TE Lvwg Erkenntnis 2019/5/13 LVwG-2019/20/0229-4

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Veröffentlicht am 13.05.2019
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Entscheidungsdatum

13.05.2019

Index

32/01 Finanzverfahren, allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §308

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Stöbich über die Beschwerde des Herrn AA, Z, gegen den Bescheid des Stadtmagistrats Z vom 15.11.2018, Zl ***, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Abgabenverfahren, in denen Erschließungs- und Gehsteigbeiträge nach dem TVAG vorgeschrieben wurden, nach Durchführung einer Verhandlung

zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.   Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom 17.10.2018 gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen die Bescheide vom 21.08.2018, Zlen ***, *** und ***, betreffend jeweils die Vorschreibung eines Erschließungsbeitrags nach dem TVAG, sowie gegen die Bescheide vom 21.08.2018, Zlen ***, *** und ***, betreffend die Vorschreibung eines Gehsteigbeitrages nach dem TVAG, als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde im Wesentlichen darauf verwiesen, dass aus dem geschilderten Sachverhalt (irrtümliche Einbringung von Beschwerden beim Land Tirol) kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis iSd § 308 Abs 1 BAO abzuleiten sei und auch nicht ein minderer Grad des Versehens vorliegen würde.

Mit Schreiben vom 16.12.2018 hat der Beschwerdeführer innerhalb offener Frist gegen die Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Beschwerde erhoben. In der Begründung verwies er im Wesentlichen auf seine Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag. Demnach habe er – entsprechend der Rechtsmittelbelehrung der angefochtenen Bescheide – das Online-Formular zur Einbringung der Beschwerde gesucht und habe aus Versehen ein Formular des Formularservices des Landes Tirol verwendet, da er sich offensichtlich durch die in beiden Fällen gleichlautende Endung „***.at“ täuschen lassen habe. Der kleine aber leider wichtige Unterscheid „Homepage2.at“ anstelle von „Homepage1.at“ sei ihm leider nicht aufgefallen. Er habe zum einen das Tiroler Bau- und Abgabenrecht studiert, und zum anderen versucht herauszufinden, wie eine Beschwerde überhaupt inhaltlich aussehen solle. Als Leitfaden habe er das (beigelegte) „Schriftsatzmuster_Bescheidbeschwerde“ im Internet gefunden, aus dem er die juristischen Formulierungen für den formellen Antrag abgeleitet habe. Er habe sich dieser Angelegenheit über mehrere Wochen sehr intensiv, jeweils nach der Arbeit in den Abendstunden, teilweise bis spät in die Nacht gewidmet. Rückfragen vom zuständigen Sachbearbeiter und der Stadt Z seien ihm erst verzögert beantwortet worden. Aufgrund dessen sei es für ihn zeitlich eng geworden, alle seine Recherchen in eine geordnete und strukturelle Form zu bringen. Am vorletzten Tag der Frist habe er wiederum bis 02.00 Uhr Früh an der Endfassung seiner Beschwerde gearbeitet. Er habe das Formular, dessen Link er sich wie erwähnt abgespeichert hätte, gesucht und seinen Text dort eingebracht. Er habe einen aus mehreren Arbeitsschritten bestehenden Prozess, bei dem er auch seine „Beilage–Dokumente“ hochladen hätte müssen, durchgeführt. Es sei ihm zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt worden, wohin die Dokumente tatsächlich geschickt würden und er sei der Annahme gewesen, dass die Rechtsmittel an die richtige Adresse zugestellt würden. Er habe im Speziellen, nachdem er den Arbeitsschritt „weiter zur Kontrollseite“ durchgeführt habe und nochmals alles kontrolliert habe, den finalen Arbeitsschritt „senden“ ausgewählt. Es sei ihm daraufhin ein signiertes PDF-Dokument angezeigt worden, welches er ebenfalls abgespeichert und beigelegt habe. Durch die Signierung und durch das Bestätigungsmail, welches er unmittelbar darauf erhalten habe (samt Eingangsnummer und Eingangszeit), habe er sich sicher gefühlt, dass alles korrekt abgelaufen sei.

