TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/26 W124 2194927-2

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Veröffentlicht am 26.06.2019
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Entscheidungsdatum

26.06.2019

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
FPG §57
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W124 2194927-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. FELSEISEN über die Beschwerde von Herrn XXXX , geboren am XXXX , StA.: Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX zu Recht:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am XXXX in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX gem. § 3 Abs. 1 iVm 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf sein Heimatland Indien abgewiesen (Spruchpunkt II.) und wurde der BF gem. § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen. (Spruchpunkt III.).

1.2. Am XXXX stellte der BF neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom XXXX wurde dieser gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gem. § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gem. §52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass eine Abschiebung des BF gem. § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gem. § 55 Abs. 1-3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Eine dagegen eingebrachte Beschwerde wurde in der Folge mit Erkenntnis des BVwG vom XXXX gemäß §§ 3, 8, 10, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG sowie gem. §§ 46, 52 und 55 FPG idgF abgewiesen.

1.3. Mit Ladungsbescheid vom XXXX wurde der BF zur persönlichen Einvernahme bezüglich seiner Ausreiseverpflichtung geladen.

In der mit dem BF am XXXX aufgenommenen Niederschrift gab dieser im Wesentlichen auf die Frage, weshalb er das Bundesgebiet noch nicht verlassen habe, obwohl im Asylverfahren festgestellt worden sei, dass er keiner Gefährdung oder Verfolgung im Herkunftsland ausgesetzt gewesen sei an, dass er derzeit verletzt sei und nicht gehen zu können. Er habe Verbrennungen 2. Grades erlitten und sei im Spital deswegen in Behandlung.

Über Identitätsdokumente bzw. einen Reisepass würde der BF nicht verfügen. Er wolle sich bemühen, dass für ihn ein Reisepass ausgestellt werde, sobald es ihm mit seiner Verletzung besser gehen würde. Einer Aufforderung sich mit seiner Heimatbotschaft zwecks Ausstellung eines Reisepasses in Verbindung zu setzten wurde von Seiten des BF ausdrücklich zugestimmt. Ebenso willigte der BF ein die erforderlichen Formulare mit Hilfe eines Dolmetschers zur Erlangung eines Heimreisezertifikates ausfüllen zu wollen. Einer freiwilligen Ausreise wurde zugestimmt, sofern er die dafür entsprechenden Dokumente bekommen würde.

Seinen Lebensunterhalt würde er aus seiner Tätigkeit als Zeitungszusteller bestreiten. Er würde über eine Krankenversicherung verfügen und in Untermiete wohnen, wofür er 120.- Euro zu bezahlen habe. Die Familie des BF würde nach wie vor in Indien leben.

1.4. Mit Verfahrensanordung vom XXXX wurde der BF gem. § 52a Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ein Rückkehrberatungsgespräch bis zum XXXX in Anspruch zu nehmen.

1.5. Mit Mandatsbescheid vom XXXX , wurde dem BF gem. § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in einer namentlich genannten Betreuungseinrichtung zu nehmen und dieser Verpflichtung binnen drei Tagen nachzukommen.

1.6. Einem Bericht der Landespolizeidirektion Wien vom XXXX zufolge wurde mehrfach versucht an dessen Wohnadresse zuzustellen. Erst über die Verständigung eines im Haus des BF wohnenden Bekannten, konnte dem BF der Mandatsbescheid zugestellt werden.

1.7. Im Rahmen der eingebrachten Vorstellung wurde die Entscheidung als inhaltlich falsch und ebenso rechtswidrig auf Grund mangelhafter Verfahrensführung bemängelt.

1.8. Am XXXX wurde dem BF im Zuge seines den BF vertretenen Vereins eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme übermittelt, wonach ausgeführt wurde, dass sein Asylverfahren am XXXX rechtskräftig negativ abgeschlossen und er seiner Ausreiseverpflichtung bis dato nicht nachgekommen sei.

Der BF sei aufgefordert worden binnen drei Tagen an der im Bescheid angegebenen Adresse vorstellig zu werden.

1.9. Dagegen hat der BF am XXXX eine Vorstellung eingebracht.

1.10. In der Folge wurden dem BF zur Beurteilung seiner persönlichen Verhältnisse ein Fragenkatalog übermittelt und diesem eine Frist eingeräumt diese innerhalb eines Zeitraumes von zwei Wochen zu beantworten.

