TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/22 W169 1218935-3

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Veröffentlicht am 22.08.2019
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Entscheidungsdatum

22.08.2019

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58
AsylG-DV 2005 §4 Abs1 Z2
AVG §13 Abs7
B-VG Art. 130 Abs1 Z3
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W169 1218935-3/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.04.2017, Zl. 209879609-140210965, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.05.2019,

A)

I. zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird sattgegeben und der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ersatzlos behoben.

II. und der Beschluss gefasst:

Das Säumnisbeschwerdeverfahren wird gemäß § 13 Abs. 7 AVG iVm § 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 03.04.2000 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.08.2000, Zl. 00 03.836 - BAW, gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen wurde. Gemäß § 8 AsylG 1997 wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien für zulässig erklärt. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 26.02.2010, Zl. C6 218.935-0/2008/15E, wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

2. Mit Bescheid der BPD - Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, vom 19.11.2010, Zl. III - 1.288.304/FrB/10, wurde der Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 FPG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.

3. In weiterer Folge ist für den Beschwerdeführer am 29.11.2010, am 03.01.2011, am 02.03.2011, am 06.05.2011, 03.08.2011, am 04.11.2011, am 27.11.2012 und am 05.12.2012 an die Botschaft der Republik Indien jeweils ein Ersuchen um Ausstellung eines Heimreisezertifikates ergangen.

4. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 19.02.2013 an den UVS - Niederösterreich wurde mitgeteilt, dass am 22.01.2013 ein weiteres Ersuchen an die Indische Botschaft um Ausstellung eines Heimreisezertifikates erfolglos gestellt wurde und mit 19.02.2013 wieder ein diesbezügliches Schreiben ergehen werde.

5. Mit Schriftsatz vom 03.06.2013 wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers eine Duldung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1a FPG angeregt, zumal der Grund für die Unmöglichkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nicht bei diesem, sondern bei der fehlenden Bereitschaft der Indischen Botschaft liege.

6. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.07.2014, Zl. 209879609-14561495, wurde die Ausstellung einer Duldungskarte gemäß § 46a Abs. 1b FPG mit der Begründung abgewiesen, dass der Aktenlage nicht zu entnehmen sei, dass sich der Beschwerdeführer jemals selbst um die Ausstellung eines Reisedokumentes bemüht habe.

7. Am 25.11.2014 stellte der Beschwerdeführer persönlich beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG. Diesem Antrag waren eine Kopie der E-Card des Beschwerdeführers, eine Kopie seiner Geburtsurkunde und seines abgelaufenen indischen Reisepasses sowie eine schriftliche Antragsbegründung beigelegt, aus welcher sich ergibt, dass der Antragsteller seit dem Jahr 2000 durchgehend im Bundesgebiet aufhältig sei. Sein Asylverfahren sei mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 26.02.2010 rechtskräftig negativ beendet worden. Der unbescholtene Antragsteller habe die außerordentlich lange Dauer seines Asylverfahrens nicht zu vertreten. Der Antragsteller verfüge über eine ordnungsgemäße Unterkunft und sei aufrecht krankenversichert. Er habe gute Deutschkenntnisse und ein Sprachzeugnis auf Niveaustufe A2. Er habe viele Freunde im Bundesgebiet und seien seine Kontakte nach Indien abgerissen. Der Antragsteller verfüge auch über einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei bei Aufenthaltszeiten von 10 Jahren und darüber - der Antragsteller sei knapp 15 Jahre im Bundesgebiet aufhältig - regelmäßig von einem Überwiegen der privaten Interessen iSd Art. 8 EMRK und damit von einem Verbleib im Bundesgebiet auszugehen, weshalb die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus" beantragt werde.

8. Am 25.09.2015 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 und Art. 132 Abs. 3 B-VG ein und wurde diese damit begründet, dass der Beschwerdeführer am 25.11.2014 die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 55 Abs. 1 AsylG beantragt habe und bis dato keinerlei Schritte der belangten Behörde, insbesondere keine bescheidmäßige Erledigung des Antrages vom 25.11.2014, erfolgt seien. Seitens der belangten Behörde seien keinerlei Schritte zu dessen Bearbeitung unternommen worden, der Beschwerdeführer habe ordentlich am Verfahren mitgewirkt. Das Verfahren sei nicht ausgesetzt, es seien auch keine weiteren Ermittlungen gepflogen worden und sei von einem alleinigen Verschulden der belangten Behörde auszugehen. Die belangte Behörde sei daher säumig, weshalb die Voraussetzungen des § 8 VwGVG vorliegen würden. Es werde somit der Antrag gestellt, gemäß § 24 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchzuführen und gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden und den beantragen Aufenthaltstitel zu erteilen.