Allerdings habe sich herausgestellt, dass sein Antrag leider weder an das Landesverwaltungsgericht noch an den Stadtmagistrat Z weitergeleitet worden sei. Vielmehr sei sein Antrag völlig unbeantwortet einfach liegen geblieben. Erst auf seine Rückfrage hin habe man beim Land Tirol seinen Antrag ausfindig gemacht und an den Stadtmagistrat Z übermittelt.

Ihm sei somit, obwohl er sich mit den Bescheiden eingehend auseinandergesetzt und auch einen Rechtsbeistand als Beratung zugezogen habe, ein folgenschwerer Fehler unterlaufen.

In Anbetracht dessen, dass es für ihn doch um einen beträchtlichen Geldbetrag gehe und er jetzt sogar Abgaben für ein Gebäude bezahlen solle, dass laut TBO gar kein Gebäude sei, ersuche er, seinen Fehler als einen minderen Grad des Versehens, der auch einem sorgfältigen Mensch unterlaufen könne, zu werten und seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattzugeben.

Zur Begründung des ablehnenden Bescheides des Stadtmagistrates Z führte der Beschwerdeführer ergänzend aus, dass man auf ihn zu Unrecht einen strengen Maßstab angelegt habe. Man habe offensichtlich nicht berücksichtigt, dass er zwar Akademiker sei, aber weder Jurist noch sonst rechtskundig sei. Es liege sehr wohl ein minderer Grad des Versehens im Sinne leichter Fahrlässigkeit nach § 1332 ABGB vor, da er nicht einfach die betreffende Frist übersehen oder vergessen habe sondern das Rechtsmittel – aus den bereits dargelegten Gründen – trotz aller ihm zumutbaren Sorgfalt, an die falsche Behörde übermittelt habe. Er habe das eben nicht vorhersehen können. Es liege hier ein Fehler vor, der gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen passiere.

Das in der Rechtsmittelbegründung unter „www.Homepage1.at“ bereitgestellte Online-Formular sei nicht ohne weiteres zu finden. Der Link führe auf die Startseite der Stadt Z. Dort würden sich aber keinerlei Erklärungen finden, wo das betreffende Formular bzw eine Vorlage hiezu zu finden wäre. Es würden auch überhaupt keine Hinweise dafür finden, wie so eine Beschwerde verfasst werden müsse. Deshalb sei es auch durchaus nachvollziehbar, dass er sich als rechtsunkundige Partei im Internet auf die Suche begeben habe, um einerseits das besagte Formular und andererseits generell Hilfe für das Verfassen einer Beschwerde zu finden.

Gebe man in Google „Bescheidbeschwerde Stadtmagistrat“ ein, stoße man auf eine Seite des Landes Tirols, mit dem ein Formularservice angeboten werde, und nach einer allgemeinen Information über Rechtsmittel an das Landesverwaltungsgericht auf einen Link zum Formular „Beschwerde im Verwaltungsverfahren“. Es hätte für ihn keinerlei Hinweis darauf bestanden, dass das eingebrachte Rechtsmittel über dieses Portal nicht an die zuständige Stelle ergehen würde. Es liege somit ein Ereignis iSd § 308 Abs 1 BAO vor, das er tatsächlich nicht einberechnet hätte und auch mit zumutbarer Aufmerksamkeit nicht erwarten hätte können, dass seine Beschwerde bei der falschen Behörde einlange.

