TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/15 W260 2199940-2

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Veröffentlicht am 15.07.2019
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Entscheidungsdatum

15.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs2
BFA-VG §18 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W260 2199940-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, Außenstelle Linz, vom 05.06.2019, Zl. XXXX , wegen Abänderung des Bescheides vom 17.05.2018 gem. § 68 Abs. 2 AVG, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal und schlepperunterstützt am 06.09.2015 ins Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid vom 17.05.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde die Feststellung getroffen, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist. Es wurde weiters eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Das Beschwerdeverfahren ist seit 04.07.2018 beim Bundesverwaltungsgericht zur GZ. W219 2199940-1 anhängig und noch nicht abgeschlossen.

4. Mit Schreiben vom 25.02.2019 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde im Rahmen des Parteigehörs darüber in Kenntnis gesetzt, dass aufgrund der Urteilsausfertigung des Landesgerichtes

XXXX vom 15.02.2019, Zahl: 15 Hv 3/19p, wonach er wegen §§15,269 Abs. 1 1. Fall StGB; §§15, 84 Abs. 2 StGB (Freiheitsstrafe von zwei Monaten, unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen) verurteilt wurde, beabsichtigt ist, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung nach Afghanistan in Verbindung mit einem Einreiseverbot in Verbindung mit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde zu erlassen, nachdem bei dem Beschwerdeführer nunmehr die Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbots festgestellt wurden.

Zur Beurteilung des Sachverhaltes im Lichte seiner persönlichen Verhältnisse wurde der Beschwerdeführer zur Beantwortung von insgesamt 25 Fragen aufgefordert, und ihm dazu eine Frist zur Stellungnahme von einer Woche eingeräumt.

5. Mit Schreiben vom 14.03.2019 brachte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme ein.

6. Mit nicht verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 16.05.2019 zur Zl. XXXX wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer gemäß §13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet verloren habe.

Der Beschwerdeführer war zu diesem Zeitpunkt bereits volljährig. Die NOAH Sozialbetriebe GmbH war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gesetzliche Vertreterin des Beschwerdeführers und wurde der Bescheid nicht ordnungsgemäß zugestellt.

7. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 05.06.2019 wurden gemäß § 68 Abs. 2 AVG die Spruchpunkte IV., V. und VI. des Bescheides vom 17.05.2018 von Amts wegen aufgehoben (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.).

8. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht durch seine bevollmächtigte Vertretung Beschwerde.

9. Die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde vorgelegt und ist in der Gerichtsabteilung am 09.07.2019 eingelangt.

10. Am 12.07.2019 übermittelte die belangte Behörde eine Anzeige den Beschwerdeführer betreffend, der wegen aggressiven Verhaltens am 11.06.2019 vorläufig festgenommen wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer stellte am 06.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid vom 17.05.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde die Feststellung getroffen, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist. Es wurde weiters eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Das Beschwerdeverfahren ist seit 04.07.2018 beim Bundesverwaltungsgericht zur GZ. W219 2199940-1 anhängig und noch nicht abgeschlossen.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 15.02.2019, Zahl: 15 Hv 3/19p, rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten, unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt, verurteilt

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Ad A) Ersatzlose Behebung des Bescheides

3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I. Nr. 87/2012 idgF (BFA-VG), entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I. Nr. 10/2013 idgF (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (...).

Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf sind die Behörden gemäß § 28 Abs 5 VwGVG verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

3.2. Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) lauten:

"Abänderung und Behebung von Amts wegen

§ 68 Abs. 1 Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

§ 68 Abs. 2 Von Amts wegen können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.

(...)"

3.3. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Ziel und Zweck der Regelung des § 68 AVG ist, die Bestandskraft von Bescheiden zu schützen (Kopp, ZfV 1977, 390).

Anders ausgedrückt: eine Aufhebung oder Abänderung des Bescheides durch die Verwaltungsbehörde - insbesondere der im Spruch des Bescheides getroffenen normativen Anordnung - außerhalb des Rechtsmittelverfahrens nur unter bestimmten, vom Gesetz eng begrenzten Voraussetzungen zuzulassen.

