember 2018, 13.02.2019

ÖB Moskau, Information an die Staatendokumentation, 10.10.2018, per Email an BFA

USDOS, United States Department of State, Country Report on Human Rights Practices 2018, Russische Föderation, 13.03.2019, https://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/2018/eur/289175.htm

Geschichte und Staat, letzte Aktualisierung Mai 2019, abgefragt am 21.06.2019, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat)

Tschetschenien

Das russische föderale Recht gilt für die gesamte Russische Föderation einschließlich Tschetscheniens. Neben dem russischen föderalen Recht spielen sowohl Adat als auch Scharia eine wichtige Rolle in Tschetschenien. Präsident Ramsan Kadyrow unterstreicht die Bedeutung, die der Einhaltung des russischen Rechts zukommt, verweist zugleich aber auch auf den Stellenwert des Islam und der tschetschenischen Tradition. Das Adat ist eine Art Gewohnheitsrecht, das soziale Normen und Regeln festschreibt. Dem Adat-Recht kommt in Zusammenhang mit der tschetschenischen Lebensweise eine maßgebliche Rolle zu. Allgemein gilt, dass das Adat für alle Tschetschenen gilt, unabhängig von ihrer Clanzugehörigkeit. Das Adat deckt nahezu alle gesellschaftlichen Verhältnisse in Tschetschenien ab und regelt die Beziehungen zwischen den Menschen. Im Laufe der Jahrhunderte wurden diese Alltagsregeln von einer Generation an die nächste weitergegeben. Adat ist in Tschetschenien in Ermangelung einer Zentralregierung bzw. einer funktionierenden Gesetzgebung erstarkt. Die Religion fasste in Tschetschenien aus den verschiedensten Gründen nicht Fuß. Daher dient das Adat als Rahmen für die gesellschaftlichen Beziehungen. In der tschetschenischen Gesellschaft ist jedoch auch die Scharia von Bedeutung. Die meisten Tschetschenen sind sunnitische Muslime und gehören der sufistischen Glaubensrichtung des sunnitischen Islams an [für Informationen bezüglich Sufismus vgl.: ÖIF Monographien (2013): Glaubensrichtungen im Islam]. Der Sufismus enthält u. a. auch Elemente der Mystik. Eine sehr kleine Minderheit der Tschetschenen sind Salafisten. Formal gesehen hat das russische föderale Recht Vorrang vor Adat und Scharia, doch sind sowohl das Adat als auch die Scharia in Tschetschenien genauso wichtig wie die russischen Rechtsvorschriften. Iwona Kaliszewska, Assistenzprofessorin am Institut für Ethnologie und Anthropologie der Universität Warschau, führt an, dass sich die Republik Tschetschenien in Wirklichkeit außerhalb der Gerichtsbarkeit des russischen Rechtssystems bewegt, auch wenn sie theoretisch darunter fällt. Dies legt den Schluss nahe, dass sowohl Scharia als auch Adat zur Anwendung kommen und es unterschiedliche Auffassungen bezüglich der Frage gibt, welches der beiden Rechte einen stärkeren Einfluss auf die Gesellschaft ausübt (EASO 09.2014). Scharia-Gerichtsbarkeit bildet am Südrand der Russischen Föderation eine Art ‚alternativer Justiz'. Sie steht zwar in Widerspruch zur Gesetzgebung Russlands, wird aber, mit Einverständnis der involvierten Parteien, für Rechtsprechung auf lokaler Ebene eingesetzt (SWP 04.2015).

Regimekritiker und Menschenrechtler müssen mit Strafverfolgung aufgrund fingierter Straftaten und physischen Übergriffen bis hin zum Mord rechnen (AA 13.02.2019).

(AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand Dezember 2018, 13.02.2019

SWP, Stiftung Wissenschaft und Politik, Dagestan Russlands schwierigste Teilrepublik, 04.2015, http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2015_S08_hlb_isaeva.pdf

EASO, European Asylum Support Office, Bericht zu Frauen, Ehe, Scheidung und Sorgerecht in Tschetschenien (Islamisierung; häusliche Gewalt; Vergewaltigung; Brautentführung; Waisenhäuser), 09.2014, http://www.ecoi.net/file_upload/1830_1421055069_bz0414843den-pdf-web.pdf)

