TE Vwgh Erkenntnis 1998/11/19 97/15/0066

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Veröffentlicht am 19.11.1998
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

BAO §93 Abs3 lita;
UStG 1972 §11 Abs1;
UStG 1972 §12 Abs1 Z1;
UStG 1994 §11 Abs1;
UStG 1994 §12 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde der L GmbH in S, vertreten durch Dr. Klaus Estl, Rechtsanwalt in Salzburg, Schanzlgasse 4a, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 8. März 1997, Zl. 113-GA6-DSchr/96, betreffend Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdefall steht im Zusammenhang mit den unter dem Begriff "Mehrwertsteuerschwindel des Werner Rydl" durch zahlreiche Medienberichte und Publikationen in der Öffentlichkeit bekannten Vorgängen.

Im Zuge einer Prüfung der Umsatzsteuervoranmeldungen für mehrere Voranmeldungszeiträume der Jahre 1994 und 1995 traf der Prüfer die Feststellung, daß von der M-GmbH am 31. Juli 1995 in Rechnung gestellte Vorsteuerbeträge für "Aurela Parfumöl Andromeda" bzw. "Aurela Parfumöl Circin" im Gesamtbetrag von S 257.682,-- nicht als abzugsfähige Vorsteuerbeträge anerkannt werden könnten. Im "Sachverhalt lt. Betriebsprüfung" der Niederschrift zur abgabenbehördlichen Prüfung vom 22. Jänner 1996 findet sich u. a. die Feststellung, daß der Wert des gelieferten Parfumöles in keiner Weise dem Wert lt. Faktura entspreche. Die Anlieferung der (im Vergleich zu den Rechnungsbeträgen) wertlosen bzw. minderwertigen Waren könne - so der Betriebsprüfer im Rahmen der "rechtlichen Würdigung" - nicht als "vorsteuerauslösende Lieferung" angesehen werden. Nach den zu dem gegenständlichen Geschäft vorliegenden Verkaufsunterlagen "sollten Qualitätsprodukte im Wert von 1.546.092,00" geliefert werden. Die "Lieferungen wertloser Waren sind aber, gemessen an den vereinbarten Kaufobjekten, völlig andere Waren, die nichts mit hochwertigen Produkten gemein haben".

In der Berufung vom 6. März 1996 gegen die auf Grundlage der Prüfung der Umsatzsteuervoranmeldungen erfolgte Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlungen für den Zeitraum 04-11/1995 machte die Beschwerdeführerin geltend, entgegen der rechtlichen Würdigung in der Niederschrift vom 22. Jänner 1996 sei die Verpflichtung zur Lieferung der hochwertigen Waren erfüllt worden und die Lieferung des vereinbarten Kaufgegenstandes erfolgt, sodaß der Vorsteueranspruch entstanden sei. Die Waren seien von der M-GmbH an die Beschwerdeführerin übergeben und auch gleichzeitig Analysen der Waren ausgehändigt worden. Diese Analysen seien der Beschwerdeführerin übergeben worden, weil von ihr gefragt worden sei, ob die Ware auch tatsächlich ident mit den Waren lt. Lieferung sei. Nur in Hinblick auf den Umstand, daß die Ware "so wertvoll war", habe eine Probe genommen werden müssen, weil bei etwaigen Mängeln ein Beweis gegenüber dem Empfänger hätte vorhanden sein müssen. Eine Kopie des Gutachtens sei anläßlich der Niederschrift dem Prüfer des Finanzamtes ausgehändigt worden. In der Berufung wurde der Antrag gestellt, den aushaftenden Rückstand in Höhe von S 51.150,-- bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Berufung auszusetzen.

Mit Bescheid vom 12. Juni 1992 wies das Finanzamt den Aussetzungsantrag gemäß § 212a BAO mit der Begründung ab, daß "mit Rücksicht auf den voraussichtlichen Ausgang des Rechtsmittelverfahrens" dem Ansuchen nicht entsprochen werden könne.