Die Anwendbarkeit des § 68 AVG setzt nach hA gemäß seinem Abs 1 weiterhin, daran hat die AVG-Nov BGBl I 2013/33 nichts geändert, das Vorliegen eines "der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides" voraus. Mit der Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit hat sich nunmehr geändert, dass nun unter formeller Rechtskraft die Unanfechtbarkeit des Bescheides nicht nur mit ordentlichen Rechtsmitteln iSd AVG, sondern auch mit Beschwerde (Vorlageantrag gem § 15 VwGVG) an das VwG zu verstehen ist (Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht Rz 558; Leeb, Änderung 132 f; Palmstorfer/Reitshammer, ZÖR 2014, 362; Raschauer, Auswirkungen 240 f; Stolzlechner in Stolzlechner/Wendl/Bergthaler, Betriebsanlage4 Rz 359; Unterpertinger, ÖJZ 2013, 998 ff; vgl auch Kolonovits/Muzak/Stöger10 Rz 453/1, welche zwischen formeller Rechtskraft im engeren Sinn [Unanfechtbarkeit mit verwaltungsinternen ordentlichen Rechtsmitteln] und im weiteren Sinn [Unanfechtbarkeit mit Beschwerde an ein VwG] unterscheiden).

§ 68 AVG stellt nicht auf die formelle Rechtskraft von Bescheiden ab, sondern macht seine Anwendbarkeit ausschließlich davon abhängig, dass der Bescheid der Berufung (gemeint sind alle im AVG geregelten ordentlichen Rechtsmittel) nicht oder nicht mehr unterliegt.

Die Anhängigkeit einer zulässigen Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht steht einer Anwendung des § 68 Abs. 2 AVG nicht entgegen (vgl. VwGH 16.11.2015, Ra 2015/12/0029; vgl. auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Rz 8, 9). Dass der Gesetzgeber eine gebotene Anpassung der Norm schlicht übersehen hat, ist ein Argument, das im Zuge der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 - angesichts der zahlreich zu adaptierenden Regelungen - häufig verfängt, bei § 68 AVG ist dies aber gerade nicht der Fall. Der Gesetzgeber hat diese Bestimmung nämlich im Zuge der Reform adaptiert: Er hat die Unabhängigen Verwaltungssenate aus dem Normtext gestrichen, die Bestimmung im Übrigen aber unverändert gelassen. Zugleich hat er - mit dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz 2013 - zahlreiche andere Bestimmungen im AVG und VStG an das neue Rechtsschutzsystem angepasst. All dies spricht letztlich gegen eine Lücke und vielmehr dafür, dass der Gesetzgeber es in § 68 AVG eben (bewusst) bei der Berufung belassen wollte. (vgl. auch Khakzadeh-Leiler, Die amtswegige Abänderung und Aufhebung von Bescheiden - neue Rechtsfragen, ZfV 2018). Daraus folgt, dass der Verwaltungsbehörde bereits mit Erlassung des Bescheids die Möglichkeit offensteht, nach § 68 AVG vorzugehen; da bereits zu diesem Zeitpunkt der Bescheid nämlich - abgesehen von Teilen der Gemeindeselbstverwaltung - keiner Berufung mehr unterliegt.

Dies bedeutet, dass Bescheide, die nur noch mit Beschwerde an das VwG bekämpft werden können und gegen die ein im AVG vorgesehenes ordentliches Rechtsmittel iSd § 68 Abs 1 AVG nicht mehr zur Verfügung steht, gem. § 68 AVG von Amts wegen aufgehoben oder abgeändert werden können. Die Möglichkeit sowie die Anhängigkeit einer zulässigen Beschwerde beim VwG stehen der Anwendung des § 68 AVG grundsätzlich nicht entgegen.

Dem Wortlaut nach käme eine amtswegige Aufhebung oder Abänderung von der Berufung nicht (mehr) unterliegenden Bescheiden nach § 68 Abs 2 AVG nur für rein belastende Bescheide, eben solche, "aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist", in Betracht.

Der VwGH vertritt allerdings in stRsp über den Wortlaut des § 68 Abs 2 AVG hinausgehend die Auffassung, dass es letztendlich nicht darauf ankommt, ob der abzuändernde Bescheid selbst begünstigende oder belastende Wirkung hat.

Ausschlaggebend für die Anwendbarkeit des § 68 Abs 2 AVG ist der Effekt der Aufhebung oder Abänderung.

Wirkt sie zugunsten der Partei(en), ist sie in verfahrensrechtlicher Hinsicht nach § 68 Abs 2 AVG stets zulässig, gleichgültig, ob der Partei aus dem Bescheid ein Recht erwachsen ist oder nicht (vgl VfGH 21.2.2014, B 1512/2011).

