TE Vwgh Erkenntnis 2019/6/26 Ra 2019/21/0115

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Veröffentlicht am 26.06.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
25/04 Sonstiges Strafprozessrecht
40 Verwaltungsverfahren
41/02 Asylrecht
41/02 Melderecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht
41/02 Staatsbürgerschaft
44 Zivildienst
63 Allgemeines Dienstrecht und Besoldungsrecht

Norm

AsylG 2005 §54 Abs5
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
FNG 2014
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z11
FrPolG 2005 §52
FrPolG 2005 §53
FrPolG 2005 §66
FrPolG 2005 §67
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Galesic, über die Revision des A R in I, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25. Februar 2019, G313 2167043-1/8E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005, Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie eines Einreiseverbotes und Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Kosovo, war in erster Ehe, aus der ein im Jahr 2000 geborener Sohn stammt, mit einer Österreicherin verheiratet. Seit 2008 ist er in aufrechter (zweiter) Ehe - wiederum mit einer österreichischen Staatsbürgerin - verheiratet. Das Ehepaar hat drei (2006, 2009 und 2015 geborene) Kinder, ebenfalls österreichische Staatsbürger. 2 Mit Bescheid vom 18. Juli 2017 sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) aus, dass ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde. Es erließ gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 Z 1 FPG. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG stellte es fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers gemäß § 46 FPG in den Kosovo zulässig sei. Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung erkannte es gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG erließ es (begründet mit näher dargestellten Straftaten und deshalb ergangenen strafgerichtlichen Verurteilungen) ein unbefristetes Einreiseverbot.

3 Mit Erkenntnis vom 25. Februar 2019 änderte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in teilweiser Stattgebung einer dagegen erhobenen Beschwerde den genannten Bescheid dahingehend ab, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf acht Jahre herabgesetzt wurde. Im Übrigen wies es die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. 4 Begründend stellte das BVwG u.a. fest, der Revisionswerber habe bis Juli 2004 mit seiner ersten Ehefrau gelebt, bevor er nach England ausgereist sei und dort mit seiner nunmehrigen Ehefrau, einer österreichischen Staatsbürgerin, zusammengelebt habe. Die Scheidung der ersten Ehe sei im Februar 2007 erfolgt. Nach der Rückkehr nach Österreich, Anfang März 2007, habe er bis zu seinem Haftantritt am 7. Juli 2015 im gemeinsamen Haushalt zusammen mit der zweiten Ehefrau sowie den drei gemeinsamen Kindern gewohnt.

Rechtlich erachtete das BVwG auf Grund der Bindung des Revisionswerbers zu seiner in Österreich lebenden Familie die Erlassung eines unbefristeten Einreiseverbotes als verfehlt und setzte dessen Dauer auf acht Jahre herab. Im Übrigen bejahte es das Vorliegen der Voraussetzungen der bereits vom BFA angewendeten gesetzlichen Bestimmungen. Von der Durchführung der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung sah es gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG im Hinblick auf die Klärung des Sachverhalts aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde ab.

5 Über die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Durchführung eines Vorverfahrens, in dessen Rahmen keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

6 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Der Revisionswerber macht u.a. geltend, dass er mit seiner nunmehrigen Ehefrau, einer österreichischen Staatsbürgerin, die von ihrem unionsrechtlichen Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht habe, jahrelang in England zusammengelebt habe. Durch die nachträgliche Eheschließung sei er somit zu einem begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG geworden, sodass sich die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Begleitaussprüchen sowie die Erlassung eines Einreiseverbotes schon von daher als verfehlt erwiesen.

7 Diese Rüge ist insofern berechtigt, als nach den (in Rn. 4 zusammengefasst wiedergegebenen) Feststellungen des BVwG von vornherein indiziert war, die österreichische Ehefrau des Revisionswerbers habe ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht (wie dargestellt gemeinsam mit dem Revisionswerber in England) in Anspruch genommen, und der Revisionswerber sei damit als begünstigter Drittstaatangehöriger nach § 2 Abs. 4 Z 11 FPG anzusehen. Das wäre daher näher zu untersuchen gewesen, woran der Umstand nichts ändert, dass dem Revisionswerber bis 2016 Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" erteilt worden waren. Auch spielt es keine Rolle, dass die Angehörigeneigenschaft (durch die 2008 erfolgte Eheschließung mit der österreichischen Staatsbürgerin) erst nach der potentiellen Ausübung der Freizügigkeit durch die Ehefrau (ab 2004) erworben wurde (vgl. etwa VwGH 20.10.2011, 2009/21/0235, mwN).

8 Gegen begünstigte Drittstaatsangehörige kann eine Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG nicht erlassen werden. Vielmehr sind die Bestimmungen des vierten Abschnitts des achten Hauptstücks des FPG, die in § 66 und in § 67 aufenthaltsbeendende Maßnahmen (u.a.) gegen begünstigte Drittstaatsangehörige (Ausweisung und Aufenthaltsverbot) regeln, einschlägig. Ebenso kommt bei begünstigten Drittstaatsangehörigen die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 von vornherein nicht in Betracht, weil die gesamte Bestimmung des siebenten Hauptstücks gemäß § 54 Abs. 5 AsylG 2005 nicht für diese Personengruppe gilt (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0103, Rn. 10, mwN).

9 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. 10 Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 bis 6 VwGG abgesehen werden.

11 Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 50 VwGG, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20

14.

Wien, am 26. Juni 2019

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210115.L00

Im RIS seit

06.09.2019

Zuletzt aktualisiert am

06.09.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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