1.11. Im Schriftsatz vom XXXX wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF stets kooperativ gewesen sei, den Ladungen immer Folge geleistet und er ansonsten am Verfahren mitgewirkt habe. Er sei im Bundesgebiet gut integriert und plane aktuell Deutschkurse zu besuchen. Da der BF in Wien kulturell, sozial, religiös und beruflich integriert sein würde, wäre es ihm de facto auch nicht möglich und zumutbar die Unterkunft innerhalb dreier Tage aufzulösen.

Außerdem würde es für den BF, in dem für ihn angeschriebenen Quartier, keine Möglichkeit geben seiner wöchentlichen Gewohnheit seine Religion auszuüben, nachzukommen. Alle notwendigen Verfahren würden auch ohne Nachteile weitergeführt werden können.

1.12. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX wurde dem BF gem. § 57 Abs. 1 FPG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung XXXX Unterkunft zu nehmen und dieser Verpflichtung unverzüglich nachzukommen (Spruchpunkt I.). Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gem. § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt II.).

2. Gegen diesen am XXXX zugestellten Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

3. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem BVwG (im Folgenden: BVwG) am XXXX vom BFA vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Der BF ist Staatsangehöriger von Indien. Die Identität des BF steht nicht fest.

1.2. Der unter I. dargestellte Verfahrensgang wird als Feststellung dem gegenständlichen Erkenntnis zugrunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person des BF stützen sich auf den Inhalt der Akten des BFA sowie des BVwG. Mangels Vorliegens eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokumentes oder eines sonstigen unbedenklichen Bescheinigungsmittels im Original steht die Identität des BF nicht fest.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides

3.1.1. Rechtliche Grundlagen:

§ 57 FPG lautet auszugsweise:

"Wohnsitzauflage

§ 57. (1) Einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet (§ 46a) ist, kann aufgetragen werden, bis zur Ausreise in vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn

1. keine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 gewährt wurde oder

2. nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

(2) Bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen gemäß Abs. 1 Z 2 vorliegen, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob

der Drittstaatsangehörige

1. entgegen einer Anordnung des Bundesamtes oder trotz eines nachweislichen Angebotes der

Rückkehrberatungsstelle ein Rückkehrberatungsgespräch (§ 52a Abs. 2 BFA-VG) nicht in Anspruch genommen hat;

2. nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise seinen Wohnsitz oder den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts gewechselt und das Bundesamt davon nicht in Kenntnis gesetzt hat;

3. an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen im Sinne der § 46 Abs. 2 und 2a nicht mitwirkt;

4. im Rahmen des Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des

Rückkehrberatungsgesprächs erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen;

5. im Asylverfahren oder im Verfahren zur Erlassung der Rückkehrentscheidung über seinen Herkunftsstaat oder seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht hat.

(3) [...]

(4) Die Verpflichtungen des Drittstaatsangehörigen aufgrund einer Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ruhen,

wenn und solange

1. die Rückkehrentscheidung gemäß § 59 Abs. 6 oder die Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 vorübergehend nicht durchführbar,

2. sein Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 46a geduldet oder

3. ihm die persönliche Freiheit entzogen ist.

(5) Wird eine Rückkehrentscheidung gemäß § 60 Abs. 3 gegenstandslos oder tritt eine Anordnung zur

Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 4 außer Kraft, tritt auch die Wohnsitzauflage außer Kraft.

(6) Die Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) anzuordnen. In diesem sind dem Drittstaatsangehörigen auch die Folgen einer allfälligen Missachtung zur Kenntnis zu bringen."

§ 46 FPG lautet auszugsweise:

"[...]

(2) Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat - vorbehaltlich des Abs. 2a - bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.

(2a) Das Bundesamt ist jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.

[...]"

