TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/29 I421 1413886-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.03.2019
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Entscheidungsdatum

29.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I421 1413886-2/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX), geb. XXXX (alias XXXX), StA. Nigeria, vertreten durch die RIHS Rechtsanwalt GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 30.07.2018, Zl. IFA 800123303 + VZ 180356713, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.03.2019, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste (spätestens) am 05.02.2010 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen seiner am 10.02.2010 erfolgten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes wurde der Beschwerdeführer ersucht, seinen Fluchtgrund bekanntzugeben. Er gab an, dass er nach dem Tod seines Vaters einen Geheimkult hätte übernehmen sollen, jedoch habe er sich als Christ geweigert.

Am 08.03.2010 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesasylamt erneut zu seinen Fluchtgründen befragt. Zur Frage, ob für den Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative bestanden habe, erklärte er, dass es "um eine Verfolgung durch Geister gehe"; er sei oft im Schlaf angegriffen worden. Auch wenn sie ihn nicht persönlich treffen könnten, würden sie ihn "im Geist" verfolgen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 28.05.2010 wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß "§ 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF" sowie gemäß "§ 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG" als unbegründet ab; zugleich verfügte das Bundesasylamt gemäß "§ 10 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG" die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet nach Nigeria.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 07.06.2010 Beschwerde an den Asylgerichtshof; am 15.06.2010 langte eine undatierte Beschwerdeergänzung ein. Im Wesentlichen wendet sich die Beschwerde gegen die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes. Außerdem fehlten nach Ansicht des Beschwerdeführers Feststellungen zum Beitrittszwang zu Geheimgesellschaften und es bestehe keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.08.2015, Zl. I409 1413886-1/17E wurde die Beschwerde gegen den negativen Asylbescheid des Bundesasylamtes gemäß § 3 und § 8 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG wurde das Verfahren insoweit zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 27.10.2015 wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen. Dieser Bescheid erwuchs am 12.11.2015 unangefochten in Rechtskraft.

Am 07.06.2016 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen, welcher mit Bescheid des BFA vom 21.09.2016 gemäß § 13 Abs. 3 AVG wegen fehlender Mängelbehebung zurückgewiesen wurde und am 21.10.2016 in Rechtskraft erwuchs.

Den verfahrensgegenständlichen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 55 Abs. 1 AsylG stellte der Beschwerdeführer am 13.04.2018 (Datum des Einlangens).

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.07.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikels 8 EMRK gemäß § 55 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG erließ das BFA gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG (Spruchpunkt II.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.) und ihm darüber hinaus gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für seine freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt IV.).

Gegen diesen Bescheid wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers am 28.08.2018 fristgerecht Beschwerde erhoben und im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in Österreich ein schützenswertes Privat- und Familienleben führe. Er habe eine Lebensgefährtin in Österreich, sei nicht straffällig geworden, verfüge über fortgeschrittene Deutschkenntnisse (Niveau A2), Verkaufe Straßenzeitungen und habe sich einen Freundeskreis aufgebaut. Es wurde beantragt, das BFA möge den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 14 VwGVG im Wege einer Beschwerdevorentscheidung stattgeben und den Beschwerdeführer den beantragten Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG zuerkennen; in eventu das Bundesverwaltungsgericht möge gemäß § 24 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchzuführen und den angefochtenen Bescheid betreffend das humanitäre Aufenthaltsrecht des Beschwerdeführers gemäß § 55 AsylG aufheben und dem Beschwerdeführer den Aufenthaltstitel Aufenthaltsberechtigung plus gemäß § 55 AsylG zuerkennen sowie damit verbunden die Spruchpunkte II., III. und IV. des angefochtenen Bescheides beheben; in eventu den angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG aufheben und die Angelegenheit zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverweisen.

Am 03.09.2018 legte das BFA dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

Aufgrund einer Änderung in der Geschäftsverteilung wurde die Rechtssache mit 01.10.2018 der Gerichtsabteilung I421 des erkennenden Richters zugeteilt.

