TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/27 W142 2201566-2

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Veröffentlicht am 27.08.2019
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Entscheidungsdatum

27.08.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §71 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W142 2201565-2/2E

W142 2201566-2/2E

W142 2201568-2/2E

W142 2201570-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER über die Beschwerde von 1.) XXXX , (BF1), 2.) XXXX , (BF2), 3.) XXXX , (BF3) 4.) XXXX , (BF4), Staatsangehörigkeit Bundesrepublik Somalia, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.05.2018, 1). Zl.1088967301-151439135, 2). Zl.1088967704-151439194, 3). Zl.1088967802-151439208, 4).

Zl.1088967900-151439216, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 Allgemeines

Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG), in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998, als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (BF1) reiste illegal mit ihren sechs Kindern (vier Töchtern und zwei Söhne) in das österreichische Bundesgebiet ein. Lediglich die Verfahren hinsichtlich zwei der Töchter und hinsichtlich eines Sohnes wurden der Gerichtsabteilung W142 zugeteilt und sind Inhalt der gegenständlichen Entscheidung (BF2 bis BF4). Die Anträge auf internationalen Schutz wurden am 27.09.2015 eingebracht.

2. Nach niederschriftlichen Befragungen im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies die Behörde mit Bescheid vom 24.11.2017

1.) Zl.1088967301-151439135, 2.) Zl.1088967704-151439194, 3.) Zl.1088967802-151439208, 4.) Zl.1088967900-151439216, den Antrag der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.) und erteilte den Beschwerdeführern keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Somalia gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

3.

Laut Übernahmebestätigung wurden die Bescheide vom 24.11.2017,

1.)

Zl.1088967301-151439135, 2.) Zl.1088967704-151439194, 3.) Zl.1088967802-151439208, 4.) Zl.1088967900-151439216, am 29.11.2017 vom Rechtsanwalt der Beschwerdeführer in dessen Büroräumlichkeiten übernommen. Die vierwöchige Beschwerdefrist endete demnach am 27.12.2017.

4. Am 15.01.2018 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (und eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 24.11.2017) ein. Begründend wird darin ausgeführt, dass der Bescheid vom 24.11.2017 dem ausgewiesenen Vertreter am 29.11.2017 zugestellt worden sei. Die Kanzlei des Vertreters habe die Beschwerdefrist mit 27.12.2017 in den Terminkalender eingetragen. Danach sei der Akt allerdings nicht wie sonst üblich, in der Reihenfolge der Beschwerdefristen eingeordnet, sondern am Boden des Aktenstapels liegen gelassen worden, da aufgrund der vielen, bis zu 160 Seiten starken Bescheide, der Akt während der Beschwerdefrist, mehrmals vom Stapel gerutscht sei und die Bescheide dann mühsam wieder zusammengelegt werden mussten. Deshalb kam der Akt unter jene für den 03.01.2018 kalendierten Beschwerden zu liegen. Vom 27.12.2017 bis 29.12.2017 sei der für die Überwachung der Fristen dieses Aktes verantwortliche Mitarbeiter, Herr E. auf Urlaub gewesen. Der Rechtsvertreter selbst sei am 27.12.2017 ebenfalls nicht in der Kanzlei gewesen. Für das Büro sei an diesem Tag der Mitarbeiter Herr W. verantwortlich gewesen, der die Einhaltung der Fristen geprüft habe. Da der Rechtsvertreter im Bereich der Fristen ein Vieraugenprinzip eingehalten haben wolle, habe zudem noch eine weitere Mitarbeiterin, Frau Mag. A.-E. den Fristenkalender kontrolliert. Wie aus dem beiliegenden Kalenderblatt des 27.12.2017 ersichtlich, sei die entsprechende Eintragung durch die Erledigungsvermerke (zwei Häkchen) der beiden darunterliegenden Einträge überschrieben worden, sodass beide Mitarbeiter - auch angesichts dessen, dass der Akt nicht am Stapel bei den anderen für den 27.12.2017 zu erledigenden Rechtsmitteln gelegen sei - irrtümlich davon ausgegangen seien, dass dieses Rechtsmittel bereits erledigt sei. Herr W. sei seit Anbeginn der Kanzlei im Jahr 2004 Mitarbeiter der Kanzlei und in Angelegenheiten der Terminverwaltung äußerst erfahren. Frau Mag. A.-E. sei seit Juni 2016 Mitarbeiterin und daher ebenfalls bereits erfahren. Es sei im Bereich des Rechtsvertreters bisher nur zu einer einzigen Fristversäumnis im Jahr 2006 gekommen, damals wegen einer Fehleintragung, woraufhin die Kanzlei das Vieraugenprinzip sowohl bei Fristeintragung als auch bei Fristerledigung eingerichtet habe. Bei Rückkehr aus dem Urlaub am 02.01.2018 sei Herrn E. aufgefallen, dass die Beschwerde noch nicht erledigt worden sei, sodass an diesem Tag das Fristversäumnis erstmals offenbar geworden sei. Für den Rechtsvertreter sei es unvorhersehbar und insofern unabwendbar gewesen, dass trotz der Überlassung der Verantwortung an diesem Tag an einen seit 2004 in der Kanzlei tätigen Mitarbeiter und der Kontrolle durch eine ebenfalls schon länger tätige Mitarbeiterin, eine Frist übersehen worden sei, habe doch gerade das Vieraugenprinzip ein fehlerloses Fristenwesen sicherstellen sollen. Es möge dem Vertreter jedenfalls zugestanden werden, dass er nicht sorglos gehandelt habe und ihm daher allenfalls nur ein minderer Grad des Versehens vorzuwerfen sei. Die von der Rechtsprechung geforderte Kontrolle sei dem Vertreter gegenständlich nicht zumutbar gewesen, da auch er ein Anrecht auf Urlaub zwischen Weihnachten und Neujahr habe. Von Seiten der Mitarbeiter handle es sich um eine entschuldbare Fehlleistung, sei doch tatsächlich auf dem Kalenderblatt der Eintrag als gestrichen zu erkennen. Sowohl Herr W. als auch Frau Mag. A.-E. hätten auch nicht damit rechnen können, dass der Akt im Rechtsmittelstapel falsch eingeordnet worden sei; derartige Fehleinordnungen kämen üblicherweise nicht vor. Gemäß § 71 Abs. 6 AVG werde zudem ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt, welcher mit drohenden Nachteilen (rechtswidriger Aufenthalt, daher Verwaltungsstrafen, Verlust der Grundversorgung, eventuell Abschiebung) begründet werde.

