TE Lvwg Erkenntnis 2019/6/28 VGW-151/087/4284/2019

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Veröffentlicht am 28.06.2019
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Entscheidungsdatum

28.06.2019

Index

E2D Assoziierung Türkei
E2D E02401013
E2D E05204000
E2D E11401020
41/02 Passrecht Fremdenrecht
60/04 Arbeitsrecht allgemein
62 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

ARB 1/80 Art. 6
NAG §2 Abs1 Z14
NAG §2 Abs2
NAG §2 Abs3
NAG §24 Abs4
NAG §26
NAG §41a
NAG §45
NAG §64 Abs2
NAG §81 Abs44
AuslBG §17
NAG-DV §8 Z8 litb

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Dr. Zirm über die Beschwerde des Herrn A. B., geb. am ...1989, StA.: Türkei, vertreten durch Rechtsanwalt, vom 18.03.2019, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 13.02.2019, Zl. ..., mit welchem der Antrag vom 22.01.2018 gemäß §§ 24 Abs. 4 iVm. 26 iVm. 41a iVm. 45 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG iVm. Art. 6 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19. September 1980 - 1. Spiegelstrich abgewiesen wurde, nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 30. April 2019 und am 17. Mai 2019 durch mündliche Verkündung

zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass er sich auch auf § 64 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 stützt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

I.       Verfahrensgang

1.       Mit dem angefochtenen Bescheid vom 13. Februar 2019 wurde der Zweckänderungsantrag des Beschwerdeführers auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt EU“ in eventu „Rot-Weiß-Rot-Karte – Plus“, sowie der Verlängerungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck „Student“ abgewiesen.

2.       Gegen diesen Bescheid richtet sich die – rechtzeitig erhobene – Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer seine Anträge auf Erteilung der beantragten Aufenthaltstitel aufrecht erhält und sich dabei im Wesentlichen auf entsprechend erworbene Rechte aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 beruft.

3.       Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte die Beschwerde dem Verwaltungsgericht Wien samt der Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

4.       Das Verwaltungsgericht Wien führte am 30. April und am 17. Mai 2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer sowie der Betreuer seiner Masterarbeit Univ.-Prof. Dr. Dipl.-Ing. C. D. als Zeuge einvernommen wurden.

5.       Die Entscheidung wurde vom Verwaltungsgericht Wien mündlich verkündet und ein rechtzeitiger Ausfertigungsantrag durch den Beschwerdeführervertreter gestellt.

II.      Sachverhalt

1.       Das Verwaltungsgericht Wien legt seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde:

1.1. Der am ... 1989 geborene Beschwerdeführer ist türkischer Staatsbürger.

1.2. Er studiert seit 2008 in Österreich und verfügte bis 24. Jänner 2018 durchgehend über einen jeweils für 12 Monate verlängerten Aufenhaltstitel Student. Im Verlängerungsverfahren beantragte der Beschwerdeführer zunächst die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte – Plus“ und beantragte schließlich mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2018 die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt-EU“, in eventu die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte – Plus“ in eventu die Verlängerung seines Aufenthaltstitels „Student“.

1.3. Der Beschwerdeführer ist nach Österreich gekommen, um hier zu studieren und Deutsch zu lernen und danach in sein Heimatland zurückzukehren, da dort das in Österreich absolvierte E.studium und die deutsche Sprache sehr angesehen sind. Der Beschwerdeführer studierte zunächst von Februar 2008 bis April 2009 im Vorstudienlehrgang und setzte ab 21. April 2009 mit dem Bachelorstudium E. fort. Am 28. August 2015 schloss er das Bachelorstudium ab und studiert seit dem WS 2015/16 im Masterstudium E.. Aktuell ist der Beschwerdeführer im SS 2019 ebenfalls für dieses Studium inskribiert.

1.4. Der Beschwerdeführer hat im Studienjahr 2017/18 eine Prüfung im Umfang von 2 Semesterwochenstunden/ 2,5 ECTS positiv absolviert.

1.5. Seit 3. November 2017 arbeitet der Beschwerdeführer an seiner Masterarbeit zum Thema „...“ und wird von Prof. Dr. Dipl.-Ing. C. D. betreut. Die Abschlussarbeit ist mit 30 ECTS bewertet, wobei der kommissionellen Gesamtprüfung 3 ECTS zugemessen werden. Die vorgesehene Studiendauer für die Erstellung der Masterarbeit beträgt zwei Semester.

1.6. Der Beschwerdeführer hat im Studienjahr 2017/18 keinen ausreichenden Studienfortschritt für seine Masterarbeit erbracht. Er hat ungefähr ein Drittel, somit nicht mehr als 10 ECTS seiner Masterarbeit fertiggestellt.

1.7. Der Beschwerdeführer ist nicht zum Zwecke der Erwerbsausübung nach Österreich gekommen und wurde während seines Studiums von seinen Eltern finanziert. Da diese ihn nicht weiter finanzierten, musste sich der Beschwerdeführer neben dem Studium einen Job in der Gastronomie suchen. Der Beschwerdeführer ist seit 14. Oktober 2016, somit weniger als 3 Jahre, bei der F. GmbH beschäftigt. Er erzielt dort ein monatliches Einkommen von 954,90 Euro netto (inkl. SZ 1.109 Euro netto). Hinzu kommen Trinkgelder in der Höhe von ca. 400 Euro. Eine Beschäftigungsbewilligung bis Jänner 2020 liegt vor. Der Beschwerdeführer würde lieber im E.bereich arbeiten und ist davon auszugehen, dass er in absehbarer Zeit, jedenfalls aber vor Oktober 2020 den Arbeitgeber wechseln wird, da auch die Beendigung seines Studiums für Jänner 2020 geplant ist.