Belastende Abänderungen von der Berufung nicht (mehr) unterliegenden Bescheiden können nicht auf § 68 Abs 2 AVG gestützt werden (vgl VwGH 27. 5. 2014, 2011/10/0197), auch dann nicht, wenn es sich um Bescheide handelt, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist (vgl VwSlg 1293 A/1950; 17. 5.2001, 2001/07/0034; ferner Antoniolli/Koja 581; Hengstschläger, Die Verwaltung 1979, 347 f;

Kolonovits/Muzak/Stöger10 Rz 654; Raschauer, Rechtskraftdurchbrechungen 289).

Der VwGH beruft sich bei seiner den Wortlaut des § 68 Abs 2 AVG ergänzenden bzw berichtigenden Interpretation auf den "Sinn der Vorschrift" im "Zusammenhang mit den übrigen Bestimmungen dieser Gesetzesstelle" (VwSlg 4187 A/1956) sowie auf das dem Gleichheitssatz innewohnende Sachlichkeitsgebot (VwSlg 9875 A/1979) (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 68 Rz 81).

Im Ergebnis vertritt der VwGH den Standpunkt, dass es unmaßgeblich ist, ob es sich um einen begünstigenden oder belastenden Bescheid handelt, die Behörde aber von der ihr in § 68 Abs 2 AVG eingeräumten Möglichkeit nur dann Gebrauch machen darf, wenn damit keine Verschlechterung der Rechtsstellung einer Partei verbunden ist, weshalb eine Vorgangsweise, durch welche die Rechtslage - nicht sonstige Umstände - ungünstiger als durch den ursprünglichen, aufgehobenen oder abgeänderten Bescheid gestaltet wird, nicht auf § 68 Abs 2 AVG gestützt werden kann (VwSlg 1293 A/1950; VwGH 20.3.1996, 95/21/0369; VwGH 24.2.2005, 2004/11/0215).

3.4. Da durch den nunmehr angefochtenen Bescheid dem Beschwerdeführer gegenüber ein Einreiseverbot für die Dauer von drei Jahren erlassen wird und ihm zudem die Frist für die freiwillige Ausreise entzogen wird, wird durch den Abänderungsbescheid unzweifelhaft belastend auf die Rechtsposition des Beschwerdeführers eingewirkt.

Die Rechtsposition des Beschwerdeführers ist daher ungünstiger gestaltet als durch den ursprünglichen Bescheid, daher ist die belangte Behörde nicht zur amtswegigen Abänderung des Bescheides vom 17.05.2018 befugt, was im Ergebnis auch für den nicht ordnungsgemäß zugestellten und daher nicht in Rechtskraft erwachsenen nicht verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 16.05.2019 gelten muss.

Der auf § 68 Abs. 2 AVG gestützte Bescheid ist bereits aus diesem Grund rechtswidrig.

Zu der ersatzlosen Behebung des angefochtenen Bescheides; Derogation des angefochtenen Bescheids ist auszuführen:

Wie (bisher) die Entscheidung der Berufungsbehörde gem. § 66 Abs 4 AVG bedeutet also die Entscheidung "in der Sache selbst" gem. Art 130 Abs 4 B-VG iVm § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Satz VwGVG - im Gegensatz zur kassatorischen Erledigung (§ 28 Abs 3 zweiter Satz und Abs 4 VwGVG) - nicht nur eine Entscheidung über die (Begründetheit der) Beschwerde bzw. die Rechtmäßigkeit des Bescheides (vgl. VwGH 29.4.2015, Ra 2015/03/0015), sondern eine Entscheidung in der Sache der Unterinstanz (zB über einen Antrag auf Erteilung einer Betriebsanlagengenehmigung) aufgrund einer Bescheidbeschwerde (siehe Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht5 Rz 1060).

Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden gemäß § 28 Abs 5 VwGVG verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Bei einer Aufhebung gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG handelt es sich um eine materielle Erledigung der Rechtssache durch (ersatzlose) Behebung des angefochtenen Bescheides in Form eines Erkenntnisses. Diese Form der negativen Sachentscheidung ist von der Formalerledigung des Verfahrens durch Aufhebung und Zurückverweisung mit Beschluss nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz und Abs. 4 VwGVG zu unterscheiden. Eine neuerliche Entscheidung der Verwaltungsbehörde über den Gegenstand wird bei ersatzloser Behebung regelmäßig nicht mehr in Betracht kommen, wenngleich im Einzelfall über den zugrundeliegenden (unerledigten) Antrag dennoch abermals zu entscheiden sein kann. Die Behebungsgründe bei einem Vorgehen nach § 28 Abs. 5 VwGVG werden gesetzlich nicht genannt. In Betracht kommen etwa die Unzuständigkeit der Behörde, das Fehlen eines verfahrenseinleitenden Antrages, die Unzulässigkeit des Einschreitens von Amts wegen oder die rechtswidrige Zurückweisung eines Antrages (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 17 und 18 zu § 28 VwGVG mwN).