5. Mit den im Spruch angeführten Bescheiden vom 28.05.2018, 1). Zl.1088967301-151439135, 2). Zl.1088967704-151439194, 3). Zl.1088967802-151439208, 4). Zl.1088967900-151439216, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der Beschwerdeführer auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 AVG ab. Begründend wird ausgeführt, dass der Bescheid vom 24.11.2017 der Rechtsvertretung - wie aus dem Abriss des RSa-Kuverts ersichtlich - am 29.11.2017 durch Übernahme zugestellt worden sei. Nach ungenützter Beschwerdefrist sei der Bescheid in Rechtskraft erwachsen. Die im Wiedereinsetzungsantrag gemachten Ausführungen zur Fristversäumnis hätten die belangte Behörde nicht zu überzeugen vermocht, dass die Beschwerdeführer bzw. ihr gewillkürter Vertreter durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen seien, die Beschwerdefrist einzuhalten. Weder die Beschwerdeführer noch ihr gewillkürter Vertreter hätten darstellen können, dass sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens treffe. Aus der im Bescheid vom 24.11.2017 enthaltenen und in der Muttersprache des Beschwerdeführers verfassten Rechtsmittelbelehrung sei eindeutig ersichtlich, dass ihnen die Möglichkeit einer Beschwerdeerhebung an das Bundesverwaltungsgericht binnen vier Wochen ab Zustellung offen stehe. Auch habe man den Beschwerdeführern mit Verfahrensanordnung in ihrer Muttersprache die für ihnen zuständige Rechtsberatungsorganisation mitgeteilt und darauf hingewiesen, dort bis zum 05.12.2017 persönlich zu erscheinen. Dem seien die Beschwerdeführer jedoch nicht nachgekommen. Sowohl die Beschwerdeführer als auch ihr gewillkürter Vertreter hätten somit auffallend sorglos gehandelt, weswegen der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abzuweisen war.

