TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/11 G313 2203813-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.04.2019
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Entscheidungsdatum

11.04.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §69 Abs2

Spruch

G313 2203813-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Bulgarien, vertreten durch RA Mag. TCHAKAROV, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.07.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und das Aufenthaltsverbot gemäß § 69 Abs. 2 FPG ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid der zuständigen Bundespolizeiedierektion (im Folgenden: BPD) vom 17.07.2013 wurde gegen den Beschwerdeführer (im Folgende: BF) ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von acht Jahren erlassen, welches in zweiter Instanz mit 29.06.2015 in Rechtskraft erwachsen ist.

2. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

3. Am 29.06.2015 hat der BF seine Beschwerde gegen das Aufnethaltsverbot wieer zurückgezogen, womit der angefochtene Bescheid vom 17.07.2013 in Rechtskraft erwachsen ist.

4. Der BF stellte am 16.01.2018 einen Antrag auf Aufhebung dieses Aufenthaltsverbotes.

5. Mit im Spruch angeführtem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden. BFA) vom 02.07.2018 wurde der Antrag des BF vom 16.01.2018 auf Aufhebung des gegen den BF erlassenen Aufenthaltsverbotes gemäß § 69 Abs. 2 FPG zurückgewiesen.

6. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, wobei die Aufhebung des gegen den BF erlassenen Aufnethaltsverbots beantragt wurde.

7. Am 20.08.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.

8. Mit E-Mail des BVwG vom 05.03.2019 wurde die zuständige Staatsanwalntschaft um Bekanntgabe des derzeitigen Verfahrensstandes zu einem bestimmten näher angeführten aus dem Akteninhalt ersichtlichen Strafverfahren und gegebenenfalls um Übermittlung von Unterlagen dazu ersucht.

9. Mit E-Mail des zuständigen Landesgerichts vom 12.03.2019 wurden dem BVwG die gekürte Protokolls- und Urteilsausfertigung, wonach es bezüglich des am 30.06.2017 gegen den BF erhobenen Verdachts, bestimmte Straftaten begangen zu haben, im August 2017 zu einem Freispruch gekommen ist.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Der BF wurde in Sofia geboren und ist Staatsangehöriger von Bulgarien.

1.2. Er war bereits von 1992 bis 1994 im Bundesgebiet und ist mit einem gültigen Reisepass sichtvermerkfrei mit einer Verpflichtungserklärung eingereist. Im Zeitraum von 16.04.1994 bis 17.11.1997 hielt sich der BF, ohne im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung zu sein, somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf, davon von 01.11.1996 bis 17.11.1997 ohne gültiges Reisedokument.

1.2.1. Am 21.11.1997 wurde gegen den BF ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen und in dessen Vollstreckung der BF am 24.12.1997 nach Bulgarien abgeschoben.

1.2.2. Ab 2004 war der BF nach anfänglicher Nebenwohnsitzmeldung abwechselnd mit Hauptwohnsitz oder obdachlos im Bundesgebiet gemeldet.

1.2.3. Dem BF wurde am 28.08.2007 unbefristet ein Aufenthaltstitel mit dem Aufenthaltszweck "Lichtbildausweis für EWR-Bürger" erteilt.

1.3. Der BF wurde im Bundesgebiet von inländischen Strafgerichten rechtskräftig strafrechtlich verurteilt, und zwar mit

* Urteil von März 2011 wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 5,00 EUR (450,00), im Nichteinbringungsfall 45 Tage Ersatzfreiheitstrafe, und mit

* Urteil von Mai 2013 wegen schweren und gewerbsmäßigen Diebstahls als Mitglied einer kriminellen Vereinigung und Fälschung unbarer Zahlungsmittel als Beitragstäter zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monate Freiheitsstrafe, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, wobei im Juni 2013 angeordnet wurde, den BF am 18.08.2013, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, aus der Freiheitsstrafe zu entlassen und im Juli 2016 die Freiheitsstrafe endgültig nachgesehen wurde. Am 16.08.2013 wurde der BF aus seiner Strafhaft bedingt entlassen.

1.4. Der BF hat im Bundesgebiet auch Verwaltungsübertretungen begangen, weswegen Verwaltungsstrafen gegen ihn verhängt wurden.