Er habe auch sehr wohl kontrolliert, ob seine Beschwerde zugestellt worden sei. Durch die professionell wirkende Aufmachung der Website sei er der Annahme gewesen, sich einer von Amts wegen zur Verfügung gestellten Dienstleistung zu bedienen, die die Einbringung seines Antrags besonders sicher durchführe. Dass diese Dienstleistung vom Server der Tiroler Landesregierung durchgeführt werde, sei von ihm in diesem Zusammenhang durchaus plausibel gewesen. Die Tatsache, dass dazu lediglich ein E-Mail generiert und versendet werde, werde durch diese Aufmachung der Website verschleiert.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 09.01.2019 wies der Stadtmagistrat die Beschwerde als unbegründet ab. In der Begründung wurde darauf verwiesen, dass die Einhaltung von Rechtsmittelfristen von der Partei größtmöglichste Sorgfalt erfordere und im gegenständlichen Fall nicht davon gesprochen werden könne, dass die vorliegende Säumnis auf einen minderen Grad des Versehens zurückzuführen wäre. Spätestens bei Erhalt der Eingabebestätigung hätte einem aufmerksamen, sorgfältigen und kontrollierenden (Durchschnitts-)Menschen auffallen müssen, dass der Absender ein anderer sei als der Erlasser der Abgabenbescheide. Im Falle einer Unsicherheit hinsichtlich der Art und Weise der Beschwerdeeinbringung hätte der Antragsteller zudem auch den von ihm erwähnten Rechtsbeistand konsultieren oder bei der Abgabebehörde direkt nachfragen können.

Mit Schreiben vom 28.01.2019 stellte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag. Mit Schreiben vom 01.02.2019 (Vorlagebericht) wurde der gegenständliche Abgabenakt dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Aufgrund der Beschwerde wurde am 06.05.2019 eine Verhandlung durchgeführt, an welcher der Beschwerdeführer und eine Vertreterin der Abgabenbehörde teilnahmen.

II.      Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer ist von Beruf Softwareentwickler und arbeitete auch bei der Entwicklung einer anwaltsspezifischen Software mit.

Mit den eingangs angeführten Abgabenbescheiden vom 21.08.2018 wurden dem Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Durchführung mehrerer Bauvorhaben (Errichtung eines Gartenhauses, Errichtung einer überdachten Terrasse und eines Geräteschuppens, Ausbau des überdachten Erdgeschosses) jeweils im Anwesen Adresse 1 Erschließungsbeiträge sowie Gehsteigbeiträge nach dem Tiroler Verkehrsaufschließungs- und Ausgleichsabgabengesetz (TVAG) vorgeschrieben. Die Zustellung dieser Bescheide erfolgte am 23.08.2018.

Die Abgabenbescheide beinhalteten jeweils nachfolgende Rechtsmittelbelehrung:

„Z. 1                                        Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Bescheid können Sie innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Stadtmagistrat Z schriftlich Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht erheben. Die Beschwerde hat den Bescheid, gegen den sie sich richtet, zu bezeichnen. Sie hat eine begründete Erklärung zu enthalten, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird und welche Änderung beantragt wird. In der Beschwerde können Sie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht beantragen.

Sie können die Beschwerde entweder persönlich, per Post, mittels Telefax oder im Wege automationsunterstützter Datenverarbeitung (per E-Mail an email1@.at oder mittels des unter www.Homepage1.at bereit gestellten Online Formulars) einbringen. Bitte beachten Sie in diesem Zusammenhang, dass Sie die mit der gewählten Übermittlungsart verbundenen Risiken (z.B. Übertragungsfehler, Verlust des Schriftstückes) tragen.