Am 07.03.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer erklärte, dass er mit einer nigerianischen Staatsbürgerin verlobt sei und mit ihr einen Sohn habe, allerdings nicht mit diesen in einem gemeinsamen Haushalt lebe. Für kümmere sich um seinen Sohn, kaufe Bekleidung sowie Lebensmittel für diesen ein und helfe bei der Kinderbetreuung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der (spätestens) am 05.02.2010 in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführer ist volljährig, ledig, Staatsangehöriger von Nigeria, Angehöriger der Volksgruppe der Ibo und bekennt sich zum Christentum. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest.

Der Beschwerdeführer hält sich seit ca. neun Jahren - abgesehen von den Zeiträumen zwischen 05.02.2010 bis 16.02.2010 und 16.07.2016 bis 04.08.2016 (keine aufrechte Meldeadresse im Bundesgebiet) - durchgehend im österreichischen Bundesgebiet auf. Aufgrund seines in Österreich - letztlich unbegründeten - Antrags auf internationalen Schutz war er bis 2015 aufenthaltsberechtigt.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen und ist daher auch erwerbsfähig.

Der Beschwerdeführer besuchte in Nigeria sechs Jahre die Grundschule und half danach seiner Mutter bei Farmarbeiten.

Der Beschwerdeführer verfügt in Nigeria immer noch über familiäre Anknüpfungspunkte in Form seiner Mutter und seiner Schwestern und steht mit seiner Familie nach wie vor in Kontakt.

In Österreich hat der Beschwerdeführer eine Lebensgefährtin namens G S, welche nigerianische Staatsbürgerin ist und deren Asylverfahren bereits 1999 rechtskräftig negativ entscheiden wurde, und einen am 12.12.2018 geborenen Sohn. Er lebt allerdings mit seiner Lebensgefährtin und seinem Sohn nicht im gemeinsamen Haushalt, sondern finden nur regelmäßige Besuche statt und unterstützt der Beschwerdeführer Frau G S indem er Bekleidung, Schuhe usw. für das Kind kauft. Die Beziehung zu Frau G S ist der Beschwerdeführer eingegangen als er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste. Da sich der Beschwerdeführer selbst und seine Lebensgefährtin illegal in Österreich aufhalten und beide nigerianische Staatsbürger sind, kann ein Familienleben auch in Nigeria fortgesetzt werden und wurden weder vom Beschwerdeführer noch von seiner Lebensgefährtin Gründe vorgebracht, die dem entgegenstehen würden.

Der Beschwerdeführer hat durchaus einige Schritte zur Integration gesetzt, ist in seiner Kirchengemeinde aktiv, Mitglied des Vereins "XXXX", verkauft Straßenzeitungen, verfügt über eine Einstellungszusage als Hilfskraft bei einem Transportunternehmen und hat in Österreich Freundschaften geschlossen. Er bestand zwar eine Deutschprüfung Niveau A2, doch verfügt er lediglich über marginale Deutschkenntnisse. Doch auch wenn er um eine Integration bemüht ist, kann dennoch nicht von einer nachhaltigen Verfestigung gesprochen werden. So hat er weder an beruflichen Aus- oder Weiterbildungen teilgenommen noch ist er am Arbeitsmarkt integriert oder gemeinnützig tätig.

Er bezieht Leistungen von der staatlichen Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer hat am 13.04.2018 persönlich beim BFA einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs 1 AsylG gestellt.

1.2. Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 30.07.2018 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle (Stand 07.08.2017) "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria vollständig zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende People¿s Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives¿ Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.

In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.

Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.

Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.

In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.

Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.

Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.

Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45% Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen ("Juju"); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. Mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.

Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert.

Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.

Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige.

Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10 % der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.

Besondere Probleme für abgeschobene Asylwerber nach ihrer Rückkehr nach Nigeria sind nicht bekannt. Das "Decree 33", das eine Doppelbestrafung wegen im Ausland begangener Drogendelikte theoretisch ermöglichen würde, wird nach aktueller Berichtslage nicht angewandt.

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seiner Volljährigkeit, seinem Familienstand, seiner Staatsangehörigkeit sowie seiner Volks- und Religionsgruppenzugehörigkeit ergeben sich aus seinen diesbezüglichen glaubhaften Angaben. Zudem erfolgte seine Identifizierung im Zuge eines Interviews mit Vertretern der nigerianischen Botschaft am 16.03.2018. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, dass Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufkommen lässt.