9. Mit Parteiengehör des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.10.2015 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, der Behörde einen gültigen Reisepass vorzulegen, da dieser für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG erforderlich sei und der Beschwerdeführer auf dem Lichtbild des bereits vorgelegten Reisepasses in Kopie nicht zweifelsfrei zu erkennen sei, das behauptete A2 Sprachdiplom vorzulegen und eine schriftliche Stellungnahme zu den im Schreiben angeführten Fragen bezüglich des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers abzugeben.

10. Am 27.10.2015 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine diesbezügliche Stellungnahme des rechtsfreundlichen Vertreters des Beschwerdeführers ein. Darin wurde ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer seit dem Jahr 2000 durchgehend im Bundesgebiet aufhalte und sein Asylverfahren mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 26.02.2010 rechtskräftig negativ beendet worden sei, wobei der unbescholtene Beschwerdeführer die außerordentlich lange Dauer seines Asylverfahrens nicht zu vertreten habe. Dem Akt des Landesverwaltungsgerichtes für Niederösterreich sei zu entnehmen, dass der Antragsteller am 29.02.2000 nach Österreich eingereist sei. Weiters, dass er seither durchgehend im Bundesgebiet aufhältig sei und dass ihm trotz ausreichender Bemühungen kein Reisepass ausgestellt worden sei, wobei der Stellungnahme das Erkenntnis des UVS- Niederösterreich vom 28.02.2013 angeschlossen wurde. Weiters wurde erneut darauf hingewiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Aufenthaltszeiten von 10 Jahren und darüber - der Antragsteller sei knapp 15 Jahre im Bundesgebiet aufhältig - regelmäßig von einem Überwiegen der privaten Interessen iSd Art. 8 EMRK und damit von einem Verbleib im Bundesgebiet auszugehen sei. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen des § 4 AsylG-DV hinsichtlich der Vorlage einer Geburtsurkunde und eines Reisepasses vorliegen würden und werde daher die Heilung dieses Mangels beantragt. Zudem wurde mit der Stellungnahme auch das Sprachzeugnis A2 übermittelt.

11. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2015 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt I). Unter Spruchpunkt II wurde gemäß § 10 Abs. 3 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. Der Zusatzantrag des Beschwerdeführers auf Heilung vom 27.10.2015 wurde gemäß § 4 Abs. 1 AsylG-DV abgewiesen (Spruchpunkt III).

12. Gegen diesen Bescheid wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde erhoben und ausgeführt, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid - nach Wiedergabe von ca. 50 Seiten Länderberichten zur allgemeinen Lage in Indien - ausgeführt habe, dass der Beschwerdeführer keine konkreten Angaben über sein Privat- und Familienleben gemacht habe. Der Antrag sei zurückzuweisen gewesen, zumal es dem Beschwerdeführer zuzumuten sei, mit seiner Vertretungsbehörde in Kontakt zu treten, um ein Reisedokument zu erlangen. Die belangte Behörde habe sich mit der von ihr herangezogenen Bestimmung des § 58 Abs. 11 AsylG nicht ausreichend beschäftigt. Der Beschwerdeführer sei bisher all seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen und habe sich nachweislich um die Ausstellung eines Reisepasses bemüht. Dieser Umstand sei auch im Erkenntnis des UVS-Niederösterreich vom 28.02.2013, welches ausdrücklich vorgelegt worden sei, dokumentiert. Diesem Erkenntnis sei ein detailliertes Ermittlungsverfahren des UVS-Niederösterreich zugrunde gelegen. Die belangte Behörde habe sich in rechtswidriger Weise jedoch damit überhaupt nicht auseinandergesetzt und auch keine eigenständigen Ermittlungen gepflogen. Die belangte Behörde habe nicht einmal die Echtheit der vorgelegten Geburtsurkunde festgestellt und überprüft. Zahlreiche Versuche der Erlangung eines Heimreisezertifikates aus den Vorjahren seien dokumentiert. Ausdrücklich sei festgehalten, dass der Grund für die mangelnde Ausstellung eines Dokumentes gerade nicht beim Beschwerdeführer gelegen sei, sondern in der mangelnden Kooperation der Indischen Botschaft. Der bekämpfte Bescheid sei in Verkennung der Aktenlage bereits aus diesem Grund mangelhaft und die Zurückweisung verfehlt, sodass auch eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grundrechtes auf den gesetzlichen Richter vorliege. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch der Antrag gemäß § 4 AsylG-DV ohne jede Begründung abgelehnt worden sei.