Der Beschwerde kommt keine aufschiebende Wirkung zu (§ 254 BAO).“

Der Beschwerdeführer hat gegen diese Abgabenbescheide Beschwerde erhoben. Dabei verwendete er allerdings das Formularservice des Landes Tirol. Der Beschwerdeführer übermittelte die Beschwerde am 18.09.2018 um 02.04 Uhr unter Verwendung der E-Mail Adresse „email2@.at“ an die Landeskanzleidirektion des Amtes der Tiroler Landesregierung. Von dort aus wurde die Beschwerde zunächst weder an den Stadtmagistrat Z noch an das Landesverwaltungsgericht Tirol weitergeleitet. Erst als der Beschwerdeführer Kenntnis von der Verhängung eines Säumniszuschlages hinsichtlich der vorgeschriebenen Abgaben erlangte, urgierte er am 17.10.2018 hinsichtlich seiner eingebrachten Beschwerden und wurde von einem Mitarbeiter der Landeskanzleidirektion beim Amt der Tiroler Landesregierung aufgeklärt, dass er das falsche Online-Formular verwendet habe und das Anbringen an die falsche Behörde gegangen sei. Erst auf Grund dieser Intervention wurden die Beschwerden am 17.10.2018 per E-Mail an die Abgabenbehörde weitergeleitet. Diese wies die Beschwerden mit Beschwerdevorentscheidung vom 18.10.2018 als nicht fristgerecht eingebracht zurück.

Als der Beschwerdeführer seine Beschwerden mit dem Formular „Beschwerde im Verwaltungsverfahren“ abgesendet hatte, erhielt er eine automatisch erstellte Empfangsbestätigung des Amtes der Tiroler Landesregierung, mit welche ihm mitgeteilt wurde, dass das Formular „Beschwerde im Verwaltungsverfahren“ erfolgreich gesendet und unter einer näher angeführten Eingangsnummer mit dem Eingangszeitpunkt 18.09.2018 02:04:00 eingelangt sei. Als Absender dieser Empfangsbestätigung ist das Amt der Tiroler Landesregierung (samt Adresse, Telefonnummer, E-Mail Adresse und Homepage) angeführt.

Auf der Homepage der Stadt Z findet und befand sich zum Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde (18.09.2018) unter einer Aufzählung verschiedener Themenbereiche eine Möglichkeit, unter Anklicken des Wortes „Formulare“ Online-Formulare der Stadt Z aufzurufen. Diese Online-Formulare zur Einbringung rechtswirksamer Anbringen (wie etwa Beschwerden gegen Bescheide des Stadtmagistrats Z) können in weiterer Folge ausgefüllt und abgesendet werden, wobei der Antragsteller nach dem Senden eine automatische Eingangsbestätigung erhält. Die E-Mail der Stadt lautet email1@.at

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Formularservice der Stadt Z am Tag der Einbringung der Beschwerden und des Beschwerdeführers nicht funktioniert hätte.

III.    Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ist im Wesentlichen unbestritten. Das Formularservice der Stadt Z wurde durch Vorlage diverser Screenshots näher dargelegt. Dass der Beschwerdeführer das Formularservice des Landes Tirol nutzte und vom Amt der Tiroler Landesregierung auch eine Empfangsbestätigung erhielt, wurde vom Beschwerdeführer selbst dargelegt.

IV.      Rechtsgrundlagen:

§ 308 Bundeabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 idgF BGBl. I Nr. 14/2013, lautet wie folgt:

„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

(1) Gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(Anm.: Abs. 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 124/2003)

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Behörde (Abgabenbehörde oder Verwaltungsgericht), bei der die Frist wahrzunehmen war bzw. bei der die Verhandlung stattfinden sollte, eingebracht werden. Bei Versäumnis einer Beschwerdefrist (§ 245) oder einer Frist zur Stellung eines Vorlageantrages (§ 264) gilt § 249 Abs. 1 dritter Satz sinngemäß. Im Fall der Versäumung einer Frist hat der Antragsteller spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen.

(4) Wenn die Zuständigkeit zur Abgabenerhebung auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen ist, kann der Antrag unter gleichzeitiger Nachholung der versäumten Handlung auch bei der Abgabenbehörde eingebracht werden, die im Zeitpunkt der Antragstellung zur Abgabenerhebung zuständig ist.“

V.       Rechtliche Erwägungen:

Im gegenständlichen Fall steht fest, dass die Beschwerden gegen mehrere Abgabenbescheide des Stadtmagistrates Z vom Beschwerdeführer verspätet eingebracht wurden, weil sie unter Verwendung des Formularservices des Landes Tirol an die Landeskanzleidirektion des Amtes der Tiroler Landesregierung übermittelt und von dort erst verspätet an die Abgabenbehörde weitergeleitet wurden.