6. Gegen die o.a. Bescheide vom 28.05.2018 erhoben die Beschwerdeführer durch ihren ausgewiesenen Vertreter fristgerecht Beschwerde, in welcher (unter neuerlicher Anführung des bereits im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Gesagten) moniert wird, dass die belangte Behörde - obwohl beantragt - keine Einvernahme der Mitarbeiter des Rechtsvertreters vorgenommen habe. Jedes Kalendierungssystem sei fehleranfällig und verbesserungswürdig, das beschriebene System des Vieraugenprinzips bestehe jedoch seit 2006 und habe sich seither sehr bewährt. Die Kanzlei des Vertreters sei sehr klein und umfasse nur vier Mitarbeiter, sodass alle Mitarbeiter in alle Vorgänge in der Kanzlei eingebunden seien. Beim gegenständlichen Versäumnis handle es sich um einen absoluten Ausnahmefall und nicht um Sorglosigkeit. Es liege demnach ein minderer Grad des Versehens vor. Es sei dem Anwalt nicht vorzuwerfen, dass es sich auf einen seit 2006 beschäftigten Mitarbeiter verlassen habe, dem noch nie eine Fristversäumnis unterlaufen sei.

7. Mit Bescheiden des Bundesamtes vom 06.11.2018, 1). Zl.1088967301-151439135, 2). Zl.1088967704-151439194, 3). Zl.1088967802-151439208, 4). Zl.1088967900-151439216, wurden den Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stattgegeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz vom 27.09.2015 wurden mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.11.2017 zur Gänze abgewiesen. Diese Bescheide wurden vom ausgewiesenen Vertreter der Beschwerdeführer in dessen Büroräumlichkeiten am 29.11.2017 übernommen und damit rechtswirksam zugestellt. Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen diese Bescheide endete demnach am 27.12.2017.

Am 15.01.2018 langten die Anträge der Beschwerdeführer auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, verbunden mit einer Beschwerde gegen den Bescheid vom 24.11.2017, 1.) Zl.1088967301-151439135, 2.) Zl.1088967704-151439194, 3.) Zl.1088967802-151439208, 4.) Zl.1088967900-151439216, beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.

3. Rechtliche Beurteilung:

Der gegenständliche Beschwerdeinhalt gleicht dem Beschwerdeinhalt des Verfahrens hinsichtlich des zweiten Sohnes der BF1. Dieses Verfahren wurde einer anderen Gerichtsabteilung zugeteilt und mit Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.08.2018, Zl. W196 2201573-1/2E abgeschlossen. Auf die darin enthaltenen rechtlichen Ausführungen wird wie folgt verwiesen und zum Inhalt der gegenständlichen Entscheidung erhoben:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Vorab ist festzuhalten, dass als Maßstab zur meritorischen Entscheidung über die vorliegenden Beschwerden das Bundesverwaltungsgericht § 71 AVG und nicht § 33 VwGVG heranzuziehen hat, weil die Beschwerdeverfahren eine versäumte Prozesshandlung (Beschwerdeeinbringung) betreffen, die bei einer Verwaltungsbehörde (und nicht beim Verwaltungsgericht) zu setzen war und der Wiedereinsetzungsantrag schon bei der Behörde gestellt wurden (vgl. VfGH 18.06.2014, G 5/2014, wonach § 17 VwGVG eine Anwendung von Bestimmungen des IV. Teils des AVG durch das Verwaltungsgericht insofern nicht ausschließt, als deren Heranziehung als inhaltlicher Maßstab für die dem Verwaltungsgericht zukommende Aufgabe der meritorischen und reformatorischen Entscheidung in der Sache über die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, mit dem eine solche Vorschrift des IV. Teils des AVG angewendet worden ist, erforderlich ist; zum Verhältnis zwischen § 71 AVG und § 33 VwGVG vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 [2014], Rz 623 und 898 mwN).

Gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Gemäß § 71 Abs. 2 AVG muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

Dieses Fristerfordernis erfüllte der Beschwerdeführer, da deren Rechtsvertreter nach den Weihnachtsfeiertagen am 02.01.2018 von der Versäumung der Beschwerdefrist Kenntnis erlangte und den gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand am 15.01.2018 bei der belangten Behörde einbrachte.

3.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist als Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 Z 1 AVG jedes Geschehen ohne Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt anzusehen (VwGH 26.06.1985, 83/03/0134 u. a.). Ein Ereignis ist dann unabwendbar, wenn es durch einen Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden konnte. Es ist als unvorhergesehen zu werten, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte (VwGH 17.02.1994, 93/16/0020).

Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten oder Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen haben (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/01/0125, u.a.). Leichte Fahrlässigkeit liegt nur dann vor, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht (VwGH 01.06.2006, 2005/07/0044).