Weiters wurde in der Beschwerde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer nach Aktenlage seit 16 Jahren durchgehend im Bundesgebiet aufhältig sei. Er beziehe keine Leistungen aus der öffentlichen Hand und komme selbst für seinen Lebensunterhalt auf. Er habe einen Freundeskreis und sei unbescholten. In diesem Zusammenhang werde ein Unterstützungsschreiben eines Freundes übermittelt und die Einvernahme dieses Freundes zum Beweis dafür beantragt, dass eine soziale Integration des Beschwerdeführers vorliege. Zudem spreche der Beschwerdeführer sehr gut Deutsch. Bei richtiger Würdigung dieser Umstände würden die Voraussetzungen für die Feststellung der dauerhaften Unzulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung und Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels vorliegen. Auf die hinlänglich bekannte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu langen Aufenthaltszeiten dürfe verwiesen werden. Der bekämpfte Bescheid sei aufgrund all dieser Erwägungen rechtswidrig.

13. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.07.2016, Zahl W169 1218935-2/2E, wurde der bekämpfte Bescheid in Erledigung der Beschwerde behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

14. Mit Schriftsatz des damaligen rechtsfreundlichen Vertreters des Beschwerdeführers vom 25.08.2016 wurde mit näherer Begründung ein weiterer Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG "Aufenthaltsberechtigung Plus" gestellt. Dem Schreiben beigelegt waren der abgelaufene Reisepass des Beschwerdeführers, ein Meldezettel, ein A2-Zeugnis, ein Auszug aus dem KSV vom 17.08.2016 und ein Vorvertrag vom 20.08.2016 für eine Vollzeitanstellung als Imbiss-Verkäufer mit einem Nettolohn von 1.200,- Euro.

15. Mit Stellungnahme der Rechtsvertretung vom 28.09.2016 wurde auf die lange Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers und die entsprechende höchstgerichtliche Judikatur sowie das vorhandene Privatleben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet verwiesen.

16. Am 02.03.2017 brachte der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Säumnisbeschwerde hinsichtlich des Antrages vom 25.08.2016 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen ein. Es wurde der Antrag gestellt, das Bundesverwaltungsgericht möge in der Sache selbst entscheiden.

17. Mit Schriftsatz der Rechtsvertretung vom 28.03.2017 wurde hinsichtlich des Antrages des Beschwerdeführers auf Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus" vom 25.11.2014 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Säumnisbeschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 iVm Art. 132 Abs. 3 B-VG mit näherer Begründung eingebracht.

18. Am 31.03.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und wurde eingangs der Befragung sein vorgelegter abgelaufener indischer Reisepass sichergestellt. Er habe nicht gewusst, dass er diesen der Behörde hätte vorlegen sollen - das habe ihm sein damaliger Anwalt nicht gesagt. Nachgefragt gab er weiters zu Protokoll, dass er insgesamt vier, zehn oder zwölf Mal bei der Botschaft zwecks Ausstellung eines neuen Reisepasses gewesen sei. Weiters führte der Beschwerdeführer an, er sei ledig und kinderlos. Seine Eltern und seine Geschwister würden auch weiterhin in Indien leben; er habe nur selten Kontakt zu seinen Familienangehörigen im Herkunftsstaat. Er wolle nicht zurück nach Indien, da sein Leben dort gefährdet sei. Der Beschwerdeführer sei im Jahr 2000 in das Bundesgebiet eingereist und halte sich seitdem durchgehend in Österreich auf. Er habe sich nicht immer behördlich melden können, weil er nicht immer über eine Unterkunft verfügt habe. Er habe keine Familienangehörigen in Österreich, dafür aber einige Freunde und Bekannte. Er verfüge über eine Arbeitsplatzzusage in einem Restaurant. In der Vergangenheit habe er als Zeitungszusteller gearbeitet. Auch habe er sich um eine Arbeitsbewilligung beim AMS bemüht, jedoch keine erhalten. In seiner Freizeit lese und koche er, sehe fern oder treffe Freunde. Für die Zukunft plane er die B1-Prüfung zu machen. Er habe keine Schulden in Österreich und zahle die Raten für sein Auto ab. Der Beschwerdeführer sei gesund.

19. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.04.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 25.11.2014 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt I). Unter Spruchpunkt II wurde gemäß § 10 Abs. 3 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. Der Zusatzantrag des Beschwerdeführers auf Heilung vom 27.10.2015 wurde gemäß § 4 Abs. 1 AsylG-DV abgewiesen (Spruchpunkt III).

20. Dagegen wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde erhoben und im Wesentlichen angeführt, dass der Beschwerdeführer vor nunmehr 17 Jahren einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet gestellt habe, welcher erst nach 10 Jahren entschieden worden sei. Entgegen der Behauptung der Behörde habe der Beschwerdeführer den arbeitsrechtlichen Vorvertrag sowie auch weitere Unterlagen - eine Deutschprüfung des Niveaus A2, seinen Reisepass, einen KSV Auszug - vorgelegt. Nochmals wurde unter Verweis auf höchstgerichtliche Rechtsprechung vorgebracht, dass bei einem über zehnjährigen Aufenthalt die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nur dann möglich sei, wenn der Fremde sich im Bundesgebiet nicht integriert habe, was in concreto jedoch nicht der Fall sei. Beantragt wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

21. Am 10.05.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an welcher der Beschwerdeführer und sein bevollmächtigter Vertreter teilgenommen haben. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist entschuldigt nicht erschienen (siehe Verhandlungsprotokoll vom 10.05.2019). Im Rahmen der Verhandlung legte der Beschwerdeführer erneut diverse Integrationsunterlagen vor (Kopie eines alten Ausweises als Zeitungszusteller, zwei Arbeitsvorverträge vom 20.08.2016 und vom 07.05.2019, eine Wohnrechtsvereinbarung vom 01.05.2019, ein A2-Zeugnis vom 23.10.2014 und eine Anmeldebestätigung für die B1 Integrationsprüfung vom 04.02.2019 samt Zahlungsbeleg).

In der Verhandlung wurden der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG vom 25.08.2016 sowie die wegen Untätigkeit der Behörde erhobene Säumnisbeschwerde vom 02.03.2017 zurückgezogen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist indischer Staatsangehöriger aus dem Bundesstaat Punjab, wo er zwölf Jahre die Grundschule besuchte, gemeinsam mit seinen Eltern und seinen drei Geschwistern im Elternhaus lebte und im familieneigenen Geschäft aushalf. Seine Familienangehörigen, zu denen er selten in Kontakt steht, leben auch weiterhin im Herkunftsstaat; seine Mutter ist mittlerweile verstorben. Der Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos und gesund.

Der Beschwerdeführer verließ sein Heimatland im Jahr 2000, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 03.04.2000 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.08.2000 abgewiesen wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 26.02.2010 als unbegründet abgewiesen. Mit Bescheid der BPD - Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, vom 19.11.2010 wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.

Am 29.11.2010, am 03.01.2011, am 02.03.2011, am 06.05.2011, am 03.08.2011, am 04.11.2011, am 27.11.2012 und am 05.12.2012 ist jeweils ein Ersuchen um Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer an die Botschaft der Republik Indien ergangen. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 19.02.2013 an den UVS - Niederösterreich wurde mitgeteilt, dass am 22.01.2013 ein weiteres Ersuchen an die Indische Botschaft um Ausstellung eines Heimreisezertifikates erfolglos gestellt wurde und mit 19.02.2013 wieder ein diesbezügliches Schreiben ergehen werde.

Am 03.06.2013 regte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers eine Duldung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1a FPG an und wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11. 07.2014 die Ausstellung einer Duldungskarte gemäß § 46a Abs. 1b FPG abgewiesen.

Am 25.11.2014 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG, welcher mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2015 als unzulässig zurückgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Indien zulässig sei. Der Zusatzantrag des Beschwerdeführers auf Heilung vom 27.10.2015 wurde gemäß § 4 Abs. 1 AsylG-DV abgewiesen. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.07.2016 stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.04.2017 wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG vom 25.11.2014 erneut als unzulässig zurückgewiesen und gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung nach Indien zulässig sei. Der Zusatzantrag des Beschwerdeführers auf Heilung vom 27.10.2015 wurde gemäß § 4 Abs. 1 AsylG-DV abgewiesen.