Gegen die Versäumung einer Frist ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis daran gehindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl ua das hg Erkenntnis vom 29. November 1994, Zl 94/05/0318) ist ein Ereignis unvorhergesehen, wenn die Partei es tatsächlich nicht mit einberechnet hat und dessen Eintritt unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. Das im Begriff der „Unvorhergesehenheit“ gelegene Zumutbarkeitsmoment ist dahin zu verstehen, dass die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit dann noch gewahrt ist, wenn der Partei (ihrem Vertreter) in Ansehung der Wahrung der Frist nur ein „minderer Grad des Versehens“ (seit der AVG-Novelle 1990, BGBl Nr 357) unterläuft (siehe auch das hg Erkenntnis vom 26. November 1992, Zl 92/06/0222). Ein solcher „minderer Grad des Versehens“ (§ 1332 ABGB) liegt nur dann vor, wenn es sich um leichte Fahrlässigkeit handelt, also dann, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht. Der Wiedereinsetzungswerber darf nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben, wobei an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige Personen (vgl ua VwGH vom 29. März 1995, Zl 93/05/0088, und vom 29. November 1994, Zl 94/05/0318).

„Unabwendbar“ ist ein Ereignis dann, wenn sein Eintritt objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht verhindert werden kann; „unvorhergesehen“ ist es hingegen, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und seinen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte (VwGH vom 22.09.1992, 92/04/0194, u.a.).

Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, d.h. die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (VwGH 10.02.1994, Zl. 94/18/0038, u.a.).

Wie der Verwaltungsgerichtshof zur elektronischen Einbringung von Anbringen festgestellt hat, ist auch bei dieser Art der Einbringung erforderlich, dass das Anbringen tatsächlich bei der Behörde einlangt. Etwaige Fehler in der Adressierung, die das Eingehen des Anbringens an der richtigen Adresse verhindern, gehen zu Lasten des Einschreiters (vgl. VwGH vom 24.04.2007, 2005/17/0270). Der Verwaltungsgerichtshof hat auch ausgesprochen, dass es beim Absenden eines Telefaxes grundsätzlich zu Fehlern kommen kann (etwa durch Verwählen), die eine tatsächliche Übermittlung verhindern, sodass es erforderlich ist, den Sendebericht zur Überprüfung der fehlerfreien Übermittlung zu kontrollieren, weshalb kein bloß minderer Grad des Versehens anzunehmen ist, wenn ein Sendebericht nicht kontrolliert wird. Gleiches hat auch für die Übersendung einer Eingabe per E-Mail zu gelten. An die Stelle der Kontrolle des Sendeberichtes hat die Kontrolle des eben versendeten E-Mails in ihrem dafür vorgesehenen Ordner der versendeten Nachrichten unmittelbar nach erfolgter Absendung zu treten, um gegebenenfalls noch in der Frist reagieren zu können. Unterbleibt eine Kontrolle, stellt dies jedenfalls ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden dar. Dem Verwaltungsgerichtshof ist kein Programm bekannt, bei dem es eine Möglichkeit zur sofortigen Überprüfung der Sendedaten von E-Mails, insbesondere der E-Mailadresse des Empfängers, nicht gäbe (vgl. zu all dem VwGH vom 22.02.2006, 2005/09/0015).