2.       Diese Feststellungen ergeben sich aus folgender Beweiswürdigung:

2.1.    Das Verwaltungsgericht Wien hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, Würdigung des Beschwerdevorbringens und der weiteren im Beschwerdeverfahren vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen, Einholung verschiedener Registerauszüge (Sozialversicherungsdaten, Zentrales Melderegister) und Einvernahme des Beschwerdeführers sowie des Betreuers seiner Masterarbeit Univ.-Prof. Dr. Dipl.-Ing. C. D. in der mündlichen Verhandlung am 30. April bzw. 17. Mai 2019.

2.2.    Die Feststellungen zu den Reise- bzw. Aufenthaltsdaten des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung. Insbesondere ergeben sich auch die Feststellungen zum Zweck seines Aufenthaltes in Österreich, seiner Absicht nach Abschluss des Studiums in die Heimat zurückzukehren und der finanziellen Notwendigkeit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit neben seinem Studium aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers.

2.3.    Die Feststellungen zum Studienerfolg des Beschwerdeführers im Studienjahr 2017/18 ergeben sich aus einem Studienerfolgsnachweis, der Befragung des Beschwerdeführers selbst sowie des betreuenden Professors als Zeuge. Der Beschwerdeführer gab an, dass er zu Beginn seiner Diplomarbeit nicht gut vorangekommen sei, weil er wegen des fehlenden „Visums“ nicht reisen konnte und weil er finanzielle Schwierigkeiten hatte. Es sei ihm zwar gelungen, die geschichtlichen Grundlagen in ca. einer Woche zusammenzufassen, er sei dann aber nicht in der Lage gewesen, mit dem Entwurf zu beginnen. Auch der Betreuer seiner Abschlussarbeit gab als Zeuge einvernommen an, dass der Beschwerdeführer jedenfalls noch nicht die Hälfte der Arbeit fertiggestellt hätte, sondern, dass der Studienfortschritt vielmehr 10 ECTS entsprechen würde. Die Feststellungen zum generellen Umfang und ECTS-Bewertung der Abschlussarbeit im Masterstudium E. gründen auf dem Studienplan (Curriculum) für das Masterstudium E. ... an der ... Universität ....

2.4.    Die Feststellungen zur Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus einem Sozialversicherungsauszug und den eigenen Angaben des Beschwerdeführers sowie vorgelegter Kontoauszüge und Lohnbestätigungen. Insbesondere hat der Beschwerdeführer auch selbst angegeben, lieber im E.bereich arbeiten zu wollen und seine Erwerbstätigkeit in der Hotellerie nur deshalb aufgenommen zu haben, um sich das Studium zu finanzieren.

III.     Rechtliche Beurteilung

1.       Rechtslage:

1.1.    Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes – NAG, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018, lauten:

Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

[…]

14. unionsrechtliches Aufenthaltsrecht: das auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie gewährte Recht eines EWR-Bürgers und seiner Angehörigen sich im Bundesgebiet für mehr als drei Monate oder auf Dauer aufzuhalten;

[…]

(2) Niederlassung ist der tatsächliche oder zukünftig beabsichtigte Aufenthalt im Bundesgebiet zum Zweck

         1.       der Begründung eines Wohnsitzes, der länger als sechs Monate im Jahr tatsächlich besteht;

         2.       der Begründung eines Mittelpunktes der Lebensinteressen oder

         3.       der Aufnahme einer nicht bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit.

(3) Der rechtmäßige Aufenthalt eines Fremden auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 Abs. 1 Z 12) gilt nicht als Niederlassung im Sinne des Abs. 2.

"Verlängerungsverfahren

§ 24. (1) Verlängerungsanträge (§ 2 Abs. 1 Z 11) sind vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels, frühestens jedoch drei Monate vor diesem Zeitpunkt, bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen; § 23 gilt. Danach gelten Anträge als Erstanträge. Nach Stellung eines Verlängerungsantrages ist der Antragsteller, unbeschadet der Bestimmungen nach dem FPG, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Über die rechtzeitige Antragstellung kann dem Fremden auf begründeten Antrag eine einmalige Bestätigung im Reisedokument angebracht werden, die keine längere Gültigkeitsdauer als drei Monate aufweisen darf. Diese Bestätigung berechtigt zur visumfreien Einreise in das Bundesgebiet. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, Form und Inhalt der Bestätigung durch Verordnung zu regeln.

[…]

(4) Mit einem Verlängerungsantrag (Abs. 1) kann bis zur Erlassung des Bescheides ein Antrag auf Änderung des Aufenthaltszwecks des bisher innegehabten Aufenthaltstitels oder auf Änderung des Aufenthaltstitels verbunden werden. Sind die Voraussetzungen für den beantragten anderen Aufenthaltszweck oder Aufenthaltstitel nicht erfüllt, ist darüber gesondert mit Bescheid abzusprechen und der bisherige Aufenthaltstitel mit dem gleichen Aufenthaltszweck zu verlängern, soweit die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen.