3.1.2. Aus den Erläuterungen zum FRÄG 2017 betreffend § 57 FPG ergibt sich auszugsweise Folgendes:

"[...] Die Erlassung einer Wohnsitzauflage soll dabei nicht systematisch erfolgen, sondern hat jedenfalls abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls zu ergehen. Dabei sind insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie Art. 8 EMRK - insbesondere im Hinblick auf das Bestehen familiärer Strukturen, die Wahrung der Familieneinheit und die besonderen Bedürfnisse von Minderjährigen auch im Sinne der Jugendwohlfahrt - zu berücksichtigen. Die Wohnsitzauflage soll daher als ultima ratio nur dann angeordnet werden, wenn der Drittstaatsangehörige seiner Verpflichtung zur Ausreise bislang nicht nachgekommen ist und aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls anzunehmen ist, dass er auch weiterhin seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird.

[...]

Zu Abs. 1:

[...]

Die zweite Konstellation soll auch jene Fälle umfassen, in denen zwar eine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt wurde, der Drittstaatsangehörige aber nicht innerhalb der Frist ausgereist ist und anzunehmen ist, dass er seiner Ausreiseverpflichtung auch weiterhin nicht nachkommen wird.

[...]

Zu Abs. 2:

In Abs. 2 werden jene Tatsachen näher definiert und demonstrativ aufgezählt, welche im Sinne des Abs. 1 Z 2 die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

Ein Hinweis auf die mangelnde Bereitschaft zur Ausreise ist naturgemäß dann gegeben, wenn der

Drittstaatsangehörige selbst angibt, dass er nicht bereit ist, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Es kann des Weiteren davon ausgegangen werden, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird, wenn er ein ihm angebotenes oder angeordnetes Rückkehrberatungsgespräch zum Zweck der freiwilligen Ausreise nicht wahrnimmt.

Ebenso wird davon auszugehen sein, dass der Drittstaatsangehörige nicht bereit ist auszureisen, wenn er während einer gewährten Frist zur freiwilligen Ausreise nicht ausgereist ist und anschließend seinen Wohnsitz bzw. den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts ändert, ohne das Bundesamt hiervon in Kenntnis zu setzen. Ferner kann von mangelhafter Bereitschaft zur Ausreise ausgegangen werden, wenn der betreffende Drittstaatsangehörige es unterlässt, an der Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten mitzuwirken oder ein vorhandenes Reisedokument vernichtet oder sich dessen auf sonstige Weise entledigt. Hat der Drittstaatsangehörige bereits im Verfahren über seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht und damit die Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten erschwert bzw. verhindert, wird ebenfalls von einer mangelnden Bereitschaft zur Ausreise auszugehen sein.

Da es sich bei Abs. 2 um eine demonstrative Aufzählung handelt, kommen auch weitere Umstände in Betracht, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird. Weitere denkbare Gründe in diesem Sinne sind etwa falsche oder widersprüchliche Angaben zum Vorliegen einer Voll- oder Minderjährigkeit bzw. voneinander abweichende Altersangaben in Verfahren vor verschiedenen Behörden (dazu VwGH 25.02.2015, Ra 2014/20/0045) sowie die Verschweigung von vorhandenen Identitätsdokumenten. Hievon sollen beispielsweise jene Fälle erfasst sein, in denen Drittstaatsangehörige im Verfahren vor dem Bundesamt angeben, über keine Identitätsdokumente zu verfügen, während sie im Verfahren vor anderen Behörden (bspw. dem Standesamt im Zuge einer Eheschließung) oder Gerichten solche vorlegen.

[...]

Zu Abs. 6:

Die Auferlegung der Wohnsitzauflage gemäß § 57 erfolgt mittels Mandatsbescheid gemäß §57 AVG. Ein solcher kann erlassen werden, wenn es sich um die Vorschreibung einer Geldleistung oder wegen Gefahr in Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt. Für den vorgeschlagenen § 57 ist der Tatbestand "Gefahr in Verzug" maßgeblich: In der Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 1 ist der Ausschluss einer Frist zur freiwilligen Ausreise an die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Rückkehrentscheidung (§ 18 Abs. 2 BFA-VG) geknüpft. Somit wurde bereits im Falle einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde und der Nichtgewährung einer