1.4.1. Mit Straferkenntnis vom 21.11.1997 wurde der BF wegen Verstößen gegen das damalige Fremdengesetz und Meldegesetz eine Geldstrafe von gesamt ATS 7.400,00 verhängt.

1.4.2. Im November 2005 wurde gegen den BF wegen Verstoßes gegen das Führerscheingesetz eine Geldstrafe von EUR 140,00, im Nichteinbringungsfall zwei Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, rechtskräftig bestraft.

1.4.3. Ebenfalls im Jahr 2005 wurde der BF wegen Verstößen gegen das Kraftfahrzeuggesetz und die Straßenverkehrsordnung mit insgesamt EUR 430,00, im Nichteinbringungsfall neun Tagen und zehn Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, rechtskräftig bestraft.

1.4.4. Im September 2006 erfolgte eine rechtskräftige Bestrafung des BF wegen Verstoßes gegen die Straßenverkehrsordnung in Zusammenhang mit Suchtgift zu EUR 581,00, im Nichteinbringungsfall acht Tagen Freiheitsstrafe.

1.5. Mit Bescheid der zuständigen Landespolizeidirektion vom 17.07.2013 wurde gegen den BF ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen und dem BF von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt. Dieser Bescheid ist mit Zurückziehung der Beschwerde dagegen am 29.06.2015 in Rechtskraft erwachsen.

1.6. Der BF reiste nach bedingter Haftentlassung am 16.08.2013 nicht aus, sondern ist weiterhin im Bundesgebiet verblieben. Ab 2014 war der BF obdachlos. Der BF hat ab diesem Zeitpunkt an unterschiedlichen Stellen einen Schlafplatz gefunden, war zum Zeitpunkt seiner behördlichen Einvernahme am 05.01.2016 im Besitz von EUR 50,00 und konnte seinen Lebensunterhalt durch den Verkaufserwerb auf Flohmärkten und durch Unterstützung seiner Geschwister finanzieren.

1.7. Der BF stellte am 22.06.2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Lichtbildausweises. Ihm wurde bereits am 28.07.2009 ein Lichtbildausweis ausgestellt, da er vom 22.09.2004 bis zu seiner amtlichen Abmeldung am 28.07.2009 durchgehend im Bundesgebiet niedergelassen war und seine aufrechte Meldung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) als Anmeldebescheinigung galt. Vom 01.06.2010 bis zu seiner neuerlichen Abmeldung am 30.01.2012 sowie vom 19.07.2012 bis zum 01.09.2015 war er erneut im Bundesgebiet gemeldet. Mangels Erfüllung der Voraussetzungen dafür konnte der BF jedoch keinen NAG- Daueraufenthaltstitel erwerben.

1.8. Der BF wurde von einem weiteren gegen ihn am 30.06.2017 erhobenen Verdacht, im Bundesgebiet bestimmte näher angeführte Straftaten begangen zu haben, im August 2017 vom zuständigen Strafgericht freigesprochen.

1.9. Nach einer Ausreiseaufforderung reiste der BF am 11.10.2017 aus dem Bundesgebiet aus.

1.10. Nach einer "Strafregisterbescheinigung" aus Bulgarien vom 09.11.2017 ist der BF in Bulgarien "nicht vorbestraft".

1.11. Der BF stellte am 16.01.2018 einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes. Dabei brachte der BF im Wesentlichen vor, seinen Lebensmittelpunkt in Österreich zu haben. Die Familie des BF - Mutter, Bruder und Schwester - halte sich im Bundesgebiet auf. Der BF möchte in Österreich erneut einer Beschäftigung nachgehen und werde bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit von seiner Familie finanziell unterstützt werden. Er habe seit seiner letzten strafrechtlichen Verurteilung sich zudem weder im Bundesgebiet noch in Bulgarien etwas zuschulden kommen lassen.

1.11.1. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 02.07.2018 wurde der Antrag des BF vom 16.01.2018 auf Aufhebung des gegen ihn mit Bescheid vom 17.07.2013 erlassenen Aufenthaltsverbots gemäß § 69 Abs. 2 FPG zurückgewiesen.