[…]

Zweckänderungsverfahren

§ 26. Wenn der Fremde den Aufenthaltszweck während seines Aufenthalts in Österreich ändern will, hat er dies der Behörde im Inland unverzüglich bekannt zu geben. Eine Zweckänderung ist nur zulässig, wenn der Fremde die Voraussetzungen für den beantragten Aufenthaltstitel erfüllt und ein gegebenenfalls erforderlicher Quotenplatz zur Verfügung steht. Sind alle Voraussetzungen gegeben, hat der Fremde einen Rechtsanspruch auf Erteilung dieses Aufenthaltstitels. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, ist der Antrag abzuweisen; die Abweisung hat keine Auswirkung auf das bestehende Aufenthaltsrecht.

Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“

§ 41a. (1) Drittstaatsangehörigen kann in einem Verfahren gemäß § 24 Abs. 4 oder § 26 ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ erteilt werden, wenn

         1.       sie bereits zwei Jahre einen Aufenthaltstitel gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 Z 1 bis 3 besitzen,

         2.       sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

         3.       eine Mitteilung gemäß § 20e Abs. 1 Z 2 AuslBG vorliegt.

(2) Drittstaatsangehörigen kann in einem Verfahren gemäß § 24 Abs. 4 oder § 26 ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ erteilt werden, wenn

         1.       sie bereits zwei Jahre einen Aufenthaltstitel gemäß § 42 besitzen,

         2.       sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

         3.       eine Mitteilung gemäß § 20e Abs. 1 Z 3 AuslBG vorliegt.

(3) Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu erteilen, wenn eine Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 59 Abs. 4 AsylG 2005 vorliegt. Der Aufenthaltstitel ist unverzüglich, längstens jedoch binnen acht Wochen ab Zustellung der Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, zu erteilen. § 20 Abs. 2 gilt sinngemäß.

(4) Drittstaatsangehörigen kann in einem Verfahren gemäß § 24 Abs. 4 oder § 26 ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ erteilt werden, wenn sie

         1.       die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

         2.       mindestens zwei Jahre über eine Niederlassungsbewilligung gemäß § 43c verfügt haben.

(5) Der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ ist an Drittstaatsangehörige im Fall der Rückstufung gemäß § 28 zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllt sind.

(6) Drittstaatsangehörigen kann ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ erteilt werden, wenn sie

         1.       die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

         2.       über einen Aufenthaltstitel gemäß § 45 verfügt haben und dieser gemäß § 20 Abs. 4 oder 4a erloschen ist oder gemäß § 10 Abs. 3 Z 3 oder Z 4 gegenstandslos wurde.

(7) Drittstaatsangehörigen kann in einem Verfahren gemäß § 24 Abs. 4 oder § 26 ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ erteilt werden, wenn

         1.       sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen,

         2.       sie über eine „Niederlassungsbewilligung“ verfügen und

         3.       eine schriftliche Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 20e Abs. 1 Z 1 AuslBG vorliegt.

(7a) Drittstaatsangehörigen kann in einem Verfahren gemäß § 24 Abs. 4 oder § 26 ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ erteilt werden, wenn

         1.       sie bereits zwei Jahre einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß § 41 Abs. 2 Z 5 besitzen,

         2.       sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

         3.       eine schriftliche Mitteilung der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 24 Abs. 4 AuslBG vorliegt.

(8) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist auf Antrag ohne weiteres ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu erteilen, wenn ein Fall des § 59 Abs. 2 StbG vorliegt und ein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ (§ 45 Abs. 10) nicht zu erteilen ist.

(9) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu erteilen, wenn sie

         1.       für einen Zeitraum von zwölf Monaten über eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß §§ 55 Abs. 1 oder 56 Abs. 1 AsylG 2005,

         2.       für einen Zeitraum von zwölf Monaten über eine „Aufenthaltsberechtigung“ gemäß §§ 55 Abs. 2 oder 56 Abs. 2 AsylG 2005 oder

         3.       über eine Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 3

verfügen und das Modul 1 der Integrationsvereinbarung (§ 9 IntG) erfüllt haben oder zum Entscheidungszeitpunkt eine Erwerbstätigkeit ausüben, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG BGBl. Nr. 189/1955 erreicht wird.

(10) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 bis 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß § 11 Abs. 2 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag, der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu erteilen, wenn es sich um einen unbegleiteten minderjährigen Fremden handelt und sich der Minderjährige auf Grund eines Gerichtsbeschlusses, kraft Gesetzes oder einer Vereinbarung der leiblichen Eltern mit dem Kinder- und Jugendhilfeträger zum Schutz des Kindeswohles nicht bloß vorübergehend in Obhut von Pflegeeltern oder des Kinder- und Jugendhilfeträgers befindet. Die Pflegeeltern gelten diesfalls als gesetzliche Vertreter im Sinne des § 19. Dieser Aufenthaltstitel ist gebührenfrei zu erteilen.

(11) In den Fällen der Abs. 1, 2, 7 und 7a ist von der Einholung einer schriftlichen Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle oder eines Gutachtens der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice abzusehen, wenn der Antrag

         1.       wegen eines Formmangels oder Fehlens einer Voraussetzung gemäß §§ 19 bis 24 zurück- oder abzuweisen ist oder

         2.       wegen zwingender Erteilungshindernisse gemäß § 11 Abs. 1 abzuweisen ist.

Erwächst die negative Entscheidung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice über die Zulassung in den Fällen des § 20e Abs. 1 AuslBG in Rechtskraft, ist das Verfahren ohne weiteres einzustellen.

Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“

§ 45. (1) Drittstaatsangehörigen, die in den letzten fünf Jahren ununterbrochen tatsächlich niedergelassen waren, kann ein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ erteilt werden, wenn sie

1.

die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

2.

das Modul 2 der Integrationsvereinbarung (§ 10 IntG) erfüllt haben.