Frist gemäß § 55 festgestellt, dass eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt. Dadurch ist die Erlassung der Wohnsitzauflage in dieser Konstellation mittels Mandatsbescheid aufgrund der bereits zuvor anlässlich des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung festgestellten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zulässig. Hinsichtlich der zweiten Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 2 liegt eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vor, wenn anzunehmen ist, dass der Drittstaatsangehörige weiterhin nicht ausreisen wird (zumal er dies bereits während der Frist für die freiwillige Ausreise nicht getan hat). Das bloße unrechtmäßige Verbleiben im Bundesgebiet sowie ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt, ohne dass bereits eine entsprechende Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung auferlegt oder feststellt, und unabhängig davon, ob die Einreise bereits unrechtmäßig oder rechtmäßig erfolgte, stellt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (VwGH 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042; 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042). Dies muss umso mehr gelten, wenn bereits eine im Wege eines rechtsstaatlichen Verfahrens getroffene Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung feststellt oder auferlegt, und der Drittstaatsangehörige dieser Verpflichtung auch nach Ablauf einer ihm eingeräumten Frist für die freiwillige Ausreise nicht nachkommt bzw. die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ihr weiterhin nicht nachkommen wird.

Weiters ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellt und der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190; 15.12.2015, Ra 2015/19/0247). Daher ist in diesen Fällen von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auszugehen, wodurch die Erlassung der Wohnsitzauflage mittels Mandatsbescheides gerechtfertigt ist."

3.1.3. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:

Die belangte Behörde weist im angefochtenen Bescheid wiederholt darauf hin, dass gegen den BF eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung besteht, der BF der auferlegten Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist und sich somit unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Dass dieses Verhalten alleine ausreicht, eine Wohnsitzauflage zu erlassen, ergibt sich weder aus dem Gesetzestext noch aus den oben dargestellten Erläuterungen zum FRÄG 2017 betreffend § 57 FPG. Zur Erlassung einer Wohnsitzauflage als ultima ratio bedarf es konkreter Umstände des Einzelfalles, die zur Annahme führen, dass der Drittstaatsangehörige weiterhin seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird.

3.1.3.1. Die belangte Behörde trifft im angefochtenen Bescheid die Feststellungen (Unterpunkt "Voraussetzungen für die Erlassung einer Wohnsitzauflage"), dass gegen den BF eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorliegt und keine Duldung gem. § 46a FPG vorliegt. Zudem wird festgestellt, dass der BF der gegen ihn bestehenden Ausreiseverpflichtung bis dato nicht nachgekommen ist.

In der Beweiswürdigung bezieht sich das BFA darauf, dass einem Fremden aufgetragen werden bzw. er dazu angehalten werden könne bis zu seiner Ausreise in einem vom Bundesamt bestimmten Quartier des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise bestimmte Tatsachen, die Annahme rechtfertigen würden, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen würde. Aus der Aktenlage gehe hervor, dass bereits sein zweiter Antrag auf internationalen Schutz rechtskräftig negativ beschieden worden sei und eine aufrechte bzw. durchsetzbare Ausreiseentscheidung gegen seine Person bestehen würde. Der BF sei bis zum jetzigen Zeitpunkt im Bundesgebiet verblieben und habe bis dato nicht versucht aus "Eigenem" ein Reisedokument zu erlangen, um freiwillig auszureisen. Mangels seiner Ausreisewilligkeit sei laut Ansicht der Behörde die Erlassung einer Wohnsitzauflage gerechtfertigt.

In der rechtlichen Beurteilung beschränkt sich die belangte Behörde auf die Wiedergabe des Gesetzestextes der Abs. 1 und 2 Ziffer 1-5 des § 57 FPG ohne eine konkrete Subsumierung vorzunehmen. Im Anschluss folgt insofern eine Interessenabwägung zum Eingriff in nach Art. 8 EMRK geschützte Rechte, als über die Zulässigkeit eines Eingriffs in das Privat-, und Familienleben bereits in der Rückkehrentscheidung ausführlich abgesprochen worden sei und die Abschiebung nach Indien für zulässig erklärt worden sei. Die Wohnsitzauflage würde ein weniger intensiver Eingriff sein und die Verhängung der Wohnsitzauflage als notwendig erachtet werden, da sich der BF vehement weigern würde seiner aufgetragenen Ausreiseverpflichtung nachzukommen.