Der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich ist durch den vorliegenden Verwaltungsakt und die Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister belegt.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers. Auch aus der Aktenlage sind keinerlei Hinweise auf lebensbedrohliche gesundheitliche Beeinträchtigungen ableitbar.

Die Feststellungen zur Ausbildung, Berufserfahrung und Familie des Beschwerdeführers in Nigeria ergeben sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers.

Die Feststellungen zu den persönlichen und familiären Verhältnissen, zu den Lebensumständen in Österreich sowie zur Integration des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers, den Angaben seiner Lebensgefährtin sowie den vorgelegten Unterlagen (Geburtsurkunde Sohn, div. Empfehlungsschreiben usw.).

Dass er über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 verfügen sollte, wird durch das vorgelegte Zertifikat A2 des Internationalen Kulturinstitutes, einer vom ÖSD zertifizierten Einrichtung, vom 04.08.2016 dokumentiert. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer letztlich lediglich über marginale Deutschkenntnisse verfügt, beruht auf der eigenen Wahrnehmung des erkennenden Richters in der mündlichen Verhandlung. So war der Beschwerdeführer nicht in der Lage die Frage "Sprechen Sie Deutsch?" auf Deutsch zu beantworten, sondern meinte in Englisch "Mein Deutsch ist nicht so gut, aber ich versuche es zu lernen".

Die Feststellungen zu seinem Bezug der Grundversorgung ergeben sich aus dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden, am 27.03.2019 abgefragten Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem.

Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 27.03.2019.

Die Feststellung zum Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG vom 13.04.2019 ergibt sich aus dem Akteninhalt.

Die Rechtsvertretung ist im Beschwerdeschreiben den Feststellungen der Behörde nicht substantiiert entgegengetreten bzw. hat vielmehr keine neuen Integrationsumstände vorgebracht.

2.3. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria vom 07.08.2017 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Nigeria ergeben sich insbesondere aus den folgenden Meldungen und Berichten:

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AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 6.7.2017

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017c): Nigeria - Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Wirtschaft_node.html, Zugriff 26.7.2017

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AA - Auswärtiges Amt (24.7.2017): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff 24.7.2017

-

AI - Amnesty International (6.2017): Submission To The United Nations Committee On The Elimination Of Discrimination Against Women,

https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1500389874_int-cedaw-ngo-nga-27623-e.pdf, Zugriff 28.7.2017

-

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/319680/458848_de.html, Zugriff 28.7.2017

-

AI - Amnesty International (24.11.2016): Sicherheitskräfte töten mindestens 150 friedliche Demonstrierende, https://www.amnesty.de/2016/11/22/nigeria-sicherheitskraefte-toeten-mindestens-150-friedliche-demonstrierende, Zugriff 13.6.2017

-

BMEIA - Außenministerium (24.7.2017): Reiseinformationen - Nigeria,

http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/nigeria-de.html, Zugriff 24.7.2017

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Nigeria Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Nigeria.pdf, Zugriff 6.7.2017

-

EASO - European Asylum Support Office (6.2017): EASO Country of Origin Information Report Nigeria Country Focus, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1496729214_easo-country-focus-nigeria-june2017.pdf, Zugriff 21.6.2017

-

FFP - Fund for Peace (10.12.2012): Beyond Terror and Militants:

Assessing Conflict in Nigeria,

http://www.fundforpeace.org/global/library/cungr1215-unlocknigeria-12e.pdf, Zugriff 21.6.2017

-

FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/341818/485138_de.html, Zugriff 26.7.2017

-

FH - Freedom House (2.6.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5936a4663.html, Zugriff 12.6.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2017a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 2.8.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2017b): Nigeria - Ge-sellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 13.6.2017

-

IOM - International Organization for Migration (8.2014): Nigeria - Country Fact Sheet,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/17247436/17297905/Nigeria_-_Country_Fact_Sheet_2014%2C_deutsch.pdf?nodeid=17298000&vernum=-2, Zugriff 21.6.2017