Der Berufung, in der die "lapidare Begründung" des erstinstanzlichen Bescheides kritisiert worden war, gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Die belangte Behörde führt dazu in der Begründung aus, es sei strittig, ob die Berufung gegen den Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid im Sinn des § 212a BAO wenig erfolgversprechend sei oder nicht. Der Beurteilung dieser Frage seien die Feststellungen der UVA-Prüfung lt. Bericht vom 22. Jänner 1996 zugrunde zu legen. Nach den Prüfungsfeststellungen seien der Beschwerdeführerin von der M-GmbH nicht hochwertige Parfumöle, sondern minderwertige Waren geliefert worden. Die tatsächlich gelieferten Waren hätten mit den fakturierten Waren nicht übereingestimmt. Damit sei der Vorsteuertatbestand nicht erfüllt. Diese Schlußfolgerung ergebe sich zunächst aus dem in der Niederschrift vom 22. Jänner 1996 detailliert dargestellten ungewöhnlichen Geschäftsablauf. So sei vom ausländischen Empfänger in Brasilien bereits der österreichische Zwischenhändler vorgegeben gewesen. Die Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin habe sich in keiner Weise um die Geschäftsabwicklung gekümmert. Trotz der Bedeutung dieses Geschäftes sei hinsichtlich des tatsächlichen Wertes der Waren keinerlei Überprüfung durchgeführt worden. Auch sei auf die äußerst ungewöhnlichen Zahlungsmodalitäten zu verweisen. Dem Ehegatten der Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin sei lediglich eine Kopie des Orderverrechnungsschecks übergeben worden. Der Differenzbetrag Einkaufspreis zu Verkaufspreis sei laut Orderscheck in Höhe der Umsatzsteuer bar bei Zustellung der Ware ausgehändigt worden. Nach den Feststellungen des Finanzamtes seien keine hochwertigen Parfumöle geliefert worden. Daran könnten die während der Prüfung vorgelegten 2 Gutachten des "Analytec"-Institutes nichts ändern. Diese Gutachten bezögen sich auf Duftkonzentrate namens "Pupis" und "Synus". Nach der Ausgangsrechnung vom 10. August 1995 seien jedoch Öle der Marken "Andromeda" und "Circin" exportiert worden. Ein Zusammenhang der Parfumöle lt. Lieferung mit den Parfumölen lt. Gutachten sei nicht zu erkennen. Die Vorsteuerabzugsberechtigung knüpfe an die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes an. Die Anlieferung der geringwertigen Waren könne nicht als vorsteuerauslösende Lieferung angesehen werden. Entscheidend sei, daß diejenigen Waren geliefert würden, die auf Grund eines bestimmten Rechtsverhältnisses "geliefert werden sollten, und über die dann auch die Rechnung erstellt wird". Die bloße Ausstellung einer Scheinrechnung reiche für den Vorsteuerabzug nicht aus, selbst wenn sie den formellen Vorschriften des UStG entsprechen sollte. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage sei damit zu rechnen, daß dem offenen Rechtsmittel bezüglich des Vorsteuerabzuges kein Erfolg beschieden sein werde. Es sei daher von einer wenig erfolgversprechend erscheinenden Berufung im Sinn des § 212a Abs. 2 lit. a BAO auszugehen.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf Aussetzung der Einhebung verletzt und beantragt dessen Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat Teile der Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 212a Abs. 2 lit. a BAO ist die Aussetzung der Einhebung im Sinn des § 212a Abs. 1 BAO nicht zu bewilligen, insoweit die Berufung nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint.

Aufgabe eines Aussetzungsverfahrens ist es nicht, die Berufungsentscheidung vorwegzunehmen; die Abgabenbehörden haben bei Prüfung der Voraussetzungen für eine Aussetzung der Einhebung die Erfolgsaussichten einer Berufung lediglich anhand des Berufungsvorbringens zu beurteilen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 1997, 96/15/0186).

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits mehrmals mit Fragen der Berechtigung zum Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit dem "Mehrwertsteuerschwindel des Werner Rydl" beschäftigt. Er hat dazu in ebenfalls die Lieferung von "Parfumölen" betreffenden Beschwerdefällen in bezug auf die Bescheiderfordernisse des angefochtenen Bescheides ausgeführt, daß dieser konkrete Feststellungen über den Wert - und daraus abgeleitet - die Art der tatsächlich gelieferten Gegenstände treffen müsse und darzulegen habe, aufgrund welcher Ermittlungen und Überlegungsschritte die belangte Behörde zu solchen Feststellungen gelange. Die Behauptung, es wären keine dem Fakturenwert entsprechenden Waren geliefert worden, lasse keineswegs in einer für den Verwaltungsgerichtshof nachprüfbaren Weise erkennen, daß die tatsächliche Lieferung nicht in solchen Waren bestanden habe, wie sie in den Rechnungen ausgewiesen seien (siehe dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Mai 1998, 96/15/0132, und vom 25. Juni 1998, 97/15/0147).

Diesen genannten Anforderungen an die Begründungspflicht entsprach im vorliegenden Fall der mit der Berufung vom 6. März 1996 bekämpfte erstinstanzliche Bescheid, der sich wiederum auf die Ausführungen in der Niederschrift über die Prüfung der Umsatzsteuervoranmeldungen vom 22. Jänner 1996 stützte, nicht. Den auch im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung ist nämlich nicht in nachvollziehbarer Weise zu entnehmen, warum es sich bei den an die Beschwerdeführerin gelieferten Parfumölen um "minderwertige Waren" gehandelt hätte, die mit den in den Fakturen bezeichneten Waren nicht in Einklang zu bringen seien. Den Hinweisen auf ungewöhnliche Geschäftsgestaltungen läßt sich auch nicht entnehmen, inwieweit daraus schlüssige Feststellungen auf den tatsächlichen Warenwert bzw. Gegenstand der Lieferung getroffen werden könnten. Selbst wenn von der Beschwerdeführerin vorgelegte Gutachten betreffend Duftkonzentrate namens "Pupis" und "Synus" keine hinreichenden Schlußfolgerungen auf die im Beschwerdefall lt. Rechnung gelieferten Produkte "Andromeda" und "Circin" zuließen, ändert dies nichts an der fehlenden Darstellung der behördlichen Erwägungen, welche das Finanzamt bewogen haben, einen anderen als den von der Beschwerdeführerin behaupteten Sachverhalt als erwiesen anzunehmen (vgl. nochmals die beiden oben angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes).

Die belangte Behörde hätte daher in Ansehung des erstinstanzlichen Bescheides und des Berufungsinhaltes (der ausdrücklich - ebenso wie die Beschwerde - die Verneinung der Lieferung der Rechnung entsprechender Parfumöle bekämpft) nicht davon ausgehen dürfen, daß eine nach § 212a Abs. 2 lit. a BAO nach Lage des Falles wenig erfolgversprechende Berufung vorliege. Der angefochtene Bescheid war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. November 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997150066.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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