Hat die Behörde von Amts wegen einen Bescheid erlassen, welcher nicht hätte ergehen dürfen, weil in der betreffenden Angelegenheit die Erlassung eines Bescheides nicht vorgesehen ist oder weil die rechtlichen Voraussetzungen dafür nicht erfüllt sind, hat die Berufungsbehörde den zu Unrecht ergangenen Bescheid ersatzlos zu beheben (Hengstschläger/Leeb, AVG² § 66 Rz 105, mwH).

Aufgrund der umfassenden Sachentscheidungs- und Sacherledigungskompetenz des Verwaltungsgerichts beseitigt jedes Erkenntnis "in der Sache selbst" den bekämpften Bescheid aus dem Rechtsbestand (VwGH 9.9.2015, Ra 2015/03/0032; VfGH 6.6.2014, B 320/2014 sowie in der Literatur: Leeb, Verfahrensrecht 111).

Demgegenüber handelt es sich bei der ersatzlosen Behebung gem § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Satz VwGVG (VwGH 4.8.2016, Ra 2016/21/0162) um eine - wenn auch "negative" - Entscheidung "in der Sache selbst" (VwGH 25.3.2015, Ro 2015/12/0003; VwGH 25.2.2016, Ra 2015/07/0170; VwGH 28.6.2016, Ra 2015/17/0082), welche erst dann getroffen werden darf, wenn der dafür maßgebende Sachverhalt geklärt ist, dh von vornherein feststeht oder vom Verwaltungsgericht festgestellt wurde (vgl VwGH 5.10.2016, Ra 2016/19/0208).

Eine sog "ersatzlose" Behebung hat daher dann zu erfolgen, wenn am Ende des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens feststeht, dass in dieser Sache überhaupt kein förmlicher Abspruch erfolgen darf oder zumindest von der belangten Behörde kein Bescheid erlassen werden durfte. Eine solche Behebung ist insofern "ersatzlos", als weder das Verwaltungsgericht darin einen über die Kassation des angefochtenen Bescheides hinausgehenden Spruch in der Sache der Unterinstanz treffen soll (Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht5 Rz 1061) noch die(selbe) Verwaltungsbehörde ein weiteres Mal über dieselbe Sache befinden soll (vgl VwGH 25.3.2015, Ro 2015/12/0003; VwGH 23. 3. 2016, Ra 2016/12/0008). Durch die ("negative") Entscheidung in der Sache selbst spricht vielmehr bereits das Verwaltungsgericht "endgültig" darüber ab (vgl VwGH 28.6.2016, Ra 2015/17/0082; VwGH 25.2.2016, Ra 2015/07/0170).

Erst die Beseitigung ex tunc im Berufungsweg oder durch ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts stellt jenen Rechtszustand her, welcher vor Erlassung des rechtswidrigen Derogationsbescheides bestanden hat (vgl Wiederin, ZfV 1992, 255), dh es tritt der ursprüngliche, bereits in Rechtskraft erwachsene Bescheid, welcher rechtswidrigerweise aufgehoben oder abgeändert wurde, mit der Behebung dieses ihn aufhebenden oder abändernden Bescheides rückwirkend wieder in Kraft (vgl VwGH 24.1.1995, 93/04/0203; VwGH 21.12.2011, 2011/12/0089).

3.5. Aus den dargestellten Gründen war daher nach § 28 Abs. 1, 2 und 5 VwGVG vorzugehen und der angefochtene Bescheid vom 05.06.2019 infolge Rechtswidrigkeit ersatzlos aufzuheben, womit der ursprüngliche Bescheid vom 17.05.2018 wieder im vollen Umfange in Kraft tritt.

Da mit der gegenständlichen Entscheidung in der Hauptsache abgesprochen wird, kommt der Ausspruch einer aufschiebenden Wirkung im Rahmen dieser inhaltlichen Entscheidung nicht in Betracht.

3.6. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Ad B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. die oben im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu Spruchteil A) angeführten zahlreichen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Sofern die oben angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes zur (zum Teil) alten Rechtslagen erging, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

amtswegige Abänderung, Behebung der Entscheidung,
Bescheidabänderung, Einreiseverbot aufgehoben, ersatzlose Behebung,
Rückkehrentscheidung behoben, Verschlechterung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W260.2199940.2.00

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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