-

ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria

-

OD - Open Doors (2017): Nigeria, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/2017/nigeria, Zugriff 14.6.2017

-

SBM - SBM Intel (7.1.2017): A Look at Nigeria's Security Situation,

http://sbmintel.com/wp-content/uploads/2016/03/201701_Security-report.pdf, Zugriff 24.7.2017

-

UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance Ni-geria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595734/CIG_-_Nigeria_-_Women.pdf, Zugriff 12.6.2017

-

USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom (26.4.2017): Nigeria,

https://www.ecoi.net/file_upload/5250_1494486149_nigeria-2017.pdf, Zugriff 7.7.2017

-

USDOS - U.S. Department of State (19.7.2017): Country Report on Terrorism 2016 - Chapter 2 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/344128/487671_de.html, Zugriff 28.7.2017

-

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Prac-tices 2016 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/337224/479988_de.html, Zugriff 8.6.2017

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:

3.1. Zur Nichtgewährung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 und Erlassung einer Rückkehrentscheidung (Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides):

Wenn gemäß § 10 Abs. 3 AsylG der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen wird, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

Eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 wäre gemäß § 55 Abs. 1 Ziffer 1 leg. cit. zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK geboten ist und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer ein Deutschzertifikat A2 vorgelegt und es könnte folglich von der Erfüllung des Modul 1 der Integrationsvereinbarung ausgegangen werden (siehe § 7 Integrationsgesetz, BGBl. I Nr. 25/2019). Es bleibt allerdings noch zu prüfen, ob sein Aufenthalt zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK geboten wäre.

Im Lichte des Art. 8 EMRK ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Aufenthalt des volljährigen und gesunden Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit seiner Einreise in das Bundesgebiet ca. neun Jahre gedauert hat, (vgl. dazu etwa das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 08.04.2008, Nnyanzi gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06, demzufolge der Gerichtshof es nicht erforderlich erachtete, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob während des fast zehnjährigen Aufenthalts des betreffenden Beschwerdeführers ein Privatleben iS von Art. 8 EMRK entstanden ist).

Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen das Vereinigte Königreich vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.

In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen das Vereinigte Königreich vom 08.04.2008, Nr. 21878/06 kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylwerber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon 10 Jahre im Aufnahmestaat lebte.

Im gegenständlichen Fall verfügt der Beschwerdeführer unbestritten über ein, wenn auch aufgrund des fehlenden gemeinsamen Haushaltes nicht besonders intensives Familienleben in Österreich, zumal seine Lebensgefährtin und sein Sohn hier leben. Dieses Familienleben würde jedoch durch seine Außerlandesbringung nicht verletzt werden. Das Familienleben könnte - nachdem seine Lebensgefährtin und der gemeinsame Sohn ebenfalls nigerianische Staatsangehörige sind und sie sich unrechtmäßig in Österreich aufhalten - in Nigeria fortgesetzt werden. Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, so greift sie wohl in das Privatleben der Familienmitglieder ein, nicht aber in ihr Familienleben (EGMR, 9.10.2003, 48321/99, Slivenko gg Lettland, EGMR, 16.6.2005, 60654/00 Sisojeva gg Lettland).

Außerdem wird die Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers seit Februar 2010 dadurch relativiert, dass der Aufenthalt bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber und das auch nur bis 2015 rechtmäßig war. Dies musste dem Beschwerdeführer bewusst gewesen sein, weswegen eingegangene Bindungen im Bundesgebiet nicht schwer wiegen können.

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Darüber hinaus liegen auch keine Hinweise vor, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine Aufenthaltsdauer in Österreich einen maßgeblichen Grad an Integration erlangt hätte, der seinen persönlichen Interessen ein entscheidendes Gewicht verleihen würde. So war er - mit Ausnahme der Vorlage einer Deutschprüfungsbestätigung, eines Kolporteursausweises sowie einer Kolporteursbestätigung, zwei Empfehlungsschreiben, einem Vereinsregisterauszug und eines Arbeitsvorvertrages - bislang nicht imstande, auch nur ansatzweise seine allfällige soziale bzw. integrative Verfestigung in Österreich darzulegen oder formell nachzuweisen. Glaubhaft und positiv wertet und berücksichtigt der erkennende Richter, dass der Beschwerdeführer als Zeitungsverkäufer arbeitet. Abgesehen von seiner Einbindung in einer Kirche und seine Mitgliedschaft bei der "XXXX" verneinte der Beschwerdeführer aber die Mitgliedschaft in einem Verein oder sonstiger Organisation. Darüber hinaus konnte sich der erkennende Richter in der mündlichen Beschwerdeverhandlung persönlich von den nicht vorhandenen Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers überzeugen.

