TE Vwgh Beschluss 2019/9/18 Ra 2019/18/0338

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Veröffentlicht am 18.09.2019
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E3L E19103000
001 Verwaltungsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §12a Abs2 Z2
AVG §68
EURallg
VwRallg
32013L0032 IntSchutz-RL Art41 Abs1 litb

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr.in Sembacher, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des N A, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 10, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts

vom 19. August 2019, Zl. L512 1434790-7/5E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Pakistans, stellte am 11. April 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz, der rechtskräftig abgewiesen wurde. Zudem wurde der Revisionswerber aus dem Bundesgebiet ausgewiesen wurde. 2 Am 11. Jänner 2015 stellte der Revisionswerber einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

3 Mit Bescheid vom 21. November 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag auf internationalen Schutz vollinhaltlich ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Pakistan zulässig sei. Das BFA legte keine Frist für die freiwillige Ausreise fest und erkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab.

4 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 11. Februar 2019 mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass der Spruchpunkt IV. zu lauten hat: "Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung". Überdies wies das BVwG den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) mangels Zuständigkeit des BVwG zurück und erklärte die Revision für nicht zulässig.

5 Die dagegen erhobene Revision wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 29. April 2019, Ra 2019/20/0172, zurück.

6 Am 31. Juli 2019 stellte der Revisionswerber den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu brachte er vor, dass seine alten Fluchtgründe weiterhin aufrecht seien, er gesundheitliche Probleme habe und in finanzieller Abhängigkeit zu seiner in Österreich lebenden Schwester stehe.

7 Das BFA hob mit mündlich verkündetem Bescheid vom 12. August 2019 gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 den faktischen Abschiebeschutz auf. Dies begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht geändert habe. Daher werde voraussichtlich eine Zurückweisung des Folgeantrages erfolgen.

8 Mit Beschluss vom 19. August 2019 erklärte das im Beschwerdeweg vom Revisionswerber angerufene BVwG die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes durch das BFA für rechtmäßig und die Revision für unzulässig.

9 Begründend führte das BVwG - zusammengefasst - aus, dass der Antrag voraussichtlich gemäß § 68 AVG zurückzuweisen sei, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten sei. Es sei auch nicht ersichtlich, dass dem Revisionswerber aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme bei der Rückführung nach Pakistan eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde. Überdies habe eine entscheidungsrelevante Änderung in Bezug auf das Privat- und Familienleben nicht festgestellt werden können. Die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 lägen vor.

10 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht wird, der Revisionswerber habe bloß einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt, seine gesundheitlichen Probleme sowie die Beziehung zu seiner in Österreich aufhältigen Schwester seien außer Acht gelassen worden.

11 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

12 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 15 Gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 kann das BFA den faktischen Abschiebeschutz eines Fremden, der einen Folgeantrag gestellt hat und bei dem - wie im vorliegenden Fall - die Voraussetzungen des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 nicht erfüllt sind, aberkennen, wenn drei Voraussetzungen gegeben sind: Erstens muss gegen den Fremden eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG bestehen; zweitens muss die Prognose zu treffen sein, dass der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und drittens darf die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen (vgl. VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0451, 0452).

16 Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 ("wenn der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist") führen die Gesetzesmaterialien (RV 220 BlgNR 24. GP 13) aus, dass "eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags" zu treffen ist. Zieht man das vom Gesetz angestrebte Ziel in Betracht, den faktischen Abschiebeschutz nur für "klar missbräuchliche Anträge" beseitigen zu wollen, kann damit nur gemeint sein, dass schon bei einer Grobprüfung die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegt, weil sich der maßgebliche Sachverhalt nicht entscheidungswesentlich geändert hat. Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtigt daher zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern (vgl. erneut VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0451, 0452).

17 Auf einen solchen missbräuchlichen Zweck deutet - unter Bedachtnahme auf Art. 41 Abs. 1 lit. b der Verfahrensrichtlinie - auch eine mehrfache Folgeantragstellung hin, wenn dieser keine substanziell neuen und eine andere Beurteilung rechtfertigenden Sachverhaltselemente zugrunde liegen. Möglich sind aber auch andere Umstände, die den Schluss zulassen, dass der Fremde mit seinem Folgeantrag eine (bevorstehende) Abschiebung verhindern oder verzögern möchte (vgl. abermals VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0451, 0452).

18 Die gegenständliche Revision vermag vor diesem Hintergrund nicht aufzuzeigen, dass die Voraussetzungen, unter denen bei einem Folgenantrag der faktische Abschiebeschutz nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aberkannt werden kann, nicht vorgelegen wären (vgl. VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0451, 0452; 12.12.2018, Ra 2018/19/0010). Mit ihrem Vorbringen zeigt sie weder auf, welche konkreten Erhebungen zur Beurteilung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes noch durchzuführen gewesen wären, noch zu welchen konkreten Tatsachenfeststellungen diese geführt hätten. 19 Sofern der Revisionswerber vorbringt, dass er gesundheitliche Probleme habe, ist auszuführen, dass diese bereits im Vorverfahren bestanden haben und daher keine für ein Folgeantragsverfahren entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes vorliegt.

20 Soweit der Revisionswerber auf das Abhängigkeitsverhältnis zu seiner in Österreich lebenden Schwester hinweist, vermag er nicht darzulegen, dass ihre Beziehung unter den Schutz des Art. 8 EMRK fällt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs fallen familiäre Beziehungen unter Erwachsenen nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. VwGH 21.5.2019, Ra 2018/19/0510, mwN). Solche zusätzlichen Merkmale zeigt der Revisionswerber jedoch nicht auf.

21 Die Zulässigkeit einer Revision setzt neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung von dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für den Revisionswerber - günstigeren Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. VwGH 5.6.2019, Ra 2019/18/0048, mwN).

22 Mit dem Vorbringen des Revisionswerbers, das BFA und das BVwG hätten die Sicherheitslage in Pakistan außer Acht gelassen sowie dem Revisionswerber keine ausreichende Möglichkeit zur Stellungnahme zu den behördlich herangezogenen Länderberichten betreffend die Lage in Pakistan gegeben, wird die Relevanz dieses behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan.

23 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 18. September 2019

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180338.L00

Im RIS seit

28.10.2019

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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