Die belangte Behörde legt damit im angefochtenen Bescheid aber nicht nachvollziehbar dar, zu welchem Ermittlungsergebnis sie gelangt sei, worauf sich dieses stütze und welche bestimmten Tatsachen im Sinne des § 57 FPG die Annahme rechtfertigen, der BF werde seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen.

Zwar wird allgemein angeführt, dass der BF nicht ausgereist sei und sich nach wie vor - entgegen der rechtskräftig gewordenen Entscheidung und der damit aufgetragenen Ausreiseverpflichtung- im Bundesgebiet aufhält. Damit wird subtil in den Raum gestellt, dass der BF nicht willens und ausreisewillig sei, doch wird dies ohne konkrete Ermittlungsergebnisse angeführt - die vom BFA getroffenen Feststellungen ergeben sich entgegen diesem nicht ohne weiteres aus dem Akteninhalt. So wird etwa beim Unterpunkt "Zu ihrem bisherigen Verhalten" angeführt, dass der BF kein gültiges Reisedokument verfügt und dieser Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen könne. Insofern billigt das BFA dem BF offenbar selbst wiederum in Widerspruch zu seinen rechtlichen Ausführungen zu, dass es nicht ausreicht, wenn dieser die Initiative setzt, um Österreich zu verlassen. Hinzu kommt, dass der BF in der mit ihm am XXXX vor dem BFA aufgenommenen Niederschrift keinen Anschein erweckt hat seine Ausreise zu verhindern, indem er beispielsweise die Frage nach dem Ausfüllen der erforderlichen Dokumente für die Erlangung des Heimreisezertifikats bejaht hat. Darüber hinaus hat der BF in der Niederschrift vom XXXX zugesichert sich bei der indischen Botschaft um die Ausstellung eines Reisepasses zu bemühen, sobald es diesem auf Grund seiner erlittenen Verletzungen wieder besser geht. Inwieweit der BF seit der mit ihm vor dem BFA aufgenommenen Niederschrift tatsächlich Schritte unternommen hat bzw. weiter Umstände entgegengestanden sind, sich ein entsprechendes Dokument von der indischen Botschaft zu besorgen bzw. beim Ausfüllen des Formulars für ein Heimreisezertifikat (nicht) mitgewirkt hat, lässt sich dem vorliegenden Inhalt des Aktes nicht entnehmen.

Ebenso ist auf Grund der Aktenlage nicht erkennbar, ob das BFA in der Folge zwischenzeitig Kontakt zur indischen Botschaft aufgenommen bzw. anderweitig ein entsprechendes Ermittlungsverfahren durchgeführt hat, welches die vom BFA getroffene Feststellung bzw. diesbezügliche Beweiswürdigung, dass der BF an der Erlangung der Dokumente nicht mitgewirkt haben soll, nachvollziehbar erscheinen lassen.

Insofern ist den Annahmen in der Beweiswürdigung nicht ersichtlich, auf welches Ermittlungsergebnis diese gestützt wurden, sodass hier der wesentliche Sachverhalt nicht ermittelt wurde. Die "Verfahrenschronologie", auf die sich das BFA pauschal stützt, ist aus den vorgelegten Aktenteilen vielmehr nur ansatzweise nachvollziehbar, sodass auch hier die notwendigen Sachverhaltsermittlungen unterblieben sind.

3.1.3.2. Die Interessenabwägung zu Art. 8 EMRK nimmt das BFA unter Bezugnahme auf die Rückkehrentscheidung vom XXXX , welche in der Folge mit Erkenntnis des BVwG vom XXXX bestätigt wurde, vor und hält fest, dass seither keine Änderungen bekannt geworden seien. Alle seit der Durchsetzbarkeit der Entscheidung eventuell entstandenen Bindungen würden um deren unsicheren und bereits negativ entschiedenen Aufenthaltsstatus und seiner Ausreiseverpflichtung wissen. Auch eine Änderung des Grades der Integration oder die Bindungen zum Herkunftsstaat hätten sich nicht wesentlich verändert bzw. seien keine Änderungen seit der Rechtskraft der Entscheidung hervorgekommen.