Auch der vom Beschwerdeführer vorgelegte Arbeitsvorvertrag verleiht seinen persönlichen Interessen kein entscheidendes Gewicht. Einerseits ist diese Einstellungszusage mit November 2017 datiert. Selbst wenn ihm ein Bruttoentgelt von 1.200 Euro zuzüglich gesetzlicher Sonderzahlungen zugesagt wird, ist nicht außer Acht zu lassen, dass die ersten vier Wochen als Probezeit gelten. Zudem lässt sich aus seinem Arbeitsvorvertrag keinerlei Garantie auf eine (Weiter-)Beschäftigung ableiten (zur Gewichtung von Einstellungszusagen vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13.10.2011, Zl. 2011/22/0065, mwN).

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen. Überdies würde dies dazu führen, dass Fremde, die die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beachten, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, die ihren Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich durch ihre illegale Einreise und durch die Stellung eines unbegründeten oder sogar rechtsmissbräuchlichen Asylantrages erzwingen, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (zum allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 2003, Zl. 2003/07/0007; vgl. dazu auch das Erkenntnis VfSlg. 19.086/2010, in dem der Verfassungsgerichtshof auf dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Bezug nimmt und in diesem Zusammenhang explizit erklärt, dass "eine andere Auffassung sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen würde.")

Dementgegen kann auch nach wie vor von einem Bestehen von Bindungen des Beschwerdeführers zu seinem Heimatstaat Nigeria ausgegangen werden, zumal er dort den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht hat und dort hauptsozialisiert wurde, er nach wie vor seine Muttersprache spricht und durchaus mit den regionalen Sitten und Gebräuchen der nigerianischen Kultur vertraut ist - und kann im gegenständlichen Fall nicht von einer vollkommenen Entwurzelung des Beschwerdeführers gesprochen werden. Außerdem verfügt der Beschwerdeführer in Nigeria noch über Angehörige und besteht zu diesen auch noch Kontakt.

Die im vorliegenden Beschwerdefall vorzunehmende Interessenabwägung schlägt somit zuungunsten des Beschwerdeführers und zugunsten des öffentlichen Interesses an seiner Außerlandesschaffung aus.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher, dass die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt. Daher war kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG zu erteilen.

Es war sohin auch die Beschwerde gegen die Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

Im angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 52 Abs. 9 Fremdenpolizeigesetz (FPG) festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig ist.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei. Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234).

§ 50 FPG lautet:

"(1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht."

Hinweise auf eine allgemeine existenzbedrohende Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen für Nigeria nicht vor, sodass aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.

Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (Beschluss des VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden Nr. 61204/09; sowie Erkenntnis des VwGH vom 25.02.2016, Ra 2016/19/0036 sowie vom 13.09.2016, Ra 2016/01/0096-3). Dies wurde vom Beschwerdeführer nicht substantiiert dargelegt. Ohne die wirtschaftliche Situation für die Masse der Bevölkerung in Nigeria beschönigen zu wollen, kann nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass ein junger und gesunder Mann sich im Falle einer Rückkehr nach Nigeria dort nicht ihre existentiellen Grundbedürfnisse befriedigen kann. Es ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät.

Es ergibt sich insgesamt kein reales Risiko, dass es durch die Rückführung des Beschwerdeführers nach Nigeria zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

3.3. Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Derartige "besondere Umstände" wurden vom Beschwerdeführer nicht ins Treffen geführt und sind auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht hervorgekommen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Abschiebung, Asylverfahren, Aufenthaltstitel
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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