(2) Zur Niederlassung berechtigten Drittstaatsangehörigen ist die Zeit eines unmittelbar vorangehenden rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 Abs. 1 Z 12) oder eines Aufenthaltstitels „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ (§ 57 AsylG 2005) zur Hälfte auf die Fünfjahresfrist gemäß Abs. 1 anzurechnen. Zur Niederlassung berechtigten Drittstaatsangehörigen ist die Zeit eines unmittelbar vorangehenden rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet aufgrund einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ (§ 54 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005) oder einer „Aufenthaltsberechtigung“ (§ 54 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005) zur Gänze auf die Fünfjahresfrist anzurechnen.

(3)bis (10) […]

(11) Abs. 1 gilt auch für Drittstaatsangehörige, denen in den letzten fünf Jahren ununterbrochen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zugekommen ist, eine Aufenthaltsbeendigung trotz Verlusts dieses Aufenthaltsrechts jedoch unterblieben ist.

(12) […]

Studenten

§ 64. (1) Drittstaatsangehörigen ist eine Aufenthaltsbewilligung als Student auszustellen, wenn sie

1. die Voraussetzungen des 1. Teiles mit Ausnahme des § 11 Abs. 2 Z 2 erfüllen und

2. ein ordentliches Studium an einer Universität, Fachhochschule, akkreditierten Privatuniversität, öffentlichen oder privaten Pädagogischen Hochschule gemäß dem Hochschulgesetz 2005, BGBl. I Nr. 30/2006, absolvieren,

[…]

Eine Haftungserklärung ist zulässig.

(2) Dient der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen der Durchführung eines ordentlichen oder außerordentlichen Studiums, ist die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung für diesen Zweck nur zulässig, wenn dieser nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften einen Studienerfolgsnachweis der Universität, Fachhochschule, akkreditierten Privatuniversität oder Pädagogischen Hochschule erbringt und in den Fällen des Abs. 1 Z 4 darüber hinaus spätestens innerhalb von zwei Jahren die Zulassung zu einem Studium gemäß Abs. 1 Z 2 nachweist. Dient der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen der Durchführung einer gesetzlich verpflichtenden fachlichen Ausbildung gemäß Abs. 1 Z 7, ist die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung zu diesem Zweck nur zulässig, wenn der Drittstaatsangehörige einen angemessenen Ausbildungsfortschritt nach Maßgabe der der jeweiligen Ausbildung zugrundeliegenden gesetzlichen Vorschriften erbringt. Liegen Gründe vor, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind, kann trotz Fehlens des Studienerfolges oder Ausbildungsfortschrittes eine Aufenthaltsbewilligung verlängert werden.

[…]“

Übergangsbestimmungen

§ 81. (1) […]

(42) Vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 84/2017 erteilte Aufenthaltsbewilligungen gemäß §§ 61, 62, 67 und 69 gelten innerhalb ihrer Gültigkeitsdauer wie folgt weiter:

         1.       Aufenthaltsbewilligung „Künstler“ als „Niederlassungsbewilligung – Künstler“,

         2.       Aufenthaltsbewilligung „Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“, sofern der Aufenthaltsbewilligung eine Tätigkeit gemäß § 1 Abs. 2 lit. b, c, d, f, g oder i AuslBG oder § 1 Z 1, 2, 4, 7, 8, 9 oder 12 AuslBVO zu Grunde liegt, als „Niederlassungsbewilligung – Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“,

         3.       Aufenthaltsbewilligung „Forscher“ als „Niederlassungsbewilligung – Forscher“,

         4.       Aufenthaltsbewilligung „Familiengemeinschaft“ als „Niederlassungsbewilligung“, sofern der Zusammenführende eine Aufenthaltsbewilligung „Künstler“ innehat,

         5.       Aufenthaltsbewilligung „Familiengemeinschaft“ als „Niederlassungsbewilligung“, sofern der Zusammenführende eine Aufenthaltsbewilligung „Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“ und dieser eine Tätigkeit gemäß § 1 Abs. 2 lit. b, c, d, f oder g AuslBG oder § 1 Z 1, 2, 4, 7, 8, 9 oder 12 AuslBVO zu Grunde liegt, innehat,

         6.       Aufenthaltsbewilligung „Familiengemeinschaft“ als Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“, sofern der Zusammenführende eine Aufenthaltsbewilligung „Forscher“ oder eine Aufenthaltsbewilligung „Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“, sofern letzterer eine Tätigkeit gemäß § 1 Abs. 2 lit. i AuslBG zu Grunde liegt, innehat.

(43) […]

(44) Abweichend von § 45 Abs. 2 erster Satz ist die Zeit eines unmittelbar vorangehenden rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet auf Grund eines gemäß Abs. 42 zur Niederlassung berechtigenden Aufenthaltstitels zur Gänze auf die Fünfjahresfrist gemäß § 45 Abs. 1 anzurechnen.