3.3. Vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 (Stand 1.4.2009, rdb.at), Rz 49-67, besondere Sorgfalts- und Überwachungspflicht des "beruflichen" rechtskundigen Parteienvertreters:

Nach der Rsp des VwGH müssen berufliche rechtskundige Parteienvertreter (insb Anwälte, Notare, Steuerberater) bei Erfüllung der Sorgfaltspflichten strengeren Anforderungen gerecht werden als sonstige (rechtsunkundige) Personen (Rz 40; VwGH 19.09.1991, 91/06/0067; 01.06.2006, 2005/07/0044; 23.06.2008, 2008/05/0529; Hengstschläger 3 Rz 606; Thienel 4 323). Dies gilt nicht nur für das eigene Handeln, sondern auch hinsichtlich der Tätigkeit ihrer Mitarbeiter. Der rechtskundige Vertreter der Partei hat gegenüber der ihm als Hilfsapparat zur Verfügung stehenden Kanzlei alle Vorsorgen zu treffen, die notwendig sind, um die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben zu gewährleisten, welche ihm aus dem Bevollmächtigungsverhältnis obliegen (VwGH 22.05.1997, 96/21/1048; 20.01.1998, 97/05/0329; 20.12.2001, 2000/16/0637). Die berufsgebotenen Vorkehrungen betreffen vor allem die Organisation des Kanzleibetriebs (VwGH 22.09.1998, 98/17/0157; 04.09.2003, 2003/09/0108; 17.07.2008, 2008/20/0305) und die wirksame Überwachung der Angestellten in Bezug auf die Einhaltung der Fristen, die Richtigkeit und Vollständigkeit von Eingaben an die Behörde, insb von Rechtsmitteln, aber auch von die Präklusion verhindernden Einwendungen etc (VwGH 26.01.1999, 98/02/0412; 16.09.2003, 2003/05/0160; 17.07.2008, 2008/20/0305).

Das Verschulden eines Bediensteten eines rechtskundigen Parteienvertreters kann aber nicht schlechterdings dem Verschulden des Vertreters oder der Partei gleichgehalten werden (VwGH 26.09.1990, 90/10/0062; 16.02.2004, 99/17/0202; 17.07.2008, 2008/20/0305; vgl auch Pichler, AnwBl 1990, 179). Es ist dem beruflichen rechtskundigen Vertreter selbst und - auf Grund des Bevollmächtigungsverhältnisses - letztlich der von ihm vertretenen Partei (vgl Rz 44) nur dann zuzurechnen, wenn der Vertreter die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Kontrolle der Tätigkeit der Mitarbeiter unterlassen hat und damit seiner Überwachungspflicht nicht nachgekommen ist (VwGH 22. 9. 1998, 98/17/0157; 25. 11. 2003, 2003/17/0305; 23. 6. 2008, 2008/05/0081).

Nur wenn der berufliche rechtskundige Vertreter die berufsgebotene Sorgfaltspflicht bei der Kontrolle der Evidenzhaltung und Wahrnehmung von Terminen und Fristen erfüllt hat, können Fehler und Irrtümer, die einer bisher objektiv geeigneten und bewährten Kanzleikraft unterlaufen und eine - nach einem Teil der Jud (vgl Rz 55) - durch die konkreten Umstände des Einzelfalls entschuldbare Fehlleistung darstellen, eine Wiedereinsetzung rechtfertigen (VwGH 26.07.1995, 95/20/0242; 26.07.2001, 2001/20/0402; 31.07.2006, 2006/05/0081).

Der häufigste Grund für ein Begehren auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist die Versäumung der Rechtsmittelfrist (vgl Thienel 4 323). Nach der stRsp des VwGH ist für die Einhaltung der Rechtsmittelfristen stets der berufliche rechtskundige Parteienvertreter selbst verantwortlich (VwGH 19.09.1997, 96/19/0679; 20.05.02003, 2003/02/0028; 28.05.2008, 2008/21/0320) und nicht etwa jener Kanzleiangestellte (allein), der den Termin in den Kalender einträgt. Der Anwalt selbst hat die Fristen festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie ihre richtige Eintragung (richtige Streichung [VwGH 19.09.1997, 96/19/0679; 05.11.1997, 97/21/0673;03.04.2001, 2000/08/0214]) im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen (VwGH 24. 11. 1998, 98/14/0155; 30.10.2003, 2003/15/0042; 29.05.2008, 2008/07/0085).