Die belangte Behörde verabsäumte es aber auch hier, den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln. Soweit sie sich auf frühere Entscheidungen zum BFA bzw. BVwG stützt, ist festzuhalten, dass seither beinahe ein Jahr vergangen ist, sodass die gebotene Aktualität nicht mehr gegeben ist. Auch wenn der Aufenthalt des BF seither weiter unrechtmäßig ist, kann daraus nicht zwangsläufig geschlossen werden, dass er seinem allenfalls seither entwickelten Privatleben keine Bedeutung zukommt.

Die belangte Behörde hat zusammenschauend auch hier den Sachverhalt nicht ermittelt und es insbesondere verabsäumt, in einer Einvernahme einen persönlichen Eindruck vom BF zu gewinnen, um seine tatsächlichen Lebensverhältnisse aktuell beurteilen zu können.

3.1.4. Die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides ist eine Entscheidung in der Sache selbst (vgl. E 25. März 2015, Ro 2015/12/0003). Als verfahrensrechtliche Grundlage für eine solche Entscheidung ist im Spruch daher § 28 Abs. 1 und Abs. 2 (bzw. Abs. 3 Satz 1) VwGVG 2014 zu nennen. § 28 Abs. 5 VwGVG 2014 regelt hingegen nur die Rechtsfolgen von Bescheidaufhebungen durch das VwG und bietet keine eigenständige Rechtsgrundlage für die Aufhebung selbst, sei es nach § 28 Abs. 3 Satz 2 und 3 (oder Abs. 4) VwGVG 2014, sei es nach § 28 Abs. 1 und 2 oder Abs. 3 Satz 1 VwGVG 2014 (VwGH 04.08.2016 2016/21/0162).

Die ersatzlose Behebung eines Bescheides setzt voraus, dass dieser nicht hätte ergehen dürfen und der dem materiellen Recht entsprechende Zustand nur durch die Kassation hergestellt werden kann. Dabei handelt es sich um eine "negative" Sachentscheidung (vgl zB Hengstschläger/Leeb, AVG III, § 66 AVG, Rz 97, mwN). Eine solche Entscheidung ist eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Sache selbst, welche eine neuerliche Entscheidung über den Verfahrensgegenstand durch die Verwaltungsbehörde grundsätzlich ausschließt (vgl VwGH vom 25. März 2015, Ro 2015/12/0003 sowie Hengstschläger/Leeb, AVG III, § 66 AVG, Rz 108 f), (VwGH Ra 2015/17/0082 vom 28.06.2016).

Da es kein Ermittlungsergebnis und damit keinen festgestellten Sachverhalt gibt, aufgrund dessen das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass einer Wohnsitzauflage als gegeben angenommen werden kann sowie ferner die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme und die Interessenabwägung zum Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte beurteilt werden kann, war der angefochtene Bescheid zu beheben.

3.1.5. Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid gem. § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen und dies mit einem überwiegenden öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug des Bescheides begründet. Das öffentliche Interesse sei bereits durch die Regelung der Wohnsitzauflage mittels sofort durchsetzbaren Mandatsbescheides indiziert, zudem würden diese Interessen in Hinblick auf die Ausreise in Erfüllung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme überwiegen.

Gemäß § 22 Abs. 3 1. Fall VwGVG kann das Verwaltungsgericht Bescheide gemäß § 13 VwGVG - ein solcher liegt in Hinblick auf Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides vor - auf Antrag einer Partei - ein solcher wurde in der Beschwerde gestellt - aufheben oder abändern, wenn es die Voraussetzungen der Zuerkennung bzw. des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über den Ausschluss bzw. die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben.

Mangels festgestellter Verwirklichung der Voraussetzungen für die Wohnsitzauflage und der dieser immanenten "Gefahr im Verzug" (vgl. oben 3.1.3.) war der angefochtene Bescheid auch im Umfang der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt II.) zu beheben.

3.2. Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Im gegenständlichen Verfahren konnte eine

mündliche Verhandlung unterbleiben, da das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Z 1 Halbsatz VwGVG als gegeben erachtet, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde

angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen sind aufgrund der klaren Rechtslage nicht hervorgekommen.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, Behebung der Entscheidung, Beweiswürdigung,
Ermittlungsmangel, Wohnsitzauflage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W124.2194927.2.00

Zuletzt aktualisiert am

30.08.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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