1.12. Der BF hat im Bundesgebiet familiäre Anknüpfungspunkte - seine Mutter, seinen Stiefvater, einen Bruder und eine Schwester. In Bulgarien lebt sein leiblicher Vater.

1.13. Der BF besuchte im Jahr 1994 nachweislich in Österreich den Polytechnischen Lehrgang, wobei er in der Schulbesuchsbestätigung von 1995 durchwegs positive Noten - auch in Deutsch aufwies. Er war im Zeitraum von 2009 bis 2014 teilweise geringfügig und teilweise gewerblich selbstständig erwerbstätig, bezog zwischendurch auch Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung und von 14.02.2015 bis 20.08.2017 und von 26.08.2017 bis 30.09.2017 Mindestsicherung. Seinen Lebensunterhalt konnte der BF während seiner Obdach- und Arbeitslosigkeit mit Verkaufserlösen auf Flohmärkten und mithilfe finanzieller Unterstützung durch seine Geschwister bestreiten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie des nunmehr dem BVwG vorliegenden Gerichtsakts.

2.2. Zur Person des BF und seiner individuellen Situation:

2.2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Dass der BF in Sofia geboren wurde, ergab sich aus einem Geburtsschein im Akt (AS 31).

2.2.2. Dass sich der BF bereits von 1992 bis 1996 in Österreich aufgehalten hat, ergab sich aus den diesbezüglichen von der Polizei niederschriftlich festgehaltenen glaubhaften Angaben der Mutter des BF, ebenso, wie die Tatsache, dass der BF nach vierjährigem Schulbesuch in Bulgarien im Jahr 1995 den Polytechnischen Lehrgang in Österreich abschließen konnte und in Österreich stets bei seiner Mutter wohnhaft war (AS 14).

Dass sich der BF im Zeitraum von 16.04.1994 bis 17.11.1997 ohne Aufenthaltsbewilligung und von 01.11.1996 bis 17.11.1997 ohne gültiges Reisedokument im Bundesgebiet aufgehalten hat, ergab sich aus einer fremdenpolizeilichen "Strafverhandlungsschrift" (AS 22).

Dass gegen den BF mit Straferkenntnis vom 21.11.1997 wegen Verstößen gegen das damalige Fremdengesetz und das Meldegesetz eine Geldstrafe von gesamt ATS 7.400,00 verhängt wurde, ergab sich aus diesbezüglichem Straferkenntnis im Akt (AS 23).

Dass sich der BF im Jahr 1997 unangemeldet bei seiner Mutter aufgehalten hat, wurde von dieser am 18.11.2017 gegenüber der Polizei zugegeben (AS 5).

Die Wohnsitzmeldungen des BF ab 2004 ergaben sich aus einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister. Der Aufenthaltsstatus des BF ergab sich aus einem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister und einer im Akt einliegenden Mitteilung der NAG-Behörde (AS 162). Dass der BF nach bedingter Haftentlassung im Jahr 2013 im Bundesgebiet geblieben ist, ab 2014 obdachlos war und ab diesem Zeitpunkt an unterschiedlichen Stellen einen Schlafplatz gefunden hat, zum Zeitpunkt seiner behördlichen Einvernahme am 05.01.2016 im Besitz von EUR 50,00 war und seinen Lebensunterhalt aus Verkaufserlösen auf Flohmärkten und durch Unterstützung seiner Geschwister finanzieren konnte, gab der BF glaubhaft im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 05.01.2016 an (AS 153).

2.2.3. Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen des BF - Mutter, Bruder und Schwester in Österreich, leiblicher Vater in Bulgarien - ergaben sich aus dem Akteninhalt.

2.2.4. Die Feststellungen zur strafrechtlichen Verurteilung des BF im Bundesgebiet ergaben sich aus einer Einsichtnahme in das österreichische Strafregister. Dass der BF am 16.08.2013 aus seiner Strafhaft bedingt entlassen wurde, war aus einer dem Verwaltungsakt einliegenden diesbezüglichen Verständigung von der zuständigen Justizanstalt ersichtlich 8AS 97).