Im gegenständlichen Fall wurde in den mittels Beschwerde angefochtenen Abgabenbescheiden in der Rechtsmittelbelehrung jeweils darauf hingewiesen, dass innerhalb eines Monats nach Zustellung „beim Stadtmagistrat Z schriftlich Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht“ erhoben werden kann. In Bezug auf die Art der Einbringung einer Beschwerde (beim Stadtmagistrat Z) im Wege automationsunterstützter Datenverarbeitung wurde und wird in der Rechtsmittelbelehrung auf die konkrete E-Mail Adresse (des Stadtmagistrats Z) bzw (alternativ) auf das auf der Homepage der Stadt Z (www.Homepage1.at) bereitgestellte Online-Formular hingewiesen. Der Beschwerdeführer, der von Berufs wegen als Softwareentwickler über einschlägige Kenntnisse im Zusammenhang mit der Einbringung von Eingaben im Wege automationsunterstützter Datenverarbeitung verfügt, hätte bei Aufwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt davon ausgehen müssen, dass die Verwendung eines Formulars, das nicht durch die in der Rechtsmittelbelehrung angeführte Homepage zur Verfügung gestellt wird, dazu führen kann, dass eine mittels Formularservice abgesendete Beschwerde bei einer anderen Behörde bzw bei einer nicht zuständigen Stelle einlagen kann. Der Beschwerdeführer durfte nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass die Übermittlung der Beschwerden unter Heranziehung des Formularservices des Landes Tirol (somit einer anderen Gebietskörperschaft) jedenfalls auch an den (zuständigen) Stadtmagistrat Z übermittelt wird. In der dem Beschwerdeführer unmittelbar nach Absendung seines Formulars übermittelten automatisch erstellen Empfangsbestätigung ist das Amt der Tiroler Landesregierung als Empfänger benannt und hätten dem Beschwerdeführer spätestens zu diesem Zeitpunkt Bedenken hinsichtlich der Übermittlung der Beschwerden an die zuständige Stelle kommen müssen.

Darin, dass es der Beschwerdeführer unterließ, nähere Überprüfungen in Bezug auf die Übermittlung der Beschwerden an die zuständige Behörde durchzuführen, obwohl er sich nicht der in der Rechtsmittelbelehrung angeführten E-Mail Adresse oder des Formularservices der dort angeführten Homepage bediente, liegt ein dem Grad des minderen Versehens übersteigendes Verschulden, das der Bewilligung der Wiedereinsetzung entgegensteht, vor (vgl VwGH 26.02.2014, 2013/02/0268).

Vor dem Hintergrund der höchstgerichtlichen Judikatur kann es daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen der Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verneinte.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Dazu wird auf die in der gegenständlichen Entscheidung jeweils angeführte höchstgerichtliche Judikatur verwiesen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Belehrung und Hinweise

Den Parteien des Beschwerdeverfahrens steht das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung, wenn das Landesverwaltungsgericht Tirol dies in seinem Spruch zugelassen hat, eine ordentliche, ansonsten eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Die Revision ist schriftlich innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung der Entscheidung beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Sie ist - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt, von einer Steuerberaterin bzw. einem Steuerberater oder einer Wirtschaftsprüferin bzw. einem Wirtschaftsprüfer abzufassen und einzubringen.

Beschwerdeführenden Parteien und den im Beschwerdeverfahren Beigetretenen steht weiters das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (Freyung 8, 1010 Wien) zu erheben. Die Beschwerde ist direkt beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Wird die Verfahrenshilfe bewilligt, entfällt die Eingabengebühr und es wird eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt bestellt, die oder der den Schriftsatz verfasst.

Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Zur Vorgangsweise für die elektronische Einbringung und zu weiteren Informationen wird auf die Website des Verfassungsgerichtshofes verwiesen.

Die für eine allfällige Beschwerde oder Revision zu entrichtenden Eingabengebühr beträgt gemäß § 17a Verfassungsgerichtshofgesetz und § 24a Verwaltungsgerichtshofgesetz
Euro 240,00.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Stöbich

(Richter)

Schlagworte

Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2019.20.0229.4

Zuletzt aktualisiert am

13.08.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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