Sicherheitsbehörden

Das Innenministerium, der Föderale Sicherheitsdienst (FSB), die Generalstaatsanwaltschaft und die Nationalgarde sind auf allen Regierungsebenen für den Gesetzesvollzug zuständig. Der FSB ist mit Fragen der staatlichen Sicherheit, Kampf gegen Spionage und Terrorismusbekämpfung betraut, aber auch mit der Bekämpfung organisierter Kriminalität und Korruption. Die Nationalgarde unterstützt den FSB Grenzschutz bei der Sicherung der Grenzen, administriert Waffenkontrolle, bekämpft Terrorismus und organisierte Kriminalität, schützt die öffentliche Ordnung und überwacht wichtige staatliche Einrichtungen. Die Nationalgarde beteiligt sich, in Koordination mit dem Verteidigungsministerium, an der bewaffneten Verteidigung des Landes (USDOS 13.03.2019).

Nach dem Gesetz können die Behörden einen Verdächtigen bis zu 48 Stunden ohne gerichtliche Genehmigung anhalten, sofern es Beweise für ein Verbrechen oder einen Zeugen gibt; Ansonsten ist ein Haftbefehl erforderlich. Das Gesetz verlangt gerichtliche Genehmigung von Haftbefehlen, Durchsuchungen, Sicherstellungen und Festnahmen. Behördenvertreter respektieren grundsätzlich diese Voraussetzungen, allerdings unterbinden Bestechungen oder politischer Druck manchmal die Einhaltung des Verfahrens zur Erlangung eines gerichtlichen Haftbefehls. Verhaftete müssen von der Polizei über ihre Rechte aufgeklärt werden und die Polizei muss die Gründe für die Festnahme in einem Protokoll dokumentieren, das sowohl vom Verhafteten als auch vom Polizeibeamten binnen drei Stunden zu unterschreiben ist. Der Verhaftete muss innerhalb von 24 Stunden befragt werden, davor hat er das Recht, für zwei Stunden einen Anwalt zu treffen. Abgesehen vom Nordkaukasus, werden die rechtlichen Vorgaben betreffend Inhaftierungen von den Behörden eingehalten USDOS 13.03.2019).

Nach überzeugenden Angaben von Menschenrechtsorganisationen werden insbesondere sozial Schwache und Obdachlose, Betrunkene, Ausländer und Personen "fremdländischen" Aussehens oft Opfer von Misshandlungen durch Mitarbeiter der Polizei und der Untersuchungsbehörden. Nur ein geringer Teil der Täter wird disziplinarisch oder strafrechtlich verfolgt. Die im Februar 2011 in Kraft getretene Polizeireform hat bislang nicht

zu spürbaren Verbesserungen in diesem Bereich geführt (AA 13.02.2019).

(AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand Dezember 2018, 13.02.2019

USDOS, United States Department of State, Country Report on Human Rights Practices 2018, Russische Föderation, 13.03.2019, https://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/2018/eur/289175.htm)

Folter und unmenschliche Behandlung

Obwohl die Verfassung solche Praktiken verbietet geht aus zahlreichen glaubhaften Berichten hervor, dass Vollzugsorgane Folter, Missbrauch und Gewalt anwenden, um Geständnisse von Verdächtigen zu erzwingen und Beamte für derartige Machenschaften nur manchmal zur Rechenschaft gezogen werden. Physische Misshandlung von Verdächtigen durch Polizisten werden regelmäßig berichtet und ereignen sich für gewöhnlich in den ersten Tagen nach Inhaftierung (USDOS 13.03.2019).

Folter und andere Misshandlungen waren nach wie vor weit verbreitet. Die Arbeit unabhängiger Organe zur Überprüfung von Haftanstalten wurde weiter erschwert. Im Nordkaukasus kam es auch 2017 zu schweren Menschenrechtsverletzungen (AI 22.02.2018).

Folter ist gesetzlich verboten. Allerdings berichten NROs wie "Amnesty International" oder das russische "Komitee gegen Folter", dass es in Polizeigewahrsam und in den Strafkolonien zu Folter und grausamer oder erniedrigender Behandlung kommt. Momentan etabliere sich eine Tendenz, Betroffene, die vor Gericht Foltervorwürfe erheben, unter Druck zu setzen, z.B. durch Verleumdungsvorwürfe. Die Dauer von Gerichtsverfahren zur Überprüfung von Foltervorwürfen sei zwar kürzer (früher fünf bis sechs Jahre) geworden, Qualität und Aufklärungsquote seien jedoch nach wie vor niedrig. Untersuchungen von Foltervorwürfen blieben fast immer folgenlos. Unter Folter erzwungene "Geständnisse" wurden vor Gericht als Beweismittel anerkannt (AA 13.02.2019).