Dass der BF vom gegen ihn am 30.06.2017 erhobenen Verdacht, in Österreich bestimmte Straftaten begangen zu haben, am August 2017 freigesprochen wurde, wurde dem BVwG mit E-Mail vom 12.03.2019 bekannt gegeben.

2.2.5. Die Feststellungen zu den Verwaltungsübertretungen und gegen den BF deswegen verhängten Verwaltungsstrafen ergaben sich aus dem Akteninhalt bzw. den diesbezüglichen unbestritten gebliebenen Feststellungen im Bescheid der zuständigen Landespolizeidirektion vom 17.07.2013, mit welchem gegen den BF ein achtjähriges Aufenthaltsverbot erlassen wurde (AS 99ff).

2.2.6. Dass der BF in Österreich im Jahr 1994 den Polytechnischen Lehrgang besucht und diesen 1995 durchwegs mit positiven Noten - auch in Deutsch - abschließen konnte, ergab sich aus der diesbezüglichen dem Verwaltungsakt einliegenden Schulbesuchsbestätigung von 1995.

2.2.7. Der Antrag des BF auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots (AS 201ff) samt beiliegender aus dem Bulgarischen übersetzten "Strafregisterbescheinigung" aus Bulgarien vom 09.11.2017, wonach der BF "nicht vorbestraft" ist (AS 204f), liegt dem gegenständlichen Verwaltungsakt ein.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht u. a. über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Z. 1) sowie über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG. (Z. 3).

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 2013/10 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 2013/33 i. d.F.

BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, (...) auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z. 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn.

1. 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchteil A):

3.1. Anzuwendendes Recht:

Gemäß § 125 Abs. 3 FPG gelten Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, als nach diesem Bundesgesetz erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer.

Gemäß § 125 Abs. 25 S. 2 leg. cit. bleiben vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2012 erlassene Aufenthaltsverbote bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig und können nach Ablauf des 31. Dezember 2013 gem. § 69 Abs. 2 und 3 in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012 aufgehoben werden oder außer Kraft treten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des BF auf Aufhebung des gegen den BF mit Bescheid vom 17.07.2013 erlassenen Aufenthaltsverbotes gemäß § 69 Abs. 2 FPG abgewiesen.

3.1.1. § 69 FPG lautet auszugsweise:

"§ 69. (1) Eine Ausweisung wird gegenstandslos, wenn der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung (§ 70) nachgekommen ist. § 27b gilt.

(2) Ein Aufenthaltsverbot ist auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

(...)."

Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG idgF lautet:

"§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden."

3.1.2. Ein Antrag nach § 69 Abs. 2 FPG 2005 idF FrÄG 2011 auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes kann nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auf die nach der Verhängung der Maßnahme eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Entscheidung über die Aufhebung einer solchen Maßnahme kann die Rechtmäßigkeit jenes Bescheides, mit dem diese Maßnahme erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden (VwGH 24.01.2012, 2011/18/0267; 12.03.2013, 2012/18/0228).

Ob die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbots geführt haben, weggefallen sind, ist nach den gemäß § 67 Abs. 1 maßgeblichen Ermessungskriterien zu prüfen. Hiebei hat eine Gesamtbetrachtung der seit der Verhängung eingetretenen Sachlage, also auch zusätzlicher belastender Umstände, zu erfolgen. Auf dieser Grundlage ist zu prüfen, ob von einem Aufenthalt des Betroffenen noch die seinerzeit für die Erlassung maßgeblichen Gefahren ausgehen. Ist dies zu verneinen, ist das Aufenthaltsverbot aufzuheben. Gegen diesen Fremden darf dann nur wegen eines anderen Sachverhalts neuerlich ein Aufenthaltsverbot verhängt werden (Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht, Manz Kommentar, § 69 III A1, S 1).

Bei der Beurteilung nach § 69 Abs. 2 FPG kommt es darauf an, ob aufgrund einer Änderung der für die Verhängung des Aufenthaltsverbots maßgebenden Umstände oder aufgrund einer maßgeblichen Änderung der Rechtslage davon ausgegangen werden kann, dass die seinerzeitige Annahme, der Aufenthalt des Fremden werde die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Interessen zuwiderlaufen, nicht mehr aufrechterhalten werden kann (VwGH 06.09.2012, Zl. 2012/18/0032).