Der Beschwerdeführer zog seinen Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG vom 25.08.2016 und die Säumnisbeschwerde vom 02.03.2017 im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.05.2019 zurück.

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder sonstigen Familienangehörigen in Österreich. Er hat einen Deutschkurs des Niveaus A2 absolviert und hat sich für die Integrationsprüfung B1 angemeldet (und bezahlt). Er spricht Deutsch. Der Beschwerdeführer hat in der Vergangenheit als Zeitungszusteller gearbeitet und bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung. Er verfügt über eine Wohnung, für die er keinen Mietzins zahlen muss, sowie über zwei Arbeitsvorverträge: einen für die Vollzeitanstellung als Imbiss-Verkäufer mit einem monatlichen Nettolohn in der Höhe von 1.200,- Euro und einen als Vollzeit-Arbeiter mit einem monatlichen Bruttolohn in der Höhe von 1.500,- Euro. Er hat den Führerschein im Bundesgebiet gemacht und besitzt ein Auto. Der Beschwerdeführer ist gesund, steht im erwerbsfähigen Alter und hat einen österreichischen Freund, den er regelmäßig in seiner Freizeit trifft. Auch hatte der Beschwerdeführer drei bis vier Jahre eine österreichische Lebensgefährtin. Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers und seiner Staatsangehörigkeit ergeben sich aus dem in Vorlage gebrachten abgelaufenen indischen Reisepass des Beschwerdeführers (im Original) und der im Verfahren vorgelegten Geburtsurkunde (im Original).

Die Feststellungen zu seiner schulischen Ausbildung, seiner Arbeitserfahrung sowie zu seiner familiären Situation in Indien beruhen insbesondere auf den Angaben des Beschwerdeführers in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 31.03.2017 und jenen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.05.2019.

Die Feststellungen zum Asylverfahren des Beschwerdeführers, zur Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet, zu den Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG und zu den diversen Ersuchen um Ausstellung eines Heimreisezertifikats an die Indische Botschaft ergeben sich aus den Verwaltungs- und Gerichtsakten und dem im Akt aufliegenden Bescheid des UVS Niederösterreich vom 28.03.2013.

Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer in Österreich keine Verwandten oder sonstigen Familienangehörigen hat, einen Deutschkurs des Niveaus A2 absolviert und sich für die Integrationsprüfung Niveaus B1 angemeldet (und diese bezahlt) hat, er in der Lage ist, sich auf Deutsch zu verständigen, über eine Wohnung, für die er keinen Mietzins zahlen muss, verfügt, in der Vergangenheit als Zusteller gearbeitet hat, sowie die Feststellungen zu den zwei Arbeitsvorverträgen, dass er den Führerschein in Österreich gemacht hat und ein Auto besitzt, einen österreichischen Freund hat, mit dem er sich in seiner Freizeit regelmäßig trifft, er für drei bis vier Jahre eine österreichische Lebensgefährtin hatte und gesund ist, ergeben sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.05.2019 und den im Rahmen des Verfahrens vorgelegten Unterlagen, wie den Arbeitsvorverträgen vom 07.05.2019 und vom 20.08.2016, der Wohnrechtsvereinbarung vom 01.05.2019, dem A2 Zeugnis vom 23.10.2014, der Anmeldung zur Integrationsprüfung B1 des ÖIF vom 04.02.2019 und dem diesbezüglichen Rechnungsbeleg, dem Dienstausweis des Beschwerdeführers als Zeitungszusteller und dem in der Beschwerdeverhandlung in Augenschein genommenen Fotobuch.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nimmt und strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus der Einsichtnahme ins Grundversorgungssystem und ins österreichische Strafregister.

Dass der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG vom 25.08.2016 und die Säumnisbeschwerde vom 02.03.2017 zurückzog, ergibt sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 10.05.2019.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG, und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

3.1. Zu Spruchpunkt A) I:

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 ist der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nachkommt; darüber ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

Gemäß § 4 Abs. 1 AsylG-DV kann die Behörde auf begründeten Antrag von Drittstaatangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 und § 58 Abs. 5, 6 und 12 AsylG 2005 zulassen:

1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen zur Wahrung des Kindeswohls,

2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK oder

3. im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht unmöglich oder zumutbar war.