Diese Verpflichtungen treffen ihn auch dann, wenn der Mitarbeiter überdurchschnittlich qualifiziert ist und deshalb mit der selbständigen Besorgung bestimmter Kanzleiarbeiten einschließlich der Führung des Fristenvormerks betraut wurde und es bisher zu keinerlei Beanstandungen gekommen ist (VwGH 19.09.1997, 96/19/0679; 16.10.2003, 2001/03/0029; 28.05.2008, 2008/21/0320). Der VwGH lässt nicht gelten, dass es sich um eine "überspitzte und lebensfremde Forderung" an den Kanzleibetrieb eines Rechtsanwalts handelte, wenn dieser selbst jede einzelne Frist festsetzen und ihre Eintragung (Streichung) vornehmen bzw entsprechend überwachen müsse (VwGH 11.05.1984, 83/02/0501; 27.04.2004, 2003/05/0065). Der Gerichtshof hält es durchaus für zumutbar, dass ein Rechtsanwalt, der von seinem Mandanten mit der Einbringung eines Rechtsmittels gegen eine Entscheidung beauftragt wird, seiner damit übernommenen Verpflichtung und Verantwortung auf diese Weise persönlich nachkommt (VwGH 11.05.1984, 83/02/0501; 15.10.1991, 91/05/0182). Nimmt er die ihn selbst treffenden Verpflichtungen nicht wahr oder unterlaufen ihm dabei Fehler, trifft ihn ein Verschulden, das sich auf die von ihm vertretene Partei auswirkt (VwGH 14.12.1995, 95/19/1254; 26.07.2001, 2001/20/0402).

Wenn der rechtskundige Parteienvertreter die Berechnung der Rechtsmittelfrist und ihre Eintragung in den Terminkalender nicht selbst besorgt, sondern einem Mitarbeiter überlässt, hat er durch geeignete Kontrollen sicherzustellen, dass keine Fehler passieren oder solche rechtzeitig erkannt werden. Er verstößt gegen seine anwaltliche Sorgfaltspflicht und handelt grob fahrlässig, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen wirksame Überwachungssysteme vorgesehen hat, die bei Versagen eines Mitarbeiters die Versäumung der verfahrensrechtlichen Frist auszuschließen geeignet sind (VwGH 20.01.1998, 97/05/0329; 20.12.2001, 2000/16/0637; 29.05.2008, 2008/07/0085). Nur das Verschulden eines geeigneten und vom rechtskundigen Parteienvertreter ordentlich überwachten Mitarbeiters stellt einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund dar (VwGH 25.05.2000, 99/07/0198; 20.12.2001, 2000/16/0637; 20.02.02003, 2003/07/0011; vgl auch Pichler, AnwBl 1990, 179). Irrtümer und Fehler eines Mitarbeiters, die zur Versäumung einer Frist oder mündlichen Verhandlung führen, vermögen nur dann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu rechtfertigen, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Erstens muss die Fehlleistung einem bisher objektiv geeigneten und bewährten Kanzleiangestellten unterlaufen sein, und zweitens muss der Parteienvertreter die berufsgebotene Sorgfalts- und Überwachungspflicht bei der Termin- und Fristenevidenz eingehalten haben (VwGH 03.04.2001, 2000/08/0214; 20.12.2001, 2000/16/0637).

Eine Überwachung des mit der Führung des Fristenkalenders betrauten, erfahrenen und verlässlichen Mitarbeiters "auf Schritt und Tritt" ist nach stRsp nicht erforderlich (VwGH 29.04.2005, 2005/05/0100; 08.11.2005, 2005/17/0200; 19.04.2007, 2007/09/0019). Der Parteienvertreter ist nicht verpflichtet, jede Eintragung in den Fristenkalender sofort persönlich zu kontrollieren. Er kann auch, um Fehler auszuschließen, einen anderen geschulten und verlässlichen Angestellten mit der laufenden Überprüfung der Eintragungen betrauen oder selbst regelmäßig in kurzen Intervallen geeignete Kontrollen durchführen (VwGH 24.11.1998, 98/14/0155; 30.03.2000, 2000/16/0057; 16.12.2004, 2004/16/0198).

