TE OGH 2019/6/24 7Nc18/19k

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Veröffentlicht am 24.06.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Höllwerth und die Hofrätin Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** B*****, vertreten durch Heinke Skribe & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A***** Inc, *****, wegen 600 EUR sA, über den Antrag der klagenden Partei auf Bestimmung eines zuständigen Gerichts nach § 28 JN den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Ordinationsantrag wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte mit seiner beim Bezirksgericht Schwechat eingebrachten Klage von der Beklagen die Zahlung von 600 EUR sA gemäß Art 5 iVm Art 7 Abs 2 (wohl gemeint Art 7 Abs 1 lit c) der Verordnung (EG) Nr 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr 265/91 (folgend: FluggastrechteVO). In Folge eines allein von der Beklagten zu verantwortenden Umstands sei der Flug Nr AA105 am 6. 1. 2018 vom Flughafen London-Heathrow (LHR) zum Flughafen John F. Kennedy International-New York (JFK) annulliert worden. Die Bekanntgabe der Annullierung sei weniger als zwei Wochen vor dem planmäßigen Abflugzeitpunkt erfolgt. Die Beklagte habe eine anderweitige Beförderung nicht angeboten. Das angerufene Gericht sei zuständig, weil gestützt auf die FluggastrechteVO der Erfüllungsort iSd § 88 JN als auch iSd Art 7 der Verordnung (EU) Nr 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) sowohl am Ort des Abflugs als auch am Ort der Ankunft des betreffenden Flugs liege.

Das Bezirksgericht Schwechat wies die Klage zurück und sprach aus, dass es international nicht zuständig sei. Der Kläger habe kein Vorbringen erstattet, wonach der Abflugs- oder Ankunftsort Wien-Schwechat wäre, weshalb keine Zuständigkeit gemäß § 88 JN bzw Art 7 EuGVVO vorliege. Im Übrigen sei gerichtsnotorisch, dass die Beklagte – ein amerikanisches Luftfahrtunternehmen – keine Haupt- oder Zweitniederlassung in Deutschland habe.

Das Rekursgericht gab dem gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs des Klägers nicht Folge. Das Vorliegen eines segmentierten Flugs sei nicht behauptet, die Berechnung der Entfernung nach der Großkreismethode allein aufgrund der Strecke London-New York vorgenommen und die als Beweismittel angeführten Buchungsbestätigungen zwar genannt, aber der Klage nicht beigefügt worden. Aufgrund dieser Umstände lägen eindeutige Angaben in Richtung eines Flugs von London nach New York vor, sodass dem Erstgericht durch Nichtdurchführung eines Verbesserungsverfahrens kein Verfahrensfehler vorzuwerfen gewesen sei.

Der Kläger begehrt nun, der Oberste Gerichtshof möge eine Ordination des Rechtsstreits an das Bezirksgericht für Handelssachen Wien vornehmen. Tatsächlich sei eine einheitliche Buchung vom Flughafen Wien-Schwechat (VIE) über London-Heathrow (LHR) nach John F. Kennedy International-New York (JFK) vorgelegen. Der Flughafen Wien-Schwechat sei der Abflugort der ersten Teilstrecke gewesen und liege im Sprengel des angerufenen Gerichts. Vertragspartner des Klägers sei B***** gewesen. Die Beklagte – ein amerikanisches Unternehmen mit Sitz in den USA – habe als ausführendes Flugunternehmen die Beförderung von London nach New York vorgenommen. Die inländische (österreichische) Gerichtsbarkeit liege auf der Hand, weil Österreich zur effektiven Durchsetzung der Ansprüche von Fluggästen aus der FluggastrechteVO verpflichtet sei. Eine Klagsführung in den USA sei dem Kläger nicht zumutbar. Aus den seine Klage zurückweisenden Entscheidungen folge, dass ein örtlich zuständiges Gericht in Österreich infolge Fehlens eines inländischen Erfüllungsorts nicht existiere.

Rechtliche Beurteilung

Der Ordinationsantrag ist nicht berechtigt.