3.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Mit Bescheid der zuständigen Landespolizeidirektion vom 17.07.2013 wurde gegen den BF ein achtjähriges Aufenthaltsverbot erlassen, wobei dieses im Wesentlichen auf die letzte rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung des BF von 2013 gestützt wurde.

Der strafrechtlichen Verurteilung vom 2013 lag, wie aus dem Strafrechtsurteil ersichtlich ist, zugrunde, dass der BF im Bundesgebiet mit mehreren Mittätern als Mitglied einer kriminellen Vereinigung gewerbsmäßig in wiederholten Angriffen mit dem Vorsatz, dass falsche unbare Zahlungsmittel im Rechtsverkehr wie echte verwendet werden, zur Herstellung falscher unbarer Zahlungsmittel beigetragen und im Anschluss daran zumindest unter Mitwirkung eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung mit dem Vorsatz, sich oder andere unrechtmäßig zu bereichern, zur Ausführung des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßigen Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung beigetragen hat.

Im Bescheid vom 17.07.2013 wurde festgestellt, dass weder seine (damalige) Erwerbstätigkeit samt (damals erworbenes) regelmäßiges Einkommen noch seine aufrechte Lebensgemeinschaft den BF von seinen in Bereicherungsabsicht begangenen strafbaren Handlungen abhalten konnten.

Fest steht, dass der BF nach seiner letzten strafrechtlichen Verurteilung im Jahr 2013 im Bundesgebiet nicht mehr strafrechtlich verurteilt wurde - auch nicht nach Ablauf seiner dreijährigen Probezeit nach bedingten Haftentlassung am 16.08.2013. Der BF hielt sich nach Haftentlassung weiterhin im Bundesgebiet auf - obdachlos an verschiedenen Schlafstellen ab 2014 - und konnte sich seinen Lebensunterhalt aus dem Verkaufserlös auf Flohmärkten und mithilfe finanzieller Unterstützung seiner Geschwister bestreiten. Von einem gegen den BF am 30.07.2017 erhobenen Verdacht, im Bundesgebiet weitere Straftaten begangen zu haben, wurde der BF im August 2017 vom zuständigen Strafgericht freigesprochen. Am 11.10.2017 erfolgte unter Abgabe eines Ausreiseauftrages die freiwillige Ausreise des BF nach Bulgarien. Zuletzt im Bundesgebiet war der BF als Untermieter bei seiner Mutter obdachlos gemeldet.

Der BF wurde auch in Bulgarien nicht mehr straffällig, was eine nach Ausreise de BF nach Bulgarien eingeholte Strafregisterbescheinigung aus Bulgarien beweist.

Die Tatsache, dass auf seine bedingte Strafhaftentlassung am 16.08.2013 bis zur Ausreise des BF am 11.10.2017 keine weitere strafrechtliche Verurteilung des BF im Bundesgebiet und nach Ausreise nachweislich auch keine strafrechtliche Verurteilung des BF in Bulgarien gefolgt ist, spricht für einen positiven Gesinnungswandel und eine positive Zukunftsprognose, zukünftig nicht mehr über illegale Machenschaften zu einem Einkommenserwerb zu gelangen, wofür auch sein im Zuge seines Antrages auf Behebung des Aufenthaltsverbotes vom 16.01.2018 glaubhaftes Vorbringen, wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen zu wollen und bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit von seinen im Bundesgebiet aufhältigen Geschwistern unterstützt werden zu können, spricht.

Da im gegenständlichen Fall die Gründe, die zur Erlassung des achtjährigen Aufenthaltsverbotes gegen den BF mit Bescheid vom 17.07.2013, rechtskräftig seit 29.06.2015, weggefallen sind, war spruchgemäß zu entscheiden und das aufrechte Aufenthaltsverbot ersatzlos zu beheben.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der Fassung bis 31.12.2013 unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstanziiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Es wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Es konnte daher die gegenständliche Entscheidung auf Grund der Aktenlage getroffen und von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

strafrechtliche Verurteilung, Wegfall der Gründe, Zukunftsprognose

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G313.2203813.1.00

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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