Wie oft und intensiv eine Hilfskraft überwacht werden muss, bestimmt sich nach ihrer Ausbildung, Einschulung und Verlässlichkeit, die erst bejaht werden kann, wenn sich der Mitarbeiter längere Zeit hindurch bewährt hat (VwGH 27.02.1996, 95/08/0259). Mit "stichprobenartigen Überprüfungen" der von seinem Kanzleipersonal vorgenommenen Eintragungen im Fristenkalender vermag der Rechtsanwalt die ihm gegenüber seinen Angestellten obliegende Überwachungspflicht nicht zu erfüllen (VwGH 16. 2. 2004, 99/17/0202; 7. 9. 2004, 2004/18/0184; 31.07.2006, 2006/05/0081; vgl Thienel 4 323). Solche Stichproben des Anwaltes sind als Aufsichts- und Kontrollmaßnahmen in der Regel unzureichend und können eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht rechtfertigen, gleichgültig ob die Eintragung ins Fristenbuch einer erst kurzzeitig beschäftigten oder einer erfahrenen, verlässlichen Kanzleikraft überantwortet ist (VwGH 25.06.1992, 92/09/0043; 16.02.2004, 99/17/0202; 07.09.2004, 2004/18/0184). Nach der jüngeren Jud des VwGH kann es aber genügen, wenn eine verlässliche Kraft nach einiger Zeit nur mehr stichprobenartig überprüft wird; dies allerdings nur dann, wenn sie in der Anfangsphase ihrer Tätigkeit entsprechend intensiv überwacht wurde und sie sich in dieser intensiven Überwachungsphase als absolut zuverlässig erwiesen hat (VwGH 25.10.1994, 94/07/0003; 25.05.2000, 99/07/0198; 27.04.2004, 2003/05/0065; vgl auch VwGH 20.02.02003, 2000/07/0287; 24.09.2003, 2003/13/0076; 31.07.2006, 2006/05/0081).

Ein beruflicher rechtskundiger Parteienvertreter hat seine Kanzlei so zu organisieren, dass die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt (VwGH 13.11.1998, 98/19/0219; 04.09.2003, 2003/09/0108; 17.07.2008, 2008/20/0305) und nach menschlichem Ermessen die Versäumung von Fristen ausgeschlossen ist (VwGH 17.04.1998, 98/04/0036; 23.02.2006, 2006/07/0028; 14.11.2006, 2006/03/0149). Dabei ist durch richtigen Einsatz entsprechend qualifizierter Mitarbeiter (VwGH 14.04.01994, 94/06/0047) und durch hinreichende, wirksame Kontrollen dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten infolge menschlichen Versagens so weit wie möglich ausgeschaltet werden (VwGH 21.05.1996, 96/05/0047; 14.11.2002, 2001/09/0177; 24.09.2003, 97/13/0224).

Mängel in der Kanzleiorganisation, die nicht mehr als minderer Grad des Versehens eingestuft werden können, liegen beispielsweise vor, wenn keine hinreichenden organisatorischen Vorkehrungen dahin getroffen sind, dass bei der Bearbeitung von Einlaufstücken die Möglichkeit der Verlegung in anderen Akten (VwGH 22.03.1991, 91/10/0018; 20.01.1993, 93/01/1062; 23.02.1993, 91/08/0170) oder des Verrutschens zu einer nicht (kaum) wahrnehmbaren Stelle (VwGH 30.05.1997, 96/02/0608; vgl auch VwGH 09.07.2002, 2001/01/0216; 31.03.2006, 2006/02/0003) ausgeschlossen ist.

Eine auffallende, der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entgegenstehende Sorglosigkeit des Wiedereinsetzungswerbers liegt nach der (äußerst umfangreichen) Judikatur des VwGH zudem beispielsweise dann vor, wenn die Partei die Rechtsmittelfrist deshalb versäumt, weil sie irrtümlich den Bescheid in die ein anderes Verwaltungsverfahren betreffende Mappe eingelegt hat (VwGH 29.01.1992, 92/02/0070).

3.3. In den gegenständlichen Fällen wurden die Bescheide vom 24.11.2017 am 29.11.2017 an den ausgewiesenen Rechtsvertreter der Beschwerdeführer rechtswirksam zugestellt.

Die Beschwerdeführer brachten durch ihren ausgewiesenen Vertreter erst nach Ablauf der vierwöchigen Beschwerdefrist (27.12.2017), nämlich am 15.01.2018, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, verbunden mit einer Beschwerde gegen den Bescheid vom 24.11.2017, beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein. Die verfahrensrechtliche Beschwerdefrist wurde sohin versäumt.