Im Einklang mit der EMRK sind Folter sowie unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und Strafen in Russland auf Basis von

Artikel 21.2 der Verfassung und Art. 117 des Strafgesetzbuchs verboten. Die dort festgeschriebene Definition von Folter entspricht jener des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe. Russland ist Teil dieser Konvention, hat jedoch das Zusatzprotokoll (CAT-OP) nicht unterzeichnet. Trotz des gesetzlichen Rahmens werden immer wieder Vorwürfe über polizeiliche Gewalt bzw. Willkür gegenüber Verdächtigen laut. Verlässliche öffentliche Statistiken über das Ausmaß der Übergriffe durch Polizeibeamten gibt es nicht. Innerhalb des Innenministeriums gibt es eine Generalverwaltung der internen Sicherheit, die eine interne und externe Hotline für Beschwerden bzw. Vorwürfe gegen Polizeibeamte betreibt. Der Umstand, dass russische Gerichte ihre Verurteilungen in Strafverfahren häufig nur auf Geständnisse der Beschuldigten stützen, scheint in vielen Fällen Grund für Misshandlungen im Rahmen von Ermittlungsverfahren oder in Untersuchungsgefängnissen zu sein. Foltervorwürfe gegen Polizei- und Justizvollzugbeamte werden laut russischen NGO-Vertretern oft nicht untersucht (ÖB Moskau 12.2017, vgl. EASO 03.2017).

Auch 2017 gab es Berichte über Folter und andere Misshandlungen in Gefängnissen und Hafteinrichtungen im gesamten Land. Die Art und Weise, wie Gefangene transportiert wurden, kam Folter und anderen Misshandlungen gleich und erfüllte in vielen Fällen den Tatbestand des Verschwindenlassens. Die Verlegung in weit entfernte Gefängniskolonien konnte monatelang dauern. Auf dem Weg dorthin wurden die Gefangenen in überfüllte Bahnwaggons und Lastwagen gesperrt und verbrachten bei Zwischenstopps Wochen in Transitzellen. Weder ihre Rechtsbeistände noch ihre Familien erhielten Informationen über den Verbleib der Gefangenen (AI 22.02.2018).

Ein zehnminütiges Video der Körperkamera eines Wächters in der Strafkolonie Nr. 1 in Jaroslawl, zeigt einen Insassen, wie er von Wächtern gefoltert wird. Das Video vom Juni 2017 wurde am 20.07.18 von der unabhängigen russischen Zeitung "Novaya Gazeta" veröffentlicht. Das Ermittlungskomitee leitete ein Strafverfahren wegen Amtsmissbrauch mit Gewaltanwendung ein. Verschiedenen Medienberichten zufolge sollen fünf bis sieben an der Folter beteiligte Personen festgenommen und 17 Mitarbeiter der Strafkolonie suspendiert worden sein. Das Video hatte in der russischen Öffentlichkeit große Empörung ausgelöst. Immer wieder berichten Menschenrechtsorganisationen von Misshandlungen und Folter im russischen Strafvollzug (NZZ 23.07.2018).

Aus dem Nordkaukasus wurden auch 2017 schwere Menschenrechtsverletzungen gemeldet, wie Verschwindenlassen, rechtswidrige Inhaftierung, Folter und andere Misshandlungen von Häftlingen sowie außergerichtliche Hinrichtungen (AI 22.02.2018).

Im Nordkaukasus missbrauchen und foltern bewaffneter Sicherheitskräfte und Polizeieinheiten militante Personen und Zivilisten in Anhalte Einrichtungen (USDOS 13.03.2019).

(AI, Amnesty International, Report 2017/18, The State of the World's Human Rights, Russian Federation, 22.02.2018, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/russland

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand Dezember 2018, 13.02.2019

EASO, European Asylum Support Office, Country of Origin Information Report Russian Federation State Actors of Protection, 22. März 2017, https://www.easo.europa.eu/sites/default/files/publications/EASOCOI_Russia_web.pdf

ÖB, Österreichische Botschaft Moskau, Asylländerbericht Russische Föderation, Dezember 2017

NZZ, Neue Zürcher Zeitung Ein Foltervideo setzt Ermittlungen gegen Russlands Strafvollzug in Gang, 23.07.2018, https://www.nzz.ch/internati

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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