Gemäß § 8 Abs. 1 der Asylgesetz-Durchführungsverordnung 2005 (AsylG-DV 2005) sind folgende Urkunden und Nachweise- unbeschadet weiterer Urkunden und Nachweise nach den Abs. 2 und 3 - im amtswegigen Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 3) beizubringen oder dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels (§ 3) anzuschließen:

1. gültiges Reisedokument (§ 2 Abs. 1 Z 2 und 3 NAG);

2. Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument;

3. Lichtbild des Antragstellers gemäß § 5;

4. erforderlichenfalls Heiratsurkunde, Urkunde über die Ehescheidung, Partnerschafts-urkunde, Urkunde über die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, Urkunde über die Annahme an Kindesstatt, Nachweis oder Urkunde über das Verwandtschaftsverhältnis, Sterbeurkunde.

Im Erkenntnis vom 30. Juni 2015, Ra 2015/21/0039, hat sich der Verwaltungsgerichtshof unter Bedachtnahme auf die historische Entwicklung und unter Einbeziehung des Bedeutungsgehalts damit im Zusammenhang stehender Regelungen ausführlich mit der Auslegung des § 58 Abs. 11 AsylG 2005 auseinandergesetzt. Der Verwaltungsgerichtshof ist dabei zum Ergebnis gekommen, mit den (mit Wirksamkeit ab 01. Jänner 2014) vom NAG in das AsylG 2005 transferierten Regelungen für "Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen" sei es insoweit der Sache nach lediglich zu einer Zusammenfassung der Abs. 4, 6 und 10 des § 19 NAG gekommen. Von Bedeutung sei allerdings, dass die unterbliebene Vorlage von Identitätsdokumenten, wie etwa des Reisepasses, nunmehr einheitlich von § 58 Abs. 11 AsylG 2005 geregelt werde, sodass diesbezüglich im Antragsverfahren nicht auf § 13 Abs. 3 AVG zurückgegriffen werden müsse. Im Übrigen beziehe sich aber auch § 58 Abs. 11 AsylG 2005 (sonst nur) auf Mitwirkungspflichten im Zusammenhang mit erkennungsdienstlichen Daten und mit der Zustelladresse des Fremden, nicht aber auf solche, die mit der Erhebung von inhaltlichen Erteilungsvoraussetzungen im Zusammenhang stehen.

Zur Heilung nach § 4 Abs. 1 Z 2 AsylG-DV 2005 hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass die Bedingung, wonach die Erteilung des Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Artikel 8 EMRK erforderlich sein muss, in jenen Konstellationen, in denen von Amts wegen ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 zu erteilen ist, voraussetzungsgemäß erfüllt ist (vgl. das Erkenntnis vom 15.09.2016, Ra 2016/21/0187). Auch im Fall eines Antrags auf Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels gilt, dass die Voraussetzungen für die verfahrensrechtliche Heilung nach § 4 Abs. 1 Z 2 AsylG-DV 2005 die gleichen sind wie für die materielle Stattgabe des verfahrenseinleitenden Antrags. Die Prüfung, ob einem Heilungsantrag nach § 4 Abs. 1 Z 2 AsylG-DV 2005 stattzugeben ist, unterscheidet sich also inhaltlich nicht von der Beurteilung, ob der Titel nach § 55 AsylG zu erteilen ist. Daraus folgt auch, dass bei einem Antrag nach § 55 AsylG 2005 in Bezug auf die Heilung nach § 4 Abs. 1 AsylG-DV 2005 in erster Linie und vorrangig die Voraussetzungen der Z 2 der genannten Bestimmung zum Tragen kommen und dass es unzulässig ist, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 trotz Vorliegens der hierfür erforderlichen Voraussetzungen wegen Nichtvorlage von Identitätsdokumenten zurückzuweisen (vg. VwGH vom 17.11.2016, Ra 2016/21/0314).

Im vorliegenden Fall war es daher erforderlich, zu prüfen, ob die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Artikel 8 EMRK geboten war.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen:

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8), die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9).

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Die zeitliche Komponente spielt jedoch eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessensabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua, mwH).

Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479). Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31. 10. 2002, 2002/18/0190).

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, werden Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (vgl. etwa VwGH vom 23.02.2017, Ra 2016/21/0340, mwN).