Im Antrag auf Wiedereinsetzung wurde durch den Rechtsvertreter der Beschwerdeführer im Wesentlichen vorgebracht, dass der Akt der Beschwerdeführer aufgrund des Umstandes, dass dieser wegen seiner Dicke ständig verrutschte, in der Kanzlei des Rechtsvertreters auf einen anderen Stapel als jenem, der für die Fristeinhaltung des 27.12.2017 vorgesehen war, nämlich jenem für die Fristen des 03.01.2018 kalendierten, eingeordnet wurde. Aufgrund der Weihnachtsfeiertage sei zudem am 27.12.2017 weder der Rechtsvertreter noch der zuständige Mitarbeiter in der Kanzlei gewesen. Die beiden verbliebenen Mitarbeiter wären bei Kontrolle des Fristenkalenders im Rahmen des Vieraugenprinzips einem Irrtum erlegen, wonach die Beschwerdefrist des Beschwerdeführers im Kalenderblatt bereits als erledigt gekennzeichnet gewesen sei. Aufgrund des falschen Aktenstapels sei der Akt auch physisch nicht als für den 27.12.2017 befristet aufgefallen.

Wie sich aus der oben dargestellten Judikatur ergibt, stellt das Verschulden von Kanzleikräften und Mitarbeitern für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Es ist durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Soweit im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand diesbezüglich ausgeführt wird, dass in der Kanzlei des Rechtsvertreters bereits im Jahr 2006 zur Einhaltung von Fristen ein Vieraugenprinzip eingeführt worden sei und das "Abhaken" von Fristen daher immer von zwei Mitarbeitern gemeinsam erfolge, so greift diese Argumentation zur positiven Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung zu kurz. Im gegenständlichen Fall trat die den minderen Grad des Versehens übersteigende Sorgfaltspflichtverletzung des Rechtsvertreters nämlich bereits zu einem viel früheren Zeitpunkt ein. Bereits das Verlegen des Aktes auf den Fristenstapel des 03.01.2018, da der Akt aufgrund seiner Dicke immer wieder vom Stapel der Fristen für den 27.12.2017 rutschte, stellte ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden des rechtskundigen Vertreters des Beschwerdeführers dar. Wie oben bereits ausgeführt, liegt ein Mangel in der Kanzleiorganisation, der nicht mehr als minderer Grad des Versehens eingestuft werden kann, insbesondere dann vor, wenn keine hinreichenden organisatorischen Vorkehrungen dahin getroffen sind, dass bei der Bearbeitung von Einlaufstücken die Möglichkeit der Verlegung in anderen Akten (VwGH 22.03.1991, 91/10/0018; 20.01.1993, 93/01/1062; 23.02.1993, 91/08/0170) oder des Verrutschens zu einer nicht (kaum) wahrnehmbaren Stelle (VwGH 30.05.1997, 96/02/0608; vgl auch VwGH 09.07.2002, 2001/01/0216; 31.03.2006, 2006/02/0003) ausgeschlossen ist.

Darüber hinaus ist anzumerken - wie oben bereits zitiert -, dass der Verwaltungsgerichtshof darin eine Sorglosigkeit erkannte, wenn die Partei die Rechtsmittelfrist deshalb versäumt, weil sie irrtümlich den Bescheid in die ein anderes Verwaltungsverfahren betreffende Mappe eingelegt hat (VwGH 29.01.1992, 92/02/0070). Im genannten Fall handelte es sich um eine unvertretene Partei und nicht um einen rechtskundigen Parteienvertreter. Wenn ein derartiges Verhalten bereits für rechtsunkundige Personen als Sorglosigkeit zu werten ist, so muss dies umso mehr für einen rechtskundigen Parteienvertreter gelten. Hätte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die notwendige Sorgfalt walten lassen, hätte der Akt des Beschwerdeführers gar nicht auf den Aktenstapel der Fristen für den 03.01.2018 verschoben werden dürfen. Beim Verschieben des Aktes auf den falschen Fristenstapel, um das bereits mehrmals erfolgte Verrutschen vom Aktenstapel hinkünftig zu vermeiden, handelte es sich somit um ein als auffallende Sorglosigkeit zu wertendes Organisationsverschulden des rechtskundigen Parteienvertreters des Beschwerdeführers, dass sich diese zurechnen lassen muss.