1. Die bereits erfolgte Zurückweisung der Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit steht dem Ordinationsantrag nicht grundsätzlich entgegen, weil im Fall seiner Stattgebung die Klage neu beim ordinierten Gericht einzubringen wäre (vgl 2 Ob 32/08g).

2. Das Fehlen eines örtlichen Zuständigkeitstatbestands in den Normen des inländischen Zivilprozessrechts ist ein Indiz dafür, dass die betreffende Rechtssache nach dem Willen des Gesetzgebers nicht der österreichischen Jurisdiktion unterworfen werden sollte (RS0045463). Die Bestimmung der Zuständigkeit durch den Obersten Gerichtshof setzt deshalb nach § 28 Abs 1 JN voraus, dass 1. Österreich aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrags zur Ausübung von Gerichtsbarkeit verpflichtet ist, 2. der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre oder 3. die inländische Gerichtsbarkeit, nicht aber ein örtlich zuständiges Gericht vereinbart worden ist.

3. Die Voraussetzung nach § 28 Abs 1 Z 1 JN ist (unter anderem) dann gegeben, wenn sich die Verpflichtung zur Ausübung der österreichischen Gerichtsbarkeit aus einem Unionsakt ergibt, der die internationale Zuständigkeit der Vertragsstaaten, aber keinen örtlichen Gerichtsstand normiert (RS0118240).

3.1 Nach Art 3 Abs 1 FluggastrechteVO gilt diese für Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt einen Flug antreten (lit a) und sofern das ausführende Luftfahrtunternehmen ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ist, für Fluggäste, die von einem Flughafen in einem Drittstaat einen Flug zu einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, antreten, es sei denn, sie haben in diesem Drittstaat Gegen- oder Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen erhalten (lit b). Nach Art 3 Abs 5 FluggastrechteVO gilt diese für alle ausführenden Luftfahrtunternehmen, die Beförderungen von Fluggästen im Sinne der Abs 1 und 2 erbringen. Erfüllt ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, das in keiner Vertragsbeziehung mit dem Fluggast steht, Verpflichtungen im Rahmen dieser Verordnung, so wird davon ausgegangen, dass es im Namen der Person handelt die in einer Vertragsbeziehung mit dem betreffenden Fluggast steht.

3.2 Mit Art 3 FluggastrechteVO wird deren Anwendungsbereich bestimmt. Eigene Regelungen über die internationale gerichtliche Zuständigkeit der Vertragsstaaten hinsichtlich ihrer Anwendung enthält die FluggastrechteVO aber nicht. Aus der FluggastrechteVO selbst folgt also keine Verpflichtung zur Ausübung der österreichischen Gerichtsbarkeit iSd § 28 Abs 1 Z 1 JN (5 Nc 25/16w mwN).

3.3 Auch aus der EuGVVO ergeben sich keine Hinweise für die unionsrechtliche Anordnung einer internationalen Zuständigkeit Österreichs und zugleich fehlender örtlicher Zuständigkeit eines österreichischen Gerichts (5 Nc 25/16w).

4. Soweit sich der Kläger auf die angebliche Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit einer Rechtsverfolgung im Ausland (§ 28 Abs 1 Z 2 JN) beruft, hat er nicht dargetan – und es ist auch nicht einsichtig –, welche Hindernisse einer Klagsführung im Ausland entgegenstehen würden und ein vor Ort zu erwirkender Titel dort auch nicht vollstreckbar wäre (7 Ob 2421/96x [New York]; 6 Nc 20/08f [Jersey]; 5 Nc 25/16w [Miami]). Dass gegebenenfalls die inländische materiell-rechtliche Rechtslage günstiger ist als die ausländische rechtfertigt die Ordination ebenfalls nicht (RS0117751).

5. Ein Fall des § 28 Abs 1 Z 3 JN liegt offenkundig nicht vor.

7. Insgesamt besteht keine Grundlage für die Gewährung inländischen Rechtsschutzes trotz Fehlens eines Gerichtsstands im Inland. Der Ordinationsantrag ist demnach nicht berechtigt.

Textnummer

E125787

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0070NC00018.19K.0624.000

Im RIS seit

11.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

25.10.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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