Davon, dass sich der Beschwerdeführer in den 19 Jahren, in denen er sich im Bundesgebiet aufhält, überhaupt nicht integriert hätte, kann im konkreten Fall keine Rede sein:

Der unbescholtene Beschwerdeführer hat einen Deutschkurs des Niveaus A2 absolviert und ist - wie sich die erkennende Richterin in der Beschwerdeverhandlung überzeugen konnte - in der Lage, sich auf Deutsch zu verständigen. Er verfügt über zwei Arbeitsvorverträge (einen aktuellen vom Mai 2019), hat in der Vergangenheit als Zeitungsaussteller gearbeitet, in Österreich den Führerschein gemacht, einen österreichischen Freund, den er in seiner Freizeit regelmäßig trifft und hatte in der Vergangenheit für ca. drei bis vier Jahre eine österreichische Lebensgefährtin. Es kann somit nicht davon ausgegangen werden, der Beschwerdeführer hätte die Zeit im Bundesgebiet für seine Integration überhaupt nicht genützt.

Weiters ist darauf hinzuweisen, dass die Dauer des bisherigen Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich auch in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist: So stellte der Beschwerdeführer im April 2000 in Österreich einen Asylantrag, wobei die Abweisung dieses Antrages erst mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 26.02.2010, somit erst nach Ablauf von fast zehn Jahren, erfolgte. Dass sich der Beschwerdeführer dann seiner Ausreiseverpflichtung nach negativem Ausgang des Asylverfahrens (der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der BPD Wien vom 19.11.2010 aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen) beharrlich widersetzt oder seine Abschiebung mutwillig verzögert hätte, war auch nicht der Fall, zumal am 29.11.2010, am 03.01.2011, am 02.03.2011, am 06.05.2011, 03.08.2011, am 04.11.2011, am 27.11.2012 und am 05.12.2012 jeweils ein Ersuchen um Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer an die Botschaft der Republik Indien ergangen ist und mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 19.02.2013 an den UVS - Niederösterreich mitgeteilt wurde, dass am 22.01.2013 ein weiteres Ersuchen an die Indische Botschaft um Ausstellung eines Heimreisezertifikates erfolglos gestellt wurde und mit 19.02.2013 wieder ein diesbezügliches Schreiben ergehen werde. Es sind somit zahlreiche Versuche zur Erlangung eines Heimreisezertifikates aus den Vorjahren dokumentiert.

Aus all dem ergibt sich somit, dass der Heilungsantrag des Beschwerdeführers gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 AsylG-DV 2005 (zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK) als berechtigt zu betrachten ist (ausgehend davon kann dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV 2005 - Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Beschaffung der verlangten Urkunden - ebenfalls erfüllt gewesen wären), weshalb der gegenständlichen Beschwerde Folge zu geben und die Antragszurückweisung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ersatzlos zu beheben war, um in der Folge die inhaltliche Erledigung des Antrags auf Titelerteilung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - im stattgebenden Sinn - zu ermöglichen (vgl. VwGH vom 26.01.2017, Ra 2016/21/0168).

3.2. Zu Spruchpunkt A) II:

Aus den Bestimmungen des § 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 VwGVG geht hervor, dass das Verwaltungsgericht in jenem Fall, in dem das Verfahren - hier: die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde, konkret das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - einzustellen ist, eine Entscheidung in der Rechtsform des Beschlusses zu treffen hat. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen nämlich die Entscheidungen und Anordnungen eines Verwaltungsgerichts durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. § 28 Abs. 1 VwGVG nimmt die Einstellung des Verfahrens, wozu jedenfalls die Einstellung des Beschwerdeverfahrens zu zählen ist, von der Erledigung mittels Erkenntnis ausdrücklich aus. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich aber auch, dass eine bloß formlose Beendigung (etwa durch Einstellung mittels Aktenvermerkes) nicht in Betracht kommt. Handelt es sich doch bei der Entscheidung eines Verwaltungsgerichts, ein bei ihm anhängiges Verfahren nicht weiterzuführen, um eine Entscheidung iSd § 31 Abs. 1 VwGVG (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.04.2015, Fr 2014/20/0047 mwN).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles anzuwenden.

Entsprechend § 13 Abs. 7 AVG ist festzuhalten, dass ein (verfahrensleitender) Antrag in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden kann.

Durch die Zurückziehung der Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl betreffend den vom Beschwerdeführer am 25.08.2016 gestellten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (und Zurückziehung des zugrundeliegenden Antrages) in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.05.2019 war somit das auf Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG gestützte Säumnisbeschwerdeverfahren mit Beschluss einzustellen.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs.1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs.4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Aufenthaltsdauer, Heilung, Integration, Privat- und Familienleben,
Säumnisbeschwerde, Sprachkenntnisse, Zurückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W169.1218935.3.00

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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