Lediglich am Rande wird zudem angemerkt, dass auch die Mitarbeiter des Rechtsvertreters ihren Sorgfaltspflichten nicht ausreichend nachkamen. Der Erledigungsvermerk auf dem (mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Kopie vorgelegten) Kalenderblatt zeigt eindeutig auf, dass die Frist des darunter- und darüberstehenden Klienten (jeweils zweimal) abgehakt wurde. Jene für den Beschwerdeführer und seine Familie wurde hingegen nicht abgehakt. Weshalb die Mitarbeiter des Rechtsvertreters - trotz Vieraugenprinzips - davon ausgingen, dass diese Frist bereits erledigt sei, kann daher nicht nachvollzogen werden und wurde von der Rechtsvertretung auch nicht plausibel dargelegt.

Letztlich kann zudem dahingestellt bleiben, ob der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer seiner von der Judikatur geforderten Überwachungspflicht gegenüber seinen Mitarbeitern durch die Einführung des Vieraugenprinzips bei der Kontrolle von Fristen nachkam, da die ihn treffende Sorgfaltspflichtverletzung wie dargestellt bereits mit Verschieben des Aktes auf den falschen Aktenstapel eintrat.

Wie die belangte Behörde in den o.a. Bescheiden zurecht ausführte, kam es im gegenständlichen Fall aufgrund einer Kombination von fehlerhaftem Aktenmanagement (Verlegen des Aktes auf den falschen Fristenstapel, da der Akt aufgrund seiner Dicke immer wieder vom richtigen Stapel verrutscht war) und einer zusätzlichen Fehlinterpretation von Kalendereinträgen in Abwesenheit des Rechtsvertreters und des zuständigen Mitarbeiters zu dem Fristversäumnis. Die Kombination dieser Verfehlungen kann bei einer zu berufsmäßigen Vertretung betrauten und rechtskundigen Person jedenfalls nicht mehr als minderer Grad des Versehens gewertet werden.

Daraus ergibt sich insgesamt betrachtet eine auffallende Sorglosigkeit des Rechtsvertreters der Beschwerdeführer. Es war im vorliegenden Fall jedenfalls glaubhaft kein Element erkennbar, welches den Rechtsvertreter der Beschwerdeführer - am Maßstab der Sorgfaltspflichten rechtskundiger Parteienvertreter gemessen - tatsächlich an der fristgerechten Einbringung der Beschwerde gehindert hätte. Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer hat mit den Ausführungen im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und der gegenständlichen Beschwerde jedenfalls nicht ausreichend dargetan, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen wäre, die Beschwerdefrist einzuhalten bzw. ihn kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens an der Versäumung der Beschwerdefrist trifft.

3.4. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand waren daher nicht gegeben, sodass die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag zu Recht abgewiesen hat.

Die Beschwerden waren daher abzuweisen.

3.5. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 6 EMRK, dessen Garantien nach Art. 47 Abs. 2 GRC auch im vorliegenden Fall Anwendung finden, kann eine mündliche Verhandlung unter bestimmten Voraussetzungen unterbleiben, etwa wenn der Fall auf Grundlage der Akten und der schriftlichen Äußerungen der Parteien angemessen entschieden werden kann (EGMR 12.11.2002, Appl. 28.394/95, Döry vs. Schweden; 08.02.2005, Appl. 55.853/00, Miller vs. Schweden).

Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes steht das Absehen von einer mündlichen Verhandlung - sofern zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde - jedenfalls in jenen Fällen im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist (vgl. VfSlg. 19.632/2012).

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017, mit der Frage des Entfalls einer mündlichen Verhandlung unter Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG befasst, wobei dem Grunde nach die zuvor zitierte Judikaturlinie der Höchstgerichte beibehalten wird. Daraus resultierend ergeben sich für die Auslegung des § 21 Abs. 7 leg.cit. folgende maßgeblichen Kriterien: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht bleibt wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 leg.cit. festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Gegenständlich kann das Unterlassen einer mündlichen Verhandlung darauf gestützt werden, dass der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erschien, weil der Sachverhalt nach einem grundsätzlich ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde festgestellt wurde. Dieser Sachverhaltsfeststellung wurde in der Beschwerde nicht substantiiert entgegen getreten. Weder war der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Rechtlich relevante und zulässige Neuerungen wurden in der Beschwerde nicht vorgetragen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben.

Schlagworte

Wegfall der Gründe, Wiedereinsetzung, Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W142.2201566.2.00

Zuletzt aktualisiert am

17.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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