[…]“

1.2.    Der im Beschwerdefall maßgebliche § 17 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes - AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975 idF BGBl. I Nr. 72/2013, lautet:

„Unbeschränkter Zugang zum Arbeitsmarkt

§ 17. Ausländer, die über

1.

eine „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ (§ 41a NAG) oder

2.

einen Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ (§ 47 NAG) oder „Daueraufenthalt – EU“ (§ 45 NAG) oder

3.

eine „Aufenthaltsberechtigung – plus“ (§ 54 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005)

verfügen, sind zur Ausübung einer Beschäftigung im gesamten Bundesgebiet berechtigt.“

1.3.    Der im Beschwerdefall maßgebliche § 8 Z 8 lit. b der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz- Durchführungsverordnung – NAG-DV, BGBl. II Nr. 451/2005 idF BGBl. II Nr. 229/2018, lautet:

„Weitere Urkunden und Nachweise für Aufenthaltsbewilligungen

§ 8. Zusätzlich zu den in § 7 genannten Urkunden und Nachweisen sind dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung folgende weitere Urkunden und Nachweise anzuschließen:

[…]

8. für eine Aufenthaltsbewilligung „Student“:

[…]

b) im Fall eines Verlängerungsantrages ein schriftlicher Nachweis der Universität, der Fachhochschule, der akkreditierten Privatuniversität oder der öffentlichen oder privaten Pädagogischen Hochschule über den Studienerfolg im vorangegangenen Studienjahr, insbesondere ein Studienerfolgsnachweis gemäß § 74 Abs. 6 des Universitätsgesetzes 2002 (UG), BGBl. I Nr. 120 idF BGBl. I Nr. 56/2018 sowie ein aktuelles Studienblatt und eine Studienbestätigung gemäß § 62 Abs. 4 UG; im Fall des § 64 Abs. 1 Z 4 NAG zusätzlich ein Nachweis über die Zulassung zu einem Studium gemäß § 64 Abs. 1 Z 2 NAG innerhalb von zwei Jahren;

[…].“

1.4.    Die maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 23. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2011/51/EU vom 11. Mai 2011, lauten auszugsweise:

„Artikel 3

Anwendungsbereich

(1)  Diese Richtlinie findet auf Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhalten.

(2)  Diese Richtlinie findet keine Anwendung auf Drittstaatsangehörige,

a) die sich zwecks Studiums oder Berufsausbildung aufhalten;

b) […]

c) […]

d) […]

e) die sich ausschließlich vorübergehend wie etwa als Au-pair oder Saisonarbeitnehmer, als von einem Dienstleistungserbringer im Rahmen der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen entsendete Arbeitnehmer oder als Erbringer grenzüberschreitender Dienstleistungen aufhalten oder deren Aufenthaltsgenehmigung förmlich begrenzt wurde;

f) […]

(3)  Diese Richtlinie findet Anwendung vorbehaltlich günstigerer Bestimmungen

a) der bilateralen und multilateralen Übereinkünfte zwischen der Gemeinschaft oder der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Drittländern andererseits;

b) der vor Inkrafttreten dieser Richtlinie zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittland abgeschlossenen bilateralen Übereinkünfte;

c) […]

Artikel 4

Dauer des Aufenthalts

(1)  Die Mitgliedstaaten erteilen Drittstaatsangehörigen, die sich unmittelbar vor der Stellung des entsprechenden Antrags fünf Jahre lang ununterbrochen rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufgehalten haben, die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten.

(1a)  […]

(2)  In die Berechnung des Zeitraums gemäß Absatz 1 fließen die Zeiten nicht ein, in denen sich der Drittstaatsangehörige aus den in Artikel 3 Absatz 2 Buchstaben e) und f) genannten Gründen im betreffenden Mitgliedstaat aufgehalten hat.

In den in Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe a) genannten Fällen, in denen dem betreffenden Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltstitel gewährt wurde, auf dessen Grundlage ihm die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zuerkannt werden kann, fließen die Zeiten, in denen er sich zwecks Studiums oder Berufsausbildung in dem Mitgliedstaat aufgehalten hat, nur zur Hälfte in die Berechnung des Zeitraums gemäß Absatz 1 ein.

[…]“

1.5.    Gemäß Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses des – durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten – Assoziationsrates vom 19. September 1980, Nr. 1/80, über die Entwicklung der Assoziation (ab hier: ARB 1/80) hat – vorbehaltlich der hier fallbezogen nicht in Betracht kommenden Bestimmungen in Art. 7 ARB – ein türkischer Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, in diesem Mitgliedstaat

- nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;

- nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedsstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;

- nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.

2.       Erwägungen:

Der Beschwerdeführer beantragt die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt-EU“, in eventu die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte – Plus“ in eventu die Verlängerung seines Aufenthaltstitels „Student“.

2.1.          Zum Aufenthaltstitel Daueraufenthalt-EU (§ 45 NAG):

2.1.1.       Die Beschwerde führt aus, der Beschwerdeführer erfülle die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels Daueraufenthalt-EU, da er unstrittig seit mehr als einem Jahr beim selben Arbeitgeber tätig sei und die Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechtes nach dem ARB 1/80 erfülle, was nach der Systematik des NAG einer Niederlassung entspreche. Dies ermögliche dem Beschwerdeführer aufgrund der bisher erworbenen Zeiten als Studierender, die zur Hälfte anzurechnen seien, die Erlangung eines Aufenthaltstitels Daueraufenthalt-EU.

2.1.2.       Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels Daueraufenthalt-EU ist ua. eine ununterbrochene tatsächliche Niederlassung in den letzten fünf Jahren (§ 45 Abs. 1 NAG). Gemäß § 45 Abs. 2 NAG ist zur Niederlassung berechtigten Drittstaatsangehörigen unter anderem die Zeit eines unmittelbar vorangehenden rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 Abs. 1 Z 12) zur Hälfte auf die Fünfjahresfrist gemäß Abs. 1 anzurechnen. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 45 Abs. 1 und 2 NAG ist somit nach dem Gesetzeswortlaut zunächst, dass der Antragsteller (Beschwerdeführer) im Zeitpunkt der Entscheidung über seinen Antrag (Beschwerde) in Österreich niedergelassen ist (vgl. auch Peyrl in Abermann/Czech/Kind/Peyrl (Hrsg.), NAG (2016) § 45 Rz 7).

2.1.3.       Gemäß § 2 Abs. 3 NAG gilt der rechtmäßige Aufenthalt eines Fremden auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 Abs. 1 Z 12) nicht als Niederlassung im Sinne des Abs. 2 leg. cit. Ein direkter Umstieg von einer Aufenthaltsbewilligung auf einen Daueraufenthalt-EU ist daher grundsätzlich nicht möglich, da der Fremde im Erteilungszeitpunkt zur Niederlassung berechtigt sein muss (vgl. auch die Erläuternden Bemerkungen zu § 45 Abs. 1a idF BGBl. I Nr. 122/2009, RV 330 BlgNR 24. GP 48 f).

2.1.4.       Da § 45 NAG in Umsetzung der Richtlinie 2003/109/EG ergangen ist, welche eine Unterscheidung zwischen Niederlassungsbewilligung und Aufenthaltsbewilligung nicht kennt, erfuhren diese nationalen gesetzlichen Regelungen bereits Einschränkungen durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes: Nur wenn eine Ausnahme vom Anwendungsbereich der RL 2003/109/EG vorliege, dürfe bei einem rechtmäßigen ununterbrochenen Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen eine Anwendung dieser Richtlinie und somit eine Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 45 NAG nicht in Betracht kommen (vgl. VwGH 19.4.2016, Ro 2015/22/0010, Rz 11). Weiteren Entscheidungen folgend (vgl. VwGH 7.6.2016, Ro 2016/22/0008 und 20.7.2016, Ro 2016/22/0011) sanierte der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 81 Abs. 44 NAG auch den strengen Wortlaut des § 45 NAG dahingehend, dass er die volle Berücksichtigung von – nach der Diktion des NAG – bestimmten (bloßen) Aufenthaltsbewilligungszeiten ermöglicht.

2.1.5.       Aufenthalte von Drittstaatsangehörigen, die zwar rechtmäßig und gegebenenfalls ununterbrochen sind, aber a priori nicht den Willen dieser Personen widerspiegeln, im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten langfristig ansässig zu sein, schließt Art. 3 Abs. 2 der RL 2003/109/EG in Anbetracht der genannten Ziele, nämlich die Integration von langfristig ansässigen Drittstaatsangehörigen und die Annäherung ihrer Rechtsstellung von Mitgliedstaatsangehörigen, von deren Anwendungsbereich aus (EuGH 18.10.2012, C-502/10 Mangat Singh, Rz 45 und 47).

2.1.6.       Der Beschwerdeführer hatte bisher unstrittig noch keinen Aufenthaltstitel nach dem NAG inne, der ihn zur Niederlassung berechtigt. Eine Aufenthaltsbewilligung zum Zweck des Studiums (§ 64 NAG) berechtigt Fremde nach ständiger Rechtsprechung des VwGH gemäß § 8 Abs. 1 Z 5 NAG zu einem vorübergehenden befristeten Aufenthalt, jedoch – anders als die in den Z 1 bis 4 dieser Bestimmung geregelten Titel – nicht zur Niederlassung (vgl. zB. VwGH 17.12.2013, 2012/09/0137; 13.11.2007, 2006/18/0301). Auch Art. 3 Abs. 2 lit. a der RL 2003/109/EG sieht eine Ausnahme für Aufenthalte zum Zwecke des Studiums oder eine Berufsausbildung vor, sodass der Beschwerdeführer sich hinsichtlich seiner bisher innegehabten Aufenthaltsbewilligungen für den Zweck Student auch nicht auf die RL 2003/109/EG berufen kann.

2.1.7.       Der Beschwerdeführer behauptet allerdings, dass sein aus dem ersten Spiegelstrich des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 abgeleitetes Aufenthaltsrecht einer Niederlassung iSd. NAG entspreche und dass er daher seit 14. Oktober 2017 in Österreich niedergelassen sei. Nur bei Zutreffen dieser Sichtweise, nämlich dass der Beschwerdeführer unter § 45 NAG bzw. in den Anwendungsbereich der RL 2003/109/EG fällt, könnten seine Studienzeiten gemäß § 45 Abs. 2 NAG zur Hälfte angerechnet werden (vgl. Art. 4 Abs. 2 der RL 2003/109/EG der regelt, dass Drittstaatsangehörigen, denen ein Aufenthaltstitel gewährt wurde, auf dessen Grundlage ihnen die Rechtsstellung von langfristig Aufenthaltsberechtigten zuerkannt werden kann, die Zeiten, in denen sie sich zwecks Studiums oder Berufsausbildung in dem Mitgliedstaat aufgehalten haben, zur Hälfte in den fünfjährigen Zeitraums angerechnet werden) und würde der Beschwerdeführer die erforderlichen fünf Jahre gemäß § 45 Abs. 1 NAG erfüllen.

2.1.8.       Die RL 2003/109/EG findet gemäß Art. 3 Abs. 1 auf Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates aufhalten. Diese Voraussetzung erfüllt der Beschwerdeführer; er verfügte durchgehend über Aufenthaltstitel für Studenten und befindet sich derzeit im Verlängerungs-/Zweckänderungsverfahren.

2.1.9.       Die Richtlinie schließt – neben den unter Pkt. 2.1.6. genannten Studierenden – allerdings auch Drittstaatsangehörige von ihrem Anwendungsbereich aus, deren Aufenthaltsgenehmigungen „förmlich begrenzt“ wurden (Art. 3 Abs. 2 lit. e RL 2003/109/EG).

2.1.10.      Zunächst ist zu betonen, dass türkische Staatsbürger aufgrund des ARB 1/80 über ein bloß abgeleitetes Aufenthaltsrecht verfügen, welches an ihre Zugehörigkeit zum inländischen Arbeitsmarkt geknüpft ist; das Aufenthaltsrecht erfließt als Folge des Rechts auf Zugang zum Arbeitsmarkt und der tatsächlichen Ausübung einer Beschäftigung (vgl. etwa VwGH 13.12.2018, 2018/22/0004). Eine „Aufenthaltsgenehmigung“ iSd RL 2003/109/EG wird türkischen Staatsangehörigen aus diesem Titel somit nicht erteilt, diese leiten ihr Aufenthaltsrecht unmittelbar aus dem ARB 1/80 ab. Mit Erfüllung des ersten Spiegelstrichs des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 wurde dem Beschwerdeführer daher kein Aufenthaltstitel verliehen oder eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt, auf dessen Grundlage ihm die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zuerkannt werden kann (vgl. Art. 4 Abs. 2 RL 2003/109/EG). Da im Fall türkischer Staatsbürger, die unter Art. 6 ARB 1/80 fallen, eine nationale Aufenthaltsberechtigung nur deklaratorischen Charakter hätte (vgl. wiederum VwGH 13.12.2018, 2018/22/0004 mwN) und Art. 3 Abs. 1 RL 2003/109/EG nur auf den rechtmäßigen Aufenhalt abstellt, ist – auch im Sinne der Günstigkeitsklausel des Art. 3 Abs. 3 lit. a RL 2003/109/EG – das so für türkische Staatsbürger erfließende Aufenthaltsrecht einer von einem Mitgliedstaat erteilten Aufenthaltsgenehmigung gleichzuhalten.

2.1.11.      Nach der Rechtsprechung des EuGH 18.10.2012, C-502/10 Mangat Singh, insb Rz 50 ff, kann eine förmlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigung im Sinne des nationalen Rechts, deren förmliche Begrenzung den betreffenden Drittstaatsangehörigen aber nicht daran hindert, langfristig ansässig zu sein, nicht als förmlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigung im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der RL 2003/109/EG eingestuft werden.

Der auf der Grundlage einer solchen Aufenthaltsgenehmigung erfolgte Aufenthalt ist bei der Erlangung der Rechtsstellung eines langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen durch ihren Inhaber als rechtmäßiger Aufenthalt anzusehen.

2.1.12.      Gerade eine solche förmliche Begrenzung, ist einem türksichen Staatsangehörigen nach dem ersten Spiegelstrich des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 zukommenden Aufenthaltsrecht jedoch inhärent. Dieses knüpft erstens, wie unter Pkt. 2.1.10. ausgeführt, an die Zugehörigkeit zum Arbeitsmarkt an. Es handelt sich daher um kein „zeitlich unbeschränktes und unbedingtes Aufenthaltsrecht“ (vgl. Akyürek, Das Assoziationsabkommen EWG-Türkei (2005) 126 f und 140). Zweitens ist dieses Aufenthaltsrecht inhaltlich dermaßen eingeschränkt, dass es den rechtmäßigen Aufenthalt nur während der Zeit der Arbeit beim selben Arbeitgeber ermöglicht. Schon deshalb liegt eine förmliche Begrenzung und damit eine Ausnahme vom Anwendungsbereich der RL 2003/109/EG vor.

2.1.11.      Auch der vom BFV genannte § 45 Abs. 11 NAG gilt nur für Drittstaatsangehörige, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zugekommen ist. Das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht wird in § 2 Abs. 1 Z 14 definiert und bezieht sich lediglich auf das auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie gewährte Recht eines EWR-Bürgers und seiner Angehörigen sich im Bundesgebiet für mehr als drei Monate oder auf Dauer aufzuhalten. Der Beschwerdeführer ist aber weder EWR-Bürger noch ein Angehöriger eines solchen, weshalb diese Bestimmung für ihn nicht zur Anwendung gelangen kann. § 45 Abs. 11 NAG soll vielmehr Personen erfassen, die bisher in den Anwendungsbereich der §§ 51ff NAG gefallen sind (vgl. RV 330 BlgNR 24. GP 49), was der Beschwerdeführer jedoch zweifellos nicht tat.

2.1.12.      Langfristig zum Aufenthalt berechtigte Drittstaatsangehörige sind mit der Erteilung des Aufenthaltstitels Daueraufenthalt- EG aufenthaltsverfestigte Ausländer und erhalten damit gemäß § 17 AuslBG unbeschränkten Arbeitsmarktzugang im gesamten Bundesgebiet. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels Daueraufenthalt-EU an den Beschwerdeführer würde daher auch mit der unter Pkt. 2.2. näher behandelten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage des Anspruches türkischer Staatsbürger auf die Erteilung einer Rot-Weiß-Rot – Karte plus nicht einhergehen, wonach die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG, der dem Betroffenen mehr gewährt, als ihm nach dem ARB 1/80 tatsächlich zusteht, zu verneinen ist (vgl. zB. VwGH 9.8.2018, Ro 2017/22/0015; 6.9.2018 Ro 2018/22/0008, 28.2.2019, Ra 2018/22/0100). So würde der Beschwerdeführer plötzlich einen unbeschränkten Arbeitsmarktzugang erhalten, obwohl ihm nach dem ARB 1/80 lediglich eine Bewilligung für die Fortführung seiner Arbeit beim selben Arbeitgeber zusteht.

2.1.13.      Zuletzt war der Aufenthaltstitel fallbezogen auch deshalb nicht zu erteilen, da der Beschwerdeführer keine dauerhafte Niederlassungsabsicht im Bundesgebiet verfolgt. Dieser hat nach eigenen Angaben den Wunsch in Österreich zu studieren und die deutsche Sprache zu lernen, da dies in seinem Heimatstaat angesehen ist. Er fällt somit dem Zweck nach unter Art. 3 Abs. 2 lit. a RL 2003/109/EG. Aufenthalte von Drittstaatsangehörigen, die zwar rechtmäßig und gegebenenfalls ununterbrochen sind, aber a priori nicht den Willen dieser Personen widerspiegeln, im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten langfristig ansässig zu sein, schließt Art. 3 Abs. 2 der RL 2003/109 in Anbetracht der genannten Ziele von deren Anwendungsbereich aus (vlg. erneut EuGH 18.10.2012, C-502/10 Mangat Singh, Rz 47).

Eine Erwerbstätigkeit hat der Beschwerdeführer überhaupt nur aus finanziellen Motiven aufgenommen, um sein Studium zu finanzieren. Da er in der Hotellerie nur deshalb arbeitet, da er derzeit im E.bereich keine Anstellung findet, ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer den Arbeitgeber in absehbarer Zeit, jedoch vor Oktober 2020 wechseln wird. Der Beschwerdeführer würde damit aber seine Begünstigungen nach dem ARB 1/80 verlieren, wenn er nicht vier Jahre beim selben Arbeitgeber tätig war. Würde der Beschwerdeführer somit nunmehr einen Aufenthaltstitel Daueraufenthalt-EU erhalten, so würde ihm dies schon jetzt einen unbeschränkten Arbeitsmarktzugang verschaffen, was weder der Intention des NAG noch des ARB 1/80 entsprechen würde.

2.1.14. Der Zweckänderungsantrag wurde von der belangten Behörde daher zu Recht abgewiesen. Die Beschwerde war daher diesbezüglich abzuweisen.

2.2.          Zum Aufenthaltstitel Rot-Weiß-Rot-Karte – Plus:

2.2.1.       Der Beschwerdeführer führt in seiner Beschwerde aus, er sei seit rund drei Jahren beim selben Arbeitgeber angestellt und sei – so im Wesentlichen die Ausführungen des Beschwerdeführers – iVm. Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 daraus ein Anspruch auf Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ abzuleiten. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach kein solcher Anspruch bestehe, beziehe sich lediglich auf Fälle, in denen der Betroffene seit mehr als einem Jahr bei der gleichen Firma beschäftigt sei. Sie komme aber nicht zur Anwendung, wenn der Betroffene bereits drei Jahre beim selben Arbeitgeber arbeite.

2.2.2.       Damit übersieht der Beschwerdeführer, dass er lediglich unter den ersten Spiegelstrich des Art. 6 Abs. 1 des ARB 1/80 fällt, da er seit mehr als einem Jahr und weniger als 3 Jahren beim selben Arbeitgeber beschäftigt ist und damit die von ihm zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes sehr wohl Anwendung findet:

2.2.3.  Mit Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 wurde ein System der abgestuften Eingliederung der türkischen Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats geschaffen. Aus der Systematik und der praktischen Wirksamkeit dieses Systems folgt, dass die in den drei Spiegelstrichen dieser Bestimmung jeweils aufgestellten Bedingungen von den Betroffenen nacheinander erfüllt werden müssen (VwGH 21.3.2017, Ra 2016/22/0098). Ein türkischer Arbeitnehmer, der noch nicht das Recht auf freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis nach Art. 6 Abs. 1 dritter Spiegelstrich ARB 1/80 in Anspruch nehmen kann, muss im Aufnahmemitgliedstaat grundsätzlich eine ununterbrochene ordnungsgemäße Beschäftigung während der erforderlichen Zeit ausüben, sofern er keinen legitimen Grund der in Art. 6 Abs. 2 ARB 1/80 genannten Art für die Unterbrechung seiner Beschäftigungszeiten anführen kann (VwGH 21.3.2017, Ra 2016/22/0098).

2.2.4.  Der Verwaltungsgerichthof hat in seinem Erkenntnis vom 9. August 2018, Ro 2017/22/0015, zu einem vergleichbaren Fall Folgendes ausgesprochen:

„[…]Dieses Aufenthaltsrecht als Folge des Rechts auf Zugang zum Arbeitsmarkt und auf die tatsächliche Ausübung einer Beschäftigung ist ab diesem Zeitpunkt unmittelbar aus dem ARB 1/80 herzuleiten und wird nicht erst durch die Erteilung einer entsprechenden nationalen Erlaubnis begründet (vgl. VwGH 23.6.2015, Ro 2014/22/0038). Die sich aus Art. 6 ARB 1/80 ergebenden individuellen Rechte stehen türkischen Arbeitnehmern unmittelbar zu (VwGH 24.5.2017, Ra 2017/09/0014, Rn. 15). Eine nationale Aufenthaltsberechtigung hätte demnach bloß deklaratorischen Charakter (VwGH 10.11.2009, 2008/22/0687, mwN). Auch nach der Judikatur des EuGH stehen die nach dem ARB 1/80 zukommenden Beschäftigungs- und Aufenthaltsrechte de

Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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