TE Bvwg Beschluss 2019/7/23 W147 1411695-4

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Veröffentlicht am 23.07.2019
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Entscheidungsdatum

23.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W147 1411689-4/4Z

W147 1411691-4/4Z

W147 1411693-4/4Z

W147 1411695-4/4Z

W147 1411697-4/4Z

W147 1411699-4/4Z

W147 1429269-3/4Z

W147 2221473-1/4Z

W147 2221476-1/4Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan KANHÄUSER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , 4.) XXXX , geb. XXXX , 5.) XXXX , geb. XXXX , 6.) XXXX , geb. XXXX , 7.) XXXX , geb. XXXX , 8.) XXXX , geb. XXXX , 9.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Russische Föderation, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01. Juli 2019, Zl. 1.) 810251301-161505569, 2.) 810251410-161505712, 3.) 810251508-161505941, 4.) 810251606-161505968, 5.) 810251704-161506000, 6.) 810251802-161506026, 7.) 820119710-161506042, 8.) 1179234001-180059832, 9.) 1179234709-180059972, beschlossen:

A)

Den Beschwerden wird gemäß § 18 Abs. 5 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Russischen Föderation.

Der Erstbeschwerdeführer, XXXX , geb. XXXX , und die Zweitbeschwerdeführerin, XXXX , geb. XXXX sowie ihre vier minderjährigen Kinder, XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX und XXXX , geb. XXXX , (Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer) reisten illegal in das Bundesgebiet ein und stellten am 01.02.2010 die ersten Anträge auf internationalen Schutz, welche mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 03.02.2010 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten sowie der subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und die Familienmitglieder aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen wurden. Mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofs vom 31.01.2011 wurden die dagegen erhobenen Beschwerden rechtskräftig als unbegründet abgewiesen.

2. Die Erst- bis Sechstbeschwerdeführer stellten am 15.03.2011 weitere Anträge auf internationalen Schutz, welche mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 29.03.2011 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurden. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 20.04.2011 wurden die dagegen erhobenen Beschwerden als unbegründet abgewiesen.

3. Für die Siebtbeschwerdeführerin, XXXX , geb. XXXX , wurde am 27.01.2012 ein Asylantrag gestellt, welcher letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 24.09.2012 rechtskräftig abgewiesen wurde.

4. Die Erst- und Zweitbeschwerdeführer und vier ihrer Kinder stellten am 13.06.2012 beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln "Rot-Weiß-Rot-Karte Plus" gemäß § 41a Abs. 9 NAG. Diese Anträge wurden letztlich mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 22.03.2016 abgewiesen.

5. Für die weiteren Kinder der Erst- und Zweitbeschwerdeführer, XXXX , geb. XXXX , und XXXX , geb. XXXX , wurden am 21.01.2014 durch ihre gesetzlichen Vertreter Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß § 55 AsylG gestellt.

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.01.2015, Zl. 1033023402/140181418 BMI-BFA_STM_RD, bzw. vom 12.01.2015, Zl. 1000748303/14505412 BMI-BFA_STM_RD, wurden die Anträge der XXXX , geb. XXXX , und der XXXX , geb. XXXX , vom 21.01.2014 auf Erteilung von Aufenthaltstiteln aus Gründen des Artikels 8 EMRK gemäß § 55 AsylG abgewiesen, gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 3 FPG erlassen sowie festgestellt, dass eine Abschiebung gem. § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt I.) und gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt II.).

Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.06.2018, W171 2100163-1/6E und W171 2100164-1/6E, wurden die gegen die genannten Bescheide erhobenen Beschwerden gemäß §§ 55, 10 Abs. 3 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

6.1. Am 03.11.2016 stellten die Erst- bis Siebtbeschwerdeführer nunmehr verfahrensgegenständliche Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 55 Abs. 1 AsylG.

6.2. Ebenfalls am 03.11.2016 stellten die beiden Kinder der Erst- und Zweitbeschwerdeführer. XXXX , geb. XXXX , und XXXX , geb. XXXX , durch ihre gesetzlichen Vertreter neuerlich Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß § 55 AsylG. Diese Anträge wurden dem Bundesverwaltungsgericht zu den dort anhängigen Beschwerdeverfahren zu den Zlen. W171 2100163-1 und W171 2100164-1 nicht vorgelegt. Über diese Anträge wurde bisher nicht entschieden.

6.3. Am 30.05.2017 [sic!] wurden die Erst- und Zweitbeschwerdeführer niederschriftlich einvernommen. Am 29.06.2017 [sic!] wurden die Erst- und Zweitbeschwerdeführer letztmalig niederschriftlich einvernommen.

6.4. Für die am XXXX geborenen Acht- und Neuntbeschwerdeführer wurden am 18.01.2018 die nunmehr verfahrensgegenständlichen Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen gestellt.

6.5. Eine weitere Einvernahme bzw. Parteiengehör fand nicht statt.

6.6. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01. Juli 2019 [sic!], Zlen. 1) 810251301-161505569, 2.) 810251410-161505712, 3.) 810251508-161505941, 4.) 810251606-161505968, 5.) 810251704-161506000, 6.) 810251802-161506026, 7.) 820119710-161506042, 8.) 1179234001-180059832, 9.) 1179234709-180059972, wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung von Aufenthaltstiteln aus Gründen des Artikels 8 EMRK gemäß § 55 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) sowie festgestellt, dass eine Abschiebung gem. § 46 FPG nach [sic!] Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt. Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG.

Gegen die Erst- und Zweitbeschwerdeführer wurde zudem gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 3 FPG ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

6.7. Gegen diese Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

6.8. In einem Telefonat mit der belangten Behörde teilte diese mit, dass betreffend die Kinder der Erst- und Zweitbeschwerdeführer, XXXX , geb. XXXX , und XXXX , geb. XXXX , keine Bescheide erlassen worden seien, da die belangte Behörde davon ausgegangen sei, dass deren Anträge vom 03.11.2016 mit den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.06.2018, W171 2100163-1/6E und W171 2100164-1/6E, erledigt seien.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

1. Am 03.11.2016 stellten die Erst- bis Siebtbeschwerdeführer nunmehr verfahrensgegenständliche Anträge. Am 30.05.2017 [sic!] sowie am 29.06.2017 [sic!] wurden die Erst- und Zweitbeschwerdeführer auch als gesetzliche Vertreter für die Drittbis Neuntbeschwerdeführer niederschriftlich einvernommen. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01. Juli 2019 [sic!] wurde über diese Anträge entschieden, ohne allfällige ergänzende Sachverhalte binnen der nunmehr vergangenen zwei Jahre!!!! zu ermitteln.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat es somit unterlassen, den für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentlichen Sachverhalt vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren zu erheben. Bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Entscheidung weist dieser nämlich weder die gesetzliche gebotene Aktualität noch Vollständigkeit auf.

Es besteht daher Verhandlungspflicht vor dem Bundesverwaltungsgericht, da der Sachverhalt durch Außerachtlassung der Grundsätze des Verwaltungsverfahrens - nämlich zweijähriger Untätigkeit der belangten Behörde - augenscheinlich ergänzungsbedürftig ist. Das Bundesverwaltungsgericht ist gemäß der Rechtsprechung des VwGH nicht zur Zurückverweisung der Rechtssache gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG berechtigt, sondern in Anwendung des § 28 Abs. 2 VwGVG verpflichtet, ergänzende Sachverhalte selbst zu ermitteln.

2. Unbeschadet der Untätigkeit der belangten Behörde zog diese für ihre Entscheidung Länderberichte aus dem Jahre 2019 heran, ohne den Beschwerdeführern das ihnen zustehende Recht auf Parteiengehör zu gewähren.

3. Weiters, und im Lichte des Art. 8 EMRK wesentlich, ergibt sich aus dem Verfahrensgang, dass über die Anträge der beiden Kinder der Erst- und Zweitbeschwerdeführer, XXXX , geb. XXXX , und XXXX , geb. XXXX , ebenfalls vom 03.11.2016 bisher nicht entschieden wurde.

Soweit die belangte Behörde vermeint, dass deren Anträge vom 03.11.2016 mit den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.06.2018, W171 2100163-1/6E und W171 2100164-1/6E, (mit)erledigt seien, ist ihr zu entgegnen, dass diese Anträge dem Bundesverwaltungsgericht zu den dort anhängigen Beschwerdeverfahren zu den Zlen. W171 2100163-1 und W171 2100164-1 nicht (als Beschwerdeergänzung) vorgelegt wurden und die Bestimmung des § 17 Abs. 7 und 8 BFA-VG in diesem Fall gar nicht zur Anwendung gelangt, da es sich um keinen Antrag auf internationalen Schutz handelt.

Den Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zu den Zlen W171 2100163-1 und W171 2100164-1 lagen die Anträge vom 21.01.2014 zu Grunde.

Zweifellos besteht ein Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung der Anträge der beiden Kinder der Erst- und Zweitbeschwerdeführer, XXXX , geb. XXXX , und XXXX , geb. XXXX , vom 03.11.2016, unabhängig in welcher Form. Eine Verwaltungsbehörde verletzt ihre Entscheidungspflicht nämlich nicht nur dann, wenn sie nicht rechtzeitig eine Sachentscheidung trifft, sondern unter anderem auch dann, wenn sie eine gebotene Zurückweisung eines Antrages verabsäumt (vgl. VwGH 27.06.2017, 2016/12/0092).

4. Schon aufgrund obiger Auflistung aller Versäumnisse der belangten Behörde kann daher nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass eine Abschiebung der beschwerdeführenden Parteien eine reale Gefahr der Verletzung von Bestimmungen der EMRK bedeuten würde.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W147.1411695.4.00

Zuletzt